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Emotionsregulation in Magic
von Andreas Rose
29.01.2016

Hallo liebe Magic-Gemeinschaft. Letztes Mal hatte ich euch mit der Frage allein gelassen, ob ihr glaubt, dass Emotionen kontrollierbar und damit auch regulierbar sind. Dazu gab es eine kleine Umfrage, mit deren Auswertung ich gleich mal starte:





Wenn man hier jeweils die Angabe „stimmt überhaupt nicht“ mit 1 kodiert und die Angabe „stimmt genau“ mit 5, ergibt sich bei der ersten Frage ein durchschnittlicher Summenwert von rund 3,6, bei der zweiten von 2,7, bei der dritten von 2,9 und bei der vierten von 3,4. Nun bilden diese Werte einen Durchschnitt der Personen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben. Ob diese Teilnehmer repräsentativ für die Magic-Gemeinde sind, wage ich nicht zu beurteilen.

Die Auswertung zu dieser Frage sagt dazu Folgendes aus: Sollten die Frage 1 und 4 in der Summe überwiegend positiv beantwortet sein (Summenwert beider Fragen zusammen größer als 6), sind die Personen eher der Überzeugung, dass Gefühle kontrollierbar sind. In dieser Umfrage ist das mit einem Summenwert von 7 der Fall. Wurde den Fragen 1 und 4 aber überwiegend nicht zugestimmt (Summenwert kleiner 5) und wurden zusätzlich die Fragen 2 und 3 eher positiv beantwortet (Summenwert größer 6), dann ist davon auszugehen, dass die Personen keine Kontrollüberzeugung hinsichtlich ihrer Gefühle haben. In der Umfrage finden wir einen Summenwert von 5,6, der schon etwas an der Grenze ist, aber insgesamt noch recht weit vom Wert der Fragen 1 und 4 entfernt liegt.


Aber warum ist die Überzeugung, seine Gefühle kontrollieren zu können, überhaupt wichtig? Dazu hat der Psychologe James Gross (nachzulesen in Tamir et al., 2007) einige Entdeckungen gemacht. Mittels der obigen Fragen konnte er die Häufigkeit positiver und negativer Emotionen bei Erstsemestern der Standford Universität mit der Anzahl ihrer Freunde im ersten Semester in Zusammenhang bringen. Die Studenten mit einer hohen Kontrollüberzeugung berichteten von einem größeren sozialen Netzwerk und fühlten sich körperlich gesünder. Ich denke, das lohnt sich auch für euch!

Im letzten Artikel hatte ich bereits erklärt, was Emotionen sind, und welche Aspekte ihre Entstehung beeinflussen. Ich hoffe daher, ihr seid schon ein wenig überzeugter von der Kontrollierbarkeit eurer Emotionen. Die Kontrollüberzeugung hinsichtlich eurer Gefühle lässt sich aber am besten durch eigene Erfahrungen verändern. Das heißt: Jedes Mal, wenn ihr es schafft, eure Gefühle zu beeinflussen, überzeugt ihr euch selbst davon, dass dies möglich ist. Wie genau ihr eure Gefühle beeinflussen könnt, erfahrt ihr im nächsten Abschnitt.


Methoden der Emotionsregulation

1) Prävention zu starker Emotionen

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass starke Emotionen, egal ob positiv oder negativ, kognitive Ressourcen verbrauchen und daher hinderlich für erfolgreiches Magic-Spielen sind. Daher sollte die Emotionsregulation am besten bereits vor der Entstehung der Emotionen ansetzen. Buddhistische Mönche schaffen es nachgewiesenermaßen hervorragend, ihre Emotionen zu beeinflussen. Sie können steuern, welche Emotionen sie empfinden möchten und in welcher Stärke. Der Hauptgrund dafür ist das hohe Maß an Achtsamkeit, das diese Mönche durch ihr jahrelanges Training der Meditation entwickelt haben. Damit können sie Gedanken und körperliche Reaktionen identifizieren und ihnen gegensteuern, noch bevor der unbewusste Anteil dieser Gefühle zu stark in eine Richtung ausschlägt. In der deutschen Sprache haben wir dafür die Phrase „einen kühlen Kopf bewahren“.


