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Wochenrückblick
von Tobias Henke
15.02.2012

Was für eine Woche! Selbst wenn man sich lediglich auf die Top-Storys beschränken wollte, könnte man die gar nicht angemessen in den News verarbeiten. Grund genug, eine alte Tradition wieder aufleben zu lassen: Heute und in Zukunft wird's jeweils einmal pro Woche wieder die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Magie zusammengefasst in Artikelform geben. Los geht's!


A Battle of Two Houses

Klingt ja echt, wie geradewegs einem Fantasy-Roman (oder halt einem Geschichtsbuch) entsprungen. Bis man sich vergegenwärtigt, dass es sich bei den „Häusern“, die hier um die Krone kämpften, um Strandhäuser handelt. Ebensolche hatten nämlich zwei Superteams im Vorfeld der Pro Tour Dark Ascension auf Hawaii angemietet. Wie viel „sun, sand, and surf“ und wie viel Magic dort jeweils auf dem Programm standen, darüber lässt sich nur spekulieren, zumindest aber ausreichend von Letzterem, um wirklich herausragende Ergebnisse zu produzieren.


Auf der einen Seite hatten sich im sogenannten „Power House“ Jelger Wiegersma, Patrick Chapin, Jon Finkel, Gerry Thompson, Tom Martell, Matt Sperling, Paul Rietzl, Rich Hoaen (hintere Reihe, stehend, von links nach rechts), Andrew Cuneo, Reid Duke, Sam Black, Ben Seck, Michael Jacob und Alex West (vorne, von links nach rechts) einquartiert und entwickelten neben diversen Draftstrategien folgendes Standarddeck:


4 Darkslick Shores
2 Evolving Wilds
3 Glacial Fortress
5 Island
2 Moorland Haunt
1 Plains
4 Seachrome Coast
1 Swamp

1 Divine Offering
4 Gitaxian Probe
1 Gut Shot
4 Lingering Souls
2 Mana Leak
4 Ponder
1 Revoke Existence
4 Vapor Snag


4 Delver of Secrets
(Insectile Aberration)
4 Drogskol Captain
2 Dungeon Geists
3 Phantasmal Image
4 Snapcaster Mage

Sideboard:

1 Celestial Purge
1 Demystify
1 Dismember
1 Dissipate
1 Divine Offering
2 Dungeon Geists
2 Gut Shot
1 Mana Leak
1 Negate
1 Phantasmal Image
1 Revoke Existence
2 Surgical Extraction


So pilotierte es Jon Finkel zu einem dritten Platz und mit minimalen Abweichungen brachte es Jelger Wiegersma damit auf Platz 8. Während das Deck in Teamarbeit entstand, gebührt besonderer Ruhm wohl Sam Black, der offenbar die entscheidenden Impulse gab.

Schon im Vorfeld der Pro Tour war klar, dass es sich bei Lingering Souls um eine der stärksten Karten aus dem neuen Set handelte, wo und wie die Karte unterzubringen sei, darüber herrschte jedoch bis zum Wochenende Uneinigkeit. Rob Dougherty versuchte es ganz klassisch mit schwarz-weißen Tokens, Raphaël Lévy steckte sie in sein Selbstmühl-Reanimatordeck, aber als Schwarzsplash im blau-weißen Delver-Deck, welches bereits im alten Standard eindeutiges Deck to beat war, funktionierte sie augenscheinlich am besten.

Nicht zuletzt natürlich, weil Dark Ascension noch drei weitere Neuzugänge mitbrachte. Zum einen Drogskol Captain, um Spielsteine von Lingering Souls und Moorland Haunt zu pumpen, außerdem Dungeon Geists, die zusammen mit dem Captain ein ähnlich hübsches Paar abgeben wie Scion of Oona und Sower of Temptation, und zum anderen Evolving Wilds, die unscheinbarste Karte, ohne die allerdings das Mana nicht passen würde und ohne die Ponder ein Stück weit schlechter wäre. Nichtsdestotrotz liegt eine der größten Innovationen womöglich im bewussten Verzicht auf sämtliche Artefakte, zuvorderst das so starke Sword of War and Peace. Wo die alten Delver-Decks sich mit Kreaturen wie Invisible Stalker und Geist of Saint Traft abhängig von Equipment machten, gehörten Finkel und Co. lieber zu denen, die die Artefakte ihrer Gegner zerstörten.


