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Ask the Pro Judge #1
Interview mit Sheldon Menery
von Heiko Schmidt
14.09.2007

In meiner Funktion als Area Judge (die mittlerweile offizielle Bezeichnung für Level-2-Schiedsrichter) befinde ich mich am unteren Ende einer Rangleiter, die insgesamt fünf Stufen umfasst. Je höher ein Judge in dieser Hierarchie steigt, desto mehr ist er an der Arbeit der DCI beteiligt. Am Ende stehen die „Professional Judges“, die im Gegensatz zu allen vorherigen Stufen nicht getestet, sondern ausgesucht und ernannt werden. Hier (Link) lässt sich nachlesen, was von diesen Leuten erwartet wird: Erfahrung, Können, Hingabe an das Programm, ausgefeilte rhetorische und diplomatische Fähigkeiten und vieles mehr.

Insgesamt gibt es zur Zeit sechs Schiedsrichter, die diese höchste Stufe erreicht haben: Michael Guptil, Jaap Brouwer, Toby Elliott, Gijsbert Hoogendijk, Collin Jackson und Sheldon Menery. Sie haben gemeinsam, dass sie sich in besonderem Maße um unser aller Hobby kümmern und erheblich zu den Regeln der DCI beitragen und sie auch in der ganzen Welt repräsentieren.

Trotz der enormen Bedeutung dieser „Level 5“-Judges gibt es erstaunlich wenig Leute, die weder mit dieser Bezeichnung noch mit den oben genannten Namen etwas anfangen können. Das ist alleine schon deshalb schade, weil es sich auch außerhalb Magic bei ihnen um interessante und nette Persönlichkeiten handelt.

Deshalb habe ich mir vorgenommen, diese sechs Judges der deutschen Magic-Gemeinschaft mit Hilfe von Interviews näher zu bringen. Pro Person werde ich einen Artikel veröffentlichen, in dem derjenige mir Fragen zu seiner Persönlichkeit und zu Magic beantwortet. Dabei werden auch Fragen gestellt, die ihr, die PMTG-Leser, ausgesucht habt!
Beginnen werde ich mit Sheldon Menery, da dieser in Deutschland – nicht zuletzt seit dem Bracht-Vorfall – recht bekannt zu sein scheint.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Vergesst nicht, dass ihr mir jederzeit Regelfragen oder Fragen für die folgenden Interviews (an Judge@PlanetMTG.de) schicken könnt!

Als nächstes werde ich mich mit Toby Elliott unterhalten, der Fragen zu seiner Person und Magic im Allgemeinen, sowie den neuen DCI Strafrichtlinien im Speziellen beantworten wird.


Sheldon, zu Beginn möchte ich mich für deine Teilnahme an diesem Interview bedanken. Erzähl uns doch für den Anfang etwas von dir selbst. Wo lebst du, was arbeitest du, wie gestaltet sich dein Privatleben (Familie, Kinder, andere Hobbies neben Magic), und so weiter?

Zur Zeit lebe ich in Tampa, Florida, zusammen mit meiner traumhaft schönen Frau Gretchen, von der du bereits gehört hast, dass ich sie als “Raketen-Wissenschaftlerin” bezeichne, da sie tatsächlich eine Luft- und Raumfahrtingenieurin ist. 2004 zog ich mich von der Arbeit bei der US Air Force zurück. Seitdem bin ich Hausmann, bin Teilhaber eines Gourmet- und Wein-Geschäfts, verbringe Zeit als unabhängiger Wein-Berater und schreibe eine Fantasy-Geschichte namens “Zolan's Scar”, die ich bis Ende des Jahres fertig gestellt haben sollte.

An Hobbies habe ich eine Rollenspiel-Kampagne (www.fourkingdoms.net), die 2007 ihren 10ten Geburtstag feiert und schon auf der ganzen Welt sowohl privat als auch bei Conventions gespielt wurde. Ich war ein begeisterter Gewichtheber bis eine Reihe von Schulter-Verletzungen mich davon abhielt. Ich liebe Golf, spiele aber bei weitem nicht so oft, wie ich es gerne hätte. Außerdem bin ich ein großer Fan gewisser Musikrichtungen, vor allem Klassik (Wagner und Mozart), Prog Rock (Yes, Rush, ELP) und Heavy Metal (Metallica, Dream Theater, Queensryche).

