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Better be lucky than good, oder:
Für die einen ist es Magic – für die anderen der längste Coinflip der Welt
von Andre "TrashT" Müller
27.03.2008

Allein des Titels wegen wollte ich diesen Artikel schon immer mal schreiben.

Aber vorweg noch ein Disclaimer: Dieser Artikel wird euch enttäuschen. Das ist an sich nichts Negatives; vorher wart ihr getäuscht, danach ist die Täuschung verschwunden und ihr seid enttäuscht. Eine derartige Verbesserung des rationalen Verstandes geht aber oft mit einer emotionalen Belastung einher, also seid gewarnt.

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Vorbereitende Worte
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Magic is a game of luck and skill“, pflege ich oft zu sagen. Heute will ich aufschlüsseln, zu welchen Teilen es aus Glück bzw. Geschick besteht und auf welch mannigfaltige Art und Weise sich diese beiden Schlüsselkomponenten manifestieren. Zu diesem Zweck zuerst eine ganz grobe Unterscheidung: Als „Luck“ bezeichnen wir alle Elemente des Spieles, die wir nicht beeinflussen können. Unser Einfluss auf das Spielgeschehen nennt sich dementsprechend „Skill“. Diese beiden Dinge sind jedoch nicht etwa voneinander unabhängig, sondern stehen vielmehr in direkter Beziehung zueinander. So sage ich beispielsweise auch öfter: „Luck ist, wenn die Fehler nicht zählen.“ Umgekehrt bedeutet das: Wenn wir viel Pech haben, müssen wir besser spielen! Schließlich braucht es bekanntlich sowohl Luck als auch Skill – und zwar umso mehr Skill, je weniger Luck wir haben.

Wo wir gerade schon bei weisen Zitaten sind... Rich Hagon sagte in seiner Coverage zur PT Kuala Lumpur: „You cannot always find a way to win – but you can always find a way to lose.” Daraus schließe ich auf die wohl elementarste Fähigkeit, die für den Erfolg in Magic unabdingbar ist: Der Siegeswille. Ich gehe davon aus, dass Leser dieses Artikels weitestgehend über diesen Willen verfügen. Wobei – das stimmt so nicht ganz. Vielmehr gehen die Leser dieses Artikels davon aus, dass sie über diesen Willen verfügen. Denn ein gewisser Hang zur Selbstsabotage liegt in der Natur des Menschen.

Ein fundamentaler Grundsatz der Ökonomie besagt, dass der Mensch durch Anreize zu seinem Handeln motiviert wird. Man will also irgendetwas und überlegt sich, wie man es bekommt. Warum sollte man in Magic gewinnen wollen? Es gibt allerlei Belohnungen für einen Sieg. In sanktionierten Matches gewinnt man Rating, auf größeren Turnieren geht es zudem um Pro Tour-Punkte. Und dann wären da noch die Preise: Mit genug Siegen erhält man Foil-Karten, Booster, einen Reisegutschein oder sogar harte Dollars. All dies sind Anreize materieller Natur; letztere direkt, erstere indirekt. Schließlich sind Rating und PT-Punkte auch etwas wert, da sie euch Byes auf Grands Prix, Qualifikationen zu Pro Touren und Championships oder wiederum Reisegutscheine und Dollars aufgrund erreichter Pro Players' Club-Level bescheren.

Neben der materiellen gibt es aber auch eine mentale Komponente. Man kann aus Ehrgeiz gewinnen wollen, um sich und anderen etwas zu beweisen und Ansehen für seine Erfolge zu ernten. Und vor allem will man meist gewinnen, um nicht zu verlieren! Denn eine Niederlage ist zu fürchten, bringt sie doch Selbstzweifel oder gar Hohn und Spott mit sich. Und genau hier tritt die Selbstsabotage in Kraft. Was meint ihr, warum gute Spieler so oft gewinnen? Allein durch ihre Fähigkeiten – Skills – wäre das gar nicht möglich. Aber häufiger als man denkt kommt es vor, dass ihre Gegner mental schon aufgeben, bevor das Match überhaupt richtig angefangen hat. Grund dafür ist die mangelnde Furcht vor der Niederlage: Wenn man gegen Franz Freilos verliert, darf man sich das Gelächter bis zum Ende aller Tage anhören. Eine Niederlage gegen Kenji Tsumura aber wird entschuldigt und sogar erwartet.

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Kenji oder Franz?
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Rufen wir uns diese Situation vor unser geistiges Auge: Wir spielen in der nächsten Runde um den Einzug in den Tag 2 eines Grand Prix. Als Gegner erwartet uns entweder Franz Freilos oder Kenji Tsumura. Wenn wir gegen Franz gelost werden, haben wir natürlich Glück, wohingegen Kenji eine sehr unglückliche Auslosung darstellen würde. Hier kann man wunderbar erkennen, dass man umso besser spielen muss, je weniger Luck man hat.

Und zum „gut spielen“ gehört vorrangig der Wille: Auch wenn wir gegen Kenji gelost werden, müssen wir einfach unser bestes Magic spielen. Am Ende könnten wir die Niederlage gegen Kenji zwar auf Pech schieben, aber unserem Ziel sind wir dadurch kein Stück näher gekommen. Vielmehr entfernen wir uns sogar davon, wenn die Angst vor Spott über die Niederlage den Willen, den Day 2 zu erreichen, übertrumpft. Denn dann begeben wir uns hinaus aus der Produktivität des positiven Denkens und werden zu „Excusern“: Wir laufen nach dem Match zu unseren Freunden, jammern darüber, dass wir ausgerechnet gegen Kenji ranmussten und kriegen von unseren mitleidigen Freunden vielleicht sogar ein Bier ausgegeben. Aber im Day 2 sind wir dadurch nicht!

Und Ausreden wie diese sind keine Seltenheit. Ihr hört sie vermutlich auf jedem Turnier mit mehr als vier Runden: Aussagen wie „Ich war screwt/floodet“, „Ich musste Doppel-Mulligan nehmen“ oder „Mein Gegner hat unendlich getopdeckt“. Keine dieser Feststellungen bringt uns wirklich weiter. Anstatt sich auf den Luckaspekt des vergangenen Spieles zu konzentrieren, sollten wir vielmehr darüber nachdenken, wie wir trotzdem hätten gewinnen können. Denn wie bereits definiert, ist Luck genau alles, was wir nicht ändern können.