Nun könnt ihr entweder stundenlang meditieren (sofern ihr die Zeit dafür habt) oder aber einfach eure Achtsamkeit im Leben schrittweise erhöhen, indem ihr euch immer wieder fragt: „Was passiert hier gerade? Was geht in mir vor? Wie verhalte ich mich? Welche Reaktion erzeugt das in mir und in meiner Umwelt?“ Dabei ist es wichtig, die Antworten nicht zu werten, sondern einfach zu respektieren.

Das solltet ihr auch tun, wenn ihr eure Gefühlslage kritisch reflektiert. Ärgert euch nicht zu sehr darüber, wenn Wut in euch aufkommt. Akzeptiert Enttäuschung und Scham, wenn ihr einen Fehler gemacht habt. Klingt einfach, erfordert aber einiges an Übung. Wichtig ist, dass ihr Gefühle erkennt und akzeptiert, aber die daraus resultierende Handlungsbereitschaft erkennt und euer Verhalten entsprechend ändert. Dazu müsst ihr auch lernen, eure Gedanken zu beeinflussen. Bemerkt ihr einen Gedanken wie zum Beispiel, „Der hat wieder nur Glück, jedes Mal zieht er die richtige Karte und ich nur Länder!“, dann solltet ihr euch fragen, wie euch diese Gedanken nützen? Vielleicht wäre ein besserer Gedanke: „Ich ziehe viel zu viele Länder. Wie muss ich spielen, um vielleicht doch noch zum Sieg zu kommen?“ Dieser Gedanke hilft euch eher, die weiteren Züge zu planen.


Statt frustriert eurem Gegner jedes nachgezogene Land auf den Tisch zu knallen, um ihm zu zeigen, wie viel Pech ihr habt, könnt ihr einige für einen Merfolk Looter oder eine Jeskai Ascendancy (die passen gut zum Thema Achtsamkeit) aufheben. Oder ihr wisst, dass ihr mit viel Mana noch etwas reißen könnt, wenn ihr Ulamog, the Ceaseless Hunger oder Crater's Claws zieht. Dann solltet ihr euch vielleicht die Kreaturen zum Blocken aufheben, um lange genug zu überleben. Aber dafür müsst ihr diese Gedanken schnell genug identifizieren, um ihnen entgegensteuern zu können. Damit lernt ihr, einen kühlen Kopf zu bewahren und könnt auch aus einer Niederlage etwas über euch oder euer Deck lernen.

Eine weitere Methode, starken Emotionen vorzubeugen, nennt sich „Zentrieren“. Das ist ebenfalls eine Achtsamkeitsübung, die in vielen potenziell emotionsgeladenen Situationen eingesetzt werden kann. Nehmen wir an, ihr spielt auf einem Turnier und habt gerade ein Spiel sehr unglücklich oder durch einen Spielfehler verloren. Entsprechend wütend oder beschämt könnt ihr in die nächste Runde gehen. Das könnte aber dazu führen, dass ihr aufgrund eurer starken Emotionen wieder Fehler macht und dann frustriert droppt. Stattdessen solltet ihr lernen, euch vor jeder Runde herunterzufahren und Vergangenes ruhen zu lassen.


Dazu geht ihr wie folgt vor:

1.

Sucht euch einen ruhigen Ort, an dem ihr für kurze Zeit ungestört sein könnt.

2.

Schließt eure Augen, nehmt eine lockere Haltung ein (am besten im Sitzen, Stehen geht aber auch).

3.

Konzentriert euch auf eure Atmung. Beobachtet eure Atmung für zehn Atemzüge, ohne sie zu verändern.

4.

Schiebt jeden Gedanken sanft, aber bestimmt beiseite. Oder in eine Schublade, die ihr dann schließt.

5.

Wenn ihr die zehn Atemzüge fertig habt, atmet ruhig weiter und konzentriert euch auf den Punkt zwischen Herz und Magen. Atmet in diesen Punkt hinein. Spürt die Wärme, die darin entsteht.

6.

Atmet weiter in diesen warmen Punkt hinein und spürt, wie sich die Wärme langsam und spürbar in eurem Körper ausbreitet. Konzentriert euch nur auf eure Atmung und das warme Gefühl, das sich langsam in euch ausbreitet.

7.

