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Magic und Psychologie vom Laien
von Martin "Mertel" Engelhardt
30.07.2003

Hallöchen. Ich hab ein paar Betrachtungen zu Magic im allgemeinen, weil mir an der Diskussion zum neuen Kartendesign, dem Haupt-Set und Mirrodin was aufgefallen ist. Keine Strategie, kein Turnierbericht, kein Humor – wenn ich das kann. Nur ein paar wissenschaftlich unfundierte Gedanken.

Haupt Set

Haupt-Set klingt zwar ein wenig doof, iss aber ein klasse Name. Core-Set lässt sich analog zwar leicht mit Kern-Set übersetzen, allerdings geht da Gruschd verloren dabei - es hat nicht ganz die gleiche Bedeutung.

Mit Haupt-Set vermittelt man - meiner Ansicht - sehr schön, dass dies das Set ist, dass die Grundlage bildet. Ich hab schon arg oft gesehen, dass Frischlinge sich die 'cooleren' Erweiterungen gekauft haben, nur um dann mit Regeln konfrontiert zu werden, die sie nicht verstehen. Da hilft so ein Begriff wir Haupt-Set wohl. Das bringt halt gleich eine ganz andere Botschaft rüber als x-te Edition - was verdächtig nach dem dreiundzwanzigsten Aufguss aus dem Teebeutel klingt.

Mit der Bezeichnung Haupt-Set hingegen wird dem ganzen sprachlich Wichtigkeit verliehen. Hauptmann, Hauptbahnhof, Haupt-Set. Alle wichtig. Alle ‚besser' als normale Männer, Bahnhöfe, Sets. Wenn ich keine Ahnung habe und vor einem Regal stehe, wo es ‚Aufmarsch', ‚Trugbilder' und ‚Siebte Edition' gibt – was klingt am spannendsten? ‚Achter Aufguss' sicher nicht; ‚Haupt-Set' hat da schon eine andere Wirkung.
In dem Forum sprech ich zwar zur vollkommen falschen Zielgruppe (außer zu den ‚Ladenhütern' wie André und Andreas), da wir alle schon komplett informiert sind und somit für uns eine solche unterschwellige Beeinflussung unbemerkt bleibt, aber gerade deswegen finde ich es richtig, auch mal auf so was hinzuweisen.


Kartendesign

Die neuen Karten sind aufgeräumter. Die Schrift ist besser lesbar, Power/Toughness von Kreaturen hat endlich einen Bereich auf der Karte, der der Wichtigkeit dieser zwei Zahlen gerecht wird. Der Hintergrund der Karten ist kleiner und tritt damit mehr, nunja, in den Hintergrund. Und sie verbreiten den Charme eines Excel-Spreadsheets. Dieses Design ist von Kopfmenschen gemacht worden, das alte wohl eher von Bauchmenschen. Jetzt bin ich ein Gestudierter mit nem erheblichen Bauch. Mein Kopf findet rein und gar nichts, was an den neuen Karten schlechter ist, ganz im Gegenteil, es ist tatsächlich einfach alles besser. Aber mein Bauch schüttelt dennoch den Kopf. Es fehlt was. Ich hab noch keine Ahnung was, deshalb werf ich einfach mal drei Begriffe in den Raum, die mir gerade durch den kopf gehen: Charakter, Flair, Seele. Der Kopf sagt wieder, dass das nur daran liegt, dass ich jetzt neun Jahre mit dem alten Design gespielt habe und mich schon dran gewöhnen wird. Der Bauch befürchtet, dass der Kopf recht hat.
Ich befürchte allerdings eins: die neuen Karten sehen so technisch aus, dass noch weniger weibliche Wesen sie in die Hand nehmen werden. In anbetracht des pseudopsychologischen Themas ist die Botschaft, die beim betrachten der Karten bei mir persönlich ankommt etwa die: ‚Von Männern für Männer. Klare, harte Linien. Keine Schnörkel. Einfach nur 3/3.'


Mirrodin

Womit ich indirekt bei Mirrodin bin.
Wie das?
Laut den Bildern auf http://www.mtgnews.com und [URL]http://www.starcitygames.com steht und wohl ein Ausblick in eine Welt bevor, die man am besten so ähnlich beschreibt, wie das FASA anno 1989 mit ihrem Shadowrun Rollenspielsystem gemacht hat: ‚Where Elf meets Magic and Machine'. Die Gestalten sehen alle so aus, als ob sie sich kybernetische Implantate hätte einsetzen lassen. Der Terminator, Cyberpunk und Anime lassen grüßen.
Während andernorts schon darüber geklagt wird, dass Magic jetzt sein Sword & Sorcery Aspekt flöten geht vertraue ich darauf, dass das ein kurzzeitiges Experiment ist. Wenn es uns, den Käufern, nicht gefällt wird es wieder verschwinden.
Aber ein Block, wo alles metallen schimmert, macht jetzt gerade extrem viel Sinn. Technisiertes Setting und technische Karten passen wie die berühmte Faust aufs Auge. Und das absolute i-Tüpfelchen sind die Premium Karten. Mit den neuen Druck-Techniken sehen die Acht-Editions Foils schon toll aus. Für all diejenigen, die noch keine in der Hand hatten: man kann im Bild eine ausgewählte Stellen ‚highlighten'. Wenn ich jetzt also bei meinen Bildern das Chrom aufblitzen lassen kann dann macht es schon verdammt viel Sinn, wenn meine Bilder auch blitzendes Chrom haben.

