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Auf den Stack und ab damit
von Ute Kronenberg
01.02.2008

Nach einer Auszeit vom Regelartikelschreiben geht es heute wieder los und weil ich mir ja bequemerweise aussuchen kann, worüber ich schreiben mag, mache ich es mir leicht. Wir beschäftigen uns heute mit zwei Abschnitten der Comprehensive Rules (CR), die einfach zu lesen und leicht zu verstehen sind, aber dennoch so vielen unbekannt sind. Traurig aber wahr, und leider führt diese Unwissenheit zu einer ganzen Reihe von verlorenen Spielen.

Ich fasse es einfach mit „Tarmogoyf should die“ zusammen und denke jeder von euch weiß, was ich meine. Für alle, die es nicht wissen: spielt man Shock auf einen 1/2-Goyf (Kreatur im Friedhof), wird dieser keineswegs das Zeitliche segnen, sondern sein Leben als fröhlicher 2/3er weiterführen. Warum das so ist, erkläre ich euch im Folgenden. Die oben genannten Abschnitte der CR sind mit den Nummern 409.1 und 413.2 versehen und betitelt mit „Playing Spells and Activated Abilities“ sowie „Resolving Spells and Abilities“.

Und genau darum soll es heute gehen. Sprüche spielen und verrechnen.

Wie man einen Spruch spielt, weiß jeder und es ist auch recht einfach: Ansagen, Ziele wählen, bezahlen und los geht's. Genauso einfach sollte es dann auch sein, den Spruch zu verrechnen: Effekt ausführen, Spruch in den Friedhof legen, und schon ist es gut. Das reicht auch für 90% der gespielten Karten und nur in wenigen Fällen ist es wirklich wichtig, ganz genau zu wissen, wie man einen Spruch spielt oder verrechnet. Diese Fälle sind in einigen Formaten häufiger, vor allem im Vintage oder Legacy, die durch den viel größeren Kartenpool eine unglaubliche Anzahl von Karteninteraktionen erzeugen können und damit schon so manchen Judge in den Wahnsinn trieben.

Wir beginnen mit Regel 409.1, die uns erklärt wie man einen Spruch nach allen Regeln der Magie spricht. Doch hier erst zwei Beispiele, die anschaulich zeigen, warum es sinnvoll ist, genau zu wissen wie das Spielen eines Spruchs abläuft. Nichts für die Profis unter euch, aber sicher Situationen, die so oder ähnlich jedem FNM-Spieler schon mal begegnet sind.

Eine Trinisphere und ein Nightscape Familiar sind im Spiel. Was ist, wenn man jetzt einen Feuerball für zwei spielen will, der zwei Ziele haben soll? Wie viel Mana muss man im Endeffekt bezahlen, macht die Trinisphere etwas und wenn ja, wann und was?

Was ist wenn man ein Profane Command spielt, wann muss man sich entscheiden welchen Wert X haben soll, welchen Modus man wählt und wann wird bezahlt? Ich erfinde mal folgende Situation: Ein Spieler will eigentlich nur den -X/-X-Effekt mit X = 7 nutzen, um den Changeling Titan des Gegners zu erledigen. Auf die Frage des Gegners nach dem zweiten Modus, entscheidet er sich dafür, dass der Gegner X Leben verliert. Beim Tappen der Länder fällt ihm nun auf, dass er für X gar nicht sieben Mana, wie gedacht und nötig, zur Hand hat, sondern dank eines Temple of the False God genau acht. Und dass er sich dann auch die Akroma im Friedhof wieder ins Spiel holen könnte. Jetzt stellt sich die wichtige Frage: An welchem Punkt muss der Spieler endgültig die Entscheidung treffen, welche Modi er wählen will? Bevor oder nachdem er den Wert von X bestimmt? Wie gesagt, dieses Beispiel ist konstruiert, aber hoffentlich nicht zu weit hergeholt.