Die Buddhisten sagen: „Rege dich nicht auf über Dinge, die du nicht ändern kannst.“ Nimm sie einfach hin und mache trotzdem das Beste aus der Situation. Ich gebe mir gegen Kenji genauso viel Mühe wie gegen Franz, denn ich will in den Tag 2 einziehen. Mit einem Doppel-Mulligan bemühe ich mich, ihn durch Kartenvorteil auszugleichen oder den Gegner zu überrennen, bevor er seine Ressourcenüberlegenheit voll gegen mich zum Einsatz bringen kann. Und Gefahr durch gegnerische Topdecks verringere ich, indem ich durch geschicktes Spiel die Zahl seiner Outs und/oder die Zahl der Züge, in denen er eines dieser Outs ziehen kann, minimiere. Und nur wenn all das nicht geklappt hat, höre ich auf, mir Vorwürfe zu machen und sage mir: „Du hast alles gegeben und gegen Franz/mit sechs Handkarten/wenn seine Helix einen Turn später gekommen wäre, hätte es gereicht.“

Aber nicht vorher – sonst sabotiert man sich selbst, indem man sich die Chance nimmt, durch Reflexion aus der Niederlage zu lernen. Denn mit jedem Match, egal ob Sieg oder Niederlage, gewinnen wir an Erfahrung. Dummer Spruch, aber der Volksmund hat logischerweise Recht: Allein aus evolutionären Gründen hätte dieser Spruch wohl kaum so lange überdauert, wenn er nicht zuträfe.

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Vier Arten des Glücks
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Wir halten also noch einmal fest: Auf unser Luck haben wir keinen Einfluss. Abergläubische Menschen mögen mir da widersprechen, verschwenden jedoch ihre Energie damit, Talismane mit sich herumzutragen, Tieropfer darzubringen oder ähnliches. Worauf wir aber Einfluss haben, ist unser Skill. Leute, die nicht wirklich gewinnen wollen, verschwenden mit der Lektüre dieses Artikels vermutlich ihre Zeit. Ich will ihm einen gewissen Unterhaltungswert nicht unbedingt absprechen, aber vorrangig geht es in meinen Artikeln doch darum, wie man das Meiste aus Magic herausholt.

Wie wir schon gesehen haben, gibt es einige unterschiedliche Manifestationen des Schicksales, die uns allesamt mehr Skill abverlangen. Die Gleichung ist relativ leicht: Luck + Skill > X muss gegeben sein, sonst verlieren wir. Unseren Skill können wir durch Training erhöhen, aber zu jedem gegebenen Augenblick ist er eine Konstante. Wir sind also abhängig von unserem Luck. Stellen wir uns vor, X sei 100. Wenn wir also 60 Skill haben, brauchen wir immer mindestens 40 Luck. Erhöhen wir unseren Skill durch viel Training auf 80, gewinnen wir auf einmal auch mit 20 Luck. Während wir also auf das Luck keinen Einfluss haben, können wir durch Erhöhung unseres Skills das benötigte Luck verringern. Bei einem Blick auf die verschiedenen Arten von Luck wird es ab und an erscheinen, als ob wir unmöglich durch Skill gegensteuern können. Aber irgendetwas kann man fast immer machen. Ich behaupte: Wenn man zu 100% alles richtig macht, gewinnt man fast jedes Match. Nur was bedeutet „100% alles richtig“? Schauen wir uns die verschiedenen Arten von Luck an:


Das pure Luck

Dies lässt sich unmöglich direkt beeinflussen. Wir erleben es, wenn es darum geht, die Helix zu topdecken, den Clash zu gewinnen, mit Magus of the Scroll die richtige Handkarte zu treffen, dem Gegner mit Stupor zufällig die Damnation discarden zu lassen oder einen Coin Flip – meist den zu Beginn eines jeden Matches – zu gewinnen. Dieses Glück ist entweder mit uns oder auch nicht. Und wenn wir Pech haben, können wir nichts tun, außer trotzdem zu gewinnen: Den Gegner auch ohne Helix töten, mit verlorenem Clash oder mit dem Magus in der nächsten Runde und auch nachdem die Damnation uns schon alles zerstört hat oder der Gegner das Spiel beginnen durfte. Um dies möglicher zu machen, können wir indirekte Verbesserungen vornehmen: Nicht weniger als vier Helicen spielen, den Ponder bis zum spielentscheidenden Clash zurückhalten, unsere Hand leerspielen und vor allem unsere Basic Lands einheitlich Snow oder Non-Snow spielen, noch Threats vor dem Mass Removal zurückhalten und überhaupt unser Deck unanfälliger gegen derlei Spells konstruieren und Karten wie Spell Snare oder sogar Gemstone Caverns spielen, um den mit verlorenem Würfelwurf einhergehenden Tempoverlust zurückgewinnen zu können.


Das Matchup-Luck

Lässt sich durch geschickte Entscheidungen im Vorfeld durchaus beeinflussen. Das Metagame einzuschätzen und das eigene Deck so zu wählen, dass es gegen einen möglichst großen Teil des Feldes gewinnt, ist definitiv ein Skill. Es kann uns natürlich trotzdem passieren, dass wir gegen Decks gelost werden, von denen wir erwarteten, dass sie fast niemand spielen wird. Aber wir können diese Wahrscheinlichkeit verringern. Dies bezieht sich größtenteils auf Constructed, kann aber auch im Limited angewendet werden: Ist Rot die beste Farbe? Packt eure Mountainwalker ein! Verliert ihr gegen gespoilte Enchantments oder Artefakte? Spielt besser einen Disenchant in eurem Maindeck. Eure Gegner besiegen euch im Lategame mit klobigen Bomben? Exiled Boggart kann den Gegner durchaus totschlagen, bevor der seinen Hamletback Goliath auspacken kann. Aber wie soll man bloß dagegen vorgehen, dass man in der letzten Runde gegen Kenji Tsumura anstatt gegen Franz Freilos gepairt wird? Natürlich indem ihr selbst zum Kenji werdet.