Unser größtes gemeinsames Hobby sind Essen und Wein. Ich liebe es zu kochen (wobei ich zugeben muss, nur der zweitbeste Koch im Haus zu sein) und in interessanten Restaurants zu essen. Wenn wir von Essen reden, meinen wir meistens Italienisch und meine Frau ist mittlerweile so weit, zu kochen als wäre sie aus der Toskana. Mein Weinkeller umfasst etwa 600 Flaschen, davon etwa 56% Französisch, 17% Australisch, 13% amerikanisch und 11% italienisch. Leider muss ich zugeben, keine deutschen Weine im Keller zu haben, wobei wir uns gelegentlich eine Flasche trockenen Riesling zulegen. Andere deutsche Weine sind mir allerdings zu süß.

Mit Magic begann ich beinahe direkt nach seinem Erscheinen, weil ich 1993 die GenCon besuchte. Als ich 1994 nach Belgien zog, nahm ich es dann mit mir. Beim ersten Grand Prix in Amsterdam 1996 oder 97 wurde ich Schiedsrichter. Level 3 erreichte ich 1998 (GP Antwerpen), Level 4 2004 (Pro Tour San Diego) und Level 5 2005 (PT Atlanta). Dadurch dass ich von 1994 bis 2000 in Europa gelebt habe, lernte ich einige der europäischen Spieler kennen. Ich erinnere mich an eine Zeit, als Kai noch nicht der beste Spieler in Köln war (das war ein gewisser Thomas Esser). Ich glaube mein Lieblingsspieler aller Zeiten ist Stephan Valkyser.


Kannst du näher erklären, wie du mit Magic in Kontakt kamst?

Meine Ex-Frau Lisa und ich besuchten die GenCon in Milwaukee. Ich hatte viel mit der RPGA zu tun. Genau genommen war ich Spielleiter für zehn der 13 Slots in diesem Jahr, eine unglaubliche Menge. Zu einem Zeitpunkt als ich Pause hatte und der Händlerraum geöffnet war, schauten wir uns etwas um. Um den Wizards of the Coast Stand sammelte sich ein Haufen Leute. Ich kannte WotC als Rollenspiel-Firma, weshalb ich etwas genauer nachschaute und Leute sah, die dieses Kartenspiel spielten. Die Bilder waren toll, weshalb wir uns einen Starter und einen Booster kauften und weiter gingen. Sie öffnete den ersten Booster und die erste Karte die sie sah, war ein Time Walk. Wir waren mit zwei Freunden gefahren und auf der Rückfahrt spielten Lisa und einer davon und hatten viel Spaß. Ich selbst habe erst etwa einen Monat später zu Spielen begonnen. Schon das erste Spiel begeisterte mich. Veteran Bodyguard war mein Favorit.


Wie fühlte es sich an, etwas so völlig neues 1993 zu erfahren?

Atemberaubend. Man merkte, dass das Spiel etwas Besonderes ist. Es dauerte etwa zwei Monate bis alle unsere Rollenspiel-Freunde spielten und sammelten.


Wie waren deine Erfahrungen in den ersten Jahren als Spieler?

Ich wurde ein recht guter Spieler. Kurz nachdem ich das Spiel entdeckt hatte, war ich nach Belgien gezogen. Dort stiftete ich ein paar Freunde von der Arbeit an und so kam es, dass wir gemeinsam zu Veranstaltungen gingen. Ich nahm an insgesamt fünf Belgischen Meisterschaften. Mein bestes Ergebnis war elfter.


Wie kamst du zum Schiedsrichtern?