Was steht denn hinter dem ganzen? Was sag ich hier eigentlich? Nun, ich sag, dass es bei Wizards Leute gibt, die sich genau diese Gedanken gemacht haben, die ich hier nachvollziehe. Und diese Leute sind mit diesen Gedanken angekommen, während ich nur das Ergebnis angucke und bewerte. (Und es besteht natürlich die Möglichkeit, dass ich mir irre und alles nur ein Furchtbar gut zusammenpassender Zufall ist – but then again....)
Wizards stellt en Produkt her, sie betreiben Marktforschung, sie verbessern das Produkt ständig. R&D sorgt für bessere Sets. Ausgewogener, nicht mächtige-als-das-letzte. Die Marketingleute sorgen für ein besseres Kartendesign und die bessere Ausnutzung eines neuen Marketinghebels (nämlich die neuen Premium Karten) durch eine Metall-Welt. Alles Super, oder?

Oder auch nicht.
Ich geh verdammt gern ins Kino. (Gestern war ich in Chalies Angels 2. Den Film kann ich zwei Gruppen von Leuten empfehlen: Leute, die seit Anfang, Mitte der 80er öfter mal in Kino waren wegen der Anspielungen und die Leute, die gern hübsche Frauen in knappen Textilien im drei auf zwei Meter Format sehen.). Im mittel bin ich wohl in gut zwanzig Filmen pro Jahr. Wenn ich die beiden Herr der Ringe Filme weglasse (die Zählen für Nerds wie uns nicht wirklich) waren die beiden letzten Filme, die mich begeistert haben, 6th Sense und Shakespeare in Love. Der eine iss von 1999 und der andere von 1997, glaub ich. 6 Jahre, zwei Filme, die heraus ragten. Wenig, gell?
Andererseits hab ich fast keinen Film gesehen, der so richtig grottenschlecht war. Sowas wie Highlander 2 oder so. Man sieht nur noch Zeug wie ‚Hulk', in das man mit einer gewissen Erwartungshaltung reingeht und genau befriedigt wider rauskommt. So wie beim McDonalds. Keine Variation, ein Einheitsbrei.
Bei den Filmen liegt das daran, dass jeder Film einem Testpublikum vorgeführt wird und so lange umgemodelt wird, bis der Film keinem mehr nicht gefällt. Bei –zig Millionen Produktionskosten will halt kein Produzent einen Flop landen. Das ist verständlich; leider kommen dabei solche Massenanfertigungen raus, dass es egal ist, ob man den Film gesehen hat oder nicht. Früher hab ich noch öfter mal sagen können: ‚Wenn du DEN nicht siehst verpasst du was'. Heute? Shakespeare. 6th Sense. Matrix. Herr der Ringe.

Was das alles mit Magic zu tun hat?
Ich hab halt die Befürchtung, dass dort das gleiche passiert. Es ist schon passiert, ohne das es vielen Leuten aufgefallen ist. Die Bilder heute sind viel besser als die früher, richtig? Technisch vielleicht, aber die Bilder sehen alle gleich aus. Früher gabs die Realisten: Shuler, Rush. Den Comicstil von den Foglios, Leuts wie Scott Kirshner und Drew Tucker. Letzterer hat die Leute total gespalten: total verhasst oder abgöttisch geliebt. Heute sind die Zeichenstiele extrem ähnlich. Ein einziger Einheitsbrei; man kann sich nicht mehr so richtig darüber aufregen. Und gerade das ist super wichtig. Es ist wichtig, dass es die eine Fraktion an Leuten gibt, die jubeln, wenn Counterspell geht und die andere, die Unterschriftenaktionen und Hungerstreiks organisieren, damit er drinnen bleibt. Das Spiel, unser Spiel, geht nicht kaputt, wenn es keinen Counterspell mehr gibt. Es geht dann kaputt, wenn es keinen mehr kümmert, ob es ihn gibt oder nicht, weil eh alles gleich ist – immer super fair, super ausgewogen, super das, was anscheinend alle wollen.

Zu guter letzt....
...sag ich nicht, das morgen die Welt untergeht. Das neue Design ist schön übersichtlich, die Mirrodin Premiun Karten werden garantiert spektacoolär aussehen, das Haupt-Set hat einen sehr guten Namen bekommen und bei Wizards im Hintergrund gibt es offensichtlich Leute, die sich sehr viele Gedanken um sehr viele Aspekte des Spiels machen.
Ich hoffe nur, dass es jemandem Auffällt, wenn diese ‚Schritte in die richtige Richtung' irgend wann mal in die falsche Richtung gehen.

Mertel (Optimist)

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