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The Art of Multiplayer
Teil 2: Klotzen nicht Kleckern
von Christian "trischai" Haupt
21.04.2004

The Art of Multiplayer

Teil 2:

Klotzen nicht Kleckern



Willkommen zum zweiten Teil meiner MP-Artikelserie.

Bevor ich anfange mit meiner Ausführung noch ein Hinweis für meine komplette Artikelserie: Ich gehe meistens davon aus, dass man im MP nur Gegner hat. In vielen Formaten (Free for All, Grand Meele…) ist genau das der Fall und in den Teamformaten bekommt man zwar auch mal Rückendeckung von einem Freund aber genauso oft muss man einem Teammitglied aus der Patsche helfen, so dass sich das wieder ausgleicht. Deswegen sollte man beim Deckbau von der Prämisse “nur Feinde“ ausgehen und nicht dem Gedanken „Die anderen werden
es schon richten“ verfallen. Ausnahmen gibt es natürlich für Teamformate. Syphon Mind ist zum Beispiel im Emperor nicht so gut wie im Free for all. Es geht mir primär um dieses „Ne ich tu kein Disentchant in mein weisses Deck. Irgendjemand wird schon was spielen gegen Artefakte/Verzauberungen“.


Heute will ich mich vor allem mit einem der fundamentalsten Eckpfeiler von MP beschäftigen: Klotzen nicht Kleckern. Viele gute MP-Decks sind um teure Karten - von den Manakosten her gesehen- aufgebaut. Doch warum ist das so?

Der erste Grund ist einfach - manaintensive Karten sind meistens cooler oder schlichtweg besser als billige im puren Effektvergleich. Aus Gründen der Coolness fangen die meisten Anfänger ja auch mit den berühmten Craw Wurm Decks an und nicht mit einem Stompy.
Und der zweite Grund: fette Kreaturen sind im MP wirklich gut. Das will ich mal an zwei Beispielen zeigen.

Erstes Beispiel:
Nehmen wir an, es wird ein 6er Free for all gespielt. Jeder Gegner hat eine 5/5er und eine 0/6 Wall im Spiel wir selbst haben fünf 2/2er. Einen Gegner haben wir schon auf 6 Lebenspunkte gebracht.

Wir sind dran - aber was sollen wir jetzt machen. Im Turnier wäre es einfach, mit allem angegriffen und der Gegner ist tot. Im MP ist der eine Gegner zwar auch Geschichte aber wir wahrscheinlich auch, da keine Defence mehr vorhanden ist. Wenn wir in der gleichen Situation zwei 6/6er im Spiel hätten, sähe es schon mal richtig gut für uns aus.

Zweites Beispiel:
Wieder die gleiche Situation nur der 6 Lebenspunkte Gegner ist vor uns dran und spielt Wrath of God und danach eine 5/5er. Jeder Spieler nach ihm zieht eine 5/5er Kreatur und spielt sie aus, wir ziehen und spielen eine 2/2er.

So und jetzt sitzen wir richtig in der Klemme, denn Angriff ist nicht mehr und die Verteidigung können wir auch vergessen.

Die Beispiele sind stark vereinfacht, das weiss ich, aber ich denke, sie sind noch aussagekräftig genug. Was man an den Beispielen sieht, ist die Tatsache, dass Begriffe wie Damagerace, Tempo und Größe in MP neu überdacht werden müssen. Das Damagerace ist in der herkömmlichen Form schlichtweg nicht vorhanden, da es selten eine 1:1 Situation gibt, in der ein Spieler gefahrlos mit allem angreifen kann, denn jetzt greifen 1+X Gegner im Nachzug an, siehe Beispiel 1. Auch Tempovorteil – durch schnelles Mana + billige Kreaturen - ist so eine Sache, denn der wird meistens nach dem ersten Globalen Removal ausgeglichen, siehe Beispiel 2, oder der Geschwindigkeitsvorteil reicht für den ersten Gegner aber für den Rest geht einem die Puste aus, siehe Beispiel 1. Auf die Aspekte Geschwindigkeit bzw. Puste und wie sie einem nicht ausgeht, werde ich in den Teilen „Aufrüsten“ bzw. „2:1“ näher eingehen.