Ihnen gegenüber – zunächst bloß in der Theorie, späterhin auch buchstäblich – stand das Beach-House von ChannelFireball mit Matt Nass, Lukas Blohon, Owen Turtenwald, Martin Jůza, Paulo Vitor Damo da Rosa, Conley Woods, Ben Stark, David Ochoa, Josh Utter-Leyton, Brian Kibler, „John Doe“ (von links nach rechts), Luis Scott-Vargas (Bild im Bild), Brad Nelson, Shuhei Nakamura und Eric Froehlich (nicht im Bild). Zum Leidwesen des inoffiziellen Teamcaptains und ausgesprochenen Blauliebhabers LSV konstruierten sie etwas, was in Form, Farbe, Kurve und strategischer Ausrichtung kaum verschiedener vom Delver-Deck hätte sein können:


4 Copperline Gorge
5 Forest
4 Inkmoth Nexus
2 Kessig Wolf Run
6 Mountain
4 Rootbound Crag

1 Acidic Slime
1 Birds of Paradise
4 Huntmaster of the Fells
(Ravager of the Fells)
2 Inferno Titan
4 Primeval Titan
3 Solemn Simulacrum
1 Thrun, the Last Troll


4 Galvanic Blast
2 Green Sun's Zenith
4 Rampant Growth
4 Slagstorm
4 Sphere of the Suns
1 Whipflare

Sideboard:

2 Ancient Grudge
1 Autumn's Veil
2 Beast Within
2 Combust
1 Garruk, Primal Hunter
2 Karn Liberated
2 Naturalize
2 Thrun, the Last Troll
1 Whipflare


Mit dieser Liste gewann Brian Kibler schlussendlich das Turnier. Und im Finale setzte er sich gegen Paulo Vitor Damo da Rosa durch, der bloß eine Karte im Sideboard anders besetzt hatte. Die Überraschung hier hieß Huntmaster of the Fells, der vor der Tour noch nicht allzu hoch im Kurs stand und seinen Wert mancherorts über Nacht dann sogar verdoppelte. Soweit mir bekannt hatte von den Fireballern nur einer weniger als vier davon im Deck, und das, obwohl sie keineswegs alle der Teamlinie folgten.

Einen etwas anderen Weg, sowohl mit einem etwas anderen Ausgangspunkt als auch einem etwas anderen Endpunkt, schlugen zum Beispiel Conley Woods und Eric Froehlich ein. Sie splashten Weiß für Elesh Norn, Grand Cenobite und verzichteten im Gegenzug auf Inferno Titan. Die Logik dahinter erklärte Froehlich im Videointerview; damals war er noch fröhlich, hinterher hatten Woods und er lediglich je zwei Siege im Standard vorzuweisen. Ebenfalls Abweichler, dabei aber erfolgreich war Lukas Blohon mit seinem grün-weiß-roten Birthing Pod-Deck. Sein Konstrukt steht jedoch klar im Schatten der beiden vorgenannten – wie auch die übrigen Decks der Top 8 und die anderen, die sechs oder mehr Siege geholt haben. Zwei Megateams, zwei neue Decks to beat, ein historischer Kampf … So wird die Pro Tour in die Geschichte eingehen und so wird sie sich wahrscheinlich auch aufs künftige Standardformat auswirken.

In eklatanter Missachtung jedweder dramaturgischer Konvention verweigerte das Schicksal allerdings die Kooperation, als es den perfekten Showdown ins Halbfinale vorverlagerte – immerhin ein Glück für die bis zu 17000 Zuschauer der Live-Übertragung, die gespannt an Bildschirmen in überwiegend weit entfernten Zeitzonen saßen. Das Finale selbst war dagegen eine eher unspannende Geschichte. Dort saßen sich zwei Teamkollegen gegenüber, beide mit demselben Deck, beide im Rennen um ihren jeweils zweiten Pro-Tour-Sieg, in einem Matchup, was nach eigener Aussage der Kontrahenten schlicht davon entschieden würde, wer den ersten Primeval Titan habe. Kibler hatte ihn dreimal, PV zweimal.

Nein, die eigentliche Schlacht war zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden. Der anerkanntermaßen beste (anwesende) Spieler der Magic-Geschichte hatte sich angeschickt, die Herrschaft des aktuell dominanten Pro-Tour-Teams zu brechen und ChannelFireball zu entthronen, er hatte sich heroisch geschlagen, doch letztlich hatte er versagt. Die Rede ist natürlich von Jon Finkel, der in Honolulu seine phänomenal dreizehnte Top 8 bestritt. Sein Halbfinale gegen Brian Kibler hatte so ziemlich alles: eine ungewöhnliche Schiedsrichterentscheidung, einen Lucky Topdeck und zum Abschluss eine ungemein interessante Spielsituation, die das Match von Messers Schneide tatsächlich über die Klinge springen ließ.



Wer keine Muße für die (fast) vollen zwei Stunden hat …

Schäfchen Wölfe zählen: Im zweiten Spiel (00:24:42) träumen beide ein wenig und verschlafen, einen Wolf-Spielstein wegzulegen, der tödlichen Kampfschaden erhalten hat, und dass etwas nicht stimmt, fällt erst in Finkels übernächstem Untap auf (00:26:44), unter anderem nachdem der überzählige Wolf noch einmal angegriffen hat. Es folgt eine Diskussion und eine Unterbrechung, um den Sachverhalt zu klären. Später dann (00:40:17) überbringt Sheldon Menery die Nachricht, dass man das Spiel bis zum Fehler zurückdrehen werde, eine erhebliche Abweichung vom üblichen Prozedere.

Beide Spieler halten zum Zeitpunkt des Fehlers bloß eine Handkarte, spielen im weiteren Verlauf mehr oder weniger alles aus, was sie haben, und die Textcoverage legt nahe, dass die zurückgedrehten Spielzüge beim zweiten Durchgang abgesehen von dem einen Wolf wieder exakt so verlaufen wie zuvor. Alles prima.

Doch nehmen wir einmal an, Finkel würde diesmal seine Dungeon Geists zurückhalten, um den Inferno Titan ausschalten zu können, den er jetzt ja kennt, und es stattdessen mit Snapcaster Mage plus Ponder probieren. Und Kibler würde daraufhin seinen Titanen gar nicht erst ausspielen, sondern lieber noch einmal Huntmaster of the Fells transformieren, weil er jetzt ja weiß, dass Finkel Dungeon Geists hat. Auf die Art würde das Zurückdrehen den Fortgang der Partie vielleicht sogar stärker verzerren als der Extrawolf! Die Kommentatoren finden es jedenfalls ganz toll, dass die Videoaufzeichnung dafür sorgt, dass man zurückdrehen kann. Ob man zurückdrehen sollte, kommt in ihrer Diskussion eindeutig zu kurz.


Rücken zur Wand: Sprung zu Spiel 4, Kibler liegt 2:1 zurück. Finkel kann gleich im zweiten Zug (1:17:10) mit Insectile Aberration angreifen, hat dann Lingering Souls für Turn 3, und gerade als es so aussieht, als ob für Kibler mit Galvanic Blast und Turn-4-Primeval Titan doch noch alles gut werden würde, packt Finkel auch noch Dungeon Geists aus. Damit nicht genug folgen einen Zug später Drogskol Captain und Phantasmal Image, was alle seine Kreaturen 3/3 oder größer und fluchsicher macht. Derweil hat Kibler bloß eine Handkarte und die ist sicher kein Slagstorm, denn den hätte er bereits gespielt. Außerdem sieht er sich tödlichem Schaden im nächsten Angriff gegenüber und weder Galvanic Blast noch Inferno Titan können ihn retten. Kibler zieht seine möglicherweise letzte Karte des Turniers (1:22:02). „Is that a Slagstorm?“, fragt Finkel nach dem einzig denkbaren Ausweg. Kibler atmet tief durch, nimmt seine Karte auf, zieht eine kleine Show ab … und knallt zweimal Whipflare auf den Tisch!

Großes Kino! Rich und BDM sind in ihrem Kommentatorenhäuschen selbstverständlich völlig aus dem Häuschen, im Hintergrund hört man Applaus und auf einmal ist Kibler wieder zurück im Spiel. Und nach zwei weiteren Topdecks, wovon einer vermutlich gereicht hätte, hat er tatsächlich gewonnen und zum 2:2 ausgeglichen. Jetzt muss es Game 5 richten.


Fehlermeldung: Schaut euch den letzten Zug des Matches an (1:47:00). Ist es hier ein Fehler von Finkel, den Wolf durchzulassen? Zwei von Kiblers fünf Handkarten, Galvanic Blast und Combust, kennt er noch, der Rest kann sich höchstens folgendermaßen zusammensetzen.

1.

Gegen einen zweiten und dritten Galvanic Blast ist Blocken besser, das haben wir gesehen.

2.

