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Standard
Sonderausgabe vom Grabbeltisch
von Tobias Henke
10.08.2010



Wie sehen eure Reisepläne für die nächsten drei Wochen aus? Meine will ich am liebsten verdrängen. Mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, wie viel ich demnächst in irgendwelchen Flughöfen, Bahnhäfen und den jeweiligen Verkehrsmitteln herumsitzen werde. Na gut, einmal kurz auf die Schnelle.

Donnerstag, 19. August: Essen ⇒ Aschaffenburg (Bahn)
Montag, 23. August: Aschaffenburg ⇒ Essen (Bahn)
Freitag, 27. August: Düsseldorf ⇒ Berlin ⇒ Göteborg (Flugzeug)
Montag, 30. August: Göteborg ⇒ Berlin ⇒ Düsseldorf (Flugzeug)
Mittwoch, 1. September: Düsseldorf ⇒ Amsterdam (Flugzeug)
Montag, 6. September: Amsterdam ⇒ Düsseldorf (Flugzeug)

Ich werde von 19 aufeinanderfolgenden Tagen lediglich vier komplett zu Hause verbringen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass so viel Reiserei das Artikelprogramm hier auf PlanetMTG nicht ganz kalt lässt. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird es schon einen spürbaren Einfluss haben, andererseits bleibt der Ofen aber auch nicht völlig kalt. Im Moment rechne ich damit, dass in den kommenden drei Wochen (ab Montag) insgesamt ungefähr sechs bis acht reguläre Artikel erscheinen. Dazu kommt allerdings noch eine deutsche Berichterstattung von den Nationals in Aschaffenburg und von der Pro Tour in Amsterdam.

Dementsprechend will ich die Gelegenheit heute nutzen, um ein paar Dinge loszuwerden, deren Haltbarkeitsdatum in Kürze abläuft. Das beginnt mit einer kleinen Anmerkung zum frisch veränderten Extendedformat, geht dann jedoch ganz schnell zum eigentlichen Hauptthema Standard über.

„Ärgert dich als Freund von Kombodecks die Änderung nicht?“


Ich mag keine Kombodecks, ich mag Engine-Decks. Mind's Desire war ein schönes Deck, Elfenkombo war ein schönes Deck. Affinity, die alten Goblins, Enchantress, High Tide, Mirari's Wake, CAL, Broken Jar, so ziemlich alles mit Howling Mine, Mono-Blue Trix, Aluren, Prosperity-Bloom, das Original-Turboland oder auch das aktuelle Turbo-Neuland – das sind schöne Decks. Von der Sorte, bei der alle Teile wie gut geölte Zahnräder ineinadergreifen und bei der das Herunterspielen einer komplizierten Kombination von Karten in korrekter Abfolge zum Sieg führt.

Thopter Foundry neben Sword of the Meek legen? Vampire Hexmage neben Dark Depths? Das ist einfach nicht dasselbe. Ein Pakt mit dem Hive Mind oder besser noch: ein einziger Spell mit Cascade und gleich Ende? Ja danke! Von Scapeshift ganz zu schweigen... Thepths hatte genau eine Engine-Karte und die hieß Dark Confidant. Dann machte es einen 20/20er oder ganz viele 1/1er. Im Grunde war es nichts weiter als ein besonders starkes Kreaturendeck! Der Kampf mit Hate und die Auswahl, welchen Plan man nun verfolgen würde, war zugegebenermaßen knifflig, doch jeder Plan für sich war in etwa so stumpf wie nur irgend möglich.


Big Furry Monster hat mit einer Engine nichts zu tun und ergibt auch keine interessanten Decks. Dummerweise steckte das alte Extended voller Big Furry Monsters. Ob das mit dem neuen Format jetzt massiv besser oder bloß ein wenig besser wird, bleibt abzuwarten, irgendeine Verbesserung muss die Herausnahme ganz vieler solcher Monster aber auf jeden Fall bewirken. Ich für meinen Teil freue mich bereits auf Pro Tour Amsterdam und auf die nächste Extended-Saison.

Standard, cool wie nie

Vorher steht aber erst mal weiter Standard auf dem Programm, insbesondere nächste Woche bei der Deutschen Meisterschaft. Und was dort im Moment für Decks herumwuseln, ist schlicht phänomenal. Turboland gibt es wohl immer noch und die neuen Polymorph-Versionen sind allein schon dafür lobenswert, dass sie so viele Counter enthalten. Trotzdem ist Polymorph selbst natürlich auch nur wieder eine Variante vom Big Furry Monster. Das geht deutlich besser! Meine persönliche Top 3 der coolsten Standarddecks und die Listen, wie ich sie gegenwärtig spiele.