Wenn euer ganzer Körper locker und von Wärme durchflutet ist, konzentriert euch wieder allein auf eure Atmung, zählt drei Atemzüge und bereitet euch darauf vor, langsam wieder in die Realität zurückzukehren.

8.

Öffnet eure Augen, streckt euch und atmet tief durch.

Je nachdem, wie gut eure Vorstellungskraft und eure Übung darin ist, solltet ihr jetzt bereit für die nächste Runde sein. Mit dieser Übung beugt ihr starken Emotionen auf der Ebene der Gedanken und der körperlichen Reaktion vor. Übt das ruhig auch im Vorfeld zuhause, Übung macht hier den Meister.


2) Regulation starker Emotionen

Sollte es doch einmal dazu gekommen sein, dass euch eure Gefühle übermannt haben, gilt es schnell die Oberhand zu gewinnen. Gegen die Gefühle anzukämpfen, erzeugt meist nur das Gegenteil. Akzeptiert euren emotionalen Zustand. Am besten beginnt ihr die Emotionsregulation auf der körperlichen Ebene. Es hat sich gezeigt, dass starke Emotionen nur mit starken körperlichen Reaktionen funktionieren. Sinkt die körperliche Erregung, sinkt auch die Stärke der Emotion. Zur kurzfristigen Intervention haben sich vor allem Atemübungen bewährt.


Die folgende Übung ist kurz und kann daher schnell angewendet werden:

1.

Konzentriert euch wieder auf eure Atmung, ohne diese zu beeinflussen. Nehmt diese am besten durch den Luftzug im Nasenraum oder durch das Heben und Senken eures Brustkorbs wahr. Führt das drei Atemzüge lang durch.

2.

Konzentriert euch jetzt auch auf die Abstände und Pausen zwischen den Atemzügen, ohne diese zu beeinflussen. Führt diese Übung wieder für drei Atemzüge durch.

3.

Wartet nach dem nächsten Ausatmen so lang, bis euer Körper euch sagt, dass er wieder Luft braucht. Haltet die Luft nicht absichtlich an, sondern wartet, bis euch euer Körper das Signal zum Atmen gibt. Macht das wieder für drei Atemzüge.

Nun sollte eure körperliche Reaktion so weit abgeklungen sein, dass ihr dysfunktionale Gedanken (die, die euch nicht weiterhelfen) identifizieren und durch funktionale Gedanken ersetzen könnt. Je mehr Übung ihr darin habt, umso leichter wird es euch fallen. Hier gilt es vor allem, den Fokus von der Problemorientierung weg hin zur Lösungsorientierung zu leiten. Es geht also darum, nicht das Problem (Glück, Pech, Mulligan, Fehler) genau zu analysieren, sondern seine Ressourcen zu kennen und entsprechend einsetzen zu können. Manchmal lohnt es sich auch, vermeintlich verlorene Spiele zu Ende zu spielen (solange euch nicht die Zeit im Nacken sitzt). Dadurch gebt ihr eurem Gegner die Chance, Fehler zu machen, oder ihr bekommt noch Informationen zum Deck und der Spielweise des Gegners.


Fazit

Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass sich Emotionen nicht nur regulieren lassen, sondern dass die Kontrolle über die eigenen Gefühle erlernbar ist und positive Auswirkungen aufs Leben und damit verbunden auch auf das fröhliche Magic-Spielen hat.


Für alle, denen das zu viel zum Lesen war:

1.

Emotionen sind kontrollierbar. Diese Fähigkeit lässt sich erlernen.

2.

Gefühle entstehen aus Gedanken und körperlichen Faktoren heraus, beides lässt sich beeinflussen.

3.

Es ist besser, Gefühle zu akzeptieren und trotzdem handlungsfähig zu bleiben. Der Versuch, bestimmte Gefühle zu vermeiden oder zu unterdrücken, geht meistens schief.

4.

Der Fokus auf das Problemlösen wird durch einen kühlen Kopf erleichtert und fördert positive Emotionen.

Ich hoffe, dieser Einblick in die Gefühlswelt hat euch gefallen. Wie immer freue ich mich auf Feedback, Fragen im Forum oder Ideen/Erfahrungen von eurer Seite!

Bis dahin
euer Andi




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