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GP-Bochum-Bericht (Top 8), Teil 1
von Sok-Yong Lee
18.11.2010


„Schreib irgendwelche Stichworte auf. Der Tobi macht daraus schon einen Artikel.“
– Jens Kessel


Vorbemerkungen

Ich bin älter geworden.

Das merke ich daran, dass ich körperliche Verschleißerscheinungen spüre und einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehe, die mich dazu nötigt, jeden morgen früh aufzustehen und spät wieder nach Hause zu kommen. Nebenbei fällt es mir dadurch schwerer, Aktivitäten nachzugehen, die mit M anfangen und mit agic aufhören, geschweige denn einen Artikel darüber zu verfassen. Andererseits hilft es schon, durch den Job gelernt zu haben, auch mal über einen längeren Zeitraum die Anspannung und Konzentration zu halten.

Mit einer Person zusammenzuleben, die sich nicht mehr Mitbewohner nennt, bedeutet außerdem, noch andere Konzessionen einzugehen. Ich bin mittlerweile bloß noch sehr sporadisch auf Magic-Turnieren anzutreffen, da eine gemeinsame Wochenendgestaltung deutlichen Vorrang genießt. Das letzte Mal waren es die Deutschen Meisterschaften 2009 und auch dort eher, um Leute zu treffen als um Ruhm und Ehre zu streiten. Freunde in meiner Altersklasse zum Magic-Spielen auf so ein Riesenevent zu mobilisieren, heißt dementsprechend immer auch, virtuelle Kämpfe gegen deren Lebenspartnerinnen auszufechten.

Älter zu sein, bedeutet aber auch, gelassener geworden zu sein. Ich kann auf abendliches Weggehen ganz gut verzichten, weil ich den Wert eines entspannten Frühstücks kenne, selbst wenn dieses um 6:00 Uhr morgens stattfindet. Nicht mehr alle persönlichen Unsicherheiten und Unzufriedenheiten mit mir herumzuschleppen, die gerade auch bei einem Magic-Turnier ablenkend sein können, erleichtert ungemein. So rege ich mich nicht mehr sonderlich auf über oder lasse mich irritieren von Sachen, die es objektiv nicht wert sind, wie zum Beispiel Niederlagen oder auch Siege. Anzuerkennen, dass die Menschen, die dieses Spiel als Sport begreifen, durchaus besser sein können als ich; und wenn sie es nicht sind, dennoch in der Lage sind, gegen mich zu gewinnen – das ist eine wichtige Voraussetzung, um Magic genießen zu können. Denn im Umkehrschluss bedeutet dies auch, dass ich wiederum gegen Spieler bestehen kann, die mehr auf dem Kasten haben als ich. Aber um eins klarzustellen: Gewinnen macht mir deutlich mehr Spaß als Verlieren.

Insofern war der Grand Prix in Bochum wirklich ein sehr spaßiges Turnier …


Vorbereitung und Roadtrip

Fünf Wochen Stress auf der Arbeit vor dem Event führten dazu, dass ich nur einmal bei der Essener Draftrunde im Panoptikum, dreimal Sealed Deck und zweimal Draft auf Magic Onlinespielen konnte. Meine mageren Erkenntnisse: Sealed Deckbau ist schwer und von Draft habe ich nicht wirklich Ahnung. Ich habe viermal R/W-Metalcraft, einmal B/R-Schimmel und einmal Infect gespielt und mit diesen Erfahrungswerten muss ich jetzt zurechtkommen.

Ich wohne tatsächlich nur 25 Autominuten vom Ruhrkongress Bochum entfernt in einem kleinen Ort namens Hattingen, der aufgrund der inflationären Dichte mittelgroßer unaufregender Städte im Ruhrgebiet untergeht. So spiele ich am Freitag nach der Arbeit noch schnell einen Grand Prix Trial, bastle wieder ein R/W-Metalcraft-Deck und verliere die zweite Runde gegen einen mürrischen Russen. Was ich hier lerne, ist, dass Koth of the Hammer nicht notwendigerweise ein Spoiler ist und ich ziemlich eingerostet bin, wenn es um wettbewerbsorientiertes Spielen auf großen Events geht.

