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US Nationals
Tagebuch meines beinahe total Versagens
von Michael Hüllecremer
08.07.2003

Sonntag 22.06.:

Es galt um 4:00 Uhr früh aufzustehen, um gegen 5:30 Uhr am Flughafen zu sein. Dass man zwei Stunden vor dem Abflug einchecken soll, kann manchmal ganz schön hart sein. Den Transfer übernahm freundlicherweise meine Freundin („Bist du eigentlich bescheuert, mitten in der Nacht fliegen zu müssen“). Im Flieger gab's dann zum Frühstück ein pappiges Brötchen mit rohem Schinken (igitt). In London, wo ich zwischenlandete um in den Flieger nach San Diego umzusteigen, herrschte typisch britisches Wetter: Sprich Regen und Wind. Aber Gott sei Dank musste ich ja nicht nach draußen. Um richtig zu frühstücken, hab ich mir hier dann erst mal ein Sandwich und eine heiße Schokolade besorgt, während ich auf meinen Anschluss wartete. Beim Einchecken gab's dann die gute Nachricht des Tages: Man hatte mir statt meines Platzes in der Economy-Class einen Platz in der Business-Class gegeben. Ich sollte also ausreichend Beinfreiheit während des Fluges haben. Dass der restliche Service auch besser war, war zwar eher nebensächlich, aber trotzdem sehr willkommen.
Am Flughafen dann ein Taxi zum Hotel gegriffen und dort erst mal ein Nickerchen gehalten (20 Stunden nach dem Aufstehen) und abends noch einen Blick auf das Viertel (Gaslamp Quarter) geworfen und mir eine Kleinigkeit zu essen gesucht. Ab 11:00 pm habe ich dann versucht, meinem Körper klar zu machen, dass es nicht 8:00 am ist und statt dessen Zeit zum Schlafen, was mir gegen 2:00 am dann auch endlich gelang.


Montag 23.06.:

Morgens musste ich mit Erschrecken feststellen, dass es nur bis um 9:00 Uhr Frühstück im Hotel gab. Ich musste mir also notgedrungen draußen was suchen gehen. Da ich keinen Bock hatte mir groß Gedanken zu machen, bin ich zum erstbesten McD gegangen. Anschließend schwor ich mir, mir beim nächsten Mal doch mehr Gedanken zu machen. Nach dem spartanischen Mahl bin ich zur örtlichen Shopping Mall gegangen, um mir einen Reiseführer zu besorgen (in Dortmund gab es nur einen einzigen überteuerten über San Diego). Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass sich hier vor 13:00 Uhr kaum einer herumtreibt.


Abends bin ich dann noch im Kino gewesen und habe Hulk geschaut während ich gegen den Schlaf gekämpft habe. (Den Film kann man übrigens nur Fans empfehlen. Optisch ist er zwar sehr gut umgesetzt, aber die Story ist doch wirklich ziemlich mau.)


Dienstag 24.06.:

Nachdem ich diesmal ein reichhaltiges Frühstück im Hotel genossen hatte, machte ich mich auf den Weg nach SeaWorld. Um es kurz zu machen, für 45$ Eintritt bekommt man hier einen überteuerten Zoo geboten. Ok, Killerwale gibt es sonst nirgendwo zu sehen, den Rest (Delphine, Pinguine, Eisbären, Haie, Seelöwen, Otter, etc.) aber schon.


Und was die anderen Attraktionen angeht, so gibt es in jedem deutschen Freizeitpark gleichgute und mehr davon. Ich konnte zum Glück auch dem ganzen Merchandise, das es am Ende einer jeden Attraktion gab, widerstehen, und somit war das einzige, was ich aus SeaWorld mitbrachte, ein hübscher Sonnenbrand.


Mittwoch 25.06.:

Ich bin noch ein wenig weiter durch die Stadt gewandert und habe sie erkundet. U.a. habe ich auch Coronado Island, der etwas vorgelagerten Insel, einen kleinen Besuch abgestattet. Gegen Abend habe ich noch schnell das Hotel gewechselt und mich ins Staff-Hotel, dem Gaslamp Quarter Hilton begeben und mich noch ein wenig darauf vorbereitet ein paar US-Pros zu disqualifizieren.


Donnerstag 26.06.:

It's Grinder time. Obwohl ich nicht für die Grinder eingeplant war, bin ich gegen 10:00 Uhr mal vorbeigegangen. Ich war mächtig erstaunt, dass sich bereits um 9:00 Uhr 256 Spieler eingefunden hatten um am ersten Standard-Grinder teilzunehmen. Genauso wie später auch die anderen 4 Grinder komplett ausgebucht sein sollten, wobei der letzte erst um 10 pm begann.


Zu Beginn von Grinder 2 machte ich dann den Fehler und bot an zu helfen. Das hatte zur Folge, dass ich bis 1:30 Uhr mit dem judgen von den diversen Grindern beschäftigt war. Das lief dann in etwa immer so ab: eventuell Sealed Deck-Material verteilen, Decklisten einsammeln, Decklisten zählen und kontrollieren, die ersten 2-3 Runden judgen und dann beim nächsten Grinder wieder von vorne anfangen.
Der Tag war Stress pur und am Ende des Tages wünschte ich mir, dass es doch möglichst schnell Montag werde, weil ich keinen Bock auf drei weitere solcher Tage hatte.


Freitag 27.06.:

Nun gingen also die US Nationals endlich los. Nachdem ich am Vorabend erst um 2:00 Uhr im Bett war, musste ich bereits um 8:00 Uhr wieder zum Judge-Meeting antreten. Die Einteilung sah dann vor, dass ich erst mal die nächsten beiden Tage als Floorjudge bei den Nationals verbringen sollte. Gestartet wurde hier mit drei Runden Standard. Also galt es erst mal wieder Decklisten zu zählen und zu kontrollieren. An dieser Stelle muss man den Spielern in den USA ein Kompliment machen, denn nur ein einziger der 199 Spieler hatte einen Fehler bei seiner Deckliste gemacht und nur 56 Karten notiert (Daran solltet ihr euch alle mal ein Beispiel nehmen).


In der dritten Runde kam es dann zur ersten brenzligen Situation. Ich wurde zum Tisch gerufen, wo Tog gegen Wake spielte, und gefragt, ob ein Spieler sich eine Morph-Kreatur, die mit einem Memory Lapse gecountert wurde, angucken darf, bevor diese wieder auf die Library gelegt wird. Als ich dies verneinte wurde ich gebeten dies mit dem Headjudge nochmals zu besprechen. Als ich mit diesem zum Tisch zurückkehrte, erklärte man ihm, dass der Spieler, der den Memory Lapse gespielt hatte, sich einfach anschließend die oberste Karte der Bib gegriffen und selber nachgeschaut hatte. Nach einer kurzen Diskussion wurde entschieden, dem Spieler für „looking at extra cards“ einen Game Loss zu geben.
Anschließend wurden dann die ersten drei Runden Rochester Draft gespielt. Hier stieg dann die Summe der fehlerhaften Decklisten auch wieder auf das gewohnte Niveau an. Besondere Vorkommnisse während dieser drei Runden gab es nicht. Gegen 18:30 Uhr war dann mein Tagewerk erledigt.
Dass auch Judges über ein gewisses Maß an Kreativität verfügen, bewies mein Zimmerkollege und WotC-Customer Service Mitarbeiter Brian Zembrowski. Im Qualifikationsturnier für die Junior Super Series hatte ein Kid ein illegales Deck, da sich eine Invasion-Karte in seinem Standarddeck befand. Man beschloss also, dass Brian mit ihm diese Karte entfernen und durch eine andere Karte, die der Kurze dabei hatte, ersetzen sollte. Gesagt, getan und schon konnte unser kleiner Freund in der zweiten Runde wieder mitspielen. Wenig später rief dann der Gegner dieses Kids, der ein Elfendeck spielte, erneut nach einem Judge. Er fand, dass der Nefashu, den Brian ihm in das Deck gepackt hatte, weder fair noch regelkonform sei.


Samstag 28.06.:

Die Nationals gingen in den zweiten Tag und zum zweiten Draft traten noch 146 Spieler an. Die Judges arbeiteten so gut, dass bereits vor Beginn der 1. Runde alle Decklisten gecheckt und alle Fehler bereinigt waren. Somit beschloss man, dass mein Team schon in der 1. Runde Deckchecks vornehmen sollte. Wie es der Zufall so wollte, wurde genau der Spieler für einen Deckcheck ausgewählt, dessen Deckliste fehlte (Ob alle Listen da waren, hatten wir bis dahin noch nicht gecheckt). Da wir aber nicht sagen konnten, ob wir oder der Spieler die Liste verbummelt hatten, wurde beschlossen, einfach ein neue für ihn anzufertigen und die Sache ansonsten auf sich beruhen zu lassen. Ansonsten verliefen auch diese 3 Runden bis auf ein paar langatmige UW-UW Matches sehr ereignislos.


Die letzten drei Runden wurden dann wieder mit den Standard-Decks des Vortages bestritten. In der insgesamt 11. Runde kam es dann zu folgender Situation: Ich wurde wieder mal zu einem Tisch gerufen, wo Tog gegen MBC spielte. Beide hatte 24 Punkte und der Gewinner würde sich sicher in die Top8 drawen können. Der Tog-Spieler hatte eine Future Sight im Spiel und ein Upheaval von seiner Bib gespielt. Nun wollten die beiden wissen, ob sie die neue oberste Karte der Bib noch zu sehen bekommen würden. Ich bejahte dies mit dem Hinweis darauf, dass man sie zu sehen bekäme, sobald für den letzten Spell alle Kosten bezahlt seinen und er auf den Stack gehe. Damit war für mich die Sache erledigt und ich drehte mich zum Nachbartisch um, um mir die dortige Situation anzuschauen. Ich wurde dann wieder auf die Partie aufmerksam als nur wenig später jemand im Zuschauerbereich sagte:“ Hey... du hast das Upheaval mit in die Hand genommen“ (man denke sich den Satz auf englisch). Ich drehte mich wieder um und sah, dass er bereits wieder eine Insel gelegt hatte und dabei war seine Zombie Infestation zu spielen. Das Upheaval war tatsächlich nicht im Graveyard, sondern in seiner Hand. Ich erklärte ihm, dass wir das natürlich korrigieren müssten und ich ihm dafür ein Warning geben müsste. Er war einigermaßen erleichtert, dass es nur ein Warning sein sollte und nicht gar ein Game Loss, was einem Match Loss gleichgekommen wäre. Nun fing auf einmal sein Gegner an, dass ihm mal auf der Pro Tour Soundso etwas vergleichbares passiert sei und er dafür ein Game Loss bekommen hätte und er wollte den Headjudge deswegen sprechen. Nachdem ich ihm erklärt hatte, dass er sich selber an der Grenze zu einem Warning für Unsportsmanlike Conduct bewegt, wenn er eine härtere Strafe für seinen Gegner fordert, habe ich dann den Headjudge hinzugezogen. Dieser bestätigte mich dann, wollte aber auch kein Warning gegen den MBC-Spieler verhängen, der in aussichtsloser Situation nach dem Upheaval und der kommenden Infestation ein Game Loss gefordert hatte, was ich ihm im Nachhinein gegeben hätte.
Als am Ende des Tages die Top8 feststanden, hatte ich das Gefühl,total versagt zu haben. Hatte man mir in Deutschland doch aufgetragen dafür zu sorgen, dass das US-Team so schlecht wie möglich sei. Nun stand zu befürchten, dass drei erfahrene Pro Tour Spieler es ins Team schaffen sollten.
Nachdem ich mich ein wenig frisch gemacht hatte, kehrte ich nochmals zur Site zurück, um selber einen Draft zu spielen, Mark Rosewaters Triviaquiz zu verfolgen und mir das Live Action Magic mit Richard Garfield anzusehen.




Sonntag 29.06.:

Mein Arbeitsplan für diesen Tag sah nur das Tablejudgen eines Viertelfinales vor. So beobachtete ich also größtenteils nur Michael Turian und Gab Walls bei ihrem Spiel, was nicht ganz eine Stunde dauern sollte. Anschließend hatte ich dann tatsächlich frei.
Nach den Viertelfinals war dann auch klar, das der allerschlimmste Fall nicht mehr eintreten sollte, da Jon Finkel, Brian Kibler und Michael Turian bereits verloren hatten. Das US Team sollte letztendlich doch schlagbar bleiben.
Da man mich trotz dreimaligem Nachfragen auch bei den Sideevents nicht als Schiedsrichter haben wollte, entschied ich mich, selber noch ein wenig zu spielen und die Top8-Spiele weiter zu verfolgen. Beides klappte leider nicht so recht. So verlor ich z.B. in der 2. Runde eines 8 Mann Standardevents mit meinem R/G-Deck gegen ein B/R Landdestruction-Deck. Und auch das Verfolgen der Top8 klappte nicht wirklich. So ging ich, nachdem ich meine Entlohnung für das Judgen bekommen hatte, noch mal zum Hotel zurück, um mich der Sachen wieder zu entledigen und mich kurz ein wenig auszuruhen. Da sie, als ich ging, gerade das Spiel um Platz 3 austrugen, ging ich davon aus noch ein wenig Zeit zu haben. Als ich dann ca. 1 Stunde später zurückkam, musste ich feststellen, dass bereits alles gelaufen war. Das Finale war bereits gespielt und die Preise auch schon überreicht.
Abends lud dann WotC noch alle Judges zum Abschluss des Turniers zum Essen ein, was einen sehr schönen Abschluss eines gelungenen Turniers darstellen sollte. Hier war dann auch noch einmal ausführlich Zeit, die Highlights des Turniers Revue passieren zu lassen (NEFASHU). Mit Jeff Donais (Tournament Manager bei WotC) einigte ich mich dann darauf, dass wir es zur Tradition machen sollten, dass ein deutscher Schiedsrichter auf den US Nationals zugegen ist, nachdem bereits in den beiden Vorjahren Justus Rönnau dort zu Gast war.


Montag 30.06.:

Da mein Flieger zurück in die Heimat erst abends um 20:30 Uhr gehen sollte, blieb mir noch genügend Zeit, um nochmals eine Runde durch die Stadt zu drehen und die kleinen Präsente für Eltern, Freundin und andere zu besorgen.
Leider sollte mir auf dem Rückflug das Glück kein zweites Mal hold sein und ich musste mit dem normalen, unbequemen Sitz in der Economy-Class vorlieb nehmen.
Dienstag Abend um 21:00 Uhr war ich dann wieder zurück in der Heimat.

Props Slops
  • WotC für die Einladung
  • BA London für den Business-Class Platz
  • Ralph Nowak für die Digitalkamera
  • Daniel Weier für die geliehenen Karten
  • San Diego für das super Wetter
  • Die anderen Judges für die super Zusammenarbeit
  • Convention Center für die überteuerte Verpflegung in der Halle
  • SeaWorld für den viel zu hohen Eintritt
  • US Behörden für die pingeligen Durchsuchungen beim Rückflug


Natürlich dürfen auch ein paar Bilder von den US Nationalsnicht fehlen...

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