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Prize Split, Concession...
...Bribery, DQ
von Tobias "TobiH" Henke
26.10.2007

Hallo alle beieinander!

Jawohl, ich bin's. Ich usurpiere heute einfach mal ganz dreist die Judge-Kolumne, allerdings durchaus mit einem Judge-Thema. Heiko hat mir außerdem versichert, dass es im DCI-Strafenkatalog keinerlei Sanktionen dafür gibt, also denke ich, geht das in Ordnung

Worum es geht? Bribery (nein, nicht die Karte), Prize Splits und Concessions, insbesondere um die Verknüpfung der beiden letztgenannten und wie daraus das erste entsteht... Oder zu deutsch: Bestechung, private Absprachen zur Preisgeldweitergabe und Aufgeben.

Beginnen wir zunächst, ganz simpel, mit den...

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Buchstaben des Gesetzes
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Official Tournament Rule 25 –– Conceding Games or Matches:

Players may concede a game or match at any time within the following guidelines. The conceded game or match is recorded as a loss for the conceding player. If a player refuses to play, it is assumed that he or she concedes the match.

The following actions are prohibited:

  • Offering or accepting a bribe or prize split in exchange for the win, loss, concession, drop, or draw of a match

  • Attempting to determine the winner of a game or match by a random method, such as a coin flip or die roll

  • Players who engage in these actions will be subject to the appropriate provisions of the DCI Penalty Guidelines.

    Players are allowed to share prizes they have won as they wish, such as with teammates, as long as any such sharing does not occur as an exchange for the win, loss, concession, drop or draw of a game or match.
    […]




    In den Penalty Guidelines findet man zusätzlich diese Definition (sowie den Hinweis, dass solche Spieler disqualifiziert werden):




    144. Unsporting Conduct — Bribery and Wagering

    Bribery occurs when a player offers an incentive to entice an opponent into conceding, drawing, or changing the results of a match. […]




    Wenn damit jedoch alles gesagt wäre, bräuchte ich kaum einen Artikel darüber zu schreiben, nicht wahr? Nun, da ihr hier seid und ich hier bin, gibt es offensichtlich noch einiges über die Interpretation dieses Wortlauts zu sagen. Und zwar interessiert die offizielle Regelauslegung, so wie sie eigentlich weltweit praktiziert werden sollte. Zu diesem Zweck habe ich mich in den vergangenen Wochen mit zahllosen, z.T. hochrangigen Judges unterhalten und sogar ein paar Emails mit Andy Heckt, dem DCI-Coordinator, ausgetauscht:

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    Aufgeben
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    Die erste Sache, die nicht ganz eindeutig ist: Es ist tatsächlich nur erlaubt, noch laufende Spiele aufzugeben! Wenn der tödliche Schaden verrechnet ist, ist der betroffene Spieler tot und das Ergebnis des Spiels steht fest, felsenfest. Auch und gerade ist es nicht erlaubt, Spiele nachträglich aufzugeben. Wenn beim Spielstand von 1-1 die Zeit zur Neige geht und einer der beiden Spieler so fair ist, dem anderen den Sieg zu schenken, dann darf er auf keinen Fall ein 2-0 eintragen!

    Bei meinen Recherchen habe ich verwundert festgestellt, dass das für viele vollkommen selbstverständlich ist. Falls ihr wie ich nicht dazu gehört, dann, freut euch, habt ihr schon gleich die erste Sache neu dazugelernt.

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    Prize Splits
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    Sich mit einem anderen Spieler darauf zu einigen, die gemeinsamen Gewinne zu teilen, ist – für sich genommen – absolut legal. Wirklich gern gesehen sind zwar höchstens solche Splits, die beispielsweise Freunde oder Teams sogar schon vor Turnierbeginn abmachen, aber auch innerhalb eines Matches darf man sich durchaus mit seinem Gegner auf derartiges einigen. Dann erwartet die DCI aber, dass die Partie ganz normal ausgespielt wird.

    Der klassische Prize Split ist eigentlich immer eine klare Fifty-Fifty-Angelegenheit (jeder bekommt exakt die Hälfte der Summe der gemeinsamen Gewinne), aber an dieser Stelle sollte ich vielleicht darauf hinweisen, dass man sich mit Absprachen, die z.B. den Verlierer klar bevorteilen, höchst verdächtig macht. Denn einen Anreiz zur Niederlage darf ein Prize Split nun wirklich nie bieten.

    Eine Frage, die ich bei diesem Thema ebenfalls immer wieder gestellt bekomme, ist, ob so ein Prize Split von Wizards bei der Preisvergabe berücksichtigt wird. Da ist die Antwort ein klares Nein! Jegliche Splits laufen zwischen euch und eurem Gegner als absolute Privatpersonen ab. Wenn zwei Spieler einen Split laufen haben und einer leer ausgeht, während der andere 1000 Dollar gewinnt, obliegt es völlig ihnen selbst, dafür zu sorgen, dass am Ende jeder 500 in der Tasche hat. Insbesondere die Einhaltung entsprechender Abmachungen wird von offizieller Seite weder geprüft noch durchgesetzt.