Platz 3: Valakut-Ramp

4 Valakut the Molten Pinnacle
6 Forest
3 Terramorphic Expanse
3 Evolving Wilds
12 Mountain

4 Explore
4 Rampant Growth
4 Khalni Heart Expedition
4 Harrow
4 Cultivate
2 Burst Lightning

4 Primeval Titan
4 Avenger of Zendikar
2 Siege-Gang Commander


Sideboard:

4 Back to Nature
4 Obstinate Baloth
...



Meiner Erfahrung nach sind zwölf grüne Quellen das absolute Minimum und selbst damit mulligant man manchmal noch direkt in den fünften Kreis der Hölle. Evolving Wilds und Terramorphic Expanse haben bisweilen ihre ganz eigenen Vorteile gegenüber Wäldern, beispielsweise wenn es darum geht, Khalni Heart Expedition oder spontan Valakut, the Molten Pinnacle auszulösen, aber mehr als zehn getappte Länder sind auch blöd. Gerade als Topdeck, während man auf die erste grüne Quelle wartet.

Siege-Gang Commander war in meinen Testspielen jedes Mal extrem unbeeindruckend. Richtig aktiv ist er erst ab sieben Mana, umso mehr weil man dem Gegner überhaupt keine anderen Ziele für Minispotremoval à la Lightning Bolt bietet, und dann ist Avenger of Zendikar schlicht stärker. Kool & the Gang mögen eine akzeptable Vorband sein, doch da drücke ich lieber mit dem grünen Daumen weiter auf die Vorspultaste, bis die eigentliche Show beginnt. Ähnliches gilt für Spielereien wie Bloodbraid Elf. Der 3/2-Body trägt zum Deckkonzept wenig bei, validiert höchstens noch irgendwelche Wall of Omens, und wenn man den Elfen benutzt, verzichtet man wohl auf Khalni Heart Expedition, und das kann nun wirklich niemand ernsthaft empfehlen, der die Verzauberung jemals in Aktion gesehen hat.


Alles in allem arbeitet die Liste mehr daran, dass der eigene Plan aufgeht, als Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass er das nicht tut. Dafür muss man sich ein wenig darauf verlassen, in jedem Spiel Primeval Titan oder wenigstens eine geschmolzene Zinne zu ziehen, und ist ansonsten einfach nur verlassen, doch wie heißt es so schön: Ende gut – Valakut. Das einzige Zugeständnis sind die beiden Burst Lightning. Ein rotes Mana, um einen Early Threat/Noble Hierarch abzurüsten, kann man in den ersten drei Zügen meist noch erübrigen, und wenn es nötig wird, einem Controlspieler mit einem einzelnen Valakut 22 Schadenspunkte zu verabreichen, kommt der Kicker sehr gelegen. Andere Leute schaffen häufig Platz für vier Blitze und verwenden dann in der Regel Lightning Bolt

Abschließend eine Anmerkung zum Sideboard: Das ist offensichtlich unvollständig und weiterhin under construction. Okay, zwei Anmerkungen: Back to Nature ist die allerbeste Sideboardkarte, zumindest in potentia. Vernünftige UW-Controlspieler, nennen wir sie Franzosen, verwenden dieser Tage Tectonic Edge und Sun Titan, um Valakut zu besiegen, aber auf Magic Online habe ich noch extrem oft gegen Spreading Seas gespielt. Das lässt man lieber bleiben.

Platz 2: Pyromancer Ascension

3 Halimar Depths
8 Island
8 Mountain
4 Scalding Tarn

4 Burst Lightning
1 Call to Mind
4 Lightning Bolt
4 Mana Leak
4 Ponder
4 Preordain
4 Pyromancer Ascension
4 See Beyond
4 Time Warp
4 Treasure Hunt


Sideboard:

2 Flashfreeze
2 Jace Beleren
4 Kiln Fiend
3 Negate
4 Spreading Seas



Hierbei handelt es sich um die Liste von Guillaume Matignon, mit der er Zweiter bei den französischen Nationals wurde, und dieses Deck ist tatsächlich noch viel cooler als Valakut-Ramp. Allerdings spiele ich ein 23. Land anstelle vom zweiten Call to Mind.

Ja, mir ist durchaus aufgefallen, dass zwei Call to Mind mit aktiver Ascension buchstäblich unendlich abgehen. Ja, das ist superwitzig. Und ja, sobald man einmal anfängt, seine Librarymanipulation zu manipulieren, ist es nicht einmal unwahrscheinlich, dass man beide Exemplare findet. Es ist bloß völlig unnötig! Ein Call to Mind stellt sicher, dass man am Ende genug Brutzel übrig hat, um den Gegner fachgerecht abzufertigen, und ist dabei flexibler als zum Beispiel ein weiterer Burnspell. Mehr braucht man nicht.