Ich besuchte den ersten Grand Prix in Amsterdam. An Tag 1 spielte ich 3-2-1, was nicht für den nächsten Tag genügte. Ich war auf der Suche nach einer Beschäftigung für den Sonntag, als jemand vom DCI-Stand auf mich zu kam und fragte, wie gut ich mich mit den Regeln auskenne. Meine Antwort war „ziemlich gut“, woraufhin er mich fragte, ob ich Judge werden wolle. Da ich sowieso schon der Anführer meiner lokalen Magic-Gemeinschaft war, erschien das wie geschaffen. Ich machte den schriftlichen Test und war gut genug, um Level 2 zu werden (so war das damals – und es fehlten mir nur zwei Punkte zu Level 3!). Sobald ich den Test bestanden hatte, sollte ich mich um ein Grand Melee kümmern, was mir sehr viel Spaß bereitete. Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt.


Lass uns etwas genauer über diese Geschichte reden: nachdem du Judge geworden warst, wie hast du dich den ganzen Weg bis zum Professional Judge entwickelt? Und was sind deine Aufgaben und Beschäftigung als Level 5?

Meine Entwicklung bis fast ganz nach oben geschah ohne irgendeine Art von Lehrer – ein sehr seltener Fall im Judge-Programm. Sicherlich hatte ich eine gewisse Menge von Befürwortern, Leute, die positiv von mir gesprochen haben. Meine Entwicklung war allerdings zum großen Teil selbst beigebracht und selbst korrigiert. Glaub mir, ich habe meine Fehler gemacht und vermutlich mehr daraus gelernt als aus meinen Erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass ich bereits über 30 war, als ich Schiedsrichter wurde und als Air Force NCO bereits alle Führungsqualitäten erlernt hatte, die für diesen Job nötig waren. Was ich wirklich lernen musste, waren die Regeln, die Aufsicht über Turniere und wie man mit schwierigen Situationen umgeht.

Als L2 war ich bei PTQs und lokalen Turnieren in Belgien, hauptsächlich Brüssel und Antwerpen, sowie im südlichen Teil der Niederlande tätig. Ohne DCI Reporter mit über 100 Leuten, die vier verschiedene Sprachen sprechen, Turniere zu veranstalten, brachte mir einiges recht schnell bei. Beim Stronghold Prerelease wurde die europäische Abteilung auf mich aufmerksam und es dauerte nicht lange, bis ich zu den meisten Premier Events in der Region ging. Meine erste Pro Tour war 1997 in Mainz. Zu diesem Zeitpunkt lernte ich bereits neue Schiedsrichter an und hatte eine gute lokale Gemeinschaft entwickelt. Das wurde beim GP Antwerpen mit meiner Beförderung zu Level 3 belohnt.

Als ich Belgien 2000 verließ um nach Alaska zu ziehen, übernahm ich erneut die Aufgabe, eine kleine Community zu erstellen. Die Szene in Alaska war gestorben und Scott Larabee, zu diesem Zeitpunkt der nordamerikanische Organized Play Manager, bat mich darum, der Veranstalter für Premier Events in dieser Gegend zu werden. Diese Aufgabe nahm ich gerne an. Ich kümmerte mich sowohl um Spieler als auch Judges und innerhalb eines Jahres konnte man sichtbare Fortschritte erkennen. Ich hatte genug Judges rekrutiert, um selbst wieder regelmäßig spielen zu können und mein Constructed ging FNM für FNM wieder Richtung 1800.

Zu diesem Zeitpunkt wurde ich auch zum ersten Mal international erkennbar. Im July 2000 begann ich „Ask the Judge“ für Star City Games zu schreiben, was recht schnell ein recht großer Erfolg wurde. Ich wurde zu immer mehr PTs eingeladen und man erkannte mich als einen der großen Magic Rules Gurus. Als ich 2003 Alaska verließ um nach Virginia zu ziehen, war ich einer der erfahrensten L3 der Welt (zu einem Zeitpunkt, als es eigentlich nur vier Level gab). In diesen drei Jahren habe ich wahrscheinlich die größte Entwicklung durchgemacht. Ich war an einem Punkt angelangt an dem ich erkannte, dass diese Arbeit in der Öffentlichkeit und die Bekanntheit auch mit einer großen Verantwortung verbunden waren. Diese Erkenntnis – dass es um mehr als nur um mich ging – war der Durchbruch.

