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Vergiften, Verbrennen und … mehr
von Tobias Henke
18.05.2011

Heute halten wir es ganz klassisch und falten den Grabbeltisch zur heiligen Dreieinigkeit: Auf dem Programm steht einmal Limited, einmal Constructed und dann noch eine Kleinigkeit abseits vom eigentlichen Spiel.


Into White

Während des einen oder anderen Draftmarathons konnte ich in letzter Zeit doch recht viel Erfahrung mit dem neuen Limitedformat sammeln. Eine Sache, die ich dabei insbesondere untersucht wissen wollte, war natürlich die Möglich- oder Unmöglichkeit, ein anständiges Infectdeck zu draften.


Vorweg: Es geht. Es geht nur nicht mehr so gut und so einfach wie früher. Sich schnell in Grün und Schwarz einzunisten und aus den folgenden Packs jeweils schlicht die stärkste Karte einzusammeln, wird selten funktionieren. Ich habe bisher überhaupt erst ein konkurrenzfähiges Infectdeck gesehen, das schwarz-grün bleiben konnte. Was sich in dieser Farbkombination allerdings recht gut unterbringen lässt, das ist ein kleiner bis mittelgroßer Splash. Vorzugsweise Blau, weil Viral Drake und Chained Throatseeker länger auf ihren Einsatz warten können als Fallen Ferromancer und Razor Swine. Selbst Blighted Agent – der sieht zwar so aus, als ob er von Rechts wegen ein fürchterlicher Splash sein müsste, gibt aber auch im Lategame noch eine erstaunlich gute Figur ab. Da muss man gar nicht erst Untamed Might oder irgendwelches Equipment bemühen, um zu sehen, dass er dem gesplashten Ogre Menial meilenweit überlegen ist.


Ogre Menial wiederum taucht seinerseits zwar im entsprechenden RGB-Farbspektrum auf, aber solche Decks erinnern dann eher an den Dinosaurierarchetyp als an Infect. Das Dinodeck griff bereits in der Vergangenheit des Öfteren auf Blightwidow und Rot Wolf zurück, mitunter sogar auf Cystbearer. In erster Linie waren sie dort natürlich als überqualifizierte Defensive eingeplant, doch manchmal war Angriff eben die beste Verteidigung. Zog man besonders viele Infecter, konnte man den Gegner zumindest schon mal nah an den Rand des Gifttodes bringen, beispielsweise um einen vorteilhafteren oder überhaupt einen Abtausch zu erzwingen. An dieser Stelle setzt man nun an und geht einfach noch einen Schritt weiter.

Egal ob mit Rot oder Blau, das Ergebnis ist in jedem Fall farblich, in der Manakurve und gegebenenfalls auch in der Strategie ein Kompromiss. Die Decks werden klobiger, kontrollorientierter, setzen mehr auf Removal und auf starke anstelle von schnellen Drops.

Bei den Farben heißt es allerdings, Nummer 5 lebt! „The great white hope“ ist Weiß. Das taugt tatsächlich zur Hauptfarbe für ein relativ klassisches Infectdeck. Dass Weiß dabei in New Phyrexia sogar weniger Infecter hat als Blau oder Rot, braucht einen nicht groß zu stören. Der Unterschied beläuft sich lediglich auf eine Uncommon und die sind in New Phyrexia ohnehin sehr selten. Eine beliebige Uncommon findet sich bloß in jedem zwanzigsten Booster. Wesentlich relevanter sind da die beiden Infect-Commons in Mirrodin Besieged.


In Scars of Mirrodin geht Weiß aber leer aus und das bedeutet, dass man sich dort nach alternativen Beiträgen für sein Deck umsehen muss. Selbstverständlich schnappt man sich artefaktene Infecter, solche aus der Zweitfarbe (Schwarz oder Grün) und möglicherweise aus der Splashfarbe (Grün oder Schwarz). Doch ein beträchtlicher Teil der Scars-Picks wird auf reine Hilfskräfte entfallen. Und wie es der Zufall so will, gibt es hier eine ganze Menge an Karten – weiße und andere, deren Wertigkeit sich im Kontext eines weißen Infectdecks radikal verändert.

