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Limited
Steter Tropfen höhlt den Geist
von Daniel Steinsdörfer
07.12.2011


Der Magier sah sein Gegenüber ängstlich an. Vampire und Werwölfe hatte er beschworen, um den Feind zu besiegen, aber dieser hatte jeden Angriff zunichte gemacht. „Wieso attackiert er mich nicht?“ Bis jetzt war er in seinen Duellen immer siegreich gewesen. Seine dunklen Zerstörungszauber vernichteten gegnerische Kreaturen, die sich seinen finsteren Getreuen entgegenstellten, aber dieses Mal war es anders. Sein Gegner schien ihn nicht bezwingen zu wollen, sondern sich nur darauf zu konzentrieren, nicht besiegt zu werden. „Wieso greift er mich nicht an? Worauf wartet er?“ Der Magier spürte wie der Kampf an seinen Kräften zerrte. Seine Konzentration ließ langsam nach. Die Zauber, die er sich mühsam für diese Duelle erarbeitet hatte, entflohen seinen Gedanken. Er kämpfte gegen das Vergessen an, aber jede Minute, die verstrich, leerte seinen Geist nur weiter. Er wollte seinem Gegner erneut einen Zauberspruch entgegenschleudern, aber er konnte sich keines seiner Sprüche mehr entsinnen. Entkräftet sank er auf die Knie und blickte nach oben. Das Letzte, was er hörte, bevor er zusammenbrach, war das hämische Lachen seines Feindes.

Die Welt Innistrad wird seit einiger Zeit von uns allen erforscht und bis jetzt bestätigt sich der Eindruck voll und ganz, den ich beim Durchsehen der Spoilerliste hatte. Das Set trieft nur so von Flavor und die Limited-Spiele machen noch dazu gewaltig Spaß, was für mich an der Komplexität des Formates liegt. In den Drafts und Sealeds, die ich bisher gespielt habe, ist es mir immer wieder schwergefallen zu beurteilen, welche von zwei Karten, die stärkere beziehungsweise passendere für mein Deck ist. Das liegt daran, dass viele Karten vom Powerlevel sehr dicht beieinanderliegen und je nach Deck die eine oder die andere Karte den Vorzug bekommen sollte. Damit ihr euch zumindest das Draften etwas leichter fällt, möchte ich euch heute einen Decktyp vorstellen, mit dem ich bereits in verschiedenen Editionen gewaltig Spaß hatte: das Mühldeck.


Bei diesem Deck geht es nicht darum, den Gegner von seinen Lebenspunkten zu befreien, sondern ihm nach und nach sämtliche Karten von der Bibliothek in den Friedhof zu befördern und ihn den Decktod sterben zu lassen. Innistrad unterstützt diese Taktik mittels mehrerer Karten und der Tatsache, dass das Format nicht an die Geschwindigkeit von M12 oder Zendikar herankommt. Dadurch hat man etwas mehr Zeit, um die gegnerische Bibliothek zu leeren, und meistens reichen 23–25 Karten, die man „millen“ muss, um das Spiel zu gewinnen. Die Vorteile gegenüber den 20 Lebenspunkten, die man dem Gegner mit Schaden nehmen muss, sind die folgenden. Angriffe auf die Bibliothek geschehen über andere Karten, für die viele Gegner normalerweise keine Antworten haben. Die blauen Spieler unterstützen euren Plan im ersten Spiel sogar, indem sie sich mit Deranged Assistant oder Armored Skaab die eigenen Karten in den Friedhof befördern.


Mühlmaterial


Lasst uns zuerst betrachten, welche Karten wir benutzen können, um den teuflischen Plan umzusetzen:

Die Reihenfolge zeigt ebenfalls an, wie ich die einzelnen Karten gewichte. Mindshrieker ist Rare, hat dafür das Potenzial, den Gegner einfach per Lebenspunktereduktion zu töten. Curse of the Bloody Tome ist dabei die stärkste reine Millkarte und wenn man früh im Spiel mit zweien davon den Gegner verflucht hat, ist es oftmals schwierig das Spiel noch zu verlieren. Dream Twist und Ghoulcaller's Bell sehe ich ungefähr gleichauf, wobei Dream Twist ein wenig stärker ist, da es den Gegner überraschen kann und den Kill meistens einen oder zwei Züge früher möglich macht. Je mehr Ghoulcaller's Bell man hat, desto stärker werden zusätzliche Dream Twist. Selhoff Occultist millt nicht wirklich gut, hilft aber zusätzlich dabei zu überleben. Außerdem stellt er eine kleine Kombo mit einer weiteren Karte dar, die in dem Deck sehr hilfreich ist: Stitcher's Apprentice, aber dazu später etwas mehr. Cellar Door ist sehr langsam und schwerfällig – wie es sich für eine echte Horror-Kellertür gehört –, hilft aber zusätzlich beim Überleben, indem sie uns durchschnittlich bei jeder dritten Aktivierung einen Blocker gibt. Trepanation Blade und Undead Alchemist mühlen sehr gut, haben allerdings den deutlichen Nachteil, dass man den Gegner angreifen muss. Das ist etwas, worauf die guten Mühldecks normalerweise verzichten.