In diesem Artikel beschäftige ich mich mehr mit dem letzten Aspekt der Größe. In den zwei Beispielen sieht man ja schon, dass schiere Größe überlebenswichtig sein kann, denn meistens können wegen der eigenen Verteidigung nur wenige Kreaturen angreifen. Diese müssen aber groß genug für einen gefährlichen Angriff sein, sonst kommen sie ja nicht durch die Kreaturen der Gegner. Oder die angreifenden Kreaturen müssen Evasion/Regeneration haben aber selbst dann sollte der Angriff etwas ausrichten, denn irgendwann werden die Gegner eine Antwort ziehen. Neben diesen Tatsachen braucht man mit großen Kreaturen weniger Karten, um sich von Massenremoval zu erholen und wieder den gleichen Druck zu erzeugen wie vorher siehe auch Beispiel 2.

Dass Fett gut ist, bezieht sich nicht nur auf Kreaturen, es betrifft eher alle Aspekte von Magic im MP. Wenn ich mit einer Karte das ausrichte, wofür meine Gegner 2 Karten brauchen, bin ich schon im Vorteil. Nur leider kosten die Karten meistens auch zweimal soviel Mana. Das führt uns zu den Strategien, die das Prinzip Klotzen nicht Kleckern am stärksten verdrehten, nämlich der Strategie der Verdopplung und der Strategie des Bescheißens.

Bei der Strategie der Verdopplung versucht man irgendeinen Aspekt des Spieles für sich zu verdoppeln. Sehr häufig ist die Verdopplung des Manas durch Karten wie Mirrari's Wake, Manaelfen, Mana Artefakte oder Karten, die Länder ins Spiel bringen. Die Strategie dahinter ist einfach: ich habe doppelt soviel Mana wie der Gegner, also kann ich doppelt so teure Karten spielen, die den doppelten Effekt
haben oder ich kann doppelt so viele Sprüche in der gleichen Zeit spielen. Beliebt ist auch die Verdopplung der Kreaturen sprich die Schwarmstrategie. Man versucht doppelt soviel Kreaturen auf den Tisch zu bekommen wie die Gegner zusammen. Oft reicht das noch nicht mal, so dass man meist das 3-10fache braucht, da man fehlende Größe durch Masse ausgleichen muss. Wie gesagt hört die Strategie nicht bei Mana und Kreaturen auf sondern auch die Verdopplung des Schadens (z.B. Gratitious Violence), von Instants/Sorceries (z.B. Mirari) den Karten, die man zieht (z.B. Mind's Eye) ist möglich.

Eine Kombination von unterschiedlichen Verdopplungsstrategien ist eigentlich mehr die Regel denn die Ausnahme; so ist Karten + Mana in Kontrolldecks oder Kreaturen/Mana + Schaden in Beatdowndecks sehr beliebt. Wobei man aufpassen muss, dass man es nicht übertreibt. Gerade bei Mana/Kreaturenverdopplung ist man schnell an dem Punkt, dass aus dem doppelt soviel beliebig viel wird. Auch vor Karten wie Coat of Arms, Overrun usw. möchte ich in Zusammenhang mit Tokenarmeen warnen. Denn diese verdoppeln nicht sondern können locker vier- bis Xmal soviel Schaden machen und dies rückt das Deck stark in Richtung Kombodeck, vor allem wenn Llanowar Elf und Anhang mit von Partie sind.

Ein typisches Verdopplungsdeck besteht aus drei Komponenten: Verdoppler, Unterstützung und Reserve. Verdoppler dürfte klar sein. Alle, die Karten, welche für die Verdopplung zuständig sind, und auch all die Karten, die man erst durch die Verdopplung vernünftig spielen kann. Das bekommt eigentlich jeder alleine hin aber schon der nächste Teil wird von vielen vernachlässigt. Im Multiplayer darf man nicht blauäugig davon ausgehen, dass alles Friede Freude Eierkuchen ist und die Gegner nichts spielen was die eigene Strategie stört. Das Gegenteil ist der Fall, die Gegner werden mit Freude auf alles „einprügeln“ oder gar selbst eine störende Strategie verfolgen. Im Schnitt kann man bei einer halbwegs erfahrenen Spielgruppe davon ausgehen, dass alle 5 Runden irgendwas Störendes gespielt wird. Diese Störungen zu neutralisieren ist die erste Aufgabe des Unterstützungsteils, die andere ist, dafür zu sorgen, dass das Deck konstant läuft.

