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Casual
Unwanted
von Andreas "Zeromant" Pischner
15.09.2009

Vor einiger Zeit habe ich in einem Blog gelesen, wie der Autor sich darüber beklagte, dass es kaum Casual-Artikel im deutschen Netz gibt, weil alle nur über M10-Limited schreiben, und ich dachte mir: Dagegen kann ich doch etwas tun! (Und wie Tobi an dieser Stelle mit dem einen oder anderen Link beweisen wird, habe ich auch schon gelegentlich etwas dagegen getan.) Allerdings war ich zunächst erst einmal damit beschäftigt, über M10-Limited zu schreiben, und deswegen verzögerte sich das Ganze ein wenig.

Meine Absicht ist, zum Thema Casual immer mal wieder ganz kurz und knackig ein paar meiner Gedanken auf Eure Bildschirme zu bringen: Keine erschöpfenden Analysen, nur eine Darstellung meiner Herangehensweise an das „Nichtformat“ Casual.

Heute möchte ich mich mit unerwünschten Karten befassen.

Casual spielt man zum Spaß. Turniere habe ich zwar auch immer zum Spaß gespielt, aber Casual spielt man eben NUR zum Spaß, und nicht, um messbare Erfolge zu erzielen. Deswegen ist es wichtig zu identifizieren, was einem eigentlich Spaß macht. Gewinnen tritt notwendigerweise in den Hintergrund, denn wenn man alles Erlaubte tut, um zu gewinnen, und es keine einschränkenden Regeln gibt, was erlaubt ist (solche Regeln konstatieren ja Formate), verschwindet zwingend der Spaß. Immer nur verlieren ist aber auch blöd, also sollte man nach Möglichkeit Matchups vermeiden, bei denen Gewinnwahrscheinlichkeiten außerhalb der 1/3-2/3-Zone liegen. Die Gewinnchancen in einem Matchup sind jedoch nicht der einzige maßgebliche Faktor dafür, dass man Spaß hat. Auch der Spielverlauf ist wichtig. (Wie Ihr Euch bestimmt bereits gedacht habt, beziehe ich mich heute nur auf „normale“ Duelle, nicht auf spezielle Casual-Spielformen wie Multiplayerrunden oder so etwas.) Dabei gibt es eine Reihe Karten, die dafür verantwortlich sind, wenn ich keinen Spielspaß habe (und Counterspell ist gewiss nicht dabei!), und über diese Karten wollte ich heute reden.


Mein ursprünglicher Plan war, alle Magic-Karten systematisch durchzugehen und sämtliche Problemfälle aufzulisten, jedoch besann ich mich dann doch eines Besseren, nachdem mir klar wurde, wie viel Arbeitsaufwand das tatsächlich bedeutete. Stattdessen habe ich lediglich die Anfangsbuchstaben A und B durchkämmt (und hoffentlich keine Karte übersehen). Was ich zu diesen Karten zu sagen habe, lässt sich gewiss exemplarisch auf den Rest übertragen. Ich habe sie in folgende Kategorien unterteilt:

1. spielungeeignet
2. überstark
3. prinzipiell unspaßig
4. potenziell unspaßig
5. problematische Stärke
6. problematisches Konzept
7. offensichtlich



1. spielungeeignet

Amulet of Quoz, Apocalypse Chime, Bronze Tablet


Ich halte nichts davon, um Ante zu spielen, und ich finde das Konzept der „Expansion-Hoser“ endlos bescheuert – ich will doch nicht, dass ein Spieler zum Beispiel dafür bestraft wird, Originalversionen von Serendib Efreet oder Millstone zu benutzen! Okay, im Fall des Homelands-Hosers Apocalypse Chime ist diese Gefahr besonders gering, aber es geht hier ums Prinzip. In diese Kategorie fallen für mich auch die „manual dexterity“-Karten Chaos Orb und Falling Star – das ist einfach nicht das Spiel, das ich spielen will. Ebenso betrachte ich das Spielen von Shahrazad oder Divine Intervention als das Gegenstück zum Umwerfen des Bretts beim Schach oder dem Ziehen des Steckers bei einem Videogame. Diese Sorte Karten hat mit meiner Vorstellung einer Partie Magic nichts zu tun. (Und ganz offensichtlich mag ich auch keine silberrandigen Karten.)

2. überstark

Ancestral Recall, Black Lotus


Ich will kein Vintage spielen, und der Vorteil, den einem manche Karten geben, ist so groß, dass er in keinem anderen Format gerechtfertigt wäre. Dabei ist es völlig egal, in welchem Deck genau sie sich befinden – sie sind einfach immer zu gut. Ein großer Teil der Vintage-Restricted-Liste befindet sich in dieser Kategorie. Es gibt aber Ausnahmen, wie natürlich Ponder, der nur im Kontext anderer Restricted Karten überhaupt ein Problem ist, oder zum Beispiel auch Regrowth, der in den allermeisten Deckkonzepten harmlos ist.