Das 23. Land hingegen... Also ich will mit Preordain, Ponder und See Beyond lieber überzählige Länder weglegen können, statt mir welche suchen zu müssen. Ich will, dass Treasure Hand öfter mal ein Land aufdeckt. Vor allem aber will ich bis Turn 5 niemals jemals (Anglizismus!) einen Landdrop auslassen. Und ich denke, jeder andere Pyromancer sollte das auch wollen.

Spielen würde ich jedoch auch dieses Deck nicht. Spätestens wenn die Leute nach dem Sideboarden zusätzlich zu Mana Leak und Oblivion Ring mit Celestial Purge und Negate ankommen, macht das alles gar keinen Spaß mehr, und Leyline of Sanctity ist ein sofortiges Todesurteil. Meinen Ergebnissen zufolge lässt sich wunderbar gegen alle Maindecks kämpfen und gegen die Sideboards lässt sich wunderbar... verlieren.

Okay, welches Deck würde ich denn spielen, wenn ich bei der DM anträte? Zunächst eine Gegen-Quizfrage: Welcher Zug ist ihr hier abgebildet?


Außerdem eine Anschlussfrage: Habt ihr den Scrollbalken bemerkt? Und benutzt?

Wie auch immer. Was ihr hier seht, ist ein Screenshot von Turn 3. On the play. Zugegeben, ganz so krass geht das Deck wirklich nur mit zwei Etherium Sculptor ab, aber selbst einer davon bewirkt bereits einiges. Der Immervolle Kelch produziert auf einmal genauso viel Mana, wie er kostet. Die ganzen „Cycling“-Artefakte gibt es plötzlich zum halben Preis, Howling Mine ebenso und Temple Bell verbraucht auch nicht länger das Mana eines gesamten Zugs. Besonders fein ist die Interaktion mit Borderposts. Falls man zufällig einmal keinen Landdrop hat, kann man nämlich ein Land umsonst auf die Hand zurückbringen und gewinnt dadurch effektiv sogar ein Mana.


Überhaupt ist Etherium Sculptor mit großem Abstand die brokenste Karte aus Shards of Alara, für die es leider niemals ein Deck gegeben hat. Trix benutzte damals Sapphire Medallion, um blaue Kartenzieher zu beschleunigen, jetzt sind die Kartenzieher Artefakte und Blau sorgt für die Beschleunigung.


Spotremoval ist überraschend unproblematisch. Path to Exile beschleunigt ebenfalls und jeder Lightning Bolt ist nun mal ein Lightning Bolt weniger, der an den eigenen Kopf geworfen wird. Abgesehen davon leidet die gegnerische Boardentwicklung durchaus auch darunter, wenn erst einmal ein Removal gespielt werden muss. Spät im Spiel, in den Kombozügen leistet Etherium Sculptor sowieso ganze Arbeit, und wenn man sich ein bisschen geschickt anstellt, schafft man es grundsätzlich immer, dass er sich bezahlt macht. Einzig gegen Mono-Rot und speziell gegen Searing Blaze stellt er einen echten Schwachpunkt dar. Dort wird man allerdings eh massiv boarden. Müssen.

Platz 1: Sieve of Time

4 Fieldmist Borderpost
4 Mistvein Borderpost
4 Marsh Flats
2 Swamp
4 Plains
6 Island

4 Etherium Sculptor
3 Tezzeret the Seeker

4 Everflowing Chalice
4 Prophetic Prism
4 Kaleidostone
4 Howling Mine
4 Temple Bell
4 Time Warp
2 Time Sieve
3 Open the Vaults


Sideboard:

4 Leyline of Sanctity
4 Celestial Purge
4 Spell Pierce
3 Into the Roil



Die Unterschiede zu der Version, mit der sich Nico Bohny an dieser Stelle mehrfach befasst hat, sind überschaubar und trotzdem spielt sich das Deck gleich ganz anders.

+4 Etherium Sculptor
+1 Tezzeret the Seeker
+1 Plains

+4 Spell Pierce

−4 Angelsong
−1 Open the Vaults
−1 Swamp

−4 Duress

Es ist wesentlich aggressiver, dafür wehrt es sich weniger. Während man sich mit Angelsong einen Zug zu erkaufen versucht, ist man mit Etherium Sculptor in der Regel einen Zug schneller. Je nachdem, was der Gegner so vorhat, schwankt das Ergebnis. Meist läuft es auf ein Nullsummenspiel hinaus, nur manchmal explodiert diese Variante eben auch und vollbringt Dinge, die man mit Fug und Recht und Abscheu und Faszination als total absurd bezeichnen kann.

Es ist nicht unbedingt das stärkste Deck des Formats, definitiv aber das coolste und folglich das beste. Wenn ich die DM mitspielte, wäre das jedenfalls meine erste Wahl.




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