Ganz oben auf der Liste steht Seize the Initiative. Bislang gehörte die Karte routinemäßig zu den letzten Picks im Booster. Jetzt … nun, jetzt gerade tut sie das immer noch und man kann immens davon profitieren, sie spät aufzusammeln. Erstschlag erlaubt Infectern, in Blocker zu rennen, die selbst mit +2/+2 sonst tödlich wären, ganz zu schweigen vom Kampf Infect gegen Infect, wo normalerweise in unverhohlener Missachtung sämtlicher Pumpspells gestorben wird.


Die Hälfte der weißen Infecter fliegt eh und ganz so schnell, dass man sich über Fulgent Distraction ernsthaft Gedanken machen müsste, werden die Decks dann doch eher nicht. Wenn man aber einmal etwas Passendes gedraftet hat, dürfte man auch bei dieser Karte keine Schwierigkeiten haben, eine abzubekommen.

Bereits etwas weniger offensichtlich ist die Aufwertung von Abuna Acolyte. Alles, was den Kreaturenkampf beeinflusst, ist in Infectdecks grundsätzlich interessanter als anderswo und mit Ichorclaw Myr, Corpse Cur, Necropede gibt es sogar ein paar solide Artefaktkreaturen. Spannender ist allerdings die Frage, wie man mit entschieden unsoliden Karten gewinnt: Aus Phyrexian Digester zum Beispiel bastelt der Acolyte einen äußerst passablen Cystbearer-Ersatz und Pestilent Souleater macht er zur echten Maschine.


Apropos. Wie viele Artefaktkreaturen man benötigt, um Tempered Steel zu spielen, weiß ich leider nicht. Razor Hippogriff hingegen schafft es üblicherweise bereits mit einer Handvoll in meine Decks, vorzugsweise inklusive Corpse Cur. Im ständigen Kampf um ausreichend Infecter könnte selbst Salvage Scout eine Rolle spielen.

Und dann gibt es noch Accorder's Shield. Dieses Equipment hat bereits vor Ewigkeiten die Gunst der Infectspieler verloren und das zu Recht. Anders als bei Viridian Claw oder Copper Carapace lohnte es nie, seinen dritten oder vierten Zug aufs Ausspielen/Ausrüsten zu verwenden. Auch wenn das alles so funktionierte, war +0/+3 einfach zu oft ein zu irrelevanter Bonus.


Auftritt Lost Leonin. Das ist endlich einmal eine Kreatur, die von der Widerstandskräftigung und vom Vigilance ordentlich profitiert. Hat man einmal keinen 3-Drop zur Hand, ist das etwas, wofür sich das Risiko wenigstens lohnt, Turn 3 in den Gut Shot zu laufen. Viridian Betrayers zum 3/4er aufzumöbeln, ist noch schöner und damit nicht genug. Um Phyrexian Digester wird man häufig nicht herumkommen und Tine Shrike freut sich ebenso. Accorder's Shield ist jedenfalls klar besser geworden, bleibt aber wegen der Schwächung von Metalcraft meist noch länger im Booster als früher. Feine Sache.

Und das gilt auch allgemein für diese Veränderung des Draftformats. Neue Karten einschätzen zu lernen, ist die eine Seite, alte Karten mit völlig neuen Augen betrachten zu müssen, die andere. Das haben Wizards hübsch eingerichtet.


On the Road to Find Out

Letzte Woche hatte ich eine UR-Liste mit der Deceiver Exarch-Splinter Twin-Kombination gepostet. In der Zwischenzeit habe ich herausgefunden, dass man Gitaxian Probe dort unbedingt durch Sea Gate Oracle ersetzen sollte. Es ist gar nicht so einfach, die Kombo zuverlässig zusammenzubekommen, und das Orakel zieht manchmal noch Nutzen aus überzähligen Twins, verteidigt Jace und so weiter.


Am Wochenende fand in den USA nun das erste große Standardturnier mit New Phyrexia statt und ich war gespannt, was die Amerikaner in Hinblick auf Splinter Twin anstellen würden. Tja, Combust! Das war zumindest eine Sache, die Gegner mit der Kombo anstellten.


Diese Sideboardoption, die bis dato wohl viele Leute übersehen hatten, macht mit einem Schlag sämtliche Hoffnungen auf ein zweifarbiges, rein komboorientiertes Twin-Deck zunichte. Counter helfen nicht, Spellskite hilft nicht, und wer ernsthaft mit Reality Spasm arbeiten möchte, braucht dringend einen Reality-Check. Anders als früher bei Kiki-Jiki, Mirror Breaker muss man den Deceiver Exarch für Splinter Twin zwingend bereits im gegnerischen Zug gespielt haben! Wie viel Reality Spasm soll denn da noch zusätzlich vorweg passiert sein?

Dennoch ist nicht alles verloren. Weitestgehend baugleiche Grixis-Twins schafften es auf Platz 12 und geradewegs bis ins Finale.

Michael Strunk, Platz 2

3 Spellskite
1 Consecrated Sphinx
4 Deceiver Exarch
4 Splinter Twin
2 Dismember
2 Go for the Throat
2 Into the Roil
4 Mana Leak
3 Jace, the Mind Sculptor
3 Duress
4 Inquisition of Kozilek
4 Preordain


4 Island
2 Mountain
4 Blackcleave Cliffs
4 Creeping Tar Pit
4 Darkslick Shores
2 Halimar Depths
4 Scalding Tarn

Sideboard:

4 Calcite Snapper
1 Consecrated Sphinx
2 Combust
2 Shatter
3 Twisted Image
3 Pyroclasm


Diese Version habe ich natürlich nicht ausführlich getestet. Aber nach meinen Erfahrungen mit Blau-Rot finde ich zwei Dinge sehr bedenklich: Erstens, das hier hat schon echt wenig Carddraw/Librarymanipulation. Selbst mit dem vierten Jace und vier Sea Gate Oracle extra konnte es passieren, dass man einfach nicht in der Lage war, beide Komboteile zu finden. Dieses Deck wehrt sich zugegebenermaßen mehr und kann ein Spiel länger hinziehen, aber reicht das? Und zweitens, meine Liste hatte effektiv 14 rote Manaquellen, diese hat zehn. Könnte man nicht vielleicht doch ein paar Evolving Wilds unterbringen?

Zwei Dinge stehen allerdings fest: Dieses Deck ist fürs Erste der sinnvollste Ausgangspunkt aller Twin-Überlegungen. Und – „fürs Erste“ beschränkt sich noch genau auf diese Woche. Schon in drei Tagen finden in Kentucky die nächsten StarCityGames-Open statt. Man darf gespannt sein, wie sich das weiter entwickelt.


Where Do the Children Play?

Ja wo spielen sie denn? Spielen sie in Prag beim Grand Prix? Oder lassen sie den aus, um ihr Rating zu schützen? Hm?

Das ist eine Frage, die sich nie hätte stellen sollen. Ursprünglich war der 18. Mai angekündigt als das eine Datum des Jahres, an dem sich weltweit die meisten Menschen über Rating für ein Event qualifizieren, nämlich für ihre Nationals.

Das haben Wizards mit einer Woche Vorlaufzeit aber leider geändert. Jetzt wird der Ratingcut am 1. Juni durchgeführt. In der Zwischenzeit finden dummerweise Grand Prix in Prag und Providence statt, die das Rating stärker beeinflussen, als National Qualifier oder Pro Tour Qualifier es je könnten.

Unter der entsprechenden Newsmeldung kann man ein Formular aufrufen, to „Respond via email“. Ich empfehle, diese Funktion zu nutzen. Das Folgende habe zum Beispiel ich an jener Stelle geschrieben:

When you first announced May 18 as the day of the rating cut, effectively you made two promises. 1) Tournaments succesfully reported and processed by May 18 would affect the chances of qualifying for Nationals. 2) Tournaments taking place after May 18 would have absolutely zero influence on said chances. Everyone knows that there are no guarantees regarding tournament reporting. This is obviously unfortunate, as is the delay caused by the WER upgrade. To simply set a new date, however, makes it worse—and clearly violates your promise. I know lots of people who made plans to attend Grand Prix–Prague under the assumption that it wouldn't affect their rating invite to Nationals. You have betrayed their trust and the trust of thousands of other players. The least you should do now is to offer Nationals invites based on the May 18 as well as the June 1 rankings. And please don't ever make changes like these again. Thankyou.


Das war's für heute. Am Wochenende berichte ich für dailymtg.com live aus Prag und werde deshalb erst übernächste Woche wieder einen neuen Artikel haben. Bis dahin denkt immer daran: Beschwerde ist beschwerlich, Gleichgültigkeit gefährlich.




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