Wenn man die Karten betrachtet, fällt einem sehr schnell auf, dass viele der Karten nicht besonders hohe Draft-Picks darstellen. Das ermöglicht uns, die wichtigen Karten noch als sehr späte Picks abzustauben. Ghoulcaller's Bell unter den letzten drei Karten in einem Booster stellt im Augenblick keine Seltenheit dar, da die meisten anderen Decks mit solchen Karten nicht viel anfangen können.


Bitterheart Witch kommt im Milldeck eine besondere Rolle zu. Erstens hält sie den Gegner eventuell vom Angreifen ab, kauft also Zeit, zweitens tauscht sie mit der besten Bodenkreatur, die der Gegner zu bieten hat, und wandelt sich nach dem Tod noch in einen Curse of the Bloody Tome um. Selbst wenn kein Curse mehr im Deck ist, greift der Gegner vielleicht aus Angst vor einem zusätzlichen nicht mehr an.


Removal

An zweiter Stelle stehen sämtliche Karten, die gegnerische Kreaturen ausschalten und uns damit Zeit kaufen. Rares lasse ich hier bewusst außen vor. Dass man gerne einen Evil Twin oder ein Devil's Play spielt, erklärt sich schließlich von selbst. Zu diesen beiden Karten fällt mir gleich ein weiterer Hinweis ein. Grundsätzlich ist nur Blau als Farbe gesetzt, theoretisch lässt sich das Milldeck mit allem außer mit Grün kombinieren, solange man nur genügend Removal in der Farbe bekommt. Grün hat zwar Prey Upon, aber eigene Kreaturen, die noch dazu gute Kampfwerte aufweisen, hat man in diesem Deck tendenziell eher nicht. Meiner Erfahrung nach landet man beim Milldeck-Draften fast immer in der Farbkombination Blau-Weiß, weil das weiße Removal den eigenen Plan am besten unterstützen. Das liegt vor allem an der Common Ghostly Possession, die in diesem Deck ein vollwertiges Removal darstellt, aber von keinem anderen Deck gespielt wird.


Unangefochten an der Spitze stehen diese drei. Slayer of the Wicked und Grasp of Phantoms tauschen immer zwei zu eins. Grasp of Phantoms ist in diesem Deck noch einmal stärker, weil der Gegner die Kreatur im Normalfall eben nicht wieder zieht, Curse und Bell sei Dank.


Das sind die nächsten vier Kandidaten. Drei davon entsorgen eine Kreatur restlos. Sensory Deprivation hält die meisten Kreaturen auf, macht aber gegen dickere Tiere oder Equipment einen schlechten Eindruck. Der Grund, warum ich sie trotzdem so hoch einordne ist ihre Manaeffizienz. Für ein Mana kann man dem Gegner praktisch jeden Drop, den er in den ersten vier Zügen spielt, zum nutzlosen Blocker umfunktionieren. Gerade gegen aggressivere Decks bewirkt die Deprivation Wunder und hat zudem den Vorteil, dass man sie noch relativ spät bekommt.


Der Priest hätte es fast in die zweite Kategorie geschafft, hat aber den Nachteil, dass er häufig eine der wenigen eigenen Kreaturen ist und der Gegner oftmals ein Removal für ihn bereithält. Noch dazu versagt er manchmal seine Dienste. Trotzdem steht er hier an der Spitze. Die nächsten beiden sind Removal, die zwar helfen, aber leider eben nicht immer. Über Silent Departure bin ich mir selbst nicht ganz im Klaren. Ich würde es immer gerne picken, aber greife zuerst zu den vorher genannten Karten. Bis ich dann Silent Departure picken würde, haben die anderen Mitspieler sie meistens schon aus dem Booster gepflückt.


