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Immer schön der Reihe nach
Der Ablauf eines Zuges
von Ute Kronenberg
09.11.2007

Bei der Suche nach einem neuen Thema für einen weiteren Artikel blätterte ich durch die Comprehensive Rules (im folgenden CR) und suchte ab Regel 100.1 („These Magic rules apply to any Magic game with two or more players, including two-player games and multiplayer games.”) nach Dingen, die man einfach mal erklären könnte.

Alles was mit einer 1 oder 2 begann überblätterte ich recht schnell, ebenso schnell blieb ich aber gleich bei 300.1 hängen („A turn consists of five phases, in this order: beginning, precombat main, combat, postcombat main, and end. Each of these phases takes place every turn, even if nothing happens during the phase. The beginning, combat, and end phases are further broken down into steps, which proceed in order.”).

Im Laufe der letzten Monate habe ich auffallend oft erlebt, dass Regelprobleme daraus entstehen, dass Spieler sich nicht darüber im Klaren sind, wie ihr Zug abläuft, wann sie das Recht haben Sprüche zu spielen und wie der Stapel genau ausschaut.

Und da all diese Dinge lose zusammenhängen, sollen die Fragen, wie ein Zug aufgebaut ist und welche Dinge in welcher Reihenfolge passieren, Thema dieses Artikels sein. Weil man den Zug nur schwer beschreiben kann, ohne die Worte Stapel (Stack), Vorrang (Priority) oder Automatische Spieleffekte (State Based Effects) zu benutzen, werde ich auch diese Begriffe kurz erklären.

Das ganze wird sehr stark die Grundlagen des Spiels durchkauen und vermutlich alle spielerfahrenen Leser zu Tode langweilen. Aber wir alle wissen ja, dass man solide Grundlagen braucht, um darauf aufbauen zu können. Also genug der Vorrede, legen wir los.

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Grundlagen
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Automatische Spieleffekte

Zunächst muss das Thema Automatische Spieleffekte (State Based Effects = SBE) kurz besprochen werden. Davon gibt es laut den CR vom ersten Oktober dieses Jahres genau 15 Stück (neu hinzugekommen sind zuletzt die zwei mit den Weltenwanderern befassten SBE). Die Regel 420.5 listet alle existierenden SBE auf. Ich spare es mir an dieser Stelle, diese ins Deutsche zu übersetzen und verweise euch an die CR, wenn ihr die Effekte genau kennen lernen wollt. Man sollte wissen, dass die SBE z.B. dafür verantwortlich sind, dass man das Spiel verliert, wenn man null oder weniger Leben hat, oder dass eine Kreatur, die tödlichen Schaden erhält zerstört und in den Friedhof gelegt wird.

Die Automatischen Spieleffekte werden immer überprüft, bevor ein Spieler Vorrang erhalten würde. Ist eine Bedingung für einen SBE erfüllt, tritt dieser sofort ein und benutzt dabei nicht den Stapel. Danach werden erneut alle SBE überprüft. Erst wenn keine weiteren SBE zu verarbeiten sind, geht es weiter.


Der Stapel und sein Aufbau

Als nächstes kommen ausgelöste Fähigkeiten an die Reihe. Sofern irgendwelche Fähigkeiten ausgelöst wurden, werden diese auf den Stapel gelegt. Dabei legt jeweils zuerst der aktive, also der am Zug befindliche,
Spieler seine Fähigkeiten auf den Stapel und anschließend der nicht aktive Spieler. Als Abkürzung heißt das dann APNAP, für „Active Player, Non-Active Player“. Da der Stapel getreu dem Motto „zuletzt hinzu, zuerst hinfort“ (last in, first out = LIFO) abgearbeitet wird, bedeutet dies, dass die Fähigkeiten des nicht aktiven Spielers immer vor denen des aktiven Spielers verrechnet werden.

Wichtig ist dies zum Beispiel bei der Interaktion eines gegnerischen The Rack und eines eigenen Aeon Chronicler. Es ist so, dass zum Beginn des eigenen Zuges erst die Fähigkeit des Aeon Chroniclers auf den Stapel geht und danach die von The Rack. Denn die Fähigkeit des Racks kontrolliert der Spieler, der auch die Karte kontrolliert. Die Fähigkeit des Racks wird nach der LIFO-Regel zuerst verrechnet und erst dann kommt die Fähigkeit des Chroniclers an die Reihe. Man zieht die Karte vom Chronicler folglich erst, nachdem man den Schaden des Racks erhalten hat.


Vorrang

Sobald keine weiteren SBE zu verarbeiten sind und keine ausgelösten Fähigkeiten mehr auf den Stapel gelegt werden müssen, erhält der aktive Spieler Vorrang. Das was im Deutschen offiziell mit Vorrang übersetzt wurde, heißt im Englischen "Priority" und gibt an, wann man Sprüche und Fähigkeiten spielen darf. Dies darf man nämlich immer nur dann tun, wenn man Vorrang hat.

