miraclegames.de
Community
Die sozialen Aspekte des fröhlichen Pappkartendrehens
von Andreas Rose
15.09.2015

Es gibt einen Grund, warum ich Magic derart mag. Das ist die soziale Interaktion, die das Spiel mit sich bringt. Daher spiele ich Magic wenn möglich auch lieber im realen Umfeld statt online.

Ihr kennt sicherlich alle das Vorurteil, dass das Spielen mit Pappkarten doch eher was für Kinder oder „Nerds“ sei. Aus meiner Sicht wäre es gerade heute noch viel wichtiger, Spiele wie Magic in die Freizeitgestaltung einfließen zu lassen. Es muss logisch gedacht werden, Kreativität ist oft von Vorteil und was mir am wichtigsten ist: Soziale Interaktion wird trainiert. Zudem fordert der fortlaufende Wechsel des Metagames Flexibilität und auch die steten Regelanpassungen sorgen dafür, dass man kognitiv nicht einrostet.

Dennoch kann es gerade für Anfänger sehr schwer sein, in das Spiel einzusteigen. Nicht nur die Regelkenntnisse müssen schon für eine Anfängerpartie relativ umfassend sein, auf Turnieren kommen dann noch jede Menge Fallstricke hinzu.


Daher möchte ich in diesem Artikel vor allem auf die kommunikativen Aspekte der sozialen Interaktionen bei Magic eingehen. Für viele Leser scheinen die folgenden Grundlagen relativ klar zu sein, dennoch erlebe ich bei der Anwendung auf Turnieren immer wieder Situationen, in denen eine klare Kommunikation von Vorteil wäre.

In Kommunikationstrainings unterscheide ich gerne zwischen sicherer, unsicherer und aggressiver Kommunikation. Fürs Magic-Spielen ist meines Erachtens eine sichere Kommunikation unerlässlich. Gerade im Umgang mit unbekannten Personen könnt ihr damit Fehler und Fehlinterpretationen vermeiden. Manchmal fürchten Teilnehmer in Kommunikationstrainings die klare Kommunikation, weil sie klare Aussagen als unhöflich empfinden. Wenn ihr aber die folgenden Regeln beachtet, sollte das kein Problem darstellen.


1. Verständlichkeit

Achtet in jedem Spiel darauf, verständlich mit eurem Gegenüber zu kommunizieren. Dazu gehört natürlich vor allem die Sprache. Wenn ihr euren Gegner nicht kennt, verzichtet eher auf typische Abkürzungen oder erklärt diese zumindest kurz. „EOT“ sagt eventuell nicht jedem etwas. Auch mit dem Begriff „fizzeln“ kann nicht jeder etwas anfangen. Hier kommt aber auch die Fremdsprache oder noch schlimmer ein Deutsch-Englisch Kauderwelsch zum Tragen. Ihr möchtet ja (so hoffe ich) auf fairem Weg zum Sieg kommen. Dazu zählt nun mal nicht das Verwirren des Gegners durch ein Sprachgewirr oder unklare Ansagen. Ich habe da schon Sätze gehört wie „Ich putte jetzt den Come-into-Play-Effekt on the stack“ oder: „In response auf den Trigger destroy ich dir deine Creature.“ Das klingt nicht nur gruselig, sondern erschwert auch das Verständnis untereinander.


Zum Bereich der Verständlichkeit zählt aber auch das nonverbale Verhalten. Zeigt bitte klar an, wenn ihr eine bestimmte Karte anzielt. Dafür könnt ihr mit der betreffenden Karte darauf zeigen oder ihr nehmt schlicht und einfach den Finger. Ob euch euer Gegner verstanden hat, erkennt ihr am besten an seinem Gesichtsausdruck und eventuell seiner Antwort. Dafür ist es nicht nur höflich, sondern auch sinnvoll, regelmäßigen Blickkontakt zu halten. Gerade beim Beenden des Zuges hilft Blickkontakt, Missverständnisse zu vermeiden. Nicht selten habe ich es erlebt, dass Spieler 1 ein Wort nuschelt, das sich nach „go“ anhört, Spieler 2 enttappt und zieht und plötzlich gibt es Aufregung darum, dass Spieler 1 noch gar nicht fertig gewesen sei. Daher ist es auch sinnvoll, sich beim Gegenüber rückzuversichern, ob dieser tatsächlich seinen Zug beendet hat. Macht euch hier keine Sorgen, spätestens wenn euch der Gegner wiederholt versichert hat, dass sein Zug jetzt beendet ist, wird er (hoffentlich) seine nächsten Züge deutlicher beenden.