Glücklicherweise war es mir möglich, meine guten Kumpels Neule und Andi dazu zu bewegen, am Freitag ins Ruhrgebiet zu kommen. Leider müssten die beiden schon am frühen Samstagabend wieder fahren, da Andis Schwager seinen Geburtstag feiert. So wurde auch gleich der glorreiche Schlachtplan ausgeheckt, dass weniger als 800 Menschen zum Grand Prix kommen, die beiden einfach sechs Runden zu null spielen, dann droppen und nach Hause fahren, um sich den so gewonnen Pro-Tour-Punkt an die Wand zu hängen … Nicht alle Vorstellungen in diesen Ausführungen sind sinnhaft und logisch, und nur ein halbes von drei Planzielen wurde dann auch ordnungsgemäß erreicht.

Nichtsdestotrotz sind die beiden begeisterte und leidenschaftliche Spieler auf ihrem ersten GP. Leider keine hochqualifizierten, mit denen man fachliche Diskussionen führen kann, aber der Spaßfaktor ist dafür ungleich höher. Da die zwei noch sporadischer als ich zu Turnieren fahren, sind ihre aktuellen Sealed-Deck- und Scars of Mirrodin-Kenntnisse gering bis nichtexistent. Daher kaufen wir uns schnell zehn Booster bei Jens Kessel (zwei habe ich beim Trial vorher als Entschädigung dafür bekommen, in der zweiten Runde verloren zu haben), um zwei Sealed Pools zu bauen und Karten kennenzulernen.


Im Sealed Pool des Trials habe ich ja schon einen Koth of the Hammer geöffnet, in den Boostern öffnen wir einen weiteren und dazu noch eine Elspeth Tirel. Für alle, die sich, wie ich, immer die Kartenpreise vorsagen lassen müssen:

2×Koth + 1×Elspeth − Preis für Trial − Preis für zehn Booster − Preis für Mainevent = 0

… das wird also ein gutes und vor allem kostenneutrales Turnier.

Nachdem ich noch versuche, so viele Information wie möglich zum Deckbau und zur Karteneinschätzung in die beiden zu pressen, testen wir ein wenig die Decks. Mit Neule Magic zu spielen, ist ungefähr so interessant wie meine Mama am Computer zu beobachten. Jede Aktion wird mehrfach überdacht, um auf die einfachsten Schlüsse zu kommen. Manchmal sind diese sogar ganz gut … oft aber auch nicht. Wenn Andi nebendran sitzt, dann geht die Assoziation zu meinen Eltern noch einen Schritt weiter. Die Überlegungsprozesse werden dann dazu noch hitzig diskutiert und die Resultate verbleiben auf einem ähnlichen Niveau. In diesen Momenten beginne ich, die reizvollen Aspekte des Buddhismus zu verstehen. Auf jeden Fall wird schon ein neuer Plan geschmiedet, der nicht mehr darauf hinausläuft, 6:0 zu gehen, sondern so viele Menschen wie möglich zu nerven beziehungsweise zu unterhalten, am besten irgendwelche Pros oder Wannabe-Pros, die man bei 3:0 treffen wird …

Nach einem ausführlichen Frühstück geht es am nächsten Morgen dann zur Site. Props an Marc-Uwe Kling für die ausgelassene Unterhaltung während der Autofahrten.

Hier mein Pool zum Nachbasteln:

Sealed Pool

Abuna Acolyte
Dispense Justice
Ghalma's Warden
Glint Hawk
Loxodon Wayfarer
Myrsmith
Salvage Scout
Seize the Initiative
Soul Parry
Tempered Steel
True Conviction

3 Plated Seastrider
Sky-Eel School
Steady Progress
Stoic Rebuttal
Trinket Mage
Turn Aside
Vault Skyward
Vedalkan Certarch

Bellowing Tanglewurm
Blight Mamba
2 Ezuri's Archers
Wing Puncture
Withstand Death


Bleak Coven Vampires
2 Contagious Nim
Dross Hopper
Exsanguinate
2 Flesh Allergy
Fume Spitter
Memoricide
Moriok Reaver
Painsmith
Plague Stinger
Relic Putrescence
Tainted Strike

Arc Trail
Ferrovore
2 Galvanic Blast
Oxidda Daredevil
Oxidda Scrapmelter
2 Vulshok Heartstoker

