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A Judge’s Diary
Die DM aus Sicht eines Schiedsrichters
von Marcel Mike Schneider
21.09.2007

Jetzt sitze ich hier wieder, zuhause, zurück von der diesjährigen DM.

Die DM war toll! Einer der schönen Aspekte eines solchen großen Events für mich ist das Kennenlernen von Personen, die man sonst nur aus den Weiten des Internets kennt. „Ach, das bist Du!“ „Ja, das bin ich!“, ihr kennt das sicherlich. Wie dem auch sei, ich habe diesen Artikel in mehrere Abschnitte gegliedert, wer den Roadtrip nicht lesen will, scrollt also bitte sofort weiter zu Tag 1, Meatgrinder.


Roadtrip


Wir schreiben den 29. August 2007, es ist 17 Uhr. Ich sitze zusammen mit Markus Magera, meinem Fahrer, im Auto, und wir warten auf Tobi Henke.
Na ja, als er dann da war fuhren wir los, und Markus sagte, dass wir die nächste Krone (ich wusste bis dahin auch nicht was das sein soll, ein Outsider wie ich es war, würde es einfach „Burger King“ nennen) noch mitnehmen, bevor die eigentliche Reise losgeht. 285 Kilometer zeigte das Navi bei der Abfahrt an. Die Fahrt verlief eigentlich reibungslos. Eigentlich.

Uneigentlich wurden wir circa 75 Kilometer vor Aschaffenburg von irgendwelchen Raudis rechts überholt. So geht das ja mal gar nicht, sagt sich unser Fahrer und drückt auf die Tube. Keine gute Idee in Anbetracht dessen, dass die Rechtsüberholer auf einmal eine Kelle zückten und wir die höhere Vollzugsgewalt erkannten. Tja, erstmal rechts rangefahren, wenige Momente später öffnete einer der in Zivil gekleideten Polizisten die Tür und fing an zu labern: „Jo wus wa denn düs?“ „BLA! Sie können mir doch nicht in die Karre fahrn, da hab ich beschleunigt!“
„Jo, freilich, steigen Sie (ich) mal bitte aus.“

Polizist: Sind Sie vorbestraft?
Ich: Nein.
Polizist: Dies ist eine Drogenkontrolle, hatten sie schon mal Kontakt mit irgendwelchen Rauschgiften?
Ich: Öhm... nein.
Polizist: Dann leeren sie bitte mal ihre Taschen!

Nun ja, gesagt getan. Während er dann die wenig vorhandenen Unterlagen in meinem Portemonnaie begutachtete, fragte er mich, wo es denn hinginge. Aschaffenburg sag ich, und um seiner Frage zuvorzukommen fügte ich direkt dabei, dass dort eine Kartenspielmeisterschaft eines seit 93 existenten Fantasy-Kartenspiels stattfindet. Natürlich totaler Schwachsinn in den Augen des Polizisten, als ob wir den langen Weg auf uns nehmen würden um Karten anstatt etwas anderem zu drehen! Whatever, als die Leute unsere Daten erfassten, fragte Markus einen der Polizisten was denn so ginge, und am Ende stellte sich heraus, dass wir so oder so in diese Kontrolle geraten wären, da der Chefredakteur dieser Seite denen anscheinend genau ins Täterprofil passte.

Weil das echt ein raues Plätzchen war, wo wir angehalten wurden, wo man Angst haben musste von einem Getreidefeld im wahrsten Sinne des Wortes verschluckt zu werden, sollten wir den Polizisten zu einer ruhigeren Stelle folgen. Gesagt getan, fuhren wir also fünf Minuten… aber nein… bitte nicht… an der Naviroute natürlich vorbei… Wir werden nie vor 21 Uhr in Aschaffenburg sein!

An dieser ruhigeren Stelle wurden dann unsere Daten aufgenommen und irgendwie schienen wir Glück zu haben, nicht noch irgendwas für die 30 km/h Geschwindigkeitsüberschreitung zu bekommen. Dann wurden wir nach circa 50 Minuten entlassen und durften weiterfahren. Als wir losfuhren, waren es nur noch 55 km nach Aschaffenburg! Gute Abkürzung, meine Herrn!


Tag 1, Meatgrinder


6:45. Der schrillende Ton des Handys meines Raummitbewohners Tobias Licht erweckte mich morgens zum Leben. Müde zog ich mich an und ging runter zur Frühstückslounge. Da sah ich auch schon die ganze Brigade. Ich kannte sie alle. Aber (fast) keiner kannte mich. Hingesetzt und gegessen. Es dauerte keine fünf Minuten bis die Goofy-Stimme von Michael W. erklang und mir zurief: „Ey Mike, du bist ja auch da!“ Offensichtlich war ich da.

Um 8 Uhr waren wir dann an der Site und mussten noch helfen, vor Ort aufzubauen. Die Anmeldung startete eine Stunde später. Jeder Level 1-Judge vor Ort sollte einen Meatgrinder headjudgen. Da ich erst als Floor Judge für den zweiten Grinder eingeteilt war, konnte ich mir noch ein wenig den Arbeitsplatz anschauen und Gedanken mit anderen Judges austauschen.
Es dauerte ein wenig, bis sich genug Leute für den weiteren Grinder fanden, und ich hatte mir von der DM in puncto Spielerzahlen mehr erwartet als das, was sich dort momentan ansammelte. Vor allem die guten lustigen Leute, die man gerne mal live erlebt hätte, wie zum Beispiel den Herrn Pischner, fehlten.
Ich war im zweiten Grinder, geheadjudget von Heiko Schmidt, zum Deckchecken eingeteilt worden.

Decklisten zählen ist relativ öde. Wenn man das aber zusammen mit jemandem machen kann und den ein oder andern Witz in den Raum wirft, lockert das die Atmosphäre schon ziemlich auf und so gut wie immer sind die Decklisten auch nach der ersten Runde fertig. Als ich nach den regelmäßigen Deckchecks auf den Floor konnte, musste ich feststellen, dass 98% der Judgecalls nur für Result Entry Slips waren und so gut wie gar keine Regelfragen auftauchten. In Anbetracht dessen, dass es sich um die deutsche Meisterschaft handelt und hier erfahrene und relativ gute Spieler spielten, also auch ein entsprechendes Regelwissen hatten, eigentlich eine logische Schlussfolgerung. Der Grinder verlief soweit ohne große Probleme. Danach sollte ich wieder Pause haben, und mit einem Blick auf die Grinder-Besetzungen stellte sich mir die Frage, ob ich, als eingeteilter Headjudge des sechsten Grinders überhaupt noch die Möglichkeit selbst zu headjudgen bekommen würde. Es stellte sich wie erwartet heraus, dass dem nicht so wäre, weswegen ich beim fünften Grinder aushalf, der nicht, wie die vier vorherigen im Standardformat gespielt wurde, sondern im Limited. Dieser stellte sich als sehr zeitintensiv heraus, da die Spieler nicht nur sechs Runden spielen würden, nein, sie mussten auch noch zweimal draften und entsprechende Deckkonstruktionszeit bekommen. Der Tag ging dann um Punkt Mitternacht für mich zu Ende und ich begab mich auf mein Hotelzimmer, wo ich meinen Raummitbewohner Tobias Licht aus dem Bett klopfen musste, da er sich schon früher in selbiges begeben hatte.


Tag 2, DM, Teil 1 und PTQ Valencia


Um 8:30 traf sich die Zebraherde wieder an der Site. Ich war für die DM im Team Deckcheck eingeteilt, mein Teamleader war Philip Schulz, welcher uns in Gruppen bestehend aus einem Level-2- und einem Level-1-Judge einteilte. Mein Partner für dieses Unterfangen war mein Zimmergenosse Tobias Licht. Die ersten drei Runden wurden im Standardformat ausgespielt, weswegen es gleich wieder ans Decklistenzählen ging. Nachdem wir alle Decklistenfehler in Runde 2 korrigiert hatten, war der Plan circa drei bis vier Deckchecks pro Runde zu machen, optimalerweise zwei zu Beginn und zwei Midround-Deckchecks. Das klappte auch ganz gut. Auf dem Floor kam derweil doch einmal eine Regelfrage auf. Yay! Gefragt wurde, wie das denn sei mit Vanishing und Vesuvan Shapeshifter.

Vanishing beinhaltet zwei ausgelöste Fähigkeiten. Die erste besagt, dass, falls zu Beginn des Versorgungssegments eine Zeitmarke auf dem Objekt liegt, eine Zeitmarke von ihm genommen wird. Die zweite besagt, dass wenn die letzte Marke entfernt wird, das Objekt geopfert werden muss. Wenn nun also ein Vesuvan Shapeshifter, der etwas mit Vanishing kopiert hat, im Versorgungssegment ausgelöst wird, kann sich der Beherrscher des Shapeshifters aussuchen, in welcher Reihenfolge a) die Vanishing-Fähigkeit, und b) die Verdeck-Fähigkeit des Shapeshifters auf den Stapel gehen. Wenn der Spieler die Vanishing-Fähigkeit nun zuerst auf den Stapel legt und dann die Verdeck-Fähigkeit, so wird der Shapeshifter zugedeckt und verliert Vanishing, bevor die zweite ausgelöste Fähigkeit des Vanishings überhaupt durch die Verrechnung der ersten Vanishing-Fähigkeit ausgelöst werden kann, weswegen der Shapeshifter überlebt, wenn seine letzte Zeitmarke entfernt wird.

Nach Runde 3 wurden die Spieler dann zum Draft in Pods – Tische, an denen sich bis zu acht Spieler einfinden um zu draften – aufgeteilt. Die Booster waren bereits vorgeöffnet und die beinhalteten Karten waren je mit einem lustigen Stempel gekennzeichnet, um das einschmuggeln von eigenen Karten zu verhindern. Jeder Pod bekam einen Judge zugewiesen. Während des Drafts bestand meine Aufgabe hauptsächlich darin, die Spieler zu beobachten, den Boostermüll wegzuräumen und sie darauf hinzuweisen, bitte nur einen Stapel für die Draftkarten zu nutzen. Die Drafts verliefen ziemlich flüssig und problemlos, sodass es zügig voranging. Nach der üblichen Deckcheckprozedur und den vier Runden Draft ging der Tag für die meisten Judges schon früh zu Ende. Für die meisten. Die Judges vom PTQ durften noch weitermachen, weil sich dieses Event ein wenig in die Länge zog.

Am Abend bin ich noch mit ein paar Judges durch die Stadt gezogen und wir haben es uns in einem Irish Pub gemütlich gemacht. Als jedoch zu später Stunde jemand mit Interaktionsfragen zu Gamekeeper und Oath of Druids anfing, wussten wir, dass es Zeit war zu gehen. Im Hotel angekommen sahen wir, wie dort tatsächlich immer noch das Finale des PTQ ausgespielt wurde.




Tag 3, Junior Super Series, Players' Party


Wie mir am Vorabend noch mitgeteilt worden war, sollte ich, nachdem ich an diesem Tag wieder einen Draftpod beaufsichtigte, dabei helfen die Junior Super Series zu judgen. Mein Headjudge für diesen Tag war Philipp Daferner, Level 3 aus Österreich. Bei ca. 420 Qualifizierten erwarteten wir deutlich mehr als die letztendlich anwesenden 41 Teilnehmer, vor allem, da es im Vorjahr, so munkelt man, um die 120 gewesen seien.

Im Alter von 8 bis 16 war auch tatsächlich alles dabei, und dementsprechend musste viel erklärt werden. So zum Beispiel, warum sich ein Troll Ascetic regenerieren kann, wo er doch nicht das Ziel von Zaubersprüchen und Fähigkeiten sein kann, wie Momentary Blink mit Krosan Cloudscraper interagiert, und vieles mehr. Nach sechs Runden wurde schließlich der Cut auf die Top 8 vollzogen, wobei ich jeweils bei einem Viertelfinale, einem Halbfinale, und im Finale als Tablejudge fungierte. Die Spiele verliefen alle sehr ruhig und harmonisch. Für die meisten Spieler stand wirklich der Spaß im Vordergrund, was man vor allem an der lockeren Atmosphäre merken konnte. Um 19:30 ging das Finale zu Ende. Auf dem Weg zum Judge-Meeting gab mir Philipp Daferner noch Feedback, wie ich in Zukunft meine Judge-Techniken verbessern könnte.

Nach dem Judge-Meeting machten wir uns auf zur Players' Party, wo es nicht-alkoholische Getränke umsonst gab. Die Bedienungen waren dadurch total überfordert, so dass, als ich mich anstellte, sie denjenigen, der neben mir stand, fragten, ob Red Bulls anstatt unserer eigentlichen Bestellung auch in Ordnung wären. Ich hab das natürlich erst realisiert, als ich das Red Bull dann ohne irgendetwas zu bestellen in die Hand gedrückt bekam, und abgeschoben wurde.

Wir starteten im Laufe des Abends zu zwölft den guten Judge-Draft, der mein zweites Draft-Event überhaupt war. Gedraftet habe ich einen GB-Haufen mit Mortivore, zwei Assassinate, Diabolic Tutor, und grünen dicken Crittern. Als vierter Pick kam dann irgendwann noch Overrun bei mir vorbei.

Gespielt habe ich 2-2, der Draft hat mir aber trotzdem sehr viel Spaß gemacht, mehr als mein erster vor einem Jahr; eventuell komm ich ja doch mal zum Limited zocken.

Der Laden wollte schon um 1 Uhr dichtmachen. Da am nächsten Tag neben den Finals auch die Legacy-DM auf dem Plan stand, die voraussichtlich größer werden sollte als die eigentliche DM, nahmen wir dies zum Anlass, den Tag ausklingen zu lassen.