2. Das Schlachtfeld

In den Bereichen der Verständlichkeit zählt aber auch die Übersichtlichkeit des Schlachtfeldes. Auch hier vermeidet ihr mit einfachen Mitteln Missverständnisse. Diese Mittel stehen eigentlich auch in den Regeln, werden aber dennoch gerne übersehen. Wenn eine Karte beispielsweise getappt ist, dann liegt sie um 90° gedreht auf dem Schlachtfeld. Nicht um 45° oder gar nur 10°. Dadurch kann euer Gegenüber euer Schlachtfeld schnell überblicken und seine Entscheidungen auf Basis korrekter Informationen treffen. Daher ist es auch sinnvoll, Länder nicht in ganze Stapel auf dem Schlachtfeld zu verpacken. Damit kann euer Gegner die Zahl eurer Länder konkret erfassen, ohne danach Fragen zu müssen.

Sorgt dafür, dass eure Zonen übersichtlich aufgebaut sind. Manchmal sehe ich den Friedhof halb ins Schlachtfeld hineinragen, kann ins Exil geschickte Karten nicht vom Sideboard unterscheiden oder die Handkarten befinden sich außerhalb meines Sichtfeldes. Wenn ihr euch dadurch einen Vorteil verschaffen wollt, kann das bei genauen Judges auch mal schnell zum Nachteil für euch werden. Abgesehen davon sind faire Spieler beliebter!


Auch bei Spielsteinen sehe ich hin und wieder unschöne Dinge. Da liegen kleine Glassteine, Würfel, die mal groß werden wollten, und Ähnliches mitten auf dem Schlachtfeld, und wenn man nicht genau aufgepasst hat, weiß man nicht, ob die nur von einer Karte gerutscht sind oder doch Spielsteine darstellen. Auch den Status, also getappt oder ungetappt, kann man da nur erahnen. Es gibt genug Möglichkeiten für Spielsteine, bitte nutzt diese. Nutzt aber nicht Karten eures Decks oder Sideboards, um Spielsteine darzustellen. Hin und wieder wird einfach eine Karte aus dem Friedhof verdeckt als Spielstein verwendet oder gar eine Karte auf dem Schlachtfeld umgedreht, um einen Spielstein zu erzeugen (Voice of Resurgence fällt mir da ein). Zum Glück machen das im aktuellen Format dank Morph und Manifest kaum Spieler.

Genauso sollten zu jeder Zeit eure Lebenspunkte deutlich sichtbar sein. Passt bitte auf diese auf. Ich habe schon gesehen, wie ein Würfel, der ursprünglich einmal Lebenspunkte anzeigen sollte, auf einmal als „Zähler“ auf einer Kreatur landete – und es war nicht Tree of Redemption. Zettel und Stift sind hier immer noch eine sehr gute Methode. Mit diesen lässt sich meist auch der Verlauf des Spieles nachverfolgen.

Ein aufgeräumtes Schlachtfeld sollte übrigens auch den Spielfluss erleichtern und damit die Spielgeschwindigkeit erhöhen können. Das kann wertvolle Minuten bringen, sollte es in Richtung Extrazüge gehen.