Darkslick Shores


Auriok Replica
Accorder's Shield
Clone Shell
Contagion Clasp
2 Copper Myr
Corpse Cur
Darksteel Myr
Darksteel Sentinel
Echo Circlet
Flight Spellbomb
Glint Hawk Idol
2 Gold Myr
Golden Urn
Golem Foundry
2 Heavy Arbalest
Iron Myr
2 Moriok Replica
Mox Opal
Myr Galvanizer
Myr Propagator
Nihil Spellbomb
Origin Spellbomb
Panic Spellbomb
Perilous Myr
Saberclaw Golem
2 Sylvok Replica
Wall of Tanglecord


Und das, was ich daraus gemacht habe:

Sealed Deck

2 Forest
6 Mountain
7 Plains

1 Dispense Justice
1 Ghalma's Warden
1 Myrsmith
1 Tempered Steel
1 True Conviction

1 Arc Trail
2 Galvanic Blast
1 Oxidda Scrapmelter


1 Clone Shell
1 Contagion Clasp
1 Copper Myr
1 Darksteel Sentinel
1 Glint Hawk Idol
2 Gold Myr
1 Iron Myr
1 Myr Galvanizer
1 Myr Propagator
1 Origin Spellbomb
1 Panic Spellbomb
1 Perilous Myr
1 Saberclaw Golem
2 Sylvok Replica


Mit dem Pool und dem Deck bin ich zufrieden, aber nicht glücklich. Irgendwie ist die Spoilerdichte überschaubar. Auf was ich aufbauen kann, ist solides Removal für Kreaturen und Artefakte, zwei situationsabhängig gute Enchantments, die wohl als Semi-Spolier durchgehen und eine solide, jedoch keineswegs berauschende Kreaturenbasis. Den Splash für die beiden Sylvok Replica unterstütze ich mit zwei Wäldern und Copper Myr und nicht etwa andersherum. Ich wollte nicht zu abhängig vom Überleben der kleinen Männer sein, um die wertvolle Ability der Replicas nutzen zu können, und ich bin der Auffassung, dass man guten Gewissens maximal vier Manamyr spielen kann.

Nach meiner Einschätzung und der der Menschen, die es sich noch anschauen, wird das Deck voraussichtlich für ein positives Abschneiden reichen, etwa im Bereich 5:4.


Runde 1: Bye

Ich bin positiv überrascht. Mein Rating war eingefroren, da ich das letzte Mal vor über einem Jahr ein offizielles Match gespielt habe. Der Trial am Freitag hat anscheinend gereicht, mein steinaltes Rating aufzutauen, und dieses war überraschenderweise gut genug für eine Stunde Vorbereitungszeit. Ich checke Decks mit René Appel, auch ein echter Old-Schooler. Er hilft mir meins zu optimieren, da ich mich ein wenig verbaut habe.

Der Sideboardplan:

Auf den Glint Hawk habe ich beim Deckbau verzichtet, weil ich dachte, nicht genug Artefakte zu haben, die ich ein zweites Mal spielen will. Mit einem Myr ist er schließlich auch nur ein situationsabhängiger Wind Drake. Was ich mich zuerst nicht getraut habe, ist, den Mox Opal hineinzunehmen, der den Hawk natürlich ebenfalls besser macht.

Außerdem wird mir klar, dass ich mehr weiße Quellen für True Conviction benötige und dass meine roten Spells alle mit einem Mountain spielbar sind. Da ich mich mit diesem Haufen auch nicht ausdrücklich als Beatdownspieler verstehe, weicht zudem in Spiel 2 meist die rote Spruchbombe. Später im Turnier würde ich ich dann on the draw oft statt der Plains noch einen weiteren Spruch integrieren.