One-Eyed Scarecrow lebt im Milldeck ebenfalls richtig auf. Eine Schwachstelle dieses blau-weißen Decks stellt nämlich die Anfälligkeit gegenüber Fliegern dar, vor allem gegen 1/1-Tokens, die aus einem Midnight Haunting herausgekommen sind. Wenn man für jeden Spielstein Removal braucht, geht einem das mit Sicherheit schneller aus, als einem lieb ist. Gleichzeitig werden Flieger mit Power 2 auf ein Maß heruntergestutzt, dass man diese notfalls auch ein paar Runden ignorieren kann, wenn das Millen dafür schnell genug geht. Urgent Exorcism hilft uns gegen feindliche Geister und wäre gleichzeitig eine gute Sideboardkarte gegen uns. Also raus damit, wenn man die Gelegenheit hat. Blazing Torch steht hier nur der Vollständigkeit halber. Normalerweise hat man dafür zu wenige Kreaturen und in der Pickreihenfolge ist es für dieses Deck so weit unten, dass man sowieso nie die Wahl hat, ob man sie jetzt spielen möchte.


Kreaturen

Eigentlich würden jetzt die Random Kreaturen folgen, die man dem Gegner als Blocker hinlegen kann. Eine hohe Toughness wie bei Fortress Crab ist da natürlich zu bevorzugen. Wenn ich aber auf eine der folgenden Karten stoße, überlege ich mir, ob ich eine mittelmäßige Kreatur darüber nehme.


Den sollte man hatedraften, wenn man die Gelegenheit dazu bekommt. Die Chance, dass der Gegner ihn spielt und zieht, ist unwahrscheinlicher, als das er weggemühlt wird, aber man kann dem Glück mit einem einfachen Hatepick nachhelfen. Trotzdem würde ich lieber eine Millkarte oder Removal über diesen Verrückten hier nehmen.


Der gefällt mir sehr gut für das Deck. Erstens stellt er eine kleine Kombo mit Selhoff Occultist dar, außerdem sorgt er dafür, dass unsere Kreaturen zweimal chumpblocken können. Leider hat das Deck oftmals nur sehr wenige Kreaturen, was dem Stitcher die Arbeit nicht gerade erleichtert. Trotzdem ein gern gesehener Gast in euren 40 Karten.


Sonstiges


Wer sich die Liste mit Karten ansieht, stellt fest, dass das Milldeck im Normalfall das Enchantment-Deck ist. Eine Tranquility will man dementprechend wirklich nicht beim Gegner sehen und im Gegensatz zum Maniac ist sie keine Rare. Meiner Erfahrung nach stehen die Chancen, dass man sie als Mühldrafter spät herauspicken kann, recht gut. Aber wer Weiß spielt und eine sehr gute Sideboard-Karte gegen das Milldeck haben möchte, kann natürlich auch zugreifen.


Steht auf meiner Prioritätenliste fürs Mühldeck ziemlich weit unten. Ich möchte sie dennoch aufführen, da sie einem theoretisch zwei zusätzliche Züge kauft. Trotzdem habe ich lieber vernünftiges Removal oder Kreaturen im Deck, die öfter blocken können, wie die Krabbe mit dem dicken Hintern.

Zum Abschluss gibt es noch zwei Beispiele, wie Milldecks aussehen können.


1 Stitcher's Apprentice
2 Avacynian Priest
1 One-Eyed Scarecrow
1 Fiend Hunter
2 Selhoff Occultist
1 Slayer of the Wicked
1 Fortress Crab
1 Sturmgeist

2 Dream Twist
2 Sensory Deprivation
1 Bonds of Faith
1 Cellar Door
2 Rebuke
3 Curse of the Bloody Tome
1 Trepanation Blade
1 Grasp of Phantoms


9 Island
8 Plains

Sideboard:

1 Village Bell-Ringer
1 Lost in the Mist
1 Makeshift Mauler
1 Delver of Secrets
1 Curiosity
1 Hysterical Blindness
1 Selfless Cathar
1 Moment of Heroism
1 Urgent Exorcism
1 Spectral Rider
1 Bitterheart Witch


Kandidat 1 war das Ergebnis eines 7-Mann-Drafts. Weiß war in diesem Draft offen und mehrere 2:1-Karten sowie die beiden Priests sorgten für zwei Siege und eine Niederlage, wobei der eine Sieg knapp gegen Liliana of the Veil im dritten Zug gewonnen wurde. Das war das Spiel, in dem ich festgestellt habe, was für eine schnelle Clock doch zwei Curse of the Bloody Tome darstellen. Gegen die blauen Decks, die ein fokussiertes Graveyardthema haben, gehört allerdings ein bisschen Fingerspitzengefühl dazu, wann man anfängt, den Gegner zu millen. Normalerweise will man vermeiden, ihm Kreaturen in den Friedhof zu legen, da dies frühe Zombies mit hoher Power ermöglicht. Dementsprechend würde ich eher abwarten, solange der Gegner nichts beziehungsweise wenig macht. Jeder Zug, der verstreicht, bringt euch dem Sieg näher. Generell spielt man niemals im ersten Zug Dream Twist, sondern hebt es sich für die späteren Züge auf.