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    Aus A folgt B oder umgekehrt...
    _

    Option #1

    "Wenn wir einen Prize Split machen, dann gebe ich auf."

    Solche und ähnliche Angebote sind offenkundig und unstrittig illegal und waren schon immer illegal. Ganz klarer Fall von Bestechung. Zwar gibt es viele Fälle, in denen es weit weniger offensichtlich ist, aber auch wenn z.B. ein demnächst siegreicher Spieler seinen Gegner mit tödlichem Kampfschaden auf dem Stapel nach einem Prize Split fragt, halte ich es durchaus für legitim, wenn der Schiedsrichter da eine Investigation startet. Sicher, die Möglichkeit, dass das Resultat des Spiels geändert würde, hat der angreifende Spieler in diesem Szenario mit keinem Wort erwähnt, aber bitte... So naiv ist doch niemand – schon gar nicht die Judges!

    Option #2

    Genauso illegal ist es, Folgendes anzubieten: "Wenn du aufgibst, dann mache ich mit dir einen Prize Split."

    Das dürfte nun wirklich jedem einleuchten...

    Option #3

    Führen wir hierzu das Szenario ein wenig weiter aus als bei den vorangegangenen Optionen: Spieler A und Spieler B befinden sich bereits in den Extrazügen und es ist klar, keiner von beiden wird das aktuelle Spiel noch für sich entscheiden können. Es steht 1-1; das Ergebnis wäre somit ein Unentschieden, was de facto dazu führt, dass beide Spieler aus dem Turnier ausscheiden. An dieser Stelle hat Spieler A ja nichts zu verlieren außer vielleicht ein paar Rating-Punkten. Also, was soll's, denkt er sich, gibt seinem Gegner die Hand und gratuliert ihm zum Sieg... Spieler B ist natürlich total happy, dass A einfach so aufgegeben hat.

    Wenn Spieler B nun ein paar graue Zellen aktiviert, dann müsste ihm klar sein, dass er Spieler A einiges zu verdanken hat, dass er ihm vielleicht sogar etwas schuldet...

    Ihr wisst natürlich, worauf ich hinauswill, aber es ist bedenklich wie wenige Spieler Bs an dieser Stelle den Wink mit der Moralkeule tatsächlich registrieren. Ich schlage jedenfalls vor, wenn ihr euch in der Situation von Spieler B befindet, dass ihr Spieler A dann nachträglich für seine Großherzigkeit einen Prize Split anbietet.

    Nachträglich – das ist genau der zentrale Begriff. Weder hängt die Aufgabe auf diese Art von dem Split ab noch ist die Verbindung zwischen Aufgeben und dem anschließenden Split zwingend.

    Ein solches Vorgehen war, ist und wird voraussichtlich immer legal sein; außerdem halte ich es für moralisch unbedenklich.

    Option #4

    Und hier haben wir nun endlich den kniffligen Fall. Was nämlich passiert, wenn A und B sich auf einen Prize Split geeinigt haben, ohne jemals auch nur im Entferntesten an eine Aufgabe zu denken, dann aber im weiteren Spielverlauf einer von beiden auf die Idee kommt, dass es für ihn sinnvoller/profitabler ist, einfach zu verlieren...?

    Freilich, ohne den Prize Split würde er wohl nie auf diese Idee kommen, also ließe sich argumentieren, dass der Split rückwirkend eben doch eine Bestechung zur Beeinflussung des Ergebnisses darstellt. Andererseits war der Split an sich ja legal und hätte schließlich auch Bestand, selbst wenn niemand aufgibt; daher wiederum könnte man die Verknüpfung genauso gut bestreiten.

    Und es kommt noch ein viel gravierenderes Problem dazu, welches sich stellt, wenn man diesen Weg verbieten will: Wenn Prize Splits überhaupt legal sein können, wie will man dann verhindern, dass ein Spieler ein "gesplittetes" Match absichtlich verliert? Will man ihm verbieten aufzugeben? Will man aufpassen, dass er bloß nicht absichtlich schlecht spielt?

    Zunächst verrate ich euch mal wie es früher gehandhabt wurde: Man unternahm schlicht gar nichts! Es wäre ja idiotisch, zu versuchen einem Spieler Siegeswillen aufzuoktroyieren, also lässt man es gleich ganz bleiben.

    Richtig ist aber, dass das geradezu extreme Möglichkeiten bietet, die gesamte Bribery-Politik zu unterlaufen – nichtsdestotrotz ist das die Vorgehensweise wie ich sie (auf höchstem Level) praktiziert erlebt habe, live, bunt und in Nahaufnahme, sozusagen...

    Tja, und jetzt folgt wie es heute gehandhabt wird: Bei der letzten Weltmeisterschaft wurde in der Tat einem Spieler, der sich mit seinem Gegner auf einen Split geeinigt hatte, untersagt, die laufende Partie aufzugeben! Und ich habe es mir ca. dreimal von allerhöchster Stelle bestätigen lassen (mit ganz viel really?) – es ist allen Ernstes möglich, dass auch das absichtliche Schlecht-Spielen in solch einem Fall eine Strafe, also eine Disqualifikation, nach sich zieht.

    Das wiederum ruft natürlich die Frage auf den Plan, wie die Schiedsrichter so etwas denn jemals enttarnen sollen!! Die Antwort in Andy Heckts eigenen Worten:

    "Obviously this sort of bribery/collusion is very difficult, but as with any cheating when we do detect it, we will punish it – just as it can be very difficult for police to detect some crimes, but they still enforce the law when a violation is detected."

    Ihr werdet mir sicherlich zustimmen, dass das höchst unzufriedenstellend ist. Aus weiteren Gesprächen mit Judges konnte ich allerdings folgende Erkenntnisse gewinnen:

  • Es ist so ähnlich wie bei Strafen für Stalling (absichtliches Zeitspiel). Dort bewerten die Judges ja bereits seit langem, ob z.B. das Mulligannehmen zu Beginn, bekanntlich ein sehr beliebtes Mittel zum Zeitschinden, gerechtfertigt ist...

  • Wenn es offensichtlich ist, beispielsweise wenn derjenige, der verlieren will, sich schlicht weigert, irgendetwas auszuspielen oder zu blocken, schreitet der Schiedsrichter ein.

  • Allerdings konnte sich keiner daran erinnern, dass es jemals einen Fall gegeben hätte, in dem absichtliches, schlechtes Spiel tatsächlich geahndet worden wäre.

  • Und beim letzten Punkt gab es noch einmal einen Einwand von mir im Stile von Zeter und Mordio! Denn natürlich ist das bislang nur deshalb nicht vorgekommen, weil den Spielern diese Regeländerung nicht mitgeteilt worden ist! Spieler die mit diesem Vorgehen bislang unbehelligt davongekommen sind, fanden sich auf einmal am falschen Ende einer DCI-Investigation wieder und so fort. Es wird sogar noch verschlimmert dadurch, dass sich der Wortlaut der Regeln nicht wesentlich geändert hat, sondern lediglich die Auslegung derselben. Also selbst wenn ein Spieler sich vorbildlich bezüglich sämtlicher Regelwerke auf dem Laufenden gehalten hat, hätte ihn diese Änderung womöglich unbemerkt passiert!

    Andererseits liegt dort genauso die Erklärung verborgen. Es gab in jüngster Vergangenheit eine Art Generationswechsel in den oberen, internationalen Judge-Rängen und die "Neulinge" haben alte Regeln zum Teil anders interpretiert als ihre Vorgänger. Da hat niemand wissentlich beschlossen, jetzt eine andere Strategie zu fahren – es hat sich schlicht ergeben! Das ist in diesem speziellen Fall zwar äußerst ärgerlich, aber immerhin findet man jetzt (seit heute zumindest) Aufklärung darüber im Netz.

    Ich bin immer noch nicht glücklich mit der praktischen Seite dieser Neu-Regelung... Aber mittlerweile gefällt sie mir wenigstens in der Theorie besser als die alte. Nach der alten konnte man sich nämlich fragen, ob eines von beidem – der Split oder die Concession – auch unabhängig vom anderen Bestand hätte. War dies der Fall, war die gesamte Aktion legal. Heutzutage hingegen muss man sich fragen, ob beides (sofern es im Laufe eines Matches vorkommt), also sowohl der Split als auch die Concession, so stattgefunden hätten, wenn nicht bereits das jeweils andere vorgelegen hätte.

    Noch einmal zusammengefasst:

    Option #1 – Aufgeben, wenn splitten
    Option #2 – Splitten, wenn aufgeben
    Option #4 – Splitten, dann aufgeben


    ...sind allesamt höchst illegal.

    Lediglich Option #3 – Aufgeben, Spiel beenden, dann anschließend splitten – ist legal.

    _
    Abschließend…
    _

    …bleibt mir nur noch um Kommentare zu bitten. Nicht nur in den... nun, Kommentaren, sondern wer konkrete Verbesserungs-/ Problemlösungsvorschläge hat, der kann sie auch an Judge@PlanetMTG.de. schicken. Dort würden sie nämlich gesammelt und ggf. Brauchbares an Andy Heckt weitergeleitet, der sich folgendermaßen ausdrückte: "We do care about player perception of that our rules are fair […] If its constructive, I'm for hearing it."

    Außerdem geht ein Dank an alle, die sich auf (teilweise recht lange) Diskussionen mit mir zu dem Thema eingelassen haben. Wer mich kennt (oder alternativ die Ausrufezeichen in diesem Text zählt), weiß, dass ich mich manchmal ein wenig aufrege und vor allem nicht locker lasse.

    Beim nächsten Mal trefft ihr auf diesem Sendeplatz dann wieder einen echten Judge an. Bis dahin, immer schön sauber bleiben!

    TobiH
    #322

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