Weitere Sideboardoptionen:

Wall of Tanglecord (gegen Decks mit vielen Fliegern)
Heavy Arbalest (gegen langsame Decks mit vielen 2-Toughness-Kreaturen ⇒ also nie; auch eine Kombo mit Myr Galvanizer)
Auriok Replica (gegen Decks mit viel Bounce, um die Clone Shell zu ersetzen)
Soul Parry (gegen Infect)
Seize the Initiative (dito)

Ich beobachte noch meine Buddies beim Spielen. Sie starten beide mit Niederlagen ins Turnier. Jetzt geht es darum, schnell ihre Decks zu verbessern. Neule hat Wurmcoil Engine, Steel Hellkite, Myr Battlesphere und Skithiryx, the Blight Dragon im Pool, Andi „bloß“ Molten-Tail Masticore. Bei beiden tausche ich etwa ein Drittel der Karten im Deck aus und fordere sie auf, nach den ersten Spielen jeweils in die andere Konfiguration zu wechseln. Dann schimpfe ich Neule noch dafür aus, dass er die Contagion Clasp im Sideboard gelassen hat, obwohl ich ihn gestern mehrfach auf den Nutzen dieser Karte hingewiesen hatte. Neule hebt sich gegen Andi positiv ab, indem er feststellt, dass ich bei seinem Zweit-Deck ja viel weniger Karten ausgetauscht habe als bei Andis.


Runde 2


Jan spielt ein grün-weiß-schwarzes Deck mit und ohne Infect-Kreaturen. Seine Ratchet Bomb kontere ich mit zwei weiteren Myr, da ich mit meinem Artefaktremoval auf der Hand ganz beruhigt sein kann. Ich gewinne recht unspektakulär in zwei Spielen. Myr Galvanizer hat in diesem Match gute Arbeit geleistet. Schönes Gefühl, die erste Runde eines Turniers zu gewinnen.

Neule und Andi haben beide ihre Runde gewonnen. Nicht nur haben sie diesmal ihre Spoiler gezogen, anscheinend haben ihnen ihre Decks diesmal auch Spaß gemacht. Kann aber auch am Gewinnen liegen.


Runde 3


Luca ist Italiener und zeigt mir in Turn 3 gleich die beeindruckende Kombination aus Flight Spellbomb und Kuldotha Rebirth. Mit den Tokens kann er dann auch erfolgreich mehrere Züge chumpblocken. Im zweiten Spiel lege ich ihm den Traumstart hin: Turn 2 Myr, Turn 3 Myr, Turn 4 Tempered Steel. Allzu viel Widerstand leistet er da nicht mehr. Mein Gegner macht nach dem Spiel einen sehr unzufriedenen Eindruck. Ist schon blöd, so weit zu fahren, um dann gegen einen Random Local zu verlieren.

Diesmal haben meine Begleiter leider beide verloren. Andis Gegner konnte seinen Spoiler entsorgen; Neule fragt mich, warum ich diese Wurmcoil Engine so toll finde. Sein Gegner hat einfach Arrest draufgespielt.


Runde 4

Herwig aus Belgien hat ein schwarz-weißes Deck und in beiden Spielen eher unterdurchschnittliche Draws. Im zweiten zieht er insgesamt eine Kreatur, drei Equipments, Exsanguinate und ganz viele Länder. Irgendwie warte ich immer darauf, dass plötzlich eine fiese Bombe aus seinem Deck springt, aber seinen Angaben zufolge hat er einfach nur ein schlechtes Deck und bis zu diesem Zeitpunkt extrem viel Glück gehabt.

Neule hat schon wieder verloren. Da Andi noch spielt und leicht nervös wird, wenn wir zuschauen, gehen wir erst mal etwas essen. Die Pasta mit Tomatensoße ist in Wahrheit Pasta mit Bolognesesoße, und da mein Kumpel Vegetarier ist, gehe ich mich natürlich beschweren. Dafür gibt's dann einen Teller Nudeln mit Käsesoße, und als Andi gerade pünktlich von seiner Niederlage kommt, kann er sich mit einem Gratisessen trösten. Habe ich schon erwähnt, dass das ein gutes Turnier wird?


Runde 5

Wahrscheinlich war das Essen ein Fehler, da ich in dieser Runde eine tiefsitzende Müdigkeit verspüre. Meinem Gegner, Christian, geht es nach eigener Aussage genauso, sodass wir unser Match mit einem Gähn-Contest beginnen. Währenddessen setzt mich sein U/W-Deck mit mehreren Fliegern ziemlich unter Druck. Auf sechs Leben kann ich True Conviction legen, bei einer offenen Insel und Plains auf seiner Seite. Mit der Aussage „Wenn du jetzt das Disperse hast, bin ich beeindruckt“ greife ich an. Er hat es tatsächlich, kann mich aber im Gegenzug nur auf ein Leben bringen. Was soll ich sagen, Double Strike und Lifelink sind schon zwei verdammt beeindruckende Eigenschaften, wenn sie miteinander kombiniert werden.