Die Niederlage kam gegen ein rot-grünes Deck, wobei die Spiele recht knapp waren. Mein Gegner in dieser Runde hatte nach dem ersten Spiel einige Karten ins Deck geboardet, was mich im Endeffekt den Sieg gekostet hat. Das Einboarden von Karten gegen dieses Deck ist dennoch mit Vorsicht zu genießen. Wenn das eigene Deck dadurch viel langsamer wird, sind die ein bis zwei Züge, die man zusätzlich gewinnt, es definitiv nicht wert. Ich empfehle gegen das Milldeck eher das Deck möglichst aggressiv zu machen, damit die Spiele nicht zu lange dauern. Wenn mein Gegner 15 Länder in sein Deck steckt, freue ich mich sogar, denn dadurch steigen die Chancen für mich, dass er wenig Druck aufbaut und vor allem Curse of the Bloody Tome genügend Zeit hat, auch diese 15 Karten in den Friedhof zu bringen.


1 Avacynian Priest
1 Selhoff Occultist
1 One-Eyed Scarecrow
1 Slayer of the Wicked

5 Ghoulcaller's Bell
3 Dream Twist
2 Sensory Deprivation
1 Feeling of Dread
1 Think Twice
1 Runic Repetition
3 Curse of the Bloody Tome
1 Rebuke
1 Ghostly Possession
2 Grasp of Phantoms


1 Moorland Haunt
6 Plains
9 Island

Sideboard:

1 Fortress Crab
2 Stitcher's Apprentice
1 Purify the Grave
1 Moment of Heroism
1 Burning Vengeance
1 Rolling Temblor
1 Clifftop Retreat


Zum Abschluss mein Highlight: Das Ergebnis eines 10-Mann-Drafts. Man beachte, dass das Deck mit Ausnahme von Feeling of Dread nur noch aus Millkarten und Removal besteht. (Ja, wie oben erwähnt, zähle ich One-Eyed Scarecrow in diesem Deck als Removal.) Moorland Haunt konnte ich nie aktivieren, aber es hat durch die vielen Ghoulcaller's Bell den Platz im Deck verdient, denn selbst einmal einen Blocker zu machen, kann ein Spiel entscheiden. Viel mehr ist bei vier Kreaturen aber auch nicht drin. Runic Repetition und eine Bell wurden teilweise von mir herausgeboardet, um Burning Vengeance und Rolling Temblor unterzubringen. Runic Repetition halte ich grundsätzlich ab dem dritten Dream Twist für spielbar. Hilfreich war natürlich, dass ich zusätzlich noch Feeling of Dread und Think Twice im Deck hatte.

Es gab an unserem Tisch leider zwei Decks mit Laboratory Maniac. Ich wollte dennoch testen, wie schnell ein richtig gutes Milldeck sein kann, dass sich ausschließlich darauf konzentriert, den Gegner zu racen. Es hat wieder nur für ein 2:1 gereicht. Die Niederlage lag an einem miserablen Draw und meiner Hochmut im ersten Spiel, eine Hand mit dreimal Ghoulcaller's Bell, aber nur einem Land zu halten. Bei meinem Gegner kam, soweit ich mich erinnere, im dritten und vierten Zug je ein Rakish Heir und ich bekam weder ein zweites Land noch die beiden Sensory Deprivation. Trotzdem hatte ich selten so viel Spaß mit einem Deck wie mit diesem hier.

Wenn ihr die Mühlstrategie einmal ausprobieren möchtet, funktioniert es am besten, wenn man sie von Anfang an mit allen Mitteln forciert. Das heißt dann auch, bessere Karten am Anfang für passenden Karten weiterzugeben und zu hoffen, dass es keinen zweiten am Tisch gibt, der ebenfalls diese Strategie fährt. Es ist ein wenig so wie mit Gift in Scars of Mirrodin. Wenn man es konsequent gedraftet hat, bekam man normalerweise das beste Deck am Tisch, weil die anderen Spieler irgendwann ausgestiegen sind. „Schubsduell“ beziehungsweise „Wer blinzelt zuerst“. Leider gab es praktisch immer genügend Karten für zwei Gift-Spieler am Tisch, während es in Innistrad nur für ein Milldeck reicht. Ein gutes Milldeck mag nicht ganz so mächtig sein wie ein gutes Infectdeck, aber es kann trotzdem sehr gut mithalten und bringt definitiv Abwechslung in das tägliche „meine Kreaturen sind besser als deine“.

Viel Spaß beim Selbstversuch!




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