Um die oben genannten Fragen beantworten zu können, muss man sich zunächst die Regeln ansehen. Damit will ich jetzt endlich beginnen. Um einen Spruch oder eine aktivierte Fähigkeit regelgerecht zu spielen, muss man neun Schritte durchführen. Diese sind in den CR mit a) bis i) durchgezählt, was ich hier übernehme. Diese Schritte müssen in der angegebenen Reihenfolge befolgt werden. Ist ein Spieler zu irgendeinem Zeitpunkt während des Spielens eines Spruchs nicht in der Lage den vorgeschriebenen Anweisungen zu folgen, kehrt man zum Zeitpunkt vor dem Spielen zurück. Alle getroffenen Entscheidungen werden rückgängig gemacht.

a) Man sagt an, welchen Spruch man spielen will und legt ihn auf den Stapel Das ist auch der Moment, in dem man die zugehörige Karte, falls eine existiert, offen auf den Tisch legt. Und zwar am besten deutlich sichtbar in die Mitte und bitte nicht einfach sofort in den Friedhof.

b) Dieser Schritt beschäftigt sich mit den Wahlmöglichkeiten, die man eventuell haben kann, und hat daher eine Reihe von Unterpunkten:
    1. Sofern der Spruch modal ist, also die berühmte Formulierung „Choose one“ (oder neuerdings auch „Choose two“) enthält, sucht man sich jetzt den Modus/die Modi aus. Die Karte wird nur mit diesem Modus/diesen Modi auf dem Stapel existieren, die anderen Modi sind für das Spiel unsichtbar.

    2. Wenn man Karten (z. B. Glacial Ray) auf den Spruch splicen will, muss man diese jetzt vorzeigen. Die nötigen Kosten bezahlt man aber später.

    3. Man wählt den Wert von X oder, falls nötig, von anderen veränderlichen Kosten.
Falls man alternative, zusätzliche oder andere spezielle Kosten bezahlen will (Buyback, Convoke, Kicker), muss man das jetzt ansagen. In diesem Absatz wird auch die wichtige Tatsache definiert, dass man nicht zwei alternative Kosten bezahlen kann.

c) Jetzt wählt man (wenn nötig) zunächst die Anzahl der Ziele und danach die eigentlichen Ziele des Spruchs aus.

Steht auf einem Spruch mehrfach der Ausdruck „deiner Wahl“, kann man auch mehrfach dasselbe Ziel aussuchen, natürlich muss trotzdem jedes einzelne Ziel legal sein. Anders ist es jedoch bei Karten wie Blades of Velis Vel. Diese sagt nämlich „Bis zu zwei Kreaturen deiner Wahl erhalten bis zum Ende des Zuges +2/+0 [...]“, und hier kann man sich jetzt nicht zweimal die gleiche Kreatur als Ziel aussuchen.

d) Hat ein Spruch zusätzliche Ziele, wenn man alternative, zusätzliche oder spezielle Kosten bezahlt, werden diese Ziele unter c) nur dann ausgesucht, wenn die zusätzlichen Kosten unter b) angesagt wurden.

Ein Beispiel dafür ist Orim's Thunder: Nur wenn man den roten Kicker ansagt (und natürlich später auch bezahlt), darf man eine Kreatur auswählen. Einfach so zielen und damit evtl. eine Kreatur mit Makeshift Mannequin-Marke beseitigen, funktioniert jedoch nicht.

e) Nachdem man sich die Ziele ausgesucht hat, muss man jetzt ansagen, welchen Effekt man auf welches Ziel richten will (Barrin's Spite, Cannibalize). Will man also z.B. Zählmarken verteilen, sagt man jetzt an wie viele auf welche Kreatur gelegt werden (Spoils of War). Wird Schaden von einem Rolling Thunder gemacht, wird dieser jetzt aufgeteilt. Dabei muss jedes Ziel mindestens eines der zu verteilenden Dinge (Marken, Schaden) erhalten.

f) Als nächstes werden die Kosten des Spruchs berechnet. Dazu werden zunächst die Grundkosten bzw. die vorher ausgewählten alternativen Kosten bestimmt. Dazu werden zusätzliche Kosten addiert (wie z..B. Kicker oder die von Grand Arbiter Augustin IV). Danach werden von den so erhaltenen Kosten alle Reduzierungen abgezogen. Man erhält eine Zahl, die nie kleiner als Null sein kann. Die so errechneten Kosten werden festgehalten und verändern sich im weiteren Verlauf des Spielens des Spruchs nicht mehr. Sie werden „eingelockt“.

g) Jetzt darf man Manafähigkeiten spielen. Dazu gehören alle aktivierten und zum Teil auch ausgelöste Fähigkeiten, die Mana in den Manavorrat geben.

h) Mit dem so erhaltenen Mana werden nun die Kosten komplett bezahlt. Werden weitere Kosten fällig, bezahlt man diese ebenfalls. Dazu gehört das Opfern von Kreaturen, das Abwerfen von Karten und was auch immer die Karte einem vorschreibt.

i) Hat man alle genannten Punkte erfolgreich abgearbeitet, gilt der Spruch als gespielt.


Während dieser Schritte erhält niemals jemand Vorrang, der Gegner kann also nicht eingreifen und eine Kreatur zerstören, bevor man sie opfert, um zusätzliche Kosten zu bezahlen. Erst wenn alle Punkte erfüllt sind, erhält derjenige, der den Spruch gespielt hat, Vorrang und darf entweder weitere Sprüche und/oder Fähigkeiten spielen, oder aber Vorrang abgeben. Geben sowohl er, als auch sein Gegner aufeinander folgend Vorrang ab, wird das oberste Objekt auf dem Stapel verrechnet.

Und damit ergibt sich automatisch eine Überleitung zum zweiten Teil, nämlich der Regel 413.2, die uns ähnlich ausführlich wie 409.1 beschreibt, wie ein Spruch verrechnet wird. Erneut sind die Unterpunkte mit a) beginnend gegliedert, was ich auch hier übernommen habe. Diesmal müssen wir aber bis j), bevor die Regeln ein Einsehen haben.

a) Zunächst wird überprüft, ob die Ziele des Spruchs oder der Fähigkeit immer noch legal sind. Solange mindestens ein legales Ziel übrig bleibt, wird der Spruch weiter verrechnet. Sind aber alle Ziele illegal, wird jetzt bereits abgebrochen und der Spruch beim Verrechnen neutralisiert.

b) Danach werden die Effekte des Spruchs bzw. der Fähigkeit so ausgeführt, wie sie auf der zugehörigen Karte angegeben sind. Dazu folgt man den Anweisungen in der Reihenfolge, wie sie gedruckt wurden. In der Regel kommt man damit ohne Probleme zum Ende, lediglich wenn Ersatzeffekte benutzt werden müssen, kann es sein, dass man nicht Satz für Satz alles abhandeln kann. Deswegen sollte man sich vor dem Verrechnen noch einmal gut durchlesen, was man genau tun muss.

c) Sollte es notwendig sein, dass man eine Wahl trifft, die bisher nicht getroffen wurde, trifft man diese jetzt. Bekannte Karten, für die diese Regelung zutrifft, sind z..B. Persecute oder Cabal Therapy. Wer seinen Gegner (oder auch die Gegnerin. ) fragt, welche Wahl er/sie trifft, stimmt implizit zu, dass der Spruch verrechnet wird. Erst fragen und dann den Spruch neutralisieren geht also nicht.

d) Sofern beide Spieler eine Wahl treffen müssen, trifft jeweils zuerst der aktive und danach der nichtaktive Spieler seine Wahl. Bei Objekten, die nicht für alle sichtbar sind, wird die Karte aber erst dann aufgedeckt, wenn beide Spieler ihre Wahl getroffen haben.

e) Sollte die Notwendigkeit oder Möglichkeit bestehen während der Verrechnung des Spruchs weitere Kosten zu bezahlen, kann man jetzt Manafähigkeiten spielen und danach die Kosten bezahlen. Ein Beispiel dafür ist Withdraw oder Shrouded Lore. Aber auch viele ausgelösten Fähigkeiten erlauben es, während ihrer Verrechnung zusätzliche Kosten zu bezahlen. Aktuelles Beispiel ist Militia's Pride.

Falls ein Effekt es erlaubt, während der Verrechnung dieses Spruchs oder dieser Fähigkeit einen weiteren Spruch zu spielen, geschieht das ebenfalls jetzt (siehe Isochron Scepter). Dazu wird der neue Spruch auf den Stapel gelegt und die unter 409.1 beschriebenen Schritte ausgeführt. Danach wird der erste Spruch zu Ende verrechnet, ohne dass ein Spieler Priorität erhält.

f) Falls eine Information, die das Spiel geben kann, notwendig ist, wird diese jetzt eingeholt, wenn der Effekt angewandt wird. Falls dafür Informationen über ein spezielles Objekt notwendig sind, werden die Informationen über das Objekt so wie es gegenwärtig im Spiel ist benutzt. Hat das Objekt aber seit dem Spielen des Spruchs die Zone gewechselt, werden die letzten bekannten Informationen verwendet (Last Known Information, LKI).

g) Bezieht sich ein Effekt auf bestimmte Charakteristiken eines Objekts, werden lediglich diese überprüft. Schreibt der Effekt z..B. vor, dass eine schwarze Kreatur zerstört wird, wird nicht überprüft, welche Farben die Kreatur sonst hat, Hauptsache sie ist schwarz.

h) Falls der Effekt ein bestimmtes Objekt beeinflusst, auf das aber nicht gezielt wird, betrifft er das Objekt auch dann noch, wenn es seine Charakteristika verändert hat.

Hört sich kompliziert an, ist es aber nicht. Gemeint sind Effekte wie der aus der ausgelösten Fähigkeit der Wall of Tears. Diese gibt ein Objekt auch dann auf die Hand seines Besitzers zurück, wenn dieses nicht länger eine Kreatur ist. Der Effekt merkt sich also, welches Objekt er betrifft und wird dieses auch wie geplant beeinflussen.

i) Ein Spruch wird nun in den Friedhof gelegt, Fähigkeiten hören auf zu existieren, sobald sie komplett verrechnet wurden.

j) Es kann beim Verrechnen von Sprüchen oder Fähigkeiten wie Clash oder dem von Culling Scales nicht zu einem "Tie" kommen oder es ist auf der Karte angegeben, wie dann verfahren werden muss.


Jetzt erst werden wieder die automatischen Spieleffekte überprüft (u. a. gehen Kreaturen mit tödlichem Schaden in den Friedhof), was während der Verrechnung eines Spruchs/einer Fähigkeit nicht geschieht. Das Beispiel mit dem Tarmogoyf findet somit auch eine einfache Lösung. Zu dem Zeitpunkt, an dem Tarmogoyf eigentlich sterben würde, befinden sich nun eine Kreatur und ein Spontanzauber im Friedhof. Der Goyf ist damit 2/3 und übersteht die zwei Schaden durch den Shock ganz lässig.

Das waren eine Menge Information auf wenigen Seiten, fast zu viel um sich alles auf einmal merken, ganz zu schweigen davon, es auch anwenden zu können. Trotzdem sollte man die Reihenfolge dieser Schritte zumindest grob im Kopf behalten, ganz sicher wird es einen Moment geben, in dem sie spielentscheidend sind.

Und die Beispiele? Hier kommen die Lösungen...

Wenn man den Feuerball spielt, wird er auf den Stapel gelegt. Man sucht sich den Wert für X aus, hier soll das 2 sein, und kündigt dann an, dass man zusätzliche Kosten bezahlen will, um zusätzliche Ziele aussuchen zu können. Man kündigt also an, ein farbloses Mana mehr zu bezahlen. Jetzt wird die Anzahl der Ziele festgelegt, in unserem Beispiel sind das zwei Stück. Man bestimmt die Ziele und verteilt den Schaden. Dabei wird jedem Ziel automatisch ein Schaden zugewiesen. Wir haben also zwei Ziele mit je einem Schaden bedacht. Jetzt werden die Kosten bestimmt, dafür werden alle Kosten zusammengerechnet und zwar in der Reihenfolge Plus/Minus. Also X = 2, ein zusätzliches Ziel kostet extra (+1) und der Nightscape Familiar reduziert die Kosten um ein Mana (-1). Zusammen macht das also ein rotes und zwei farblose Mana. Der Spruch kostet also drei Mana. Erst jetzt kommt die Trinisphere dazu, denn diese interessiert sich nur für die Gesamtkosten des Spruchs. Sie sieht, dass der Spruch drei Mana kosten wird und hat folglich keinen Effekt.

Hätte man aber z. B. zwei Nightscape Familiar im Spiel, würde der Feuerball insgesamt nur noch zwei Mana kosten und damit durch die Trinisphere betroffen werden.

Um das Profane Command zu spielen, sucht man sich, gleich nachdem man es auf den Stapel gelegt hat, die zwei Modi aus, die man anwenden will. Erst danach werden der Wert von X und die Ziele bestimmt. In dem Moment, in dem man Manafähigkeiten spielt, ist es zu spät sich einen anderen Modus auszusuchen. Man wird also die Akroma im Friedhof verkümmern lassen müssen. Beim nächsten Mal also besser erst nachdenken, ausrechnen und dann die Modi aussuchen.

Leider sind mir keine weiteren Beispiele, mit denen ich euch endlos quälen könnte, eingefallen, aber dank des Forums könnt ihr das ja noch nachholen und euch gegenseitig die leckersten Fragen um die Ohren hauen.

Und generell könnt ihr alle Fragen auch unter dieser Adresse loswerden: Judge@PlanetMTG.de




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