Im Mai 2004, bei der PT San Diego, wurde ich eingeladen, den Level-4-Judges beizutreten, eine große Ehre. Es bestätigte mir, dass ich Verantwortung und nicht nur einen Titel hatte. Diese Verantwortung nahm ich sehr ernst. Wie für dieses Level angemessen beteiligte ich mich an grundlegenden Diskussionen und an der Planung der Zukunft des Judge-Programms – das im September des gleichen Jahres eine Änderung erfuhr.

Wir hatten erkannt, dass wir aus den Stufen, wie sie ursprünglich vorgesehen waren, einen größeren Nutzen ziehen konnten und entschieden uns daher dazu, das lange nutzlose fünfte Level zu benutzen. Vier herausragende L4-Schiedsrichter – Mike Guptil, Rune Horvik, Collin Jackson und Gis Hoogendijk – wurden direkt zu Level 5 ernannt, mit dem Versprechen, dass Jaap Brouwer und ich folgen würden, nachdem wir unsere erste Pro Tour als Head Judge geführt hatten. Das tat ich im März 2005.

Seitdem habe ich aktiv die Rolle als globaler Leiter des Judge-Programms übernommen. Zu meinen Aufgaben zählt es unter anderem, grundlegende Entscheidungen im Rahmen der DCI zu treffen, die Auswahl der Mitarbeiter für PTs und GPs (für GPs hauptsächlich den Head Judge) zu treffen und ein Ansprechpartner für alle Judge-relevanten Angelegenheiten zu sein. Für mich ist vor allem die Verantwortung wichtig, dafür zu sorgen, dass über 2.000 Schiedsrichter weltweit das Training, die Mittel und die Möglichkeiten bekommen, dass tun zu können, was sie tun müssen. Ich möchte, dass Judges in der ganzen Welt wissen, dass ich dafür da bin, mich für ihre Interessen einzusetzen und dass ich nicht still sitzen werde, wenn etwas – irgendetwas – das verhindern würde, was sie gerne tun: Magic-Turniere zu schiedsrichtern. Das gilt sowohl für lokale Schiedsrichter als auch für meine Level-5-Kollegen.

Ich würde sagen, dass ich während meiner Entwicklung als Schiedsrichter vor allem gelernt habe, dass Menschen der Schlüssel zu allem sind. Meine Fähigkeiten im Umgang mit anderen zu verbessern, war der entscheidende Faktor um dort anzukommen, wo ich heute bin. Für mich ist es besonders wichtig, dass Leute im Programm wissen, dass ich ihnen zur Verfügung stehe und dass ich nicht nur als Hintermann irgendwo in meinem Elfenbeinturm sitze. Bei Pro Touren bin ich immer sehr viel gefragt, jedoch nehme ich mir immer die Zeit, mit Leuten zu reden, die etwas auf dem Herzen haben – oder sich einfach mit mir unterhalten möchten. Immerhin bin ich in dieser Position um Leuten zu helfen, die mit mir reden wollen. Mich für sie unerreichbar zu machen, fände ich unsinnig.

Obwohl ich erwähnt habe, dass ich keinen direkten Mentor hatte, gibt es eine Person, ohne deren Einfluss ich nicht da wäre, wo ich heute bin – Judge Coordinator Andy Heckt. Ich habe einiges gelernt, indem ich andere Schiedsrichter bei der Arbeit beobachtet habe (sowohl in dem, was man machen, als auch nicht machen sollte), Andy war es aber, der an mich glaubte, als es so aussah, als sei ich an meine Grenze im Programm gestoßen. Er zeigte mir eine Möglichkeit weiterzumachen und ich nahm die Chance war. Es gibt niemanden in der Gemeinschaft, dem ich so dankbar bin.