3. Soziale Normen einhalten

Zum Glück konnte ich in diesem Bereich in unserer Gruppe nahezu nur positive Erfahrungen machen. Von größeren Turnieren kenne ich aber auch einige unschöne Geschichten. Wenn ihr auf einen neuen Spieler trefft, dürft ihr euch gerne mit Namen vorstellen und die Hand reichen. Klingt simpel, verschafft euch aber meist schon einen positiven ersten Eindruck. In meinem ersten Artikel hatte ich ja bereits den Halo-Effekt beschrieben, der kommt auch hier zum Tragen. Zudem vermeidet ihr dadurch eventuell Unstimmigkeiten hinsichtlich der Platzierung. Manchmal landet man eben aus Versehen am falschen Tisch, da kann schon das kurze Vorstellen der eigenen Person helfen.


Wenn ihr als Zuschauer einer Partie beiwohnt, solltet ihr euch sehr zurückhalten. Durch das Kommentieren von Spielzügen könnt ihr nicht nur stören, sondern auch von außen in das Spiel eingreifen. Das kann gerade auf größeren Turnieren ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

Passt auch bitte euer Auftreten den gewohnten sozialen Normen an. Seid freundlich, zieht euch angemessene Kleidung an und reflektiert euer Verhalten. Die Menschen, die euch gegenübersitzen, können mehr als nur Magic-Spieler sein. Es könnten eure zukünftigen Freunde oder Arbeitskollegen werden und – bei steigendem Frauenanteil immer wahrscheinlicher – eine zukünftige Partnerin oder ein zukünftiger Partner. Man weiß ja nie.

Ein weiterer Punkt der sozialen Normen ist das Handy. Auf größeren Turnieren sollte es eh ausgeschaltet sein. Aber auch beim FNM oder am Küchentisch ist es unhöflich, ständig auf dem Handy zu tippen, statt sich auf das Spiel zu konzentrieren. Geht ein wichtiger Anruf oder eine Nachricht ein, auf die ihr antworten müsst, gehört es einfach zum guten Ton, sich kurz zu entschuldigen. Ebenso wenn ihr zu spät an eurem Tisch auftaucht.


4. Die „Ich-Botschaften“

Ein essenzieller Bestandteil sicherer Kommunikation sind die sogenannten „Ich-Botschaften“. Nehmen wir folgendes Beispiel: Spieler 1 sagt zu Spieler 2, „Du musst die Länder ordentlich tappen, das gehört sich so!“ Sogenannte „Du-Botschaften“ wirken meist befehlend. Die meisten Personen reagieren auf eine solche Befehlstonlage mit Ablehnung und Widerstand. Das stellt in der Regel eine Barriere für gute und sichere Kommunikation dar.

Ändern wir das Beispiel ab: Spieler 1 sagt zu Spieler 2, “ Man sollte die Länder ordentlich tappen.“ Wer ist dieser „man“ und warum sollte er das? Das Wörtchen „man“ soll meist von einem selbst ablenken. Es stellt Aussagen als allgemeingültig dar, führt aber auch dazu, dass das Gegenüber sich eventuell nicht angesprochen fühlt/fühlen will. Eine zynische Antwort auf die obige Aussage könnte daher lauten, „Ja, das sollte man“, ohne etwas am eigenen Spielfeld zu ändern.


Mit „Ich-Botschaft“ könnte die Aussage wie folgt lauten: „Mir ist es wichtig, dass die Länder ordentlich getappt sind. Ich bitte dich, das zu berücksichtigen.“ Diese Aussage mag zwar etwas befehlend klingen, ist aber in dem Sinne klar formuliert, dass der eigene Wunsch dem Gegenüber klar kommuniziert wird.

„Ich-Botschaften“ solltet ihr auch verwenden, wenn ihr beispielsweise bei Unstimmigkeiten einen Judge ruft. Es klingt besser und wird vom Gegenüber auch weniger aggressiv aufgenommen, wenn ihr statt, „Du hast einen Fehler gemacht, ich rufe den Judge“, sagt: „Ich möchte diese Situation durch den Judge lösen lassen und werde ihn jetzt rufen.“ Scheut euch bitte nicht, Wünsche an euer Gegenüber auszusprechen. Ihr dürft sie oder ihn gerne bitten, schneller zu spielen, das Schlachtfeld ordentlich zu gestalten oder entsprechende Spielsteine zu nutzen.

