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The Art of Multiplayer
Teil 1: Stil
von Christian "trischai" Haupt
14.04.2004

Diese Artikelserie richtet sich an all die Spieler, die sich regelmäßig zu ein paar Multiplayerrunden Magic treffen. In der Vergangenheit wurden viele Artikel geschrieben, die sich mit dem Turniermagic rauf und runter beschäftigten. Multiplayer kam meist zu kurz und wenn, dann wurde mal eine Variante besprochen. Diese Artikelserie soll das ändern. In diesem und den folgenden Artikeln werde ich näher auf Taktik, Deckbau, Psychologie und die Varianten von Multiplayer eingehen und vor allem die Unterschiede zw. Multiplayer-, Fun- und Turnierdecks herausarbeiten, die allzu oft übersehen werden. Ich weiss, es hört sich komisch an Strategieartikel über Multiplayerdecks zu schreiben. Viele werde sich fragen: Tut das Not? Meiner Meinung nach ja, denn in den letzten Jahren hab ich einfach immer wieder die gleichen Fehler in Multiplayerdecks gesehen. Und zwar sind das Fehler, die durch das mangelnde Verständnis gegenüber den Multiplayerformaten entstehen.

Alles, was ich in diesen und den weiteren Artikeln schreibe, steht zur freien Diskussion. Ich erhebe weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch dass meine Thesen die ultimative Wahrheit sind. Was ich aber noch anmerken muss, ist die Tatsache, dass jeder Artikel nur ein Teil der Serie ist. Ich werde in jedem Teil auf einen Aspekt von Multiplayer-Magic eingehen. Da ich einfach nicht der Mensch bin, der nur oberflächlich über ein Thema kratzt, kann ich nicht alles in einen Artikel quetschen. Also bitte kein Kommentar wie „Aber das und das fehlt noch“ wenn es nicht 100% zum Thema des Artikels passt, vielleicht kommt es ja in einem der folgendenTeile.

So genug der Vorrede, kommen wir zum Thema. Ich unterscheide generell 3 Stufen von Magic: Turnier, Multiplayer und Fun. Das ist jetzt keine Wertung vom Spaßgehalt sondern eher gegen wen und wie man gedenkt sein Deck zu spielen. Turnier ist klar 1:1 mit den stärksten Decks, die das Format zu bieten hat. Fun verstehe ich auch als 1:1, nur dass man hier abgedrehte Deckkonzepte spielt. Multiplayer ist irgendwas dazwischen. Viele Multiplayerformate sind teamorientiert (Two Headed Giant, Emperor …) wenn man da ein Deck spielt, das nichts kann, sind die Teammitglieder angepisst und in den anderen Formaten (Free for all, Pentagramm…) ist man oft selber angepisst, da man dann von den anderen Mitspielern recht schnell besiegt wird. Dennoch darf das Deck nicht so stark sein, dass allen anderen Spielern der Spaß vergeht.

Das bringt uns zum Stil des Decks und das ist das wesentliche an Multiplayer. Im späteren Verlauf nur noch MP. Stil in Verbindung mit MP hat zwei Seiten einmal eine ethische/soziale und die kreative Seite.
Doch was ist ein stilvolles Deck? Was muss es haben? Was darf es auf keinen Fall sein?
Die Fragen sind schwer allgemeingültig zu beantworten, zumal gerade die kreative Seite stark von den Vorlieben und der Spielweise eines Spielers abhängt, aber ich versuche es mal mit den folgenden Richtlinien.