Tag 4, Legacy DM


Zur Legacy DM fanden sich sage und schreibe 175 Spieler ein. Ich sollte abermals ins Deckcheck-Team gequetscht werden, aber da wurde erstmal lautstark protestiert, dass ich schon die letzten zwei Tage meine Zähl-Skills bis 60 zu Genüge trainiert hatte, und die anderen auch einmal die Möglichkeit zur Übung bekommen sollten!

Das änderte selbstverständlich nichts daran, dass wir einen totalen Judgemangel in Sachen Decklisten zählen hatten, da viele Judges für die DM-Top8 Finals benötigt wurden und parallel dazu auch noch Seminare stattfanden. Wir schafften es glücklicherweise trotzdem rechtzeitig. Ich durfte anschließend auch ein wenig auf den Floor und sah einige Leute wieder, die ich aus Iserlohn und Dülmen kenne. Da gab es dann auch noch eine Problemsituation:

Spieler A spielt Force of Will auf einen Spruch von B, welcher daraufhin eine Misdirection spielt und versucht die Force auf Force of Will selbst zu lenken. Und? Das funktioniert nicht, da laut Regel 415.6. (A spell or ability on the stack is an illegal target for itself) ein Spruch niemals sich selbst zum Ziel haben kann. Nachdem ich dies bestätigte, protestierte der Spieler und meinte, dass das nicht sein könnte, ich läge falsch, das hätte schon immer funktioniert. Ich wusste zwar wie es richtig funktionierte (nämlich die Force auf die Misdirection umleiten), aber so etwas durfte ich ihm natürlich nicht sagen. Mit der Klärung unzufrieden, lässt er den Headjudge herbeiholen. Oliver Dürr kommt angelaufen, ich beschreibe ihm die Situation ein wenig abseits des Geschehens und Oliver erklärt dem Spieler, wie es ist. Am Ende kommt der Spieler auch noch selbst darauf, die Force einfach auf die gerade resolvende Misdirection zu lenken, denn das funktioniert problemlos, da die Misdirection zum Zeitpunkt, zudem sie verrechnet wird, noch immer auf dem Stapel ist, und erst als letzter Teil der Verrechnung vom Stapel genommen wird.

Wenig später begann das Seminar, für das ich mich eingetragen hatte, „Von Level 1 zu Level 2“, geleitet von Michael Wiese und Jens Strohäker. Der Inhalt war im Wesentlichen, was für uns ein Level-1-Judge, und ein Level-2-Judge ist, die Unterschiede und Wichtigkeit von verschiedenen Aufgaben. Entscheidende Frage, mit entscheidender Antwort folgte dann natürlich auch noch: „Wie überzeugt ihr uns, dass ihr bereit seid für Level 2?“ – „Gut judgen!“

Der Tag endete für mich bereits um 17 Uhr, da ich nicht allzu spät zuhause sein wollte. Auf die Aktion im Subway, bei der ich zusammen mit Attila Klimmek für den ganzen Judge-Staff Baguettes gekauft habe, 20 an der Zahl und 120 € an (zuvor eingesammelten) Ausgaben, möchte ich lieber nicht weiter eingehen. Ich erhielt als Dank für meine Mitarbeit, Engagement und Zeitinvestment noch ein paar Judge-Promos, und damit endete der Zauber der DM auch für mich.

Es waren vier Tage Arbeit, die sich vor allem im späteren Verlauf der Tage in brachialen Fußschmerzen bemerkbar machte. Allerdings gab es auch viele lustige Momente und ich habe einige nette Bekanntschaften gemacht. Der soziale Aspekt des Kennenlernens, des Austauschs und des Herumkommens ist etwas, was ich auf der DM stärker zu schätzen gelernt habe.

Mit diesen Worten lasst mich abschließend sagen, dass ich mich schon sehr auf den GP Stuttgart freue und versuchen werde hinzukommen. Wenn meine Schreibe euch nicht zu sehr gelangweilt hat, und positives Feedback und Interesse an einem Bericht von mir aus Stuttgart besteht, wo ich vorhabe meinen Level-2-Test zu machen, könnte ich darüber auch wieder einen Artikel verfassen.

Bis dahin: Servus, viel Glück und gute Starthände,

Marcel Mike

Wie immer gilt: Alle Fragen und Anregungen bezüglich dieser Kolumne nehmen wir auch gerne an, unter Judge@PlanetMTG.de.

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[20.06.2008]DCI Penalty-Guide Update, Juni 2008
[16.05.2008]GP Brüssel
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