Wie denkst du über die gegenwärtige Situation von Magic – vor allem die Turnierszene und das Judge-Programm?

Sie ist so gut wie je zuvor. Magic ist ein robustes und gesundes Spiel und wird auch in der vorhersehbaren Zukunft so bleiben.


Glaubst du, dass angebotene Turniere – von FNMs bis zur Pro Tour – angenehm für die Spieler sind?

Das sind sie von Natur aus – von der freundlichen Atmosphäre der FNMs bis zu den Annehmlichkeiten der Pro Tour (wie die PT Lounge) haben wir ein Angebot geschaffen, das die Spieler wahrnehmen wollen.


Gibt es etwas, das du (sowohl du persönlich, als auch die DCI) gerne verbessern möchtest?

Ehrlich gesagt gibt es keinen großen Unterschied zwischen meiner persönlichen Meinung und der DCI im Allgemeinen, da ich das Glück habe, Entscheidungen über Veränderungen zu leiten. Toby Elliotts Überarbeitung der Strafrichtlinien war eine Sache, die wir kürzlich erledigt haben. Momentan arbeiten wir daran, die Allgemeinen Turnierregeln zu aktualisieren.


Bist du mit der Qualität der zur Zeit verfügbaren Judges zufrieden? Wie sollte oder wird sich das Judge-Programm deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln? Ich habe zum Beispiel gehört, dass du davon gesprochen hast, dass es mehr International Judges (Level 4) geben könnte.

Ich habe die Ehre, über 2.000 Schiedsrichter weltweit zu leiten, die bemerkenswert und vor allem bemerkenswert fähig sind. Die Qualität des Schiedsrichterns heutzutage ist großartig. Die Anforderungen jedes Levels haben sich geändert – die Messlatte wurde absichtlich erhöht. Wenn ein Programm wächst, benötigt man immer mehr Leute. Die meisten Area Judges (von denen ich glaube, dass sie die wahre Grundlage der Gemeinschaft sind) haben die Fähigkeiten, die wir 1999 noch von L3-Schiedsrichtern verlangt haben. Während es damals nur eine handvoll Regel-Experten gab, findet man diese heutzutage überall.

Nach einer Reihe von Umwälzungen und Eingewöhnungsphasen, befinden wir uns heute in einer großartigen Situation. Die meisten Schiedsrichter haben mittlerweile ihren Platz im Programm gefunden. Wir finden heraus, was gute Leute wollen, was sie können und was sie von uns erwarten – und wir helfen ihnen dabei, das zu erreichen. Wie ich bereits gesagt habe ist das ein wichtiger Teil meines Jobs und ich habe viel Spaß daran.

Es ist durchaus Platz für mehr L4s, vielleicht zwei oder drei. Wir werden uns anschauen, wie sich das im weiteren Verlauf des Jahres entwickelt. Dabei möchte ich mich um Erwartungen im Programm kümmern. Es sollte für Schiedsrichter möglich sein, erwarten zu können, dass sie Level 2 in ihrer Karriere erreichen. Level 3 ist schwieriger und anspruchsvoller, sowohl in den verlangten Fähigkeiten als auch der Hingabe, weswegen wir nicht von jedem erwarten, dass er diese Stufe erreicht. Außerdem ist es nicht unbedingt eine Weiterentwicklung von L2 – der Verlauf ist definitiv nicht geradlinig. Der beste Area Judge der Welt zu sein, ist nicht notwendigerweise eine Qualifikation zum Regional Judge. Es werden neue Fähigkeiten benötigt und die Herangehensweise ändert sich. Level 4 ist eine herausragende Leistung und wie gesagt keine einfache Weiterentwicklung vom dritten Level. Das gleiche gilt für die letzte Stufe noch extremer. Bedenke dabei, dass etwa einer von tausend, die jemals als Schiedsrichter ausgebildet wurden, es zum Professional Judge geschafft haben.