3. prinzipiell unspaßig

Ad Nauseam, Aluren, Balance, Barren Glory, Battle of Wits, Bazaar of Baghdad, Bitter Ordeal

Nein, ich mag es nicht, gegen Kombodecks und „I win“-Karten zu spielen. Andere Spieler mögen einen anderen Geschmack haben, aber ich habe keinerlei Spaß gegen solche Decks, und wenig mit ihnen anzutreten. Diese Karten sind zwar nicht generell überstark (die vorige Kategorie), ergeben aber nur Sinn, wenn man sie in einer solchen Weise „bricht“.

4. potenziell unspaßig

Gruppe 1:
Gruppe 2:

Ebenso wie die Karten der Katgeorie darüber besitzen auch diese das Potenzial, Kombodecks und andere unspaßige Strategien ins Rollen zu bringen. Im Unterschied zu den obigen Karten jedoch kann ich mir bei diesen hier durchaus vorstellen, dass sie sich in einem akzeptablen Deck befinden. Animate Dead zum Beispiel kann Bestandteil eines stupiden Reanimators sein (das vielleicht älteste Konzept eines brokenen „Casual“-Decks), oder aber einfach unterstützende Karte in einem schwarzen Kreaturen- oder Discard-Deck. Deswegen lehne ich Karten dieser Kategorie nicht kategorisch (haha!) ab, setze aber auf das Verantwortungsbewusstsein der Spieler, die sie einsetzen. Allerdings können solche Karten dann immer noch in eine der nachfolgenden Kategorien rutschen.

Ach so ja, die beiden Gruppen: Für die Karten in Gruppe 1 weiß ich zumindest selbst keinen „fairen“ Zweck, für den ich sie verwenden wollte (bzw. es gibt für den fairen Zweck bessere Alternativen – so verwende ich zum Beispiel lieber Reanimate, Zombify oder Beacon of Unrest als Animate Dead), während ich mir die Karten aus Gruppe 2 gut in eigenen Decks vorstellen kann, welche ihr brokenes Potenzial nicht ausnutzen, aber trotzdem von ihnen profitieren.

5. problematische Stärke

Aether Vial, Black Vise, Ancient Tomb, Argothian Enchantress, Armageddon, Blood Moon, Boom // Bust, Burning of Xinye, Burning Wish


Dies hier sind Karten, gegen die ich prinzipiell bereit bin zu spielen – aber nicht immerzu! Sie befinden sich auf enem sehr hohen Powerlevel und führen daher zu unspaßigen Spielen, wenn das gegnerische Deck keinen vergleichbaren Powerlevel besitzt. Man beachte den Unterschied zu den Karten der Kategorie 2, die ich selbst dann nicht mag, wenn ich sie selbst im Deck habe (und ja, man hat mir auch schon gelegentlich full-powered Vintage-Decks in die Hand gedrückt)! Wrath of God, Sinkhole oder Counterspell fallen NICHT in diese Kategorie (das sind einfach grundlegende Effekte, die man beim Bauen des eigenen Decks immer in Betracht ziehen muss), wohl aber Ensnaring Bridge, Strip Mine oder Counterbalance. Dies hier ist gewissermaßen der oberste Bereich an „Brokenness“, in dem ich mich – zumindest ab und zu – noch wohlfühle. In jedem Fall sollte aber der Gegner vorgewarnt sein, welcher Powerlevel ihn erwartet!

Zum Burning Wish siehe die nächste Kategorie.

6. problematisches Konzept

Absolute Grace, Absolute Law, Acid Rain, Anarchy, Back to Basics, Boil, Boiling Seas


Dies sind Karten, die im Maindeck beim Casual einfach nichts verloren haben, selbst dann nicht, wenn man irgendetwas Maindecktaugliches mit ihnen vorhat (zum Beispiel Tricks mit Magical Hack oder Sleight of Mind) – es kann einfach nicht der Sinn des Casual sein, einen Gegner massiv dafür zu bestrafen, dass er eine bestimmte Farbe spielt! Nevinyrral's Disk, Shatterstorm oder Tranquility sehe ich hier übrigens nicht – wer sein Deck massiv auf Artefakte oder Enchantments fokussiert, muss auf solche Sweeper vorbereitet sein. Selbst Tranquil Grove oder Kill Switch dürfen kein Grund sein, sich zu beschweren: Dermaßen eindimensionale Decks profitieren stark genug von ihrer Strategie, dass man ihnen zumuten kann, Lösungen für solche Probleme zu integrieren. Etwas anderes ist es aber, wenn die Farbwahl des Gegners oder seine Manabasis zu Autolosses führen – wer die Möglichkeit solcher Hoser beim Deckbau berücksichtigen soll, der baut bereits kein Casual-Deck mehr! Diese Kategorie gilt aber nur für Karten, welche den Gegner kompett lahmlegen – gegen Kreaturen mit Protection zum Beispiel ist nichts einzuwenden. Hierfür muss auch ein Casual-Spieler Lösungen haben.

Nun ein paar Worte zum Sideboard im Casual: Ich finde, Casual-Spieler täten gut daran, es ab und zu zu benutzen (und damit meine ich keine Pseudosideboards, die nur für die Wünsche erstellt wurden). Meiner Ansicht nach ergeben Sideboards zwar nur dann Sinn, wenn man auf dem in Kategorie 5 angesprochenen Niveau spielt, aber gerade dann ist ihr Gebrauch meiner Ansicht nach absolut angemessen! (Unter Verwendung von Karten ab Kategorie 4 baue ich mir zum Beispiel „spaßige“ Legacy-Decks – also Decks, mit denen ich Spaß habe, von denen ich aber hoffe, dass sie trotzdem stark genug sind, in Legacy zumindest mitzuspielen, was ich irgendwann in nächster Zeit wohl auch einmal ausprobieren werde. Mir fehlen allerdings noch einige wichtige Karten aus Kategorie 7 – ratet mal, welche!) Oh, und Burning Wish &. Co sollten auch im Casual nur unter Turnierbedingungen funktionieren (also nur Karten aus einem echten Sideboard holen), ansonsten sind sie einfach zu stark.

7. offensichtlich

Badlands, Bayou, Baneslayer Angel, Bitterblossom, Bloodbraid Elf, Bloodstained Mire, Brainstorm


Um Missverständnisse zu vermeiden, will ich es deutlich sagen: Dies sind alles Karten, mit denen ich sehr gerne spiele, und gegen die ich auch gerne spiele! Problematisch finde ich sie trotzdem, weil sie einfach – wie der Titel der Kategorie bereits verrät – so offensichtliche Lösungen darstellen. Sie sind eben die stärksten Alternativen für ihre Funktion. Wer Doppelländer und Fetchländer besitzt, hat kaum jemals einen Grund, andere manafixende Länder zu benutzen, und wer ein Playset Baneslayer Angel sein Eigen nennt, wird nur selten andere generische weiße 5-Drops verwenden. Ich kenne das Problem hauptsächlich vom Tarmogoyf: Wie rechtfertige ich es nur, den aus meinen grünen Decks fernzuhalten?

Meiner Ansicht nach ist es aber wichtig, zumindest ab und zu solche Rechtfertigungen zu finden, auch wenn sie im Licht der reinen Spielstärke des Decks betrachtet an den Haaren herbeigezogen sind, oder wenn es sogar die verminderte Spielstärke des Decks an sich ist, die man gezielt anstrebt. Ein Verzicht auf diese absoluten Staples eröffnet einfach zahllosen interessanten Karten die Möglichkeit nachzurücken! Wer in jedes Deck Baneslayer Angel steckt, wird nie erfahren, welchen Spaß es macht, mit Serra Angel oder Archon of Justice zu spielen.


Man muss aber auch an seinen Gegner denken: Wenn dieser – freiwillig oder aus Budget-Gründen – auf die offensichtlich stärksten Karten verzichtet, dann ist es nicht fair, ihn mit Fetchland/Doppelland/Tarmogoyf/Fact or Fiction zu überrennen. Auch wenn der Powerlevel dieser Karten hier für sich genommen nicht so problematisch ist wie bei Kategorie 5, nehmen sie doch vielen anderen Karten und Deckkonzepten den Raum zu atmen. Deswegen empfehle ich zwar nicht, sie generell zu meiden, wohl aber sie dosiert einzusetzen. Schwachstellen der eigenen Strategie mit ihnen zu kitten, ist okay, aber sie dürfen mit ihrer Stärke nicht die eigentliche Strategie überstrahlen.



Noch ein Schlusswort: Selbst dann, wenn man sich mit seinem Spielpartner darüber einig geworden ist, was man im Casual spaßig findet und was nicht, kann es passieren, dass man in einem Matchup einfach keine Chance/keinen Spaß hat. Dann bringt man diese Partie eben in Anstand und Würde zu Ende und wechselt dann das Deck, oder bittet den Gegner, seines zu wechseln! (Und kommt bitte nicht auf die Idee, gezielt ein Deck auszusuchen, welches das gegnerische schlägt!)




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