Im zweiten Spiel sattelt er auf ein grün-weißes Deck mit mindestens zwei Slice in Twain um, das mir auch gleich die erste Niederlage des Tages beschert. Er ist in diesem Spiel ziemlich weit vorne, allerdings kann ich mit dem Myrsmith lange Zeit Chumpblocker produzieren. Seine Hauptbedrohung ist ein Sunspear Shikari, der Barbed Battlegear und Sylvok Lifestaff trägt. Gewinnen wird also schwer, allerdings kommt er auch nur langsam gegen mich an, sodass die Zeit allmählich knapp wird. Mit True Conviction, Removal und Glint Hawk für die Contagion Clasp, die nutzlos auf dem Tisch liegt, habe ich auch noch einige Outs im Deck, die es rechtfertigen, das Spiel so lange zu spielen wie möglich.

Im dritten Spiel sind wir dann also unter Zeitdruck. Ich habe einen klaren Vorteil, da er leicht screwed ist, verpasse aber durch kleinere Flüchtigkeitsfehler mehrere Möglichkeiten, Schaden zu forcen. Der Judge, der direkt bei uns steht und mich auffordert, eine Entscheidung zu treffen, ist da keine Hilfe.


Da ein Draw uns beiden nichts bringt, möchte Christian anschließend nachvollziehen, wer von uns beiden gewonnen hätte. Wir decken jeweils die nächsten Karten auf und Christian ist überzeugt, dass er gewonnen hätte, woraufhin ich ihm zu erkennen gebe, dass ich auf keinen Fall aufgeben werde. Der Judge ist wieder keine Hilfe, indem er uns auffordert, sofort den Ergebniszettel auszufüllen. Mit ein wenig mehr Zeit wäre ich vielleicht zu demselben Schluss wie Christian gekommen, vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist er sichtlich genervt, als ich ihm meine Entscheidung mitteile. Wahrscheinlich geht er davon aus, dass ihm ein verdienter Sieg genommen wurde. Leider schafft er es nicht mehr in den zweiten Tag, aber immerhin hat mich dieses Match wieder spürbar aufgeputscht.

Neule und Andi haben diesmal gewonnen. Gleich steigt die Laune wieder und selbstverständlich sind ihre Decks eigentlich unfassbar gut und superspaßig zu spielen. Bei Neule scheint es immer nach demselben Muster zu laufen. Entweder er zieht so wenig Spoiler, dass sein Gegner damit klarkommt, oder er zieht alle Spoiler und der Gegner fragt sich, was dieses Deck an den unteren Tischen zu suchen hat. Jetzt haben die beiden auch ein neues erklärtes Ziel: Einen ausgeglichenen Score erzielen und erhobenen Hauptes zu ihren Frauen fahren!


Runde 6

Karol tritt mit einem U/R-Deck gegen mich an und nach ein paar gut durchdachten Zügen seinerseits wird mir bewusst, weshalb er im Draw-Bracket sitzt. Seine Heavy Arbalest nervt und er bounct mir in einem Spiel zweimal die Clone Shell, sodass klar ist, wer das nächste Mal pausieren muss. In den anderen Spielen rockt einmal die True Conviction und … an das andere Spiel erinnere ich mich beim besten Willen nicht mehr. Deswegen fülle ich diese Lücke mit positiven Interpretationen der Vergangenheit, die mein Handeln und Verhalten in ein besonders günstiges Licht rücken. Höchstwahrscheinlich hatte das Ganze was mit meinem Myrsmith, dem Removal zum richtigen Zeitpunkt und meinem überlegenen Mindgame zu tun, das meinen Gegner offensichtlich total verunsichert hat.

Für meine beiden Freunde ist die Reise hier beendet. 2:4 haben die beiden nun im Endeffekt gespielt, was zum 1316. und 1322. Platz reichen wird. Habe ich eigentlich erwähnt, dass die beiden sich ziemlich ähnlich sind? Mit meinem Versprechen, selbstverständlich den GP zu rocken und dass wir das Ganze bald mal wiederholen müssen, verabschieden sie sich und ich stehe auf einmal ohne Groupies da. Kein Problem, ab den nächsten Runden nerve ich einfach die Menschen die am PlanetMTG-Coverage-Tisch sitzen.