Erfahrungsgemäß gibt es einige Leute, die nicht der Meinung sind, dass es Magic momentan gut geht. Sie glauben, dass Cheater überall sind und Judges nicht wirklich etwas gegen sie tun können. Sie sind außerdem der Meinung, dass die neuen Strafrichtlinien und die Existenz von Schiedsrichtern mit „niedrigem Level“ bei Turnieren wie PTQs dazu beitragen, weil es „kaum eine Strafe für's Cheaten gibt, selbst wenn man erwischt wird.“ Wie denkst du darüber?

Naja, erstmal sollte man „einige“ definieren, und wenn man das versucht, wird man wohl bemerken, dass es nicht wirklich Menge, sondern nur Lärm ist. Sicherlich gibt es andere Meinungen, aber Cheater sind sicherlich nicht überall. Frag doch mal die sieben Spieler, die beim GP Richmond disqualifiziert wurden. Oder die acht DQten bei der WM. Wir tun nichts, was Betrug unterstützt. Sie bekommen von uns lediglich das Seil, mit dem sie sich quasi selbst erhängen. Mein Standpunkt dazu lautet: „Hindere jemanden am Betrügen und er wird es bei diesem Turnier nicht tun; erwische jemanden beim Betrügen und er wird es ein Jahr oder länger nicht mehr versuchen.“

Bei PTs veranstalten wir Seminare für Schiedsrichter, die ihnen dabei helfen sollen, fortgeschrittene Maßnahmen gegen Betrug zu erlenen und diese bei ihren lokalen Turnieren anzuwenden. Das Training innerhalb des Judge-Programms ist wichtig und sicherlich eines der Gebiete, auf das wir uns konzentrieren.

Außerdem können die Spieler selbst eine große Hilfe gegen Cheater sein. Kennst du diesen verdächtigen Spieler in deiner Umgebung? Hör auf, dich mit ihm abzugeben. Solche Leute aktiv zu meiden, ist eine gute Methode, sie vom Spielen abzuhalten. Und ich meine wirklich „aktiv“. Versammle deine Freunde und sag dieser Person: „Wir glauben, dass du verdächtig bist und wir wollen mit dir nichts zu tun haben.“ Jemanden von der Gemeinschaft auszuschließen, sollte ein eindeutiger Hinweis sein. Lass dich nicht auf ein Gespräch mit ihm ein, lass ihn nicht bei euch mitdraften. Lass dich überhaupt nicht mit ihm ein. Wenn du das tust, wird das Judge-Programm den Rest erledigen.


Die PlanetMTG-Leser haben mir ein paar Fragen für dich geschickt:

- Was war die lustigste Situation, die du je als Schiedsrichter erlebt hast?

Das war beim zweiten GP Amsterdam, also Ende der 90er. Da ich ein wenig Französisch spreche, wurde ich als Table Judge für ein Feature Match zwischen Michael Debarre und Laurent Pagorek, zwei Franzosen, eingeteilt. Es war ein wichtiges Spiel und rundherum versammelten sich Zuschauer.Michael sprach fließend Englisch (sogar fast ohne Akzent), Laurent fast gar nicht. Michael war ein recht professioneller Spieler zu diesem Zeitpunkt, weshalb er es gewöhnt war, mit seinem Gegner Englisch zu sprechen. An einer Stelle sagte Michael etwas zu Laurent in Englisch und Laurent sah mich an und fragte in Französisch: “Was hat er gesagt?”. Ich übersetzte es ihm und er antwortete Michael in Französisch. Michael drehte sich zu mir und sagte (in Englisch): “Was hat er gesagt?”. Die Menge brüllte vor Lachen.

- Was war die interessanteste Situation, die du je als Schiedsrichter erlebt hast?

Nun, bei der PT Genf gab es zwei Spieler, die um die Wette rannten um zu entscheiden, wer anfangen darf, anstatt einen Würfel zu benutzen. Unglücklicherweise rannten sie in den Vorhang hinter der Bühne. Sie hätten sich oder andere Leute ernsthaft verletzen können. Nicht nur da hatten sie Glück, sondern auch damit, dass der HJ sie nicht disqualifiziert hat.