Oder versucht zumindest, einen Grand Prix Trial zu gewinnen, damit ihr in der letzten Runde nicht unbedingt gewinnen müsst, sondern euch dank besserer Tiebreaker möglicherweise auch mit Dieter Draw auf ein Unentschieden einigen könnt.


Das Starthand-Luck

Wenn man einen Mulligan nehmen muss, ist das immer eine üble Sache. Meist hat man zu wenige oder zu viele Länder auf der Hand, selten auch ausschließlich zu klobige Spells oder die falschen Farben Mana. Sobald es einmal so weit ist, kann man dagegen nichts mehr unternehmen, aber bei der Deck Construction sollte man dafür sorgen, dass man eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit auf eine keepbare Starthand hat. Daraus resultiert beispielsweise auch meine Vorliebe für Ponder: Eine Hand braucht nicht viel mehr als eine Insel und ein Ponder, um haltbar zu sein. Im Klartext bedeutet dies, dass ich jedes Mal, wenn ich eine Hand dank Ponder keepen kann, die ich normalerweise hätte einmischen müssen, Kartenvorteil erlange!


Das Distributions-Luck

Umgangssprachlich bezeichnet als Flood oder Screw. Flood findet im späteren Spielverlauf statt und führt zu virtuellem Kartennachteil, da ihr mehr als genug Länder und daher zu wenige Spells zieht. Entgegenwirken kann man dem einerseits durch geringere Landanzahl und andererseits durch Spells, die im Lategame für virtuellen oder gar tatsächlichen Kartenvorteil sorgen können. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das Spiel schneller zu beenden. Flood setzt erst irgendwann ein – am besten gewinnt ihr bereits davor.

Das Gegenteil ist der Screw: Hier fehlen euch die Länder, um eure Hand schnell genug einsetzen zu können. Dem kann man natürlich mit einer höheren Länderanzahl begegnen. Hier gilt es, genau die richtige Balance zu finden, um weder Screw noch Flood häufig erdulden zu müssen. Eine andere Alternative sind natürlich billigere Spells. Und selbst wenn das Spiel schon am Laufen ist, kann man im Falle eines Screws in den Verteidigungsmodus übergehen und ausharren, bis man die benötigten Länder gezogen hat. Eine besonders bittere Variante ist der verschärfte Screw: Wenn ihr so wenig ausspielen könnt, dass ihr am Ende des Zuges sogar abwerfen müsst, erleidet ihr nicht nur Tempo- sondern zusätzlich noch Kartennachteil. Versucht dies unbedingt zu umgehen!

Glücklicherweise finden sich jede Menge Fähigkeiten, die Screw oder Flood oder am Besten beidem vorbeugen. Ein gutes Beispiel für Limited wäre der Evolution Charm, in Constructed galt ähnliches für Whispers of the Muse. Gut gegen Screw sind Fähigkeiten wie Cycling (oder besser sogar Landcycling), Morph und alternative Spruchkosten. Gegen Flood schützen euch Kicker, Entwine, Buyback oder Flashback, sowie aktivierte Fähigkeiten jeglicher Art zuzüglich etwaiger Unmorph-Trigger.

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Die Skills
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Wenn ihr im Vorfeld also alles unternehmt, um euer Pech möglichst gering zu halten, habt ihr gute Voraussetzungen, eine gegebene Partie für euch zu entscheiden. Hier kommen dann tatsächlich eure Spielskills zum Einsatz. Unabdingbar ist wie schon erwähnt der Wille zum Sieg: Wenn jemand nicht gewinnen möchte, ist er vielleicht talentiert, aber nicht besonders gut. Da das Spiel in Duellen ausgetragen wird, steht eine kompetitive Einstellung im Vordergrund. Man muss das Spiel gewinnen wollen – das kann ich nicht oft genug wiederholen! Natürlich nicht mit allen Mitteln – von Cheating, Stalling und Collusion rate ich ab. Aber ihr solltet alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehört beispielsweise auch das Lügen, falls euer Gegner euch Fragen stellt, die ihr dem Reglement nach nicht wahrheitsgemäß beantworten müsst. Für höfliches Miteinander ist andernorts Platz: Wenn es um den Einzug in den zweiten Tag eines Grand Prix geht, steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Wir haben uns die verschiedenen Arten von Luck angeschaut und dabei schon einige Möglichkeiten entdeckt, wie wir unseren Skill nutzen können, um unser Luck im Vorfeld positiv zu beeinflussen. Wie ich schon sagte, besteht Luck genau aus den Elementen, auf die wir keinen Einfluss haben. Das ist keineswegs ein Widerspruch zum obigen Kapitel: Ob wir in einem gegebenen Zug nun das benötigte Land von oben ziehen werden, liegt nicht in unserer Macht. Wohl aber können wir vorab dafür sorgen, dass wir in einer solchen Situation eine bessere Erfolgswahrscheinlichkeit haben: Craig Jones hätte die Lightning Helix wesentlich unwahrscheinlicher getopdeckt, wenn er nur zwei gezockt oder eine rausgeboardet hätte. Wir merken uns:

-Eintritt
Während man das Eintreten eines gegebenen Ereignisses nicht beeinflussen kann, so lässt sich die Wahrscheinlichkeit dafür im Vorfeld optimieren. Das tatsächliche Resultat ist glücksabhängig, basiert jedoch auf einer durch Geschick verbesserten Ausgangssituation.


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Glück und Skill im Spiel
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So weit zur Vorbereitung. Gehen wir in das Spiel. Sofern wir mittlerweile verinnerlicht haben, dass wir gewinnen wollen, geht es nun nur noch darum, von den vorhandenen Optionen die siegbringendste auszuwählen. Dazu ist es zunächst wichtig, keine Option zu übersehen. Dazu benötigen wir einige Kenntnisse.


Regeln

Am wichtigsten ist wohl die Regelkenntnis. Wenn wir nicht wissen, was unsere Optionen für Konsequenzen haben werden, können wir unmöglich abschätzen, welche davon wohl am besten sein wird. Wir können uns überlegen, dass wir den Tarmogoyf unbedingt loswerden sollten, solange er noch 0/1 ist. Nur sollten wir dazu besser wissen, dass uns dies mit unserem Tarfire nicht gelingen wird.

Zusätzlich zur Tatsache, dass wir die Resultate unserer Spielzüge möglichst genau abschätzen können sollten, müssen wir wissen, welche Möglichkeiten wir überhaupt haben. Ein gutes Beispiel spielte sich während eines meiner Matches auf dem Grand Prix Genua ab: Mein Gegner und ich hatten je einen Lightning Rift. Ich war auf zwei und er auf sechs. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich meinen Gegner in seinem Zug gefahrlos umriften kann, hätte ich bestimmt aufgegeben. Oder umgekehrt: Wenn mein Gegner gewusst hätte, dass ich ihn in seinem Upkeep killen werde, hätte er in meinem Zug bestimmt nicht noch ein paarmal geballert sondern einfach gewartet, bis er mir auch noch die letzten zwei Schadenspunkte zufügen kann.


Game State

Außerdem sollte man sich über den Game State jederzeit im Klaren sein. Dazu gehört nicht nur die Größe jeder Kreatur mit variabler Power und Toughness, sondern auch Kenntnis über die Reihenfolge, in der eine Kreatur beispielsweise von multiplen Vedalken Shackles geklaut wurde, um Timestamp-Interaktionen vorhersehen zu können. Auch solltet ihr einmal erlangtes Wissen über gegnerische Handkarten (durch Thoughtseize) oder die Anordnung gewisser Teile eurer Bibliothek (durch Clash) stets im Kopf haben oder am Besten sogar notieren.

Darüber hinaus solltet ihr genau wissen, welche Karten überhaupt noch in eurem Deck sind. Falls ihr die gegnerische Deckliste einsehen durftet, habt ihr weitere Informationen, die ihr euch merken müsst. Auch im Booster Draft habt ihr jede Menge Informationen, die ihr verarbeiten müsst: Nicht nur, welche Karten ihr bereits gedraftet habt, sondern eigentlich auch, welche Karten ihr alle weitergegeben habt. Dies ist freilich eine Informationsflut, die sich von Menschen ohne Autismus kaum bewältigen lässt – doch zum perfekten Spiel gehört dies dazu. Alles andere ist Pech – aber nur, weil es für euren Skill Level zu schwer ist.


Gegnerische Informationen

Zusätzlich zu allen euch bekannten Informationen solltet ihr auch wissen, welche Informationen euer Gegner hat: Euer Watery Grave enttappt zu legen, um einen Force Spike zu bluffen, ist wenig sinnvoll, wenn der Gegner einen Zug vorher eure Hand gesehen hat und daher weiß, dass ihr keinen Force Spike auf der Hand habt und das Grave von oben kam.

Schlussendlich sollte man wissen, welche Karten in einem gegebenen Format legal sind (Constructed) und welche Rarity sie haben (Limited).

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Drei Skillkategorien
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Mit diesem Wissen gilt es dann nur noch, die optimalen Entscheidungen zu treffen. Eure verschiedenen Optionen sind euch an allen Stellen klar, aber nicht jede von ihnen führt unbedingt zum Sieg. Grob unterscheidet man drei verschiedene Skillkategorien.


Autokorrektur

Mein Physiklehrer hatte uns anno dazumal den guten Rat gegeben: „Ihr solltet Fehler vermeiden, die zu vermeiden sind.“ Im Spielverlauf bedeutet dies, dass ihr nicht mehr Mana tappen solltet, als der Spruch tatsächlich kostet. Ihr solltet dem Gegner mit eurem Prodigal Sorcerer in seinem End Step einen Schadenspunkt zufügen, falls sich kein lohnenderes Ziel bietet, und eure Bottle Gnomes opfern, nachdem der Damage auf dem Stack ist. Permanents in euer Greater Gargadon zu opfern, während der Teferi schon im Spiel ist, wäre ähnlich unproduktiv.

Die Liste ließe sich endlos fortführen. All diese Fehler haben gemeinsam, dass man über das richtige Play an dieser Stelle nicht diskutieren kann. Es gibt natürlich immer Ausnahmen (z..B. Pulse of the Forge), aber im Normalfall gibt es nur eine richtige Möglichkeit in diesen Situationen. Solche Fehler zeugen nicht von taktischem Unverständnis, sondern sind schlichte Flüchtigkeitsfehler. Oder, wie Reinhold Kohl einst so schön sagte: „Das war nicht frisiert, sondern nur übersehen!“ Gute Spieler machen derlei Fehler so gut wie nie.


Strategie

Hier fängt das Magic-Spielen an. Auf Strategiefragen gibt es selten eine eindeutige Antwort. Aus diesem Grund ist dies mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Im Draft kommt es immer wieder zu Situationen, in denen man den Power Level eines First Picks mit seiner Flexibilität vergleichen muss: Thoughtweft Trio oder Lash Out? Darauf lässt sich keine eindeutige Antwort finden. Harte Sideboarding- oder Mulliganentscheidungen fallen in diese Kategorie, genau wie der korrekte Umgang mit Removal (Tempogewinn, konservatives Haushalten oder gar zum Finishen aufsparen) oder die Antizipation von Mass Removal. (Threats zurückhalten oder alles ausspielen und hoffen?)

Die Strategie hebt die sehr guten Spieler von den guten Spielern ab. Hier hilft nur langjährige Erfahrung dabei, ein Bauchgefühl für derlei Entscheidungen zu entwickeln – alle Möglichkeiten durchzuanalysieren würde den Zeitrahmen der Partie deutlich sprengen und ist bestenfalls als Diskussionsstoff für die Pause zwischen den Runden geeignet.


Mind Gaming

Billige Bluffs fallen zwar streng genommen in diese Kategorie, sind aber dermaßen 08/15, dass sie eigentlich schon zur Strategie gehören: Wenn mein Gegner sich im Limited für Imperious Perfect austappt, werde ich definitiv mit meinem wertlosen 1/1-Token in ihn angreifen, egal ob Combat Trick oder nicht. Blocken wird er an dieser Stelle aller Voraussicht nach nicht. Vielmehr geht es hier um die wirklich meisterhaften Spielzüge, wie sie einst David Brucker oder Jon Finkel zeigten: Den Counter zu discarden, obwohl man sonst nur sieben Länder hält, um den Gegner zur Aufgabe zu bewegen, ist einfach umwerfend.

Ebenso kann es unmöglich als Fehler gewertet werden, wenn man den Gegner mit seinem Shrapnel Blast nicht von seinen letzten acht Lebenspunkten befreien kann. Wem will man vorwerfen, dass er an dieser Stelle nicht wie David Brucker einen Pulse of the Forge blufft, indem er sich auf einen Lebenspunkt hinunter manaburnt, um den Gegner dazu zu animieren, selbst auf fünf runterzugehen? Spielzüge wie diese heben die wahren Champions dieses Spieles von durchschnittlichen Profis (welche selbst schon sehr gute Spieler sind) ab.

-Zusammenfassend kann man sagen:
Fehler darf man nicht machen, Mind Games muss man nicht machen und über Strategie lässt sich diskutieren.


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Klassiker
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Nachdem wir das mythische Thema „Skill“ nun etwas aufgeschlüsselt haben, denke ich, dass es an der Zeit ist, sich einigen klassischen Fragen zuzuwenden.


1. Was ist schwerer: Beatdown oder Control? Oder gar Combo?

Der Kampf zwischen Beatdown und Control ist so alt wie Magic selbst. Beatdowndecks maximieren das Potenzial auf explosive Starts. Sie sind darauf ausgelegt, den Gegner in wenigen Runden zu übermannen. Jede Karte erfüllt den Zweck, den Gegner möglichst effizient zu töten. Im fortschreitenden Spielverlauf leiden sie stark unter Mana Flood. Um dies zu kompensieren, verringern sie den Landanteil. Da ihre Sprüche ohnehin ziemlich günstig sind, genügen ihnen meist zwei bis drei Länder auf der Starthand. Das geht oft so weit, dass ihnen Ein-Land-Hände lieber sind als solche mit vier Ländern. Die schlechte Nachricht ist nur, dass ihnen dennoch nach schon wenigen Zügen die Luft ausgeht und sie sehr schnell mehr Länder gezogen haben, als ihnen lieb ist.

Controldecks zäumen dieses Pferd von hinten auf: In den ersten Zügen haben sie oft wenig zu tun. Je nach Aggressivität des Formates finden sich in den niederen Manaregionen lediglich einige Spells wie Force Spike oder Ghastly Demise, um sich am Leben zu erhalten. Im späteren Spiel laufen diese Decks zur Höchstform auf und begraben den Gegner unter einem Berg von Kartenvorteil. Mit so vielen Extrakarten kommt ihnen jedes Land recht; irgendwann finanzieren sie damit beeindruckende Sprüche, die das Spiel oft in nur wenigen Zügen beenden. Im Kampf dieser beiden Decks will der Beatdown seinen Controlgegner töten, bevor ihm selbst die Puste ausgeht. Der Controlspieler will lange genug überleben, um seinen Kartenvorteil voll auszuschöpfen und die gegnerischen Ressourcen zu ermüden. Aber:
Was ist schwieriger
zu spielen –
Beatdown oder
Control?

Was ist schwieriger zu spielen?

Für einen schlechten Spieler erscheinen Beatdowndecks einfacher. Mit etwas Glück kommt ein gegebenes Duell einem Match gegen den Goldfisch gleich: Man spielt alles aus, greift jede Runde an und würzt das Ganze mit Pumpspells oder Direktschaden. Die Interaktion wird durch den Goddraw auf ein Minimum reduziert, was einen großen Teil des normalerweise benötigten Skills unbedeutend macht. Der Controlspieler ist gegen ein derartiges Kartenglück einfach tot. Mit der Betonung auf einfach: Wenn er nichts tun kann, lässt sich schwer behaupten, dass die Partie für ihn schwieriger gewesen wäre. Mit viel Glück können selbst sehr schlechte Spieler mit Beatdowndecks Turniere gewinnen. Aus diesem Grund erscheinen Beatdowndecks oft als stumpfe Luckerdecks für Kinder und Frisöre.

Wer hingegen etwas auf sich hält, der spielt natürlich Control! Mit einer stets vollen Hand hat man sein Geschick scheinbar stets selbst in der Hand. Ein langer Spielverlauf verlangt dazu nach ordentlicher Vorausplanung. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. Beatdowndecks stecken voller Threats. Controldecks haben die entsprechenden Antworten. Wer hat den schwierigeren Job? Das Beatdowndeck! Sein Pilot muss den Controlgegner durchschauen, muss den Weg vorausahnen, den das Controldeck beschreiten will, um ins Lategame zu gelangen, um ihm dabei möglichst wirksam Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Der Controlspieler muss nur sein Life Total beschützen. Auf die ihm präsentierten Bedrohungen hat er entweder die Antworten oder er hat sie nicht. Da gibt es nicht viel zu können.

Wenn man darüber näher nachdenkt, wird es auf einmal ganz einleuchtend: In Turn 2 habt ihr die Wahl, ob ihr riskieren wollt, dass euer 2-Drop vom gegnerischen Force Spike gecountert wird. Da gilt es allerlei in Erwägung zu ziehen. Wenn ihr euch endlich entschieden habt, ist der Controlspieler an der Reihe. Er hat aber nichts nachzudenken: Entweder hat er den Force Spike, oder er hat ihn nicht. Und wenn er ihn hat, dann ist der Gegner entweder hineingelaufen oder nicht. Inevitability ist hier das Zauberwort: Wenn das Spiel lang genug andauert, gewinnt der Controlspieler sowieso. Es mag zwar kompliziert erscheinen, wenn man in Turn 10 in seinen Sensei's Divining Top schaut und noch ein Fetchland auf dem Tisch hat. Von den vielen Optionen sind aber oft alle richtig. Denn allein durch die Tatsache, dass es schon Turn 10 ist, habt ihr wahrscheinlich schon gewonnen.

Ende der Diskussion: Für sehr schlechte Spieler sind Beatdowndecks empfehlenswerter. Es ist wahrscheinlicher, so viel Glück zu haben, dass man nur minimalen Skill benötigt, als wenn sie zu einem Controldeck griffen. Aber sobald sie dieses Riesenglück verlässt, haben sie den deutlich anspruchsvolleren Job.

Ein Beatdowndeck ist viel schwerer perfekt zu spielen als ein Controldeck.

Dafür gewinnt man ab und an, selbst wenn man es grottenschlecht gespielt hat. Es hängt sich also alles an der Definition des Wortes „schwerer“ auf. Wenn es darum geht, mit welchem Deck ein Anfänger eher ein Turnier gewinnen kann, so ist Beatdown einfacher. Geht es hingegen um die perfekte Handhabung, so sticht das Beatdowndeck ein Controldeck um Längen aus.


Und Combo?

Combodecks blicken auf diesen ewigen Wettstreit aus einer Abseitsposition. In ihrer Handhabung sind sie selbst gegen den Goldfisch deutlich komplizierter zu spielen als Beatdowndecks. Dafür kommt eine derartige Goldfischsituation deutlich häufiger vor: Besonders gegen Beatdowndecks kann man all ihre Spells getrost ignorieren und muss nur zusehen, dass man gewinnt, bevor man auf null ist. Umgekehrt kann der Beatdownspieler nur so hart angreifen wie möglich und hoffen, dass es reicht. Gegen Controldecks ist das Ganze ähnlich strategisch anspruchsvoll wie ein Beatdowndeck: Manchmal hat man einfach den Goddraw, aber wenn nicht, muss man sich sehr gut überlegen, wie man die ganzen Counter, Discardspells, oder was auch immer, umgeht.

Derlei Strategien variieren aber meist nicht von Partie zu Partie. Stattdessen reicht es oft, für ein gewisses Matchup einen Siegplan zurechtzulegen – und zwar während des Testings vor dem Turnier – und diesen dann konsequent durchzuziehen. Combodecks sind daher am Besten für Spieler geeignet, die über gute Regelkenntnisse verfügen und durch Trainingsspiele einen hohen Lernerfolg erzielen können und somit ihren Mangel an langjähriger strategischer Erfahrung kompensieren möchten. Besonders gut für etwas unerfahrenere Spieler, um ein Deck in kurzer, intensiver Lernphase zu meistern.


2. Was ist schwerer: Limited oder Constructed?

Auch das ist wieder so eine Frage, bei der es eindeutig auf die Definition des Begriffes „schwer“ ankommt. Ich meine, was ist schwerer: Schach oder RPS alias Stein-Schere-Papier? Das hängt doch eindeutig davon ab, wie gut ich Schach spiele! Gegen SimonG fände ich RPS deutlich einfacher als Schach. Gegen die Freundin meines Bruders sähe das anders aus.

Es geht also eindeutig eher darum, was „randomer“ ist. In Constructed sind die Decks von vornherein sehr gut getunet. Die Vorarbeit, die man in dieses Format investieren kann und muss, ist also sehr groß. Im Limited reicht es, wenn man alle Karten und ihre Raritys kennt. Constructed-Turniere entscheiden sich oft schon, bevor die erste Runde gespielt wird. Durch geschicktes Abschätzen des Metagames und der daraus resultierenden Deckwahl hat man oft immense Vorteile gegenüber dem Feld.

Auch im Limited entscheidet sich vieles schon vor Beginn der eigentlichen Spiele: Aus schlechten Sealed Pools lassen sich oft nur mit viel Mühe wettbewerbsfähige Decks konstruieren. Bis zu einer gewissen Grenze ist ein schlechter Pool in seiner Funktion als Luckmangel nur eine Herausforderung an euren Skill, aus jeder Situation das Bestmögliche herauszuholen. Aber ab und an ist der Punkt überschritten, an welchem man aus einem bestimmten Pool einfach nichts Tolles zaubern kann. Die Siegchancen zu maximieren ist dennoch das höchste Gebot, doch habt ihr von vornherein buchstäblich schlechte Karten.

Wenn das Turnier dann richtig losgeht, entscheiden die Paarungen oft über Sieg oder Niederlage. Dabei rede ich nicht davon, dass euer Kumpel wieder gegen Friedhelm Frisör ran darf, während ihr euch Auge in Auge mit Udo Unbesiegbar wiederfindet. Das kann euch schließlich in beiden Formaten passieren. Constructed ähnelt aber doch so ein bisschen dem guten alten RPS. Entweder bekommt ihr ein gutes Matchup, oder euer Gegner hat die Ehre.

Es könnte natürlich auch zu einem Mirror Match kommen. In diesem Fall kommt es auf die Natur dieses Mirrors an: Manche werden ganz stumpf dadurch entschieden, dass einer der beiden Spieler als Erster kein Land mehr legen kann. Andere hingegen liefern einen ganzen Garten Eden voller Möglichkeiten, den Gegner nach Strich und Faden zu outplayen. Und dann kann es passieren, dass allein der Würfelwurf darüber entscheidet, wer nun seinen Turn-4-Kill präsentieren darf, bevor der Gegner seinen Turn 4 überhaupt hatte.

Überhaupt spielt der Die Roll im Constructed eine sehr große Rolle. Im Limited kann man durchaus gewinnen, wenn der Gegner begonnen hat. Ja, mitunter lässt man ihn sogar freiwillig beginnen. Dafür kann es hier natürlich passieren, dass der Gegner einfach mehr Bomben hat/zieht oder ihr unter eurer wackligeren Manabasis leiden müsst.

In beiden Formaten kann es vorkommen, dass entweder Luck oder Skill deutlich die Überhand haben. Im Constructed kommt es verstärkt auf die Vorbereitung an. Hier können schwächere Spieler von den Testresultaten anderer deutlich mehr profitieren: Das letzte Siegerdeck 1:1 nachzubauen ist eben doch hilfreicher, als sich meine Limitedanalyse durchzulesen. Überhaupt ist in Limited weniger die Vorbereitung entscheidend als die Spielerfahrung und ihre Anwendung in jeder gegebenen Situation. In Constructed muss also mehr Vorarbeit geleistet werden – nur nicht unbedingt von euch selbst. Im Limited habt ihr da weniger Möglichkeiten, jemand anderem die Arbeit aufzuhalsen. Hier müsst ihr euch schon selbst ein wenig abrackern. Schlechteren Spielern empfehle ich daher Constructed.

Hier können sie sich ordentlich helfen lassen und müssen ihr Deck nur noch einigermaßen bedienen. Glück mit Matchups und Würfelwürfen sowie während der Spiele im Allgemeinen braucht sowieso jeder.

Im ICQ hat mich mal jemand gefragt, ob er die Meatgrinder für die DM lieber im Constructed- oder im Limited-Format spielen sollte. Ich habe ihm zu Constructed geraten. Zur Sicherheit fragte er aber noch einmal nach: „Du würdest also Constructed spielen, wenn du dich reingrinden müsstest?“ Dabei ist das etwas ganz anderes. Ich würde natürlich Limited spielen! Schließlich setzt sich hier – insbesondere in Anbetracht der zu bewältigenden Informationsflut und der Qual der Wahl während eines Booster Drafts – im Schnitt häufiger der bessere Spieler durch. Dem mich um Rat bittenden Neuling riet ich darum zu Constructed.

Hier könnte er sich ein gutes Deck geben lassen und ein bisschen testen und hatte dann eine gute Chance, sich durchzulucken. Denn besonders im Sealed Deck resultieren Pools manchmal in automatischen „0-2-Drop“-Decks. Ein automatisches „5-0-Top8“-Deck hingegen ist nahezu unmöglich aufzumachen.


3. Wie viel Skill enthält Magic überhaupt?

Die Frage aller Fragen. Die Antwort sollte am besten in Form einer Prozentzahl geliefert werden. Lange Zeit habe ich schon darüber nachgegrübelt, wie man den Skillgehalt wohl mathematisch definieren und im Anschluss berechnen könnte. Und vor einiger Zeit erhielt ich einen interessanten Denkanstoß: Da hatte jemand ausgerechnet, dass der damals amtierende Player of the Year – es war übrigens Kenji Tsumura – in all seinen Matches auf Grand Prixes und Pro Touren eine Siegquote von 63% im Constructed und 67% im Limited erreicht hatte.
Selbst der beste
Spieler der Welt
verliert zu ungefähr
35 Prozent…

Um den Day 2 einer Pro Tour zu erreichen, braucht man fünf Siege aus acht Runden Constructed, was einer Quote von 62,5% gleichkommt, oder vier Wins aus sechs Runden Limited, was einer 66,6%-Quote entspricht. Kenji war in jenem Jahr der einzige Spieler weltweit, der auf einer gegebenen PT zu über 50% den Day 2 erreichen konnte. So beeindruckend dies auch ist, so ist die Kehrseite viel interessanter: Selbst der beste Spieler der Welt verliert zu ungefähr 35%.

Allein daraus könnte ich nun schon schlussfolgern, dass Magic 65% Skill und 35% Luck ist. Aber aus Interesse habe ich mir einen Nachmittag Zeit genommen, jede Coverage aller meiner GPs und PTs durchforstet und daraus eine Lifetime-Statistik meiner professionellen Karriere erstellt. Da diesem Artikel ohnehin noch etwas schamlose Selbstdarstellung fehlt, will ich euch diese Statistik natürlich nicht vorenthalten!

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Harte Zahlen!
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Es zählen nur Pro-Level-Events (GP, PT, Worlds). Beginn ist die Saison des ersten Money Finishes. Alle Angaben ohne Draws, Byes oder Gewähr.


2008 (laufend):
Constructed: 3-2 (60%)
Limited: 17-10 (62,96%)
Gesamt: 20-12 (62,5%)
Money gesamt: $2.950


2007:
Constructed: 20-11 (64,52%)
Limited: 22-12 (64,71%)
2HG Limited: 5-6 (45,45%)
Gesamt: 47-29 (61,84%)
Money gesamt: $25.590


2006:
Constructed: 8-13 (38,10%)
Team Constructed: 5-6 (45,45%)
Limited: 26-24 (52%)
Gesamt: 39-43 (47,56%)
Money gesamt: $2.940


2005:
Constructed: 21-27 (43,75%)
Limited: 17-16 (51,51%)
Team Limited: 5-5 (50%)
Gesamt: 43-48 (47,25%)
Money gesamt: $5.775


2003/2004:
Constructed: 42-22 (65,63%)
Limited: 18-18 (50%)
Team Limited: 10-5 (66,67%)
Gesamt: 70-45 (60,87%)
Money gesamt: $5.160


2002/2003:
Constructed: 8-9 (47,06%)
Limited: 9-6 (60%)
Team Limited: 3-3 (50%)
Gesamt: 20-18 (52,63%)


2001/2002:
Limited: 12-10 (54,55%)


2000/2001:
Limited: 13-6 (68,42%)
Money gesamt: $250


Total:
Constructed: 102-84 (54,84%)
Team Constructed: 5-6 (45,45%)
Limited: 134-102 (56,78%)
Team Limited: 18-13 (58,06%)
2HG Limited: 5-6 (45,45%)
Gesamt: 264-211 (55,58%)
Money gesamt: $42.665



Wer sich nicht für den gesamten Werdegang interessiert, sollte sein Augenmerk auf die letzten beiden Zeilen konzentrieren. Ich fand immer, dass ich mit über 40.000 gewonnenen Dollarn schon reichlich abgesahnt hätte. Daraus schloss ich, dass ich wohl doch ein ziemlich guter Spieler sein müsste. Etwas erstaunt war ich dann doch über die kümmerlich erscheinende Siegquote von 55,58%. Müsste ich nicht als ganz toller PT-Spieler deutlich mehr haben?

Natürlich nicht: Immerhin sind meine Gegner auf solchen Events ja auch keine unbeschriebenen Blätter. Mindestanforderungen sind immerhin PTQ- oder GP-Trial-Sieg, 2000+ Rating oder zumindest ein 3-0-Start auf einem GP aus eigener Kraft – ansonsten kann man gegen mich kaum gepaart werden. Die Schlussfolgerung ist relativ einfach:

In Magic entscheidet vorrangig der Mangel an Skill.

Es ist sehr leicht, so schlecht zu spielen, dass man deutlich unter 50% hat. Jeder hat sicher schon einmal derartige Spieler erlebt und vermutlich auch schon oft gegen sie gespielt. Sie kennen die Regeln nicht besonders gut und verfolgen auch kaum einen Siegplan. Sie spielen nur alles aus und greifen damit an, wenn die Luft rein ist. Natürlich können sie auf diese Weise auch gewinnen. Nur eben nicht besonders oft. Sobald sie gegen einen guten Spieler kommen, der eine Siegquote um 50% für sich beanspruchen kann, macht sich ihr Skillmangel bemerkbar und sie gewinnen nur noch eines von drei bis zehn Spielen.

Wenn sie es oft genug versuchen, können sie sich allein aus statistischen Gründen sogar trotzdem für eine PT qualifizieren. Und auch wenn dies den Herrn Eucken vielleicht verdrießen wird: Man kann in Magic nicht so schlecht sein, dass man (fast) immer verliert. Dafür muss man schon verlieren wollen. Mangelnder Siegeswille gepaart mit Unfähigkeit reicht da nicht aus: Man braucht beinahe schon eine gewisse Expertise im Bereich des Magic-Selbstmordes, komplett mit dazugehöriger „Noitavitom“.

Sobald man eher eine aus zwei als eine aus drei Partien gewinnt, ist man ein durchschnittlicher bis guter Spieler. Sobald man diese Stufe erreicht hat, tritt das Luck in den Vordergrund. Denn jeder einigermaßen fähige Spieler ist in der Lage, einen Pro zu bezwingen, solange man das Glück auf seiner Seite hat. Dazu reicht es oft, das gute Matchup zu bekommen, den Die Roll zu gewinnen oder im Limited mit 2-Drop, 3-Drop, 4-Drop, Removal, Removal zu starten.

_
Wahre Meister…
_

Die wahren Meister des Spieles stehen noch eine Stufe weiter oben. Sie lassen sich von Luck allein nicht aufhalten und nutzen Bluffs und andere Mind Games, um technisch betrachtet unverlierbare Spiele für sich zu entscheiden. Ab und an trashtalken sie auch, was schlechtere Spieler zur irrigen Annahme verleitet, dies erhöhe den eigenen Skill und die daraus resultierende Siegchance. In Wirklichkeit treibt Trashtalk jedoch nur einen Keil in die Skillkluft. Die Siegchance des besseren Spielers erhöht sich auf Kosten des Schlechteren. Das bedeutet im Klartext, dass ihr euch selbst trashtalkt, sobald ihr gegen einen überlegenen Spieler den Mund aufmacht.

Allein auf dieser Erkenntnis beruhend, die ich wieder einmal Dirk Baberowski zu verdanken habe, fügte ich meinem Repertoire den Modus „Fresse halten und spielen“ hinzu, mit dem ich ab diesem Punkt gegen Profis deutlich besser gefahren bin.

Aber wie ist nun die Prozentzahl? Wieviel Luck, wieviel Skill? Die traurige Antwort ist: „Es kommt darauf an“. Doch witzigerweise erlaubt mir die deutsche Sprache, euch zu trösten, und das ausgerechnet mit: „Es kommt nicht darauf an“. Denn tatsächlich ist es ja egal, wie viel Luck nun mit von der Partie ist. Ihr müsst nur wissen, dass ihr den Bereich des schlechten Spielers schnell verlassen müsst, um den ihnen eigenen Malus zu ihren Gunsten auszunutzen und gegen jeden anderen Spieler auf ungefähr 50-50 zu kommen. Sobald ihr dieses Niveau einmal erreicht habt, stellen sich erste Erfolge ein, vorausgesetzt, ihr versucht es oft genug.

Bevor ich meine erste PT spielen durfte, habe ich jede Menge PTQs gespielt. Zu ungefähr 25% schaffte ich es in die Top 8. Und trotzdem gelang es mir erst in meiner elften PTQ-Top 8, einen der beiden Slots zu erspielen. Also bleibt am Ball – irgendwann schafft ihr es alle.

_
… fallen nicht vom Himmel
_

Aber Moment, habe ich nicht behauptet, dass man fast jedes Spiel gewinnen kann, wenn man nur alles richtig macht? Kann man! Meine Aussage war natürlich einerseits reichlich trivial. Denn „alles“ ist extrem viel. Das kann kein Mensch schaffen. Ich meine, wenn ich wirklich alles richtig mache, gewinne ich auch jeden Die Roll: Man könnte garantiert einen Mechanismus konstruieren, der unter Laborbedingungen jedes Mal die 20 würfelt.

Dass ich widrigere Umweltbedingungen nicht mit einberechnen und meinen Arm nicht mit der benötigten Präzision funktionieren lassen kann, ist schließlich eindeutig mangelnder Skill. Und wenn ich mein Deck wirklich bis auf die letzte Sideboardkarte perfekt auf das von mir perfekt eingeschätzte Metagame einstelle und während des Turnieres wirklich jede Mulligan-Entscheidung, jedes Sideboarding und jeden einzelnen Zug in jedem einzelnen Match sowohl technisch als auch taktisch 100% korrekt spielen würde, stünde dem 7-0 wohl kaum noch etwas im Wege.

Natürlich ist so etwas nur theoretisch möglich. Und selbst dann gibt es noch die Spiele, die man einfach nicht gewinnen kann. Aber auch da haben uns Spieler wie Finkel und Brucker schon gezeigt, dass man niemals nie sagen sollte. Allen, die noch nie von Darrell Brown gehört haben, müssen sich unbedingt dieses Video samt der Explanation im Anhang ansehen. Was dort praktiziert wird, ist neurolinguistisches Programmieren, kurz NLP. Dieser pseudowissenschaftliche Unterbereich der Psychologie kommt einer unfreiwilligen Hypnose extrem nahe und würde Wunder bewirken, wenn sich dieser Herr einmal für eine PT qualifizieren würde.



Falls ihr diesem Artikel nichts abgewinnen konntet, so hoffe ich doch wenigstens, dass euch das Video gefallen hat.

Bis nächste Woche!




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