Gegen irgendeine Zweier-Kombination aus dem Bereich Slagstorm/Whipflare kann er sein Team sowieso nicht retten. Zu blocken und mehr Lebenspunkte zu haben, ist besser.

3.

Gegen einen zweiten Galvanic Blast und entweder Slagstorm oder Whipflare ist Blocken besser. Andernfalls verliert er oder kann sein Team nicht retten.

4.

Gegen Inferno Titan gewinnt er mit Snapcaster Mage am Ende von Kiblers Zug eh. Blocken macht keinen Unterschied.

5.

Gegen ein ungetapptes Land und Inferno Titan wird Blocken zum Nervenkitzel. Er muss sich trauen, Mana Leak mithilfe von Snapcaster Mage auf den Titanen zu spielen oder Galvanic Blast mit Negate zu neutralisieren, wenn Kibler den vorweg auf eine Kreatur spielt. Ohne Block braucht es keinen Wagemut.

6.

Gegen ein ungetapptes Land, Inferno Titan und entweder Slagstorm oder Whipflare hängt es davon ab, wann Kibler Galvanic Blast spielt.

a.

Spielt Kibler den Blast auf eine Kreatur, wenn er kein Slagstorm/Whipflare-Mana mehr hat, kann Finkel mit Negate reagieren. Blocken macht keinen Unterschied.

b.

Spielt Kibler den Blast auf eine Kreatur, wenn er noch Slagstorm/Whipflare-Mana hat, muss Finkel das zulassen. Blocken macht nun den Unterschied, ob er Kibler im nächsten Zug auf eins (Block) oder null (kein Block) bringt.

Gar nicht so einfach, nicht wahr? Schreibt ins Forum, was ihr dazu meint!


(Tw)Itching to See More?


Apropos! Diese Pro Tour war die erste mit voller Live-Videoübertragung an allen drei Tagen. Falls ihr dieses Medienereignis verpasst habt, kann ich euch nur sagen: Da habt ihr wirklich was verpasst. Na gut, ich kann euch ebenfalls sagen, wo ihr die gesamten 25 Stunden an Material archiviert findet.

Tag 1
Tag 2
Tag 3

Da haben die Verantwortlichen echt eine schicke Show abgeliefert, auch abseits der reinen Informationsflut in den Pausen zwischen den verschiedenen Beiträgen, wo Rich die Zuschauer zum Beispiel darüber informierte, dass man Rashad Miller und ihn prima auseinanderhalten könne, „because I don't wear hats.“ Und als BDM oder Rich zu einer Darbietung von The Aristocrats ansetzte, war ihr Spaß daran, wie hinter den Kulissen der Regisseur wohl gerade in Panik zum Not-Aus-Schalter sprinten würde, durchaus ansteckend. Pro-Tour-Coverage ist schließlich eine ernste Angelegenheit.


Play the Game, See the World

Während die Pro Tour im Gange war, wurden außerdem die Großevents des dritten Trimesters 2012 angekündigt. Vom 19.–21. Oktober werden auf der Pro Tour in Seattle Modern und Booster Draft gespielt, qualifizieren kann man sich ab April bei Pro Tour Qualifiern im Standardformat.


Auf Grand-Prix-Ebene geht es ebenfalls an ferne Orte, selbst innerhalb von Europa. Auf unserem Heimatkontinent stehen an:

Moskau am 15. und 16. September
Lyon am 3. und 4. November
Bochum am 17. und 18. November
Lissabon am 1. und 2. Dezember

Besondere Bedeutung hat dabei nicht nur für unsereiner Grand Prix Bochum. Dieses Turnier wird anders als alle anderen Grand Prix weltweit nämlich keine Preisgelder ausschütten, sondern wie bereits bei den letzten zwei Grand Prix in Deutschland Sachpreise. Formate wurden bislang nicht bekanntgegeben, allerdings gibt es Gerüchte, wonach in Bochum möglicherweise mit 60-Karten-Decks gespielt wird.


My Precious …

Zum Abschluss noch ein letztes Foto aus Hawaii:


Hierbei handelt es sich um die brandneuesten Judge-Promos, die bei der Pro Tour ihre Weltpremiere hatten und eifrigen Schiedsrichtern zum Geschenk gemacht wurden, Sword of Light and Shadow zum ersten Mal im alten Kartendesign, Karmic Guide zum ersten Mal im neuen. Interessenten müssen sich in den üblichen dunklen Kanälen umsehen, werden aber bestimmt fündig.




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