Fassen wir das eben Erklärte zusammen, so merkt man, dass man gar nicht so einfach Vorrang bekommt. Immer wenn eine Phase oder ein Segment beginnt, werden Automatische Spieleffekte überprüft, ausgelöste Fähigkeiten gehen auf den Stapel und erst danach erhält der aktive Spieler Vorrang.

Wenn dieser keine Aktionen ausführen möchte, oder nachdem er alles Gewünschte gemacht hat, gibt er den Vorrang ab und der nicht aktive Spieler erhält Vorrang. Sobald dieser den Vorrang abgibt, erhält wieder der aktive Spieler Vorrang und so weiter.

Stellt sich als nächstes die Frage, wann ein Spruch oder eine Fähigkeit verrechnet wird. Dies geschieht nämlich, wenn alle Spieler nacheinander Vorrang abgeben, ohne dem Stapel weitere Fähigkeiten oder Sprüche hinzugefügt zu haben. Nachdem das oberste Objekt verrechnet wurde und den Stapel verlassen hat, erhält erneut der aktive Spieler Vorrang. In der Regel nutzt er diesen nicht und auch sein Gegner wird keine weiteren Aktionen spielen wollen, so dass das nächste Objekt vom Stapel verrechnet wird. Wenn man möchte,
kann man dem Stapel auch, nachdem das oberste Objekt verrechnet wurde, weitere Sprüche oder Fähigkeiten hinzufügen. Der Stapel wird also immer Schritt für Schritt abgearbeitet und nicht in einem Stück.

Das Ende einer Phase oder eines Segments, tritt dann ein, wenn beide Spieler Vorrang abgegeben haben, während der Stapel leer war. Befinden sich keine Objekte mehr auf dem Stapel und keiner will mehr etwas machen, bedeutet dies, dass das Spiel weitergeht.

Einen hervorragenden Überblick über den Ablauf dieser Dinge gibt ein Fließdiagramm, das sich hier findet, aber leider nur auf Englisch verfügbar ist.

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Der Zug
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Somit kommen wir nun zum Hauptthema des Artikels. Ein Zug besteht aus fünf Phasen, die sich zum Teil in weitere Segmente unterteilen. Dazu ist es nun erst einmal wichtig zu wissen, welche fünf Phasen es gibt. Eigentlich kennt jeder diese Phasen, nur sind sich manche nicht ganz im Klaren darüber, dass sie es tun. Die Phasen sind im deutschen (und englischen):

Startphase
1. Hauptphase
Kampfphase
2. Hauptphase
Endphase
(Beginning Phase)
(Precombat Mainphase)
(Combat Phase)
(Postcombat Mainphase)
(End Phase)



„Klar, kenne ich“, sagt sich jetzt so mancher. In der Endphase des Gegners zum Beispiel spielt man immer gerne sein Fact or Fiction (EOTFOFYL, dieses Akronym kennt fast jeder). Und dass es sowohl vor als auch nach dem Kampf in den Hauptphasen die Möglichkeit gibt Hexereien zu spielen, lernt man beim ersten Spiel. Ohne die Kampfphase geht es einfach nicht. Lediglich die Startphase wird gerne mal etwas verkürzt. Dass man enttappt und zieht, passiert so automatisch, dass man gerne mal in der ersten Hauptphase ist, bevor man es eigentlich will. Und schon ist es zu spät und die sorgsam beschworene Echokreatur landet im Friedhof.

Womit wir zum zweiten Teil kommen wollen, nämlich den Segmenten, welche die Startphase, die Kampfphase und die Endphase weiter unterteilen. Hier zunächst eine strukturierte Übersicht über diese Segmente:

Startphase
Enttappsegment
Versorgungssegment
Ziehsegment

1. Hauptphase

Kampfphase
Beginn des Kampfes
Angreifer deklarieren
Blocker deklarieren
Kampfschaden
Ende des Kampfes

2. Hauptphase

Endphase
Zugendsegment
Aufräumsegment
Beginning Phase
Untap Step
Upkeep Step
Draw Step

Precombat Mainphase

Combat Phase
Beginning of Combat
Declare Attackers
Declare Blockers
Combat Damage
End of Combat

Postcombat Mainphase

End Phase
End of Turn Step (EOT)
Cleanup Step



Wie man dieser Tabelle entnehmen kann, unterteilen sich alle Phasen außer den Hauptphasen in weitere Untersegmente (im Englischen Steps). Wer die Reihenfolge der Segmente nicht kennt, sollte sich diese Tabelle einfach ausdrucken und bei den nächsten Spielen neben sich legen [Anmerkung: Bei sanktionierten Turnieren sind mitgebrachte Notizen immer etwas heikel, fragt dort lieber den Judge! – Heiko].

Anzuraten ist auch, gerade wenn man beginnt zu spielen, sich mit dem Regelbuch für Anfänger auseinanderzusetzen, dass sich als pdf-Datei unter diesem Link.finden lässt. Einen guten Überblick über den Ablauf eines Zuges inklusive der Zeitpunkte, zu denen Fähigkeiten ausgelöst werden gibt diese Seite, leider erneut nur auf Englisch verfügbar.