Runde 7

Alex hat scheinbar ein R/W-Deck mit unendlich vielen Removalsprüchen. Zumindest spielt er im ersten Spiel so souverän und nonchalant für alles, was ich auf den Tisch bekomme, eine Antwort und hält offenbar immer noch mehr in der Hinterhand. Im zweiten Spiel beginnt er ähnlich und legt Arrest auf meinen Manamyr. Nachdem ich dann aber relativ klar gewinne, versucht er, sein Play zu rechtfertigen, indem er die Gedankenzüge hinter dem Spielzug offenlegt. Ich bestärke ihn natürlich in seinen Ausführungen, weshalb es tatsächlich sinnvoll ist, Removal auf Manamyr zu spielen. Kann ja sein, dass er das noch einmal macht!


Im entscheidenden Spiel setzte ich ihn früh mit dem Glint Hawk Idol unter Druck und frühstücke seine wenigen Threats, die er aufgrund eines Colorscrews legen kann, elegant ab. Als er mir seine Elspeth Tirel zeigt, den ersten Spoiler, dem ich an diesem Tag begegne, ist er schon tot, da Flieger und ein Galvanic Blast ihm die letzten sechs Lebenspunkte nehmen.

Nach dem Match meint Alexander noch, dass er vor dem Event mit einem Rating von 1588 gestartet ist. In der darauffolgenden Runde wird er Brian Kibler schlagen, um sich für den zweiten Tag zu qualifizieren. Respekt!


Runde 8

Nils aus Hamburg, mit einem B/R-Infect/Non-Infect-Deck, haut mich im ersten Spiel ziemlich humorlos in fünf sauberen Angriffen mit Kuldotha Phoenix um. Ein Skinrender sorgt dafür, dass ich auf dem Boden nicht auf dumme Gedanken komme. Im zweiten Spiel kann ich dann aber sowohl den Phönix als auch einen Molten-Tail Masticore ausschalten. Da sind also die Spoiler. Im dritten Spiel brauche ich mich nur mit Galvanic Blast um den Masticore zu kümmern, den er zu früh gegen mein druckvolles Board auslegen muss. Danach haut er mir, bei sechs Leben und einer letzten Handkarte, meine Kreaturen bis auf einen einsamen Myrtoken weg. Von oben ziehen wir beide ein paar Runden lang nichts. Auf zwei Leben entfernt er mit einem Turn to Slag, das er die ganze Zeit über gehalten hat, den Token. Einen Zug, bevor ich eine weitere Wurst lege, die ihn dann auch alle macht. Schwere Entscheidung, leider falsch getroffen.


Später sehe ich, wie Nils im entscheidenden Spiel um den zweiten Tag mit einem aktiven Molten-Tail Masticore und sechs Mana gegen Sebastian Thalers W/G-Deck verliert. Thaler habe ich jetzt das zweite Mal bei einem Spiel beobachtet und ich bin echt beeindruckt. Bis ich so weit bin, muss ich wohl noch ein paar Jährchen älter werden. Oder irgendwie wieder jünger.


Runde 9

… bestreite ich gegen Christian und sein U/W-Deck. Er beglückwünscht mich zum zweiten Tag. Ich beglückwünsche ihn zurück, weiß in dem Moment aber schon, dass er im Zweifelsfall zufrieden ist. Was er nicht weiß, ist, dass ich nach Bochum mit einer geheimen Agenda gekommen bin: Ich will ein iPad gewinnen!

Er legt im ersten Spiel gleich Darksteel Axe, dann nichts, dann Kemba's Skyguard, dann noch einen. Meine Lifetotals sehen dementsprechend aus: 20–18–12–6. Mit dem Kommentar, dass das Race ja wohl unfair wäre, meine ich jedoch meine wahrhaft überzeugten Männer, die mein Leben nun doppelt hoch- und Christians doppelt runterprügeln. Er ist auch offensichtlich verärgert darüber, dass er die Runde zuvor seine Contagion Clasp nicht gegen mein Gold Myr eingesetzt hat, was das Ausspielen der True Conviction verhindert hätte. Er hatte lange darüber gegrübelt und sich dann doch dagegen entschieden.