Der letzte Teil ist die Reserve. Da auch der beste Schutz nichts gegen mehrere Gegner hilft, muss eigentlich jedes Deck im Lategame anfangen mit dem Graveyard zu spielen. Gerade dieser Backup Plan ist der entscheidende Schlüssel für viele erfolgreiche Verdopplungsdecks. Decks mit dieser Strategie haben nämlich ein großes Problem und das ist der Aufbau. Denn ohne Vorleistung ist keine Verdopplung möglich. Doch gerade hier setzen die Gegner wiederum ihren Hebel an und versuchen die Verdopplung schon im Keim aufzuhalten. Einer der ersten Gedanken ist „Dann beschütz ich mein Zeug durch Counter usw.“ Das hat sich als fataler Irrweg herausgestellt. Die Psychologie und Dynamik von Multiplayer spricht dagegen. Jeder Spieler wird nach dem ersten erfolgreichen Lauf des Decks wissen, wie brutal es im Lategame zuschlagen kann. Er wird also im Nächsten versuchen diese Strategie zu stören und da wir MP spielen ist er nicht alleine. Wenn man nun versucht sich dagegenzustemmen, spielt man faktisch einer gegen alle und das sollte man nicht gewinnen können. Besser ist es, die Gegner am Anfang gewähren lassen, einfach ganz normal weiterspielen und später im Spiel die Permanents aus dem Graveyard zurückholen. Das Spiel entspannt sich von der psychologischen Seite auch ungemein durch diese Spielweise. Da viele Spieler den mentalen Druck von „Och Mensch der countert mir alles unterm Arsch weg “ nicht standhalten können. Und wenn man trotz allgemeinem Gegendruck, dank massiven Counterbackup, gewonnen hat, schnell Stimmen wie „Die Karte/das Deck ist so unfair“ laut werden.

Daraus ergeben sich schon die Richtlinien zum Bauen eines Verdopplungsdecks.

  • Wenn man erfolgreich ins Lategame kommt, dann muss das Deck auch zeigen können, was es kann. Sprich man darf vor lauter Unterstützung/ Reserve nicht das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren.
  • Der Unterstützungsteil muss möglichst unabhängig sein vom Verdopplungsteil. Nehmen wir z.B. Mana. Es wäre falsch nur Removal zu spielen, das erst effektiv nach dem verdoppeln des Manas eingesetzt werden kann. Denn dann nützt es am Anfang des Spieles nichts, obwohl es da am dringendsten gebraucht wird.
  • Das Deck darf nicht vollkommen auflaufen, falls die Strategie gestört wird. Deswegen sollte das Deck auch so gebaut werden, das es ohne die Verdopplung zurechtkommt
  • Das Deck sollte eine Möglichkeit haben, die wichtigsten Karten aus dem Graveyard zurückzuholen, um im späten Spiel die Verdopplungsstrategie durchzusetzen.


Diese 4 Punkte streiten eigentlich ständig miteinander um Platz im Deck. Deswegen sollte man Karten finden die gleich mehrere Rollen übernehmen können. So ist Urzas Zorn sowohl ein brauchbarer Removalspruch am Anfang als auch ein Gamewinner im Lategame mit doppeltem Mana.
Vielleicht noch ein paar Sätze zu den Punkten 1 und 3. Ein Verdopplungsdeck sollte mit der Strategie auf 120% Power fahren ohne die Strategie auf 80%. In beide Richtungen kann man wieder Fehler machen. Ein Deck, das nach Verdopplung alles und jeden am Tisch handeln kann, ist genauso fatal für die Spielbalance wie ein Deck das nach einem Disenchant schon zusammenklappt.

Beispiele für die Verdopplungsstrategie von mir im Zk-Forum (Casual Bereich) sind:

G.Violence -> Verdopplung des Schadens;
Mirari and the Gang -> Mana;
UMUX -> Mana+Karten;
Boom Boom Phoenix -> Instants/Sorceries;
Oooompf -> Mana

Kommen wir zur zweiten Strategie dem Bescheißen. Wenn eine Karte zu teuer ist, wird sie halt mit Hilfe einer anderen Karte ins Spiel gemogelt. Die Möglichkeiten sind vielfältig, da es für jede Art von Permanent eine Möglichkeit gibt sie ohne Bezahlung der Manakosten ins Spiel zu bringen. Decks wie Reanimator, Replenish oder Tinker dürften eigentlich jedem ein Begriff sein, da sie ja schon genügend auf Turnieren gespielt wurden.

Die Stärken dieser Strategie wären Geschwindigkeit und Zugriff auf off color Permanents bedingt durch das Umgehen der Manakosten. Falls direkt aus der Bibo rekrutiert wird, kommt auch noch ein Tutoreffekt und manchmal Kartenvorteil hinzu. Meistens ist es aber so, dass man nur Ins-Spiel-bescheissen kann durch Kartennachteil siehe Reanimator. Eine weitere Schwäche ergibt sich durch die Tatsache, dass man sehr gute Permanents recht früh ausspielt, wodurch man zum primären Removalziel am Tisch wird.

Aus diesen Stärken und Schwächen ergeben sich wieder die Richtlinien zum Deckbau.

  • Kartenzieher/Tutoren sind überlebenswichtig. Die Spiele mit solchen Decks weisen einen typischen Verlauf im MP auf. Erst bringt man ein gefährliches Permanent ins Spiel, dann wird dieses zerstört. Dann spielt man Kartenzieher/Tutoren und mogelt die nächste Karte ins Spiel. Dieser Zyklus wiederholt sich ein paar Mal und derjenige, der den längsten Atem hat, gewinnt.
  • Geschwindigkeit ausnutzen - aber dies auch nicht übertreiben. Ein Vorteil dieser Strategie ist die Tatsache, dass sie schnell dicke Sachen auf den Tisch bringt. Es bringt also nichts aus Angst vor Removal die Geschwindigkeit für mehr Sicherheit zu opfern, denn dann haben vielleicht schon andere Decks eine Boardposition aufgebaut, die der eigenen überlegen ist. Auf der anderen Seite sollte es auch nicht zu schnell zugehen. Das ist jetzt stark Metagame abhängig. Die Gegner sollten halt, wie immer im MP, einen schweren Stand haben aber auch eine realistische Chance besitzen.
  • Kreaturen sollten Eile oder Quasieile durch Spielen Eot des letzten Gegners haben.
  • Wie schon oben beschrieben haben Kreaturen, die so in Spiel kommen einen sehr hohen Removalfaktor und haben eine mittlere Überlebensdauer von wenigen Phasen und da sollten sie schon einmal angreifen oder ihre Fähigkeit einsetzen, damit sich das ganze auch halbwegs lohnt.


Im Prinzip ist der Deckaufbau von diesen Decks einfacher als bei den Verdopplungsdecks. Das Deck braucht eine stabile Basis, die es erlaubt auch mehrmals etwas Gefährliches zu legen und dann noch ein bisschen Disruption um die Gegner aufzuhalten und um sich lästige Sachen vom Hals zu schaffen. Meist brauchen solche Decks auch keine Reserve da sie gar nicht ins späte Lategame kommen wollen wie so viele Verdopplungsdecks.
Generell sollte man sich zweimal überlegen, ob man sein Deck auf eine Kreatur aufbaut, die so etwas ermöglicht z.B. Elvish Piper / Zirilan, da gerade solche Kreaturen eine ultrakurze Überlebensdauer haben und dadurch der Aufwand diese Kreaturen auch im Spiel zu halten unnötig erhöht wird.

Beispiele für diese Strategie:

Zirilan go home -> Kreaturen über Dragon Arch + Dragon Arch aus Bibo mit Tinker;
Fombies -> Kreaturen aus Grav.;
Reanimator -> Kreaturen aus Bibo/Graveyard;
Mercadian Mafia -> Kreaturen aus Bibo

Fazit

Egal welche Strategie man fährt, eines haben beide gemeinsam in einem Abschnitt das Spiels: Sie sind wahre Monster und stampfen einfachen alles in den
Boden oder versuchen es zumindest. Bei der Ins-Spiel-Mogel Strategie gibt es eigentlich nur Beatdowndecks, da Kontrolldecks nichts von dem Geschwingkeitsvorteil haben und auch nicht so früh im Spiel schon die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen. Bei der Verdopplungsstrategie gibt es beides und sie nehmen sich im Lategame nichts. Während Kontrolldecks irgendwann anfangen Blatant Thievery mit Mirari zu forken und noch Mana offen haben für doppel Spelljack, kommen Beatdowndecks mit einem Rudel Dragon Tyrants mit Gratuitous Violence Backup vorbei. Wenn diese Decks gewinnen, hat das meistens etwas Unfaires an sich, da diese Decks viel mehr viel größer machen als andere Decktypen. Vor allem wenn sie nicht gestört werden, kann es passieren, dass solche Späße schon Runde 6 oder früher stattfinden. Deswegen werde ich im Teil „Abrüsten“ unter anderem gezielt auf die Spielweise gegen Verdopplungsdecks eingehen. Diese übertriebene Erschaffung von Ressourcen und natürlich ihre Benutzung macht aber einen großen Teil des Flairs dieser Decks aus und wer es lieber klein fein präzise mag ist hier falsch am Platz. Keine Sorge mit diesem Decktyp befasse ich mich dann nächstes Mal.

Also bis dann immer auf großen Fuß Leben.

Christian „trischai“ Haupt

Hier geht's zu Teil 1
Hier geht's zu Teil 3

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