1. Kein Kombodeck spielen.

Diese Einsicht ist aus ein paar Jahren Erfahrung in Multiplayer-Magic entstanden. Vielleicht erstmal meine Definition eines Kombodecks: Ein Kombodeck versucht mit Hilfe einer Karte oder Kartenkombination das Spiel in einer Runde zu gewinnen - egal wie viele Lebenspunkte/Giftmarken/Karten in der Bibo die Gegner
haben - oder die Gegner in eine solche Situation zu bringen, die es (fast) unmöglich macht noch zu gewinnen z.B. 10 Mio. Lebenspunkte, Stasis-Kismet Lock usw. Eigentlich die klassische Kombodefinition nur noch um die Hard Locks erweitert.
Für Kombodecks gibt es eigentlich nur 2 Fälle. Einmal die Kombo funktioniert und das Spiel ist damit sofort vorbei, was der Rest am Tisch nicht lustig findet egal wie viele Karten die Kombo braucht. Das gilt auch wenn die Kombo nur darin bestand 10 Mio. Leben zu bekommen das Spiel ist trotzdem vorbei wenn nicht jemand Biorythm spielt oder 10 Mio. Schaden machen kann, was eigentlich auch nur Kombodecks schaffen dürften. Der andere Fall ist, die Kombo funktioniert nicht und man verliert einfach ohne etwas gemacht zu haben. Dass Kombodecks bis auf ihre Kombo gar nichts machen, stimmt nicht ganz, denn man versucht ja sich bis dahin zu schützen. Nur trägt das meist nicht viel zur Spielentwicklung bei. Was aber viel störender ist, ist die Tatsache, dass man gegen ein Kombodeck sehr, sehr vorsichtig spielen muss oder dass man den Spieler sehr schnell besiegen muss, um nicht zu verlieren. In beiden Fällen hat man als Kombospieler das Gefühl, alle spielen gegen einen. Was ja auch der Fall ist nur hat man das selbst verschuldet.


2. Vermieden von going-off Spielzügen

Diese Richtlinie ist eng mit der Ersten verwand. Going off Züge sind Runden, in denen man nicht unbedingt gewinnt – obwohl viele Kombodecks dieses Verhalten auch aufweisen - sondern durch Spielen von Unmassen an Sprüchen – meistens mehr als 7 - die Boardsituation zu ihren Gunsten stark verbessern. Ein Beispiel wäre ein Deck voll mit Fastbond, Gush, Yawgmoths Will, Minds Desire, Quirion Dryad usw. Das große Problem ist nicht die Tatsache, dass man nach dem going off kurz vorm Gewinnen ist, sondern die Unmassen an Sprüchen. Meistens können und wollen die Spieler gar nicht aufmerksam verfolgen wie sich einer mit 20 Sprüchen durch seine Bibo schraubt. Aus dem Desinteresse wird schnell Langeweile und daraus resultieren dann Spielfehler aus denen wiederum hässliche Diskussionen entstehen. Man kann diese Situationen nicht ganz ausschließen, gerade im Lategame passiert so etwas häufiger z.B. nach Stroke für 17 auf sich selbst und 20 Mana im Spiel, aber man kann beim Deckbau die Gefahr verringern.


3. Die 80:20 Verteilung

Die Richtlinie ist recht einfach: ein Multiplayerdeck sollte zu 80% aus „Constructed“ spielbaren Karten bestehen und zu 20% aus Karten, die man sonst nicht spielt. Das sind Richtwerte und sie beziehen sich auf das gesamte Deck (also mit
Ländern). In MP-Decks geht es eigentlich immer um Synergie mit einer Karte oder einer Mechanik. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Deckidee dreht sich um eine Craprare, dann braucht man meist die restlichen 80%, um das Deck konsistent zum Laufen zu bringen. Oder man hat ein starkes Deck und nutzt die 20% um das Deck ein bisschen mehr Casual zu machen. Gerade hier merkt man das MP auch aus der Funrichtung kommt. Es lockert einfach ungemein die Atmosphäre auf, wenn man mal ein paar Craprares spielt. Zu den 80% gehören natürlich auch die Karten, welche durch die Tatsache, dass MP gespielt wird, erst sozusagen Constructed Niveau erhalten. So sind die Karten Mind's Eye oder Sun Droplet wahrscheinlich im Typ 2 unspielbar im Multiplayer aber wahre Bomben. Es geht bei den 20% mehr um diese „Wenn-Karten“ die für das Turnierspiel einfach zu situationsbezogen sind – also zu viele Wenn's aufweisen - um sie wirklich spielen zu können. Ein gutes Beispiel wäre hier Decimate das gleich 3 Wenns hat – Land spielt hoffentlich jeder - um richtig gut zu sein wenn das aber alles mal eintrifft macht es richtig Spaß die Karte zu spielen. Die 80/20 Verteilung sollte man wirklich auch nur als Richtlinie ansehen, denn oftmals verwischen die Grenzen gerade bei den kreativen Deckideen. So sind die Karten Varchild's War-Riders, Genesis Chamber und Haunted Angel alleine wahre Grütze zusammen mit Brand, welches eigentlich mehr als Grütze ist, aber richtig gut und die Verteilung kann zu 70/30 werden.


4. Optionen und Vielfalt

In MP weiss ein Spieler eigentlich nie, gegen was er als nächstes spielt. Er spielt mit einem Deck auch nur ein Spiel, danach wechseln die Spieler meist ihre Decks und MP-Spieler haben oft mehrere Decks dabei. Aus diesem Grund ist ein Sideboard im herkömmlichen Sinne, nämlich das man sich im 2. + 3. Spiel an den Gegner anpassen kann, sinnlos. D.h. ein MP-Deck muss flexibler sein als ein Turnier- oder Fundeck da es schon im ersten Spiel Antworten parat haben muss.
Dazu gehört als wichtigster Punkt, dass es sowohl defensiv als auch offensiv spielen kann. Weiterhin sollte es mit unterschiedlichen Strategien (removal, stall, swarm …) der Gegner zurechtkommen und sich darauf einstellen können. Wie man das genau lösen kann, werde ich in einen der nächsten Artikel klären.
Durch die Masse an Sprüchen die einem Magicspieler heute zur Verfügung stehen, ist es möglich sehr redundante Decks zu bauen, in dem man nicht selten eine Karte 8* oder mehr spielen kann (z.B. Llanowar Elf, Fyndhorn Elf). Daraus ergeben sich Decks, die in jedem Spiel gleich handeln, was sterbenslangweilig ist. Was ich auf keinen Fall will ist, dass Spieler die Pläne ihrer Decks verwaschen, wenn eine Karte wirklich nötig ist, dann muss sie so oft ins Deck wie möglich - ganz einfach. Mir geht es hier mehr um die Unterstützungskarten in einem Deck. Es ist recht einfach 4 Lightning Bolt, 4 Incinerate und 4 FTK als Kreaturenremoval in einem roten Deck zu spielen. Man kann es aber auch so spielen: 3 Lightning Bolt, 3 Incinerate, 2 Ghitu Slinger, 2 Jeska und 2 FTK. Die erste ist für Turniere klar die besser Wahl, die 2. Variante bietet hingegen allein durch ihre Vielfalt mehr Optionen und ist deswegen in MP besser.


5. Der Plan muss stehen und er muss sinnvoll sein

Eine der wichtigsten Regeln für ein Deck egal welches Format. Eigentlich ist das ja auch jedem Magicspieler klar und die meisten fangen auch mit einem Plan an, doch dann schlägt der böse Gedanke zu. „Aber ich kann gegen Karte xyz im Deck abc meines Freundes nichts machen“. Oder etwas in der Art wie „Es wäre doch gut wenn ich in meinem R/g Deck mit Blistering Firecat noch Spelljack spielen könnte“. Und schwups hat man mehrere oft gegenläufige Pläne im Deck und es spielt sich nur noch wie ein Haufen Müll. Wie man solche Probleme umgeht, werde ich in einem weiteren Artikel beschreiben.
Dann gibt es wiederum Spieler die verschreiben sich nur einer Sache, die aber recht sinnlos ist. Ein gutes Beispiel wäre ein Deck voll mit Disenchanteffekten, weil man schon zweimal gegen ein Enchantress Deck verloren hat.
Gerade bei der Art der Pläne für ein Deck unterscheiden sich die Fun / Turnierdecks von den MP-Decks. Kann man bei Fundecks wirklich alles spielen, muss man bei MP- Decks immer noch im Hinterkopf behalten, dass Multiplayer viele Spieler – oder treffender mehr Gegner - bedeutet und dass vielleicht auch Teamformate gespielt werden. Es bringt also nichts, Decks zu spielen die nur einen Spieler besiegen können oder die durch den Deckplan auf einen Gegner fixiert sind.


6. Die Wahl der Waffen

Jede MP- Gruppe hat ihren eigenen Kartenpool und Spielweise. Auch die ungeschrieben Gesetzte sind sehr unterschiedlich. Ich glaube, wenn Spieler aus verschiedenen Spielgruppen befragt würden, wie stark sie die Karten
Counterspell, Treachery, Congregate, Mindsludge und Troll Ascetic einschätzen, würden immer unterschiedliche Meinung herauskommen und das kann wie z.B. bei Congregate von banned bis unspielbar reichen. Deswegen zwei Tipps an alle die MP spielen. Hinterfragt erst mal, ob manche vermeintlich fiesen Karten wirklich so fies sind. Warum in manchen Spielgruppen Übernehmersprüche und Bounce geächtet/gebanned sind, versteh ich nämlich bis heute nicht. Auf der anderen Seite darf man keine Decks/Karten spielen, die von der Gruppe als asozial eingeschätzt werden wie z.B. Armageddon, Gravepact, Overrun, Congregate usw. MP soll in erster Linie Spaß machen. Es bringt also gar nichts ein Deck zu spielen bei dem die bloße Erwähnung schon die Stimmung kippen lässt. Die Frage, die man sich bei jedem Deck stellen sollte, ist folgende. Würde ich gegen dieses Deck in unserem Umfeld spielen wollen und hätte Spaß dabei?
Ein weiter Punkt zu dieser Richtlinie ist der, dass sich Magic ständig verändert. Dieses sollte sich normalerweise auch in den Decks der Spieler widerspiegeln, indem sich die Decks an die neue Bedingungen anpassen (z.B. Mirrodin -> Artefakte). Leider scheint das aber eine heilige Kuh für die meisten MP-Spieler zu sein. Wenn ein Deck gebaut wurde und einmal erfolgreich war, dann ist das auch für alle Zeit so. Es geht ja manchmal so weit, dass Spieler ihre Decks jahrelang haben ohne eine Veränderung. Wobei es mir schon langweilig wird ein Deck –mit Veränderungen- öfters als 12* zu spielen aber das ist eine persönliche Macke. Was hingegen weit verbreitet ist unter MP-Spielern, ist das Meckern über neue bzw. alte Karten/Mechaniken typisches Beispiel momentan Affinity. Da wird geschimpft und gezetert, wie schnell, stark, fies Affinity Decks sind und dass sie sich eh von selber bauen - aber auf die Idee Veridian Shaman/Glissa in ihr Elfendeck aufzunehmen kommt keiner. Oder die Spieler verfallen in die Mentalität wie im Beispiel von Punkt 5 und bauen ein(!) Antiartefakt Deck, um gegen die Masse von neuen Artefakten anzukommen anstatt alle(!) Decks ein bisschen stärker gegen Artefakte auszulegen.


Fazit:

Ein stilvolles MP-Deck sollte also in Erster Linie kein Kombodeck sein und auch sonst kein asoziales Verhalten aufzeigen. Darüber hinaus ein sinnvolles Thema/Plan haben aber dabei noch flexibel genug sein, um sich auf die unterschiedlichsten Taktiken der Gegner einstellen zu können und stark genug sein einen Teamkamerad aus der Klemme zu helfen. Natürlich nicht zu vergessen: es sollte einem Spaß machen aber wer ein Deck spielt, das ihm selbst keinen Spaß macht, dem ist eh nicht zu helfen.
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Manches lässt sich durch Worte recht schwer erklären bzw. ist vielleicht als Theorie zu unverständlich. Deswegen habe ich in den letzten Wochen ein paar meiner MP-Decks ins Zkforum-Casual Bereich gestellt –einfach nach trischai als Ersteller des Posts suchen-, vor allem in den nächsten Artikeln werde ich auf ein paar Decks als Anschauungsbeispiel verweisen.

Im nächsten Teil werde ich mich mit einem der Eckpfeiler von MP-Magic „Klotzen nicht Kleckern“ beschäftigen.

Bis dann

Christian „trischai“ Haupt

Hier geht's zu Teil 2
Hier geht's zu Teil 3

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