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Dinge, die passieren
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Nun gibt es bestimmte Segmente, zu deren Beginn etwas passiert, ohne dass man darauf Einfluss hätte.

Ich meine jetzt nicht, dass irgendwelche ausgelösten Fähigkeiten auf den Stack gehen, sondern Spielaktionen, die geschehen, dabei nicht den Stapel benutzen und die man folglich in der Regel nicht umgehen kann. (Wenn jedoch das entsprechende Segment übersprungen wird, werden die zugehörigen Spielaktionen nicht ausgeführt. Dies ist die Grundlage für das Funktionieren der aus Brine Elemental und Vesuvan Shapeshifter bestehenden Kombo.)

Das Enttappen zu Beginn des Enttappsegments ist eine solche Spielaktion. Noch bevor irgendjemand etwas tun kann, enttappen zu Beginn des eigenen Zuges Länder und Kreaturen. Gleiches gilt für das Ziehen der Karte im Ziehsegment. Sofern man dieses Segment nicht überspringt (wie z.B. wenn man Yawgmoth's Bargain kontrolliert), zieht man auch die Karte.

Weitere automatische Spielaktionen finden zu Beginn der Angreifer-deklarieren- und Blocker-deklarieren-Segmente statt. Sobald der Gegner ankündigt, Angreifer deklarieren zu wollen, hat man im Beginn-des-Kampfes-Segment die letzte Chance eine Kreatur zu tappen, bevor sie als Angreifer deklariert werden kann.

Genauso hat man im Angriffsdeklarationssegment die erste Chance diese Kreatur zu vernichten, nachdem sie zu einer angreifenden Kreatur wurde. Ebenso werden blockenden Kreaturen im entsprechenden Segment (als erstes) benannt.

Zuletzt gibt es noch das Aufräumsegment in dem man alle über sieben hinausgehenden Handkarten abwerfen muss. Auch dies passiert automatisch. In letzter Zeit hört man häufiger die Frage danach, ob es in Ordnung sei, wenn man in seinen Cleanup Step gehe. Beantwortet man diese Frage des Gegners mit "ja", hat man seine letzte Gelegenheit vertan, eine Ladungsmarke auf sein Coalition Relic oder Dreadship Reef zu legen oder andere Aktionen durchzuführen. Weiterhin werden im Aufräumsegment gleichzeitig aller Schaden von Kreaturen entfernt und alle Effekte, die bis zum Ende des Zuges oder nur für diesen Zug gelten, beendet.

Auch Instabilität und Manabrand gehören zu den Spielaktionen und treten automatisch ein. Manabrand immer dann, wenn eine Phase (nicht das Segment!) endet und das Spiel in die nächste Phase übergeht.

Eine Spielaktion die heute fast keiner mehr kennt ist die Instabilität (engl. Phasing). Diese passiert noch vor dem Enttappen, ich erspare sie uns aber, da sie an sich fast einen eigenen Artikel wert ist.

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Dinge, die nicht passieren
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Während man in der Regel Vorrang erhält, sobald alle SBE und Ausgelösten Fähigkeiten abgearbeitet sind bzw. auf dem Stapel liegen, gibt es zwei Segmente in denen dies nicht eintritt. So erhält man zum einen während des Enttappsegments keinen Vorrang; es werden keine SBE kontrolliert und Fähigkeiten, die ausgelöst werden, weil z.B. eine Kreatur enttappt wird, werden erst zu Beginn des Versorgungssegments auf den Stapel gelegt. (Werden zu Beginn des Versorgungssegments weitere Fähigkeiten ausgelöst, werden diese zusammen mit denen aus dem Enttappsegment auf den Stapel gelegt und zwar in der Reihenfolge, die sich der kontrollierende Spieler aussucht.)

Auch während des Aufräumsegments erhält in der Regel keiner der Spieler Vorrang. Im Aufräumsegment jedoch werden, im Gegensatz zum Enttappsegment, die SBE überprüft und, wenn vorhanden, Ausgelöste Fähigkeiten auf den Stapel gelegt. Sobald ein solcher SBE angewandt wird, oder eine Fähigkeit ausgelöst und auf den Stapel gelegt wurde, erhält der aktive Spieler Vorrang und kann Spontanzauber oder aktivierte Fähigkeiten spielen. Der Stapel wird dann wie gewohnt abgearbeitet und nachdem das Segment vorbei ist, schließt sich ein weiteres Aufräumsegment an.

Eine beliebte Frage an Schiedsrichteranwärter ist, wie es denn überhaupt in der Praxis möglich ist, während des Aufräumsegments Vorrang zu erhalten. Diese Frage will ich zum Abschluss an euch weiterreichen. Wer die Antwort kennt, kann ja einfach mal abwarten, was die anderen in den Kommentaren so vorschlagen und dann mit seinem Wissen punkten. Ich jedenfalls verabschiede mich hiermit und wünsche euch viel Spaß beim Rätseln...

Nicht aber, ohne noch einmal auf Judge@PlanetMTG.de.hinzuweisen – unter dieser Email-Adresse könnt ihr jederzeit Regelfragen loswerden!

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