Die interessanteste und gewiss berühmteste Situation, an der ich beteiligt war, war der Vorfall zwischen Mori und Karsten im Finale der WM 2005. Details dazu findest du im Archiv der Online-Berichterstattung [Link]. Als HJ war ich mit der Tatsache konfrontiert, dass beide Spieler sowie der Judge am Tisch nicht bemerkt hatten, dass die ausgelöste Fähigkeit von Yosei keineswegs eine Kombo mit einer Seedborn Museim Spiel ist.

- Welches ist das interessanteste Deck, das du je gesehen hast?

Beim interessantesten bin ich mir nicht sicher, aber das langweiligste beinhaltet in der Regel Psychatog und viele blaue Karten.

Ich finde es erwähnenswert, dass mein Freund Adam Stanley einmal Top 8 bei einem PTQ gemacht hat mit Security Detail als einziger Gewinnoption (und ich bin mir sicher, dass der Großteil deiner Leser diese Karte erst nachschlagen muss).

- Spielst du überhaupt noch? Wenn ja auf welchem Niveau?

Ich habe früher an PTQs und Nationals teilgenommen, momentan spiele ich jedoch nur zum Spaß (wobei ich die 10te so interessant finde, dass ich mir das noch mal überlegen möchte). Das einzige Format, das ich momentan spiele ist Elder Dragon Highlander. EDH ist das beste Format aller Zeiten!

- Es kostet doch bestimmt eine Menge Zeit und Geld, Level 5 zu werden und zu bleiben, oder?

Zeit ja, Geld aber nicht. Als professioneller Schiedsrichter werde ich für meine Zeit tatsächlich recht gut bezahlt.

- Wie denkt deine Familie, vor allem deine Frau, über deine Aktivität als Schiedsrichter?

Meine Frau unterstützt mich sehr bei allem, was mit Magic zu tun hat (bei all meinen Hobbies, eigentlich). Sie ist kein Freund von Strategiespielen, weshalb sie selbst nicht spielt. Ich hatte allerdings eine Gruppe, die sich meist sonntags traf und jedes Mal bereitete sie Essen für uns. Sie versteht Magic-Spieler definitiv. Immerhin ist sie Ingenieurin.

- Achtest du auch noch auf deine lokale Gemeinschaft? Ich stelle mir vor, dass die recht schnell aus den Augen verloren geht, wenn man international so aktiv ist.

Da ich gerade erst hierher umgezogen bin, bin ich momentan natürlich nicht so sehr in meine lokale Gemeinschaft involviert wie zuvor. Es ist wichtig für hochrangige Schiedsrichter, lokal aktiv zu bleiben, sozusagen um auf dem Boden zu bleiben und um nicht den Kontakt mit den Wurzeln des Spiels zu verlieren. Jetzt da der Sommer zu Ende geht, werde ich vermutlich das ein oder andere FNM besuchen und ein wenig Standard spielen (wie gesagt, die 10te ist großartig!)

- Was glaubst du ist der Grund dafür, dass so wenige Frauen Magic spielen?

Männliche und weibliche Magic-Spieler denken auf die gleiche Weise, allerdings kommt diese Denkweise bei Männern viel öfter vor. Ich hatte die Ehre, einige der besten Spielerinnen aller Zeiten persönlich zu kennen, wie Kate Stavola oder die einzigartige Michelle Bush – wirklich erbitterte Konkurrentinnen. Obwohl das eine starke Verallgemeinerung ist, mögen Frauen eher den sozialen Aspekt des Spiels, während Männern den Wettbewerb bevorzugen. Dazu kommt, dass in dem Alter der meisten Magic-Spieler (etwa 17 bis 25) Frauen lieber gemeinsamen Aktivitäten nachgehen, während Männer eher Einzelgänger sind – wiederumg eine starke Verallgemeinerung. Glaub mir, es gibt auf der ganzen Welt Frauen, die bei FNMs oder in privaten Runden erfolgreich sind.