Warum aber solltet ihr klare Kommunikation beim Magic-Spielen anwenden? Ich habe die Gründe schon in meinen Ausführungen anklingen lassen, fasse sie jetzt aber auch noch einmal zusammen:

1.

Beim Kartenspielen könnt ihr nette Personen kennenlernen. Nette Personen freuen sich über eine klare und freundliche Kommunikation.

2.

Klare Kommunikation vermeidet Missverständnisse. Missverständnisse können zu Streit führen und damit euer Spielerlebnis beeinträchtigen. Dabei soll Magic doch Spaß machen!

3.

Klare und sichere Kommunikation ist auch in anderen Bereichen des Lebens wichtig (Arbeit, Behörden, Partnerschaft). Diese könnt ihr bei eurem Hobby trainieren, eine Win-Win-Situation also.

4.

Klare Kommunikation hilft Anfängern, dass Spiel schneller zu erfassen. Dadurch fühlen diese sich besser und kommen gerne wieder.

5.

Eine sichere Kommunikation führt im Rahmen des Halo-Effekts zu einer besseren Bewertung eurer Person auch in anderen Bereichen.

6.

Undeutliche Aussagen und ein chaotisches Spielfeld können euch ganze Spiele kosten. Das solltet ihr lieber vermeiden.

Einen ganz wichtigen Hinweis hat mir noch der User Donner aus dem Forum gegeben: das aktive Zuhören. Viele denken, Zuhören wäre einfach. Nach jahrelanger Erfahrung in der psychologischen Beratung kann ich euch sagen: Das ist es nicht! Oft haben wir schon eine Idee, was unser Gegenüber gleich sagen oder tun wird. Wir haben eine Erwartungshaltung. Diese auszublenden, ist eine Kunst. Ihr wollt endlich dran sein? Dann könnt ihr schon ein leises Grunzen oder eine Geste als „Go“ verstehen. Wenn ihr da zu schnell reagiert, habt ihr auch schnell eine Extrakarte gezogen. Ihr glaubt, bereits zu wissen, was euer Gegner tun wird? Ihr seid eh vom Board her tot? Dann schiebt schon mal zusammen, aber was ist, wenn euer Gegner da was übersehen hat? Aktives Zuhören heißt vor allem, eure Gedanken zurückzuhalten, euch voll auf euer Gegenüber zu konzentrieren und eure eigene Welt mal außen vor zu lassen. Dafür benötigt ihr aber eine gute Portion Achtsamkeit, sonst kostet es euch eventuell wertvolle kognitive Ressourcen. Aktives Zuhören solltet ihr vor allem in wichtigen oder komplexen Situationen einsetzen. Oder beim Flirten. Aber das gehört wohl (noch?) weniger zum Magic-Spielen.


Ich hoffe, es war der eine oder andere neue Tipp für euch dabei. Sollte das nicht der Fall sein, seht es als Wiederholung bekannten Wissens. Die sozialen Interaktionen machen für mich einen hohen Reiz an diesem Spiel aus. Reflektiert bitte euer Verhalten in diesen Bereichen; oft sehe ich in Trainings Personen, die behaupten, das alles schon zu können, und dann in den Rollenspielen eine eher schlechte Figur machen. Denkt daran, dass Achtsamkeit euch helfen kann, eure Kommunikation zu verbessern und damit eure Fähigkeiten im sozialen Bereich weiter zu steigern.

Wie immer freue ich mich auf euer Feedback im Forum und auf interessante neue Spielsituationen!

Mit freundlichen Grüßen – euer AndiR




Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Andreas Rose

[29.01.2016]Emotionsregulation in Magic
[10.12.2015]Emotionen in Magic
[23.11.2015]Magic sozial: Ein Benefizturnier
[02.09.2015]Der Bestätigungsfehler in Magic: Warum wir denken, dass wir Recht haben
[15.07.2015]Willensstärke in Magic


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite