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T 1 - Das unbekannte Land
von Carsten "Mon, Goblin Chief" Kötter
23.03.2004

Viele Spieler haben kaum eine Vorstellung davon, was Turnier-Typ 1 wirklich ist. Zwei der häufigsten Vorstellungen von nicht Typ I-Spielern sind die folgenden:

Vorstellung Nummer 1: Alle Spiele enden in Runde 2, etwas anderes als Combo ist völlig unspielbar.
Spieler dieser Kategorie kennen keine wirklichen T1-Decklisten, sondern haben nur Gerüchte über die Brokeness des Formats gehört.

Vorstellung Nummer 2: Typ 1 ist kein Turnier-Format, sondern ein Fun-Format.
Spieler dieser Kategorie halten die Casual-Decks, die sie im Multiplayer sehen und die einige nicht Extended-legale Karten wie Doppelländer oder Demonic Tutor enthalten für das, was auch auf T1 Turnieren gespielt wird.

Beide Vorstellungen sind grundlegend falsch. Die erste ist in seltenen Fällen zeitweilig korrekt und wird dann meist recht schnell durch Restrictions unterbunden. Die zweite Vorstellung revidiert sich normalerweise, sobald solche Spieler echte Typ 1 Decks in Aktion erleben (und auf Turnieren gnadenlos untergehen ).

Beide Ideen enthalten jedoch auch einen Funken Wahrheit:
Zuerst will ich kurz auf den „Fun-Format“ Anspruch eingehen. Im Typ 1 passiert es im Gegensatz zu anderen Formaten öfter, das sehr seltsame Karten plötzlich spielbar werden (z.B. Lions Eye Diamond, der auf des Long.dec genannten Storm-Combodecks sogar restricted werden musste).Grund
Außerdem erlaubt das Vorhandensein großer Mengen von Fastmana oft, Karten zu spielen, die in anderen Formaten einfach deutlich zu langsam sind. Solche Decks sind allerdings auch nur dann regelmäßig erfolgreich, wenn sie wirklich konstant funktionieren.
Ansonsten gilt hier, wie in anderen Formaten auch, dass sich ungetunte Decks typischerweise als Eintagsfliegen erweisen, die an einem Tag dank glücklicher Matchups erfolgreich waren.
Nun zum Combo-Format: Typ 1 ist wohl das einzige Format, in dem Combo-Decks spielbar aber nicht broken sein können. Bestes Beispiel hierfür ist das sogenannte Dragon.dec, das mit Hilfe der Interaktion zwischen Worldgorger Dragon und den Animate-Enchantments (Animate Dead, Dance of the Dead und Necromancy) sehr schnell ein loop erzeugen kann, durch das einen „arbitrarily large amount of Mana“ zur Verfügung steht.

Im T1 stehen aber auch die Mittel zur Verfügung, um solche schnellen Combo-Decks unter Kontrolle zu halten. Vor allem das Vorhandensein von Force of Will und Duress, aber auch billiger „Hate“ wie Null Rod, Tormod's Crypt oder Planar Void, geben vielen Decks die Möglichkeit mit angemessener Geschwindigkeit die Combo-Decks zu disrupten.

Um es kurz zu machen, viele Spiele im Typ 1 enden nicht in Runde 2 und ich habe insgesamt mit Sicherheit weit öfter gegen Control und Aggro-Decks gespielt als gegen Combo-Decks.

Natürlich kommt jetzt ein „Aber“. Denn auch wenn Typ 1 kein Combo-Format ist, so ist es doch deutlich schneller als die anderen Formate. Wenn ein Deck regelmäßig die ersten 3 Runden nichts außer „Land, go“ produziert (wie z.B. die Wu-Control-Decks im Typ 2), so wird es sehr selten Spiele gewinnen.
Die große Menge an Manabeschleunigern, ob restricted (z.B. Sol Ring, Moxe, Black Lotus) oder unrestricted (Mishra's Workshop, Dark Ritual), komprimiert das Spiel sozusagen. Viele Decks können innerhalb der ersten 1-3 Runden unglaublichen Druck aufbauen, so dass das Spiel schier ungewinnbar wird.