Kannst du uns etwas mehr über EDH erzählen?

Elder Dragon Highlander ist ein Multiplayer-Format, das in Anchorage, Alaska, vom einzigartigen Adam Stanley erschaffen wurde (den ich schon einmal erwähnt habe, weil er mit einem Security Detail-Deck Top 8 geschafft hat). Es geht darum, eine legendäre Kreatur als General zu wählen und nur Karten der Farbe(n) des Generals im Deck zu spielen. Mein General ist zum Beispiel Phelddagrif, weshalb ich nur Karten mit weißen, blauen oder grünen Manasymbolen spielen darf. Das Deck muss 100 Karten enthalten (inklusive dem General), wovon jede nur einmal gespielt werden darf. Jeder beginnt das Spiel mit 40 Lebenspunkten.

Die beiden anderen grundlegenden Regeln sind: Wenn ein General im Lauf des Spiels dir 21 Schaden zufügt, verlierst du das Spiel, unabhängig von deinen Lebenspunkten. Außerdem sind alle Generäle zu Beginn aus dem Spiel entfernt und du kannst sie jederzeit von dort spielen. Wenn dein General in den Friedhof gehen würde, kannst du ihn wieder aus dem Spiel entfernen und erneut spielen, allerdings für zwei zusätzliche Mana jedes Mal. Wenn du ihn also zum Beispiel das fünfte Mal in einem Spiel spielst, kostet er dich acht zusätzliche Mana.

Was mir besonders an dem Format gefällt ist, dass es selten zweimal das gleiche Spiel gibt und die Effekte groß und aufregend sind. Es wird allgemein angenommen, dass es besser ist, etwas Interessantes zu machen anstatt zu gewinnen. Eine meiner liebsten Geschichten entstand bei einer Pro Tour, als jemand Stroke of Genius für zehn oder elf auf sich selbst spielte und der kanadische Schiedsrichter Duncan McGregor (der ein Vedalken Orrery im Spiel hatte), darauf spontan mit Chains of Mephistopheles reagierte. Solch chaotische Spielzüge machen den Spaß an diesem Spiel aus.

Mittlerweile habe ich einige Decks: Phelddagrif, Darigaaz, Merieke, Marrow-Gnawer, Vorosh (mein rein italienisches Deck), Garza, Zol, Arcades Sabboth und ein paar mehr. Die meisten davon sind komplett in foil, was das Deckbauen noch etwas erschwert – wie gesagt geht es um „Coolness“, nicht „Brokenness“

Das Format ist bei PT-Schiedsrichtern sehr beliebt. Am Sonntagabend nach der PT San Diego habe ich über 20 gezählt, die im Hotel EDH gezockt haben.

Zur Zeit habe ich keine lokale Gruppe, ich werde aber gewiss eine neue lokale EDH-Szene aufbauen. Für mich ist es das beste Spaß-Format aller Zeiten.


Gibt es sonst noch etwas, was du gerne hinzufügen möchtest?

Ich fühle mich als sei ich der glücklichste Mensch aller Zeiten. Zusätzlich zu anderen Dingen in meinem Leben, hat Magic mir die wunderbare Chance gegeben, solche Dinge zu tun, die sich andere Menschen nie vorstellen können. Ich habe den ganzen Planeten bereist und einige der besten Leute getroffen, die diese Welt zu bieten hat. Ich kann mir nicht vorstellen, wie mein Leben ohne dieses Spiel, dass wir alle so lieben, aussehen würde. Es hat mich definitiv zu einem besseren Menschen gemacht. Und ich bin dankbar für die Gelegenheit, einen Teil meiner Geschichte erzählen zu können.


PlanetMTG.de hat Sheldon schon einmal interviewt, nach der Disqualifikation von Max Bracht. Diesen Artikel findet ihr hier (Link).


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Insbesondere Feedback, ob die deutsche Fassung sinnvoll und auch in Zukunft erwünscht ist, wäre hilfreich.

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