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Draft mal anders
von Tobias "TobiH" Henke
30.01.2008

Heute habe ich lediglich ein vergleichsweise kleines Thema, welches wohl nie zu einem großen Artikel ausgewachsen wäre, andererseits jedoch zu schade ist, um es komplett unter den Tisch fallen zu lassen.

    Kleiner Einschub: Nebenbei gibt mir das eine Gelegenheit (nennen wir es eine Entschuldigung), endlich mal wieder einige meiner grandiosen Draftdecks vorzuzeigen. Was Draftdecks anbelangt, bin ich nämlich wie das Kleinkind, welches zum ersten Mal allein aufs Töpfchen geht, und hinterher stolz wie Oscar sein Werk präsentiert. [Anm. d. Red.: Ja, ich weiß, irgendein Witz bezüglich so genannter "Crapdecks" liegt jetzt nahe.] Jedenfalls nerve ich regelmäßig Menschen, die mir auf Turnieren begegnen, mit meinen tollen Draftdecks – wieso also nicht auch hier? [Anm. d. Red.: Seht her! Ich schaffe es sogar ganz allein, den Lesefluss meiner Artikel durch willkürliche Edits zu zerstören. Muhahahah!]

Es geht um zwei alternative Draftformate. Darüber schreibe ich nicht etwa, weil ich ein Experte auf diesem Gebiet bin, sondern ganz im Gegenteil ein Neuling. Ob das Sinn macht? Keine Ahnung, mir aber zumindest Spaß...

Bislang war ich nämlich immer ein strikter Traditionalist. Bei unserer wöchentlichen, privaten Draftrunde gibt's Booster Draft mit jeweils sechs bis elf Leuten und damit basta!, fasst es ganz gut zusammen. Aber was macht man, wenn man beim PTQ in Nürnberg quasi in Rekordzeit höchst unrühmlich aus dem Turnier ausgestiegen, einer der Mitfahrer jedoch wild entschlossen ist, den PTQ zu gewinnen?

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Team Booster Draft
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Tja, dann lässt man sich halt von Klaus "ey, ich red solange auf dich ein, bis du mitmachst" Jöns zu einem Team Booster Draft überreden, dessen Regeln übrigens gar nicht einmal so speziell sind:

  • Man benötigt insgesamt sechs Personen, gleichmäßig aufgeteilt auf zwei Teams.

  • Beim Draft sitzen die Spieler des einen Teams (in folgender Grafik Boggarts) und die Spieler des anderen (Kithkin) jeweils abwechselnd rings um den Tisch.


  • Gestrickt gedraftet wird dann ganz normal… Zwei links, eins rechts. Wobei man allerdings verstärkt versucht, den direkten Nachbarn gute Karten wegzuschnappen. Außerdem kann man natürlich erraten, welche Farben z..B. der rechte Nachbar gepickt hat, um dann im zweiten Booster eine Bombe in einer anderen Farbe an ihn weiterzugeben – in der Hoffnung, dass er sie ebenfalls weitergibt; denn dann landet sie ja wieder bei einem Teamkollegen.

  • Beim Deckbau dürfen die Teamkollegen dann untereinander Hilfestellung geben. Allerdings behält jeder seinen eigenen Draftstapel; da darf nichts ausgetauscht werden!

  • Gespielt werden drei Runden, sodass hinterher jeder gegen jedes Mitglied des gegnerischen Teams gespielt hat. (Hier wieder mit Kithkin vs Boggarts dargestellt.) Auf diese Art gibt es insgesamt neun Matches – und es gewinnt dasjenige Team, welches fünf Matches für sich entscheidet.



  • Des Pudels Kern:

    Abgesehen von erhöhter Kameradschaft und minimalen strategischen Unterschieden handelt es sich eher mehr als weniger um einen "stinknormalen" Booster Draft. Wo ist also der Vorteil? Und wieso ist ein solcher Team Draft gerade bei den Pros so beliebt?

    Während normalerweise ein Draft zu sechst eine Notlösung darstellt, ist das bei diesem Format von vornherein so vorgesehen. Wesentlich entscheidender dürfte jedoch die Aufteilung der Karten nach dem Draft sein. Während es ja sonst (zumindest bei privat organisierten Draftrunden) üblich ist, hinterher alle Rares auszulegen und nach Platzierung im Turnier zu verdraften, bekommt beim Team Draft das Siegerteam schlicht alle Rares. (Mitunter hört man gar von Pros, die noch um zusätzliche Einsätze spielen... )

    Höherer Einsatz für den Einzelnen, aber eben auch höhere Gewinnchancen – wenn man sich wirklich beweisen will, ist das genau das Richtige. Und natürlich erhöht es die Spannung. Lorwyn ist ja bereits etwas länger draußen und mit einem regulären Draft hätte man beim PTQ in Nürnberg womöglich keinen müden Hund mehr hinter dem Ofen hervorgeholt...


    Ergebnisse:

    Mein Eindruck von den fertigen Draftdecks sieht folgendermaßen aus: Dadurch, dass insgesamt weniger Karten in Umlauf sind und mehr Hatepicks gemacht werden, kommt man im Vergleich zum 8-Mann-Draft auf weniger "playables" und muss sich mit mehr Füllern und/oder Farb-Splashes zufriedengeben. Dafür sind im Gegenzug die guten Karten, die man hat, gerade in der Spitze stärker.

    So war z. B. Klaus im ersten Draft in meinem Team und saß zwei Plätze rechts von mir und schmiedete einen perfiden Plan, der glücklicherweise perfekt aufging. Nach seinem First Pick befand sich in seinem ersten Booster noch eine Karte, von der er sicher erwartete, dass sein linker Nachbar sie nehmen würde. Das wiederum ließe mir einen soliden Harpoon Sniper als dritten Pick übrig und nach diesem Start wäre vermutlich auch weiterhin der Weg für ein Merfolkdeck frei, versorgte er doch unseren gemeinsamen Nachbarn immer weiter mit Karten, die dieser quasi über die ebenfalls enthaltenen Merfolkkarten nehmen musste.

    Auf diese Weise landeten bei mir zumindest im ersten und dritten Booster schließlich die jeweils besten Merfolkkarten von einer gesamten Tischhälfte. Konkret sah das Endergebnis folgendermaßen aus:


    2 Tideshaper Mystic
    1 Burrenton Forge-Tender
    2 Aquitect's Will
    1 Shields of Velis Vel

    1 Judge of Currents
    1 Deeptread Merrow
    1 Merrow Commerce

    2 Paperfin Rascal
    3 Drowner of Secrets
    2 Harpoon Sniper
    1 Merrow Reejerey
    1 Mirror Entity

    1 Ethereal Whiskergill
    1 Kinsbaile Balloonist
    1 Summon the School

    1 Wellgabber Apothecary

    1 Aethersnipe

    9 Island
    8 Plains

    1 Forest
    1 Lignify



    Die Manakurve ist natürlich von zweifelhafter Güte, Kinsbaile Ballonist hat auch nicht gerade viele Ziele, die er zum Luftangriff überreden könnte, und 17 Länder sind mit zwei Cantrips (Aquitect's Will) und lediglich fünf Karten, die mehr als drei Mana kosten, eigentlich zu viele.

    (Burrenton Forge-Tender muss ich von der Aufzählung der Mängel allerdings ausnehmen, denn beim teaminternen Deckbau stellten wir fest, dass sich wirklich in keinem unserer Draftstapel rote Karten befanden, welche folglich bei den Gegnern gelandet sein mussten. (Noch so eine strategische Eigenart dieses Formats.) Gegen nicht-rote Decks sollte ich allerdings regelmäßig das Lignify hereinnehmen, von dem ich mittlerweile aber denke, dass es sowieso irgendwie ins Maindeck gehört hätte...)

    Auf der Haben-Seite hingegen sind immerhin zwei Harpoon Sniper, Mirror Entity, ein Judge, Summon the School, Merrow Reejerey und vor allem drei (!) Drowner of Secrets zu verbuchen... Wenn ich jemals ein Deck hatte, in dem Merrow Commerce lohnenswert war, dann dieses!

    Nach drei Runden standen (schwammen?) die Meervölker jedenfalls 3-0 und der Sieg war unser..

    Jetzt muss man wissen, dass ich bereits seit Ende der dritten Runde nur darauf wartete, dass auch meine Mitfahrer ihre zweite Niederlage im zeitgleich laufenden PTQ abbekämen, damit wir dann umgehend die knapp fünfstündige Heimfahrt antreten könnten. Simon – der alte Halunke – jedoch verzichtete schlicht, aber ergreifend im gesamten Event komplett auf Niederlagen. So blieb mir nichts anderes übrig als gleich noch einen zweiten Team Draft mitzunehmen.

    Hier eine Deckliste, die wiederum alles bisherige bestätigt: In der Spitze erreicht sie ein exorbitantes Powerlevel, in der Breite geht ihr die Luft aus.


    1 Wanderer' Twig

    1 Woodland Changeling
    2 Lignify
    1 Kithkin Daggerdare
    2 Fertile Ground
    1 Fistful of Force

    3 Battlewand Oak
    1 Black Poplar Shaman
    1 Avian Changeling
    1 Jagged-Scar Archers
    1 Gilt-Leaf Ambush

    1 Oaken Brawler
    1 Dauntless Dourbark
    1 Masked Admirers

    2 Changeling Titan
    1 Timber Protector

    1 Guardian of Cloverdell
    1 Oakgnarl Warrior

    1 Swamp
    1 Plains
    15 Forest

    1 Rootgrapple



    Negativ: Fertile Ground fügt sich nicht besonders toll in die Kurve ein, 20 Manaquellen sind selbst bei diesen Manaanforderungen noch ein wenig übertrieben, das Mini-Elfen-Thema passt überhaupt nicht und je ein Mini-Splash für nichts weiter als Avian Changeling und Oaken Brawler bzw. Black Poplar Shaman wirkt durchaus lächerlich.

    Aber: Zwei Changeling Titan? Drei Battlewand Oak? 15 Treefolk und 15 Forest? Timber Protector? Dauntless Dourbark? Oh Mann, was war das eine Freude, dieses Deck zu spielen! (Den Gegner in Grund und Boden zu stampfen, war nie so wörtlich zu nehmen.)

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    Winston Draft
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    Und gleich zu etwas völlig anderem: Winston, eine Variante, die so weit vom regulären Draftprozedere entfernt ist wie irgendmöglich. Mit einem Booster Draft gemeinsam hat sie eigentlich nur, dass am Anfang pro Spieler drei ungeöffnete Booster da sind und am Ende 40-Karten-Decks.

    Zu den Regeln:

  • Alle Booster werden verdeckt geöffnet und in einen großen Stapel zusammengemischt. (Token- bzw. Regelkarten dabei entfernen!)

  • Neben dem großen Stapel gibt es noch drei kleine, die zu Beginn jeweils nur aus einer Karte bestehen.

  • So... und jetzt wird es kompliziert. Wer auch immer zuerst draftet (es empfiehlt sich zur Festlegung z..B. ein Würfelwurf), schaut sich den Stapel #1 an (den, der am nächsten am großen Stapel ist) und kann diesen seinem persönlichem Draftstapel einverleiben. Tut er das, wird Stapel #1 wieder mit einer Karte aufgefüllt und der nächste Drafter kommt an die Reihe. Entscheidet er sich allerdings gegen Stapel #1, wird diesem Stapel eine weitere Karte (von oben vom großen Stapel) hinzugefügt und der aktuell aktive Drafter macht auf die gleiche Art mit Stapel #2 weiter. Dann Stapel #3, und wenn ihm auch dieser nicht zusagt, bekommt er ungesehen die oberste Karte des großen Ausgangsstapels und der nächste Drafter kommt zum Zug.

  • Stapelstapelstapelstapelstapel. – Okay, zugegebenermaßen habe ich bisher noch keine Erklärung in geschriebener Form gefunden, die sowohl kurz und bündig als auch vollständig wäre. Vielleicht ist Anschauungsmaterial ja besser:



    In diesem Video erklärt Mark Rosewater das Winston-Draftformat, wie es beim letztjährigen Invitational.gespielt wurde. Allerdings gehen dessen Anwendungsmöglichkeiten noch weit darüber hinaus:


    Des Pudels Kern:

    Beim Invitational gab es Winston jeweils nur im 1-gegen-1-Modus – ein Draft, zwei Drafter. Aber das wirklich Tolle daran ist, dass man Winston tatsächlich mit jeder beliebigen Anzahl an Draftern sinnvoll praktizieren kann! (Meine obige Aufstellung der Regeln reflektiert das auch.)

    Habt ihr schon einmal zu fünft einen normalen Booster Draft gemacht? Nun, ich schon! Und ich kann es, weiß Gott, nicht empfehlen. Für einen regulären Booster Draft ist acht nun einmal die perfekte Anzahl, sieben ist vertretbar und in Ermangelung von Mitspielern geht es auch mit sechs. Aber spätestens bei fünf ist eine Schwelle unterschritten, an der es zu einer Farce gerät. Wenn jeder Booster dreimal die Runde macht, ist die Kartenfluktuation viel zu gering, als dass noch ordentliche Decks dabei herauskämen. Ganz abgesehen davon, wie langweilig es ist immer wieder den gleichen Booster unter die Nase gerieben zu bekommen, bei dem schon kein sinnvolle Pick mehr drin war, als es noch fünf Karten mehr waren.

    Zurückgespult zum vorletzten Mittwoch: Das Morningtide-Prerelease stand unmittelbar bevor, ein reiner Lorwyn-Draft war dementsprechend wenig begeisterungsfähig. Und zu unserem wöchentlichen Draft waren nur vier Leute erschienen...

    Klare Sache – 4-Mann-Winston-Draft!


    Ergebnisse:

    Man hätte natürlich auch je zwei Winston Drafts zu zweit machen können, aber selbstverständlich gilt auch in diesem Format, dass mehr Karten bessere Decks ermöglichen. Draftet man nach diesem System zu zweit sind die resultierenden Decks fast immer ziemlich dreifarbig und nicht besonders synergisch. Je mehr Karten insgesamt in Umlauf gebracht werden, desto schwächer werden allerdings diese Symptome.

    Was aber in jedem Fall bleibt: Der Draftvorgang an sich ist ungemein interaktiv, es werden mehr Karten weggeschnappt und es ist möglich und wahrscheinlich, dass ein Drafter schlicht eine höhere Gesamtzahl an Karten einsackt, während ein anderer weniger, aber eben ausgewähltere, erlesenere Karten sammelt. Dadurch findet sich auch hier in den letztendlichen Decks eine größere Fülle an Füllern und Splashes. Und da man selbst mehr Einfluss nimmt, sind die Decks natürlich wiederum "kopflastiger".

    Hier mein 3-0-Siegerdeck (wir spielten naheliegenderweise jeder-gegen-jeden):


    1 Springleaf Drum
    1 Tarfire
    1 Boggart Birth Rite
    1 Treefolk Harbinger

    1 Ashling the Pilgrim
    1 Nath's Buffoon
    1 Exiled Boggart
    1 Fire-Belly Changeling
    1 Nameless Inversion
    1 Lignify

    3 Thieving Sprite
    1 Ghostly Changeling
    1 Boggart Loggers
    2 Spiderwig Boggart
    1 Eyeblight's Ending

    1 Wort, Boggart Auntie
    1 Tar Pitcher

    1 Hostility
    1 Thorntooth Witch

    1 Forest
    9 Mountain
    8 Swamp

    1 Nath's Buffoon



    Wenn man sich so Wort, Tar Pitcher, Hostility, Ashling the Pilgrim. Tarfire, Nameless Inversion und Eyeblight's Ending anschaut, dann fällt es schwer zu glauben, dass es daneben auch solche Highlights wie Nath's Buffoon, Exiled Boggart und der höchst fragwürdige Grün-Splash ins selbe Deck geschafft haben, nicht wahr? Aber wie man bereits an den 19 Manaquellen erkennt – anders wäre das Deck schlicht nicht voll geworden. (Dass insgesamt ca. eine halbe Manaquelle zu viel im Deck ist, dafür aber ungefähr ein halber Wald zu wenig, macht es da nicht gerade besser.)

    Boggarts, Feen, Baumhirten – eine wilde Mischung. Nun ja, die drei Thieving Sprite kann ich erklären; die hatte ich früh eingesammelt in der Hoffnung auf Boggart Sprite-Chaser, welche aber leider ausblieben.

    Und natürlich gab es mit diesem Deck durchaus die Spiele, in denen auf fünf mulligant wurde und als 2-Drop lediglich Exiled Boggart zur Verfügung stand. Dafür aber ebenfalls solche, in denen Ashling ab Turn 2 im Alleingang gewann oder in denen Wort und Thorntooth Witch im Spiel waren und ich jede Runde Nameless Inversion spielen konnte, mit Boggart Birth Rite als Rückendeckung...

    _
    Abschließend…
    _

    …kann ich ganz besonders den Winston Draft weiterempfehlen. Ein dermaßen hohes Level an Interaktion – vor allem auch im Draft selbst – habe ich anderswo noch nicht erlebt. Ursprünglich als bloße Notlösung gedacht, hat er einfach wahnsinnig viel Spaß gemacht! (Zu viert allerdings deutlich mehr als die 2-Mann-Winstons, die ich schon gespielt habe.)

    Nächste Woche im Programm: Morningtide has broken und vielleicht ein Blick auf die PTQ-Ergebnisse aus Mannheim!

    Bis dahin tappt für euch weiter im Dunkeln...

    TobiH
    #367




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