Einige Beispiele:

Aggro
Decks wie TnT oder Madness schaffen es oft, innerhalb der ersten 2 Runden Kreaturen mit insgesamt 8 oder mehr Punkten an reiner Power auf den Tisch zu legen.

Control
Decks wie Keeper oder Psychatog ziehen oft schon innerhalb der ersten 3 Runden eine ganze Reihe von Extrakarten oder verschaffen sich eine Position, in der sie die weitere Entwicklung des Boards fast vollständig unter Kontrolle halten können.

Combo
Decks wie Dragon können regelmäßig in Runde 2 bis 3 gewinnen.

Prison
Lock-Decks wie Stax besitzen die Möglichkeit den Gegner schon sehr früh in ein Smokestack-Hardlock zu bringen, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt.

All dies trifft normalerweise aber nur dann zu, wenn der Gegner sich weigert, mit seinem Gegenüber zu interagieren. Ein gut getimetes Wasteland, ein Counter oder Swords to Plowshares kann die Entwicklung dieser Decks oft massiv behindern. Auch der schon erwähnte Hate z.B. in Form von Null Rod, Pyrostatic Pillar, Planar Void oder Root Maze kann die Entfaltung dieser Decks aufhalten oder teilweise sogar total verhindern.

Es bleibt aber dennoch festzustellen, dass das Power-Niveau im Typ 1 so deutlich über dem anderer Turnierformate liegt, dass die Umstellung ganz massiv ist. Viele Decks, die in anderen Formaten durchaus spielbar sind, sind im Typ 1 völlig nutzlos. Auch die Dynamik des Spiels ist meist eine völlig andere.
Das hohe Tempo des Formats läßt teuere Solutions wie Wrath of God schnell unwirksam werden, vor allem da Cardadvantage sich meist leichter in Form von echtem Carddraw generieren läßt, als über Mass-Removal.
Auch teuere aber effiziente Creatures wie Spiritmonger oder Ravenous Baloth sind im Typ 1 nicht relevant. Dies liegt daran, dass der gespielte Removal einfach deutlich effizienter ist, als es eine 4 CC Creature je sein kann.
Wenn mein Gegner die Möglichkeit hat, meine teuere Creature einfach für ein Mana zu StPen oder (noch schlimmer) mit Hilfe von Mana Drain in einen massiven eigenen Tempo-Gewinn umzuwandeln, dann lohnt es sich nicht, einen so teueren Spell überhaupt zu casten.
Aus diesem Grund liegen die Manakurven eigentlich aller Typ 1 Decks extrem niedrig, es sei denn es läßt sich „schummeln“. Ein Juggernaut kostet zwar auch 4 Mana, bezahlt man ihn aber mit Hilfe eines Mishra's Workshop, so ist der Aufwand, den man dafür getrieben hat, nicht größer, als der für ein normales Deck, wenn es einen Silver Knight legt.

Als Kurzfassung kann man sagen, dass der von Zvi beschriebene Fundamental turn http://web.archive.org/web/20001204020400/thedojo.com/column2/col.991102zmo.shtmlfür das normale T1-Deck zwischen Runde 2 und 3 liegt, meist näher an der Zwei als an der Drei. Eine schnelle Entfaltung der eigenen Strategie ist also Trumpf.

Weitere Missverständnisse
Die nächsten Missverständnisse über das Typ 1 Format stammen normalerweise von Spielern, die zwar wissen, wie wirkliche Typ-1 Decks aussehen, das Format aber noch nicht gespielt haben. Auch hier gibt es hauptsächlich zwei Vorurteile:

Nummer Eins: Ohne Zugriff auf die Power Nine läßt sich das Format nicht erfolgreich spielen.

Nummer Zwei: Das Format ist extrem glücksabhängig und hat wenig mit dem Spielskill der beteiligten Spieler zu tun. Diese These gründet sich auf der Existenz extrem starker Karten, die im Typ 1 nicht gebannt sondern nur restricted werden.

Der erste Punkt hat leider seine Daseinsberechtigung, er ist aber definitiv übertrieben. Wahr ist, dass viele Decks ohne eine Reihe von extrem teueren Karten nicht funktionieren.
Es gibt aber einige Decks, die ganz ohne diese Karten dennoch hohe Erfolgschancen bieten (auch wenn selbst diese Decks sich mit Hilfe zumindest eines Moxes und des Lotus noch minimal verbessern lassen). Solche „Budget-Decks“ tauchen immer wieder in den Top 8s auch großer Typ 1 Turniere auf.

Wenn ein Spieler keinen Zugriff auf Powerkarten hat bedeutet das also für ihn grundsätzlich eins: Er hat eine stark eingeschränkte Auswahl an (erfolgreich) spielbaren Decks. So ungern ich als T1-Liebhaber das auch zugebe, es ist leider so.

Was das Glücksformat angeht, meiner Erfahrung nach liegt der Prozentsatz der Spiele, die durch reines Glück entschieden werden, nicht deutlich höher als in anderen Formaten. Allerdings sind diese Spiele im Typ 1 bei weitem sichtbarer, da die sogenannten „broken draws“ auch ganz offensichtlich broken sind.
Es ist doch sehr viel auffälliger, wenn der Gegner in der ersten Runde einen Time Walk, im Extrazug Ancestral Recall und eine Runde später beides mit Hilfe von Yawgmoth's Will noch einmal spielt. Extreme Spielzüge eines solchen Kalibers geschehen aber auch nicht öfter (eher seltener), als T2 Gobbos dem Gegner „die Kurve gibt“.

Selbst unter den restricted-cards gibt es nur sehr wenige, die wirklich so gut sind, dass sie alleine regelmäßig das Spiel entscheiden können. Und selbst dann erfordert es meist noch ein geschicktes Einsetzen dieser Karten, damit der Effekt groß genug ist, um das Spiel so gravierend zu beeinflussen.
Der „lucky Topdeck“, sei es nun der passend gezogene Wrath im T2 oder die Balance/der Tutor für selbige im T1, ist meiner Erfahrung nach in allen Formaten regelmäßig zu beobachten. Da die Wirkung der einzelnen Karten im T1 im direkten Vergleich normalerweise bei weitem größer ist als anderswo, kommt so von außen leicht der Eindruck zu Stande, dass fast jedes Spiel durch eine einzelne Karte entschieden werden sollte.
Wenn man das Format selbst spielt, merkt man jedoch, dass der merkbare Effekt ein anderer ist. a) treten regelmäßig größere Gameswings nach einzelnen Plays auf und b) fällt jede Fehleinschätzung bei Weitem stärker ins Gewicht als in anderen Formaten.
Insgesamt macht die Existenz von high-power Karten das Format nicht eigentlich zufälliger, sondern hauptsächlich schneller, dynamischer und komplexer.

Anmerkung: Als direktes Indiz gegen das Glücksformat spricht eindeutig, dass auch im T1 fast immer die selben (guten) Spieler auf den vorderen Plätzen der Turniere zu finden sind. Und nein, das sind nicht die einzigen Spieler mit guten Decks auf diesen Turnieren. Ende der Anmerkung.

Für alle die, die hier Decklisten vermissen, wenn der Artikel halbwegs positiv aufgenommen wird (und die Jungs hier mich lassen), dann werde in weiteren Artikeln jeweils auf einige Decks eingehen. Für alle die nicht warten wollen, www.morphling.de und www.themanadrain.com bieten eine Menge Informationen und Decklisten für so ziemlich alle gängigen Decks. Wenn spezielle Wünsche bestehen, auf welche Decks ich eingehen soll, einfach als Feedbackposten.

Carsten Kötter aka Mon, Goblin Chief
Proud member of Team CAB
High Priest of the Church of Bla

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