miraclegames.de
Community
Warum gibt es keine Magic-Liga mehr?
von Martin "Mertel" Engelhardt
23.12.2007

Neulich, in den Kommentaren:

"Warum gibt es die liga nicht mehr? in dem jahr als ich mich anmelden wollte und ein team aufgestellt hatte, wurde sie aufgelöst. ich fand das sehr schade.
ich denke mal das hatte damit zu tun, das amigo nicht mehr magic vertrieben hat, und sie die treibende kraft hinter der liga waren. warum wurde die liga von hasbro nicht weitergeführt? warum ist kein anderer (planetmtg?) in die presche gesprungen und hat sie wieder ins leben gerufen?
ich denke, es hätten auch weiterhin noch viele spieler interesse daran an so einer liga teilzunehmen.
falls jemand interesse hat sowas wieder auf die beine zu stellen, kann er sich garantiert auf meine hilfe verlassen. also tobi, jens, hanno und wer sonst noch so hinter pmtg steht, wie schauts aus?"


Ich hol erst mal etwas aus. Der Kommentar stand unter ‚Magic-Decks im Wandel der Zeit' – also ist etwas Historie angemessen. All das ‚from the top of my head'. Wenn also was falsch ist – korrigiert mich bitte in den Kommentaren.

_
Geschichte der Deutschen Magic-Liga
_

Angefangen hat alles 1996 mit der deutschen Städtemeisterschaft.

Amigo rief damals auf, dass sich die Spieler der jeweiligen Städte zu 6er-Teams zusammenfinden sollten, die in einer regionalen Vorrunde die Ersten zur Endrunde schickten. Ich bekomme die sechs Formate nimmer genau hin (ist ja erst elf Jahre her...), aber es waren Booster Draft und Sealed Deck als Limited-Formate, und in den Constructed Formaten war Typ 2 (also Standard), Block Constructed und ein Highlander-Format dabei. Das vierte weiß ich nicht mehr, aber es war ziemlich sicher nicht Typ 1 (Vintage). An Legacy hat noch ewig keiner gedacht, und ich weiß nicht, ob es das, was heute Extended ist, schon gab.

Ist auch wirklich nicht so wichtig – wichtig war, dass es den Leuten großen Spaß gemacht hat. Das ganze fand in der kalten Jahreszeit 96/97 statt.

Der nächste Schritt kam dann bei den Deutschen Magic-Meisterschaften 97. Dort hat Bernd Keller von Amigo in einer Arbeitsgruppe mit Interessierten dann die Magic-Liga aus der Taufe gehoben. Die ersten Teams waren 4er-Teams (=ein Auto voll) statt 6er. Auf einem Spieltag waren immer vier Teams zu Gast, jedes Team spielte gegen jedes andere. Deutschland wurde für die Liga in vier Regionen eingeteilt, was allerdings zu sehr langen Wegstrecken führte – von Aachen nach Ravensburg fährt man 'ne Weile!

Das wurde also bald darauf korrigiert, indem man aus den vier nun sechs Regionen machte. Außerdem nahmen mehr und mehr Teams teil, sodass es auch zweite und dritte Ligen gab, die entsprechend so strukturiert waren, dass es noch mal näher beieinander war.

Ein weiteres Problem waren nämlich auch nicht nur die langen Fahrtzeiten, sondern auch die Tatsache, dass sich diese Fahrten dahingehend nicht lohnten, dass ‚nur' maximal drei Runden gespielt wurde. Vier Stunden hin, vier Stunden zurück und zwei, drei Stunden Magic – ein schlechtes Verhältnis.

Dann wurde von Wizards eines schönen Tages Teamspiel sanktionierbar. Flugs wurden aus den 4er-Teams 3er-Teams, und es entstand die bis zum Ende gültige Version: erst Constructed in den Formaten Block, Standard und Extended, dann alle drei Team Sealed.
Gespielt wurde nun gegen jedes andere Team zweimal – an einem Spieltag kam nun also jeder auf sechs Runden Magic, was das Verhältnis von Fahrt zu Spiel deutlich verbesserte.

Die Turniere waren, sofern alle vier Teams da waren, automatisch sanktioniert. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass rund 90% aller weltweiten 3-Team-Constructed-Turniere im Rahmen der deutschen Magic-Liga zustande gekommen sind.

Als es dann auch die Team-PT gab, wurde die Liga zusätzlich zu einem großen PTQ, denn der Sieger der Liga qualifizierte sich für die Pro Tour. Ermittelt wurde der Deutsche Magic-Liga-Meister auf der Endrunde, die bei Amigo in Dietzenbach oder Umgebung stattfand – inklusive Unterbringung der Teams, gemeinschaftlichem Essen und natürlich Spielmaterial und Schiri auf Kosten Amgios.