Im nächsten Spiel zeigen sich mir das erste und einzige Mal am heutigen Tage Tempered Steel und True Conviction. Wie nicht anders zu erwarten harmonieren die beiden auch in Kombination ganz prächtig.


Runde 10

Vincent und ich saßen bei der Deckregistrierung und beim Deckbau schräg gegenüber, haben uns dabei kurz und nett unterhalten und sind beide hocherfreut, uns jetzt darum prügeln zu dürfen, wer den ersten Tag ohne Niederlage beendet.

Mit seinem aggressiven R/W-Deck gewinnt er das Race im ersten Spiel knapp. Im zweiten nehme ich einen Mulligan auf eine sehr gute 1-Land-Hand (zwei Myr, Contagion Clasp, Myrsmith, Glint Hawk Idol, Plains). Nachdem ich on the play eine Runde mit dem Länderlegen aussetzten muss, begehe ich einen schweren Fehler. Als ich eine weitere Ebene ziehe, spiele ich anstelle des grünen Myrs zuerst den roten. Die Überlegung dahinter war: Wenn ich Sylvok Replica nachziehe, werde ich das grüne dringender als das rote Mana brauchen. Er setzt mich mittlerweile mit Sunspear Shikari plus Sylvok Lifestaff und einem Ferropede unter Druck, shattert erwartungsgemäß die rote Manaquelle und legt mir dann noch einen Myrsmith vor die Nase …


Der nachgezogene Arc Trail blickt mir höhnisch ins Gesicht. Einen weiteren Zug später kann ich mit drei Plains und einem Copper Myr dann auch nur die Contagion Clasp auf den Schmied spielen und auf einen Mountain hoffen. Seinen Angriff mit den beiden Kreaturen blocke ich bei acht Leben nicht. Wer um Mitternacht bei einem so großen Turnier noch rechnen kann, ist klar im Vorteil. First strike damage resolves. Sacrifice Sylvok Lifestaff to Ferrovore. Wer braucht da bitte noch den Damage on the Stack?

Ich bin dennoch zufrieden. Über fünfzehn Jahre, nachdem ich angefangen habe, die Pappkarten zu drehen, qualifiziere ich mich das erste Mal für den zweiten Tag eines Grand Prix. Ob mehr Glück als Verstand dabei eine Rolle gespielt hat, kann ich nicht beurteilen. Im Zweifelsfall schon. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich kaum gegnerische Spoiler gesehen. Allerdings habe ich meine Spiele auch nicht in übermäßig hoher Anzahl dadurch gewonnen, dass ich meine Spoiler gelegt habe, sondern durch ein insgesamt überzeugendes Deck mit vielen Antworten.

Die Aussagen, die mir zu den einzelnen Karten in den Fingern kitzeln, liegen wohl zum großen Teil im Bereich des „stating the obvious“. Wobei ich anmerken will, dass mein Deck wohl aus zwei Gründen so gut funktioniert hat:

1)
Überdurchschnittlich gutes und viel Removal; da gibt's nicht viel zu ergänzen.

2)
Drei Crusade-Effekte auf eine Menge kleiner Würste; mit True Conviction, Tempered Steel und Myr Galvanizer war das Deck in der Lage, mindestens sechs 1/1er zu respektablen Kämpfern zu pushen. Gerade in diesem Format mit so vielen kleinen Kreaturen hat dies oft den entscheidenden Unterschied ausgemacht.

Was mir sonst noch einfällt:

True Conviction: Sorry, Sebastian. Diese Karte war jedes Mal großartig, wenn ich sie gezogen habe, und es gab mehr als eine Situation, in der ich sie mir von oben gewünscht hätte.

Ghalma's Warden: Hat mich am positivsten überrascht. Ohne Metalcraft hält er schon die meisten Bodenkraturen auf. Mit Metalcraft lässt er sich in diesem Format kaum aufhalten.

Splash für die beiden Sylvok Replica: Würde ich jederzeit wieder so machen.

Den Tag beende ich dann noch mit meiner ersten Zigarette seit fast fünf Monaten und diesen Artikel beende mit einem kleinen Ausblick auf den zweiten Teil:

„Als ich dir beim Draften zugesehen habe, dachte ich, dass ich davon wohl nichts mehr verstehe.“
– Ralph Riestedt





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