_
...und nun der Grund, warum sie starb
_

Als die Liga ins Leben gerufen wurde, hat der Ligabetrieb für rund 10% der jährlichen deutschen Turniere gesorgt. Am Ende waren es nur noch 2% – was den Verwaltungsaufwand nicht mehr rechtfertigte. Wurde mir so von Ingo Muhs auf der letzten Ligaendrunde erzählt.

Ich persönlich finde es schade, dass eine Institution, die so auf der Welt einmalig war und an der einiges an Herzblut hing, wie mir auch immer wieder gesagt wird (grad am Wochenende in Stuttgart wieder), dem Rotstift eines Buchhalters zum Opfer fällt.

Aber Wizards/Hasbro ist nun mal bedacht, Geld zu verdienen. Und mit Magic AUS Deutschland wird IN Deutschland einfach nicht genug Geld verdient – weil jeder seine Displays vom Internetshop seines Vertrauens kauft statt für ein paar Euro mehr im Laden an der Ecke. Verständlich aus der Sicht jedes einzelnen, aber halt leider für Magic in Deutschland tödlich.

    "Es kann Wizards doch egal sein, wo ich meine Karten kauf. Landet am Ende doch eh alles in einem Topf."

Ein Wort: Marketing.
DAS Wort.
Gut merken.

Das Marketingbudget eines Produktes für einen Markt richtet sich nach dem Umsatz, der für das Produkt in dem Markt erwirtschaftet wird. Auf deutsch: wenn derjenige, der viele Pappkärtchen verkauft, von Holland aus nach Deutschland verkauft, zu Lasten dessen natürlich, der in Deutschland für den deutschen Markt verkauft, dann bekommt der Holländer ein besonders großes Marketingbudget.

    "Mir doch wurschd, in wievieln holländischen Zeitungen Magicwerbung drinnen ist!"

Hahahahahahahahahaha. Hahahahahahahaha.

OK, ernsthaft.

Erstens: nein, ist es dir nicht, selbst, wenn das das einzige wäre. Und das ist es beileibe nicht. So ein Fernsehspot auf RTL2 sorgt nämlich dafür, dass wieder ein Kiddie zu den Karten greift und seine Freunde ansteckt und es deswegen Magic auch morgen und übermorgen noch gibt.

Zweitens: Marketing = Werbung ist so ein klassisches Beispiel für Halbbildung. Alles an Produktunterstützung ist Marketing. So ein Messeauftritt in Essen und anderswo: Marketing. Die Plakate im Schaufenster des Shops um die Ecke: Marketing. Die Magic-Webseite: Marketing. Die netten Glitzerkärtchen beim Friday Night: Marketing. Wie das ganze FNM-, Arena-, Gateway Programm. Die Pro Tour: Marketing. Grand Prix: Marketing. Nationale Meisterschaften: Marketing.

Wer also seine Karten im billigeren Ausland kauft, bei einem Internetshop, der aus der Garage vom Schorsch in Amstelveen läuft, statt beim Auenland, Funtainment, Wizards Well und wie sie alle heißen, die viel Geld jeden Monat dafür aufbringen euch teure Ladenfläche und Arbeitszeit bis in die Puppen zur Verfügung stellen, damit ihr dort zocken könnt, dann führt das also dazu, dass eine PT in Holland stattfindet statt in Deutschland, dass die Holländer mehr PTQ-Slots bekommen als die Deutschen, dass die deutschen Meisterschaften dann plötzlich in einer nicht sehr repräsentativen, aber billigen Halle in Bonn gespielt werden und nicht in der – wie ich finde – ziemlich hübschen Stadthalle in Heidelberg.

Und es führt dazu, dass die vergleichsweise paar läpp'sche Mark – sorry, Euro –, die die Deutsche Magic-Liga gekostet hat, leider eingestellt wird.


So Babak, ich hoffe, ich konnte deine Frage beantworten.

Gruß,
Mertel



    Anmerkung der Redaktion:

    Ich denke es ist verständlich, dass ich bei diesem Thema nicht umhinkomme, darauf hinzuweisen, dass auch miraclegames.de.seine Ware (Displays) ganz vorbildlich beim deutschen Distributor einkauft.

    – TobiH



[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Martin Engelhardt

[07.08.2004]Pret-a-porter
[03.06.2004]Eine gebannte Karte, oder: die Welt geht unter!
[09.03.2004]Up, up – and away!
[17.09.2003]Don’t get Foiled!
[04.08.2003]Ein Wochenende in Zoo


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite