miraclegames.de
Community
No Country for Old Men
von Nico Bohny
13.06.2014

Ich werde älter. Und verliere zwar noch nicht den Überblick über dieses drollige Pappkartenspiel, welches mir doch weiterhin so am Herzen liegt, aber besser werde ich darin wohl auch nicht mehr. Tja, die guten Zeiten des Studium und der Teilzeitarbeitsstellen sind nun mal eben vorbei, man hat anderes zu tun, als den lieben langen Tag mit Karten zu spielen (nämlich: mit digitalen Karten zu spielen … na ja … leider kommt arbeiten der Wahrheit näher), und auch hie und da noch ein paar neue familiäre Verpflichtungen. Ich will mich ja gar nicht beklagen. Nur rechtfertigen, warum's bei der Pro Tour in Atlanta kein besseres Ergebnis von mir zu sehen gab.


Einmal Atlanta und zurück

Um ehrlich zu sein, ist mal wieder das verdammte Constructed dran schuld. Aber echt, eigene Decks zu bauen und dabei einen größeren Kartenpool als der aus drei bis sechs Boostern vor sich zu haben, überfordert mich einfach. Und natürlich konnte ich mich wieder nicht rechtzeitig entscheiden, welches Deck ich denn pilotieren sollte – das macht die Skills, welche man zu einem Turnier mitbringt, nicht größer. Ich würde mal behaupten, die meisten Leute bei der Pro Tour hatten ihr Deck vor dem Turnier öfters in den Händen als ich. Also mehr als zweimal.

Wenigstens im Limited fühlte ich mich vorbereitet. Journey into Nyx hat die Limited-Geister gespalten und extrem gegensätzliche Meinungen über das neue Draftformat hervorgerufen. Meiner Meinung nach ist das Format langsamer geworden, worin die meisten Leute noch mit mir übereinstimmen. Wovon sie sich aber anscheinend nicht beeinflussen lassen, wenn es von der Theorie zur Praxis geht. In meinen Augen wissen die meisten Leute nicht, was sie tun. Das tönt jetzt vielleicht arrogant, denn damit lasse ich anklingen, dass ich mich von der Masse abhebe, deshalb muss ich das begründen. Ich habe von einer Diskussion zwischen den StarCityGames-Leuten und deren Draftspezialisten gehört, was man denn in folgendem Pack draften sollte:


Ja, die grüne Dryade sei ganz okay, haben sie übereingestimmt, Riddle und Drache seien sicher auch okay, aber geeinigt haben sie sich dann auf Satyr Hoplite als besten Pick. Ernsthaft?! Ich finde es offensichtlich, und zwar nicht allzu knapp, dass man da zur Rare greift. Lol, Nico der Raredrafter wieder. Ich muss mich abermals erklären. Ja, ich weiß, Favored Hoplite war sehr gut. Und ja, der satyrianische ist eine aggressive Karte mit ähnlichem Potenzial wie der menschliche Hoplit. Aber mal überlegen, warum war denn Favored Hoplite eigentlich so gut? Ach ja, stimmt, Ordeal oder Cantrip-Aura into Gods Willing und so. Nun, mittlerweile hat man davon leider nur noch ein Pack. Was haben wir stattdessen, lass mal sehen. Einen Booster voll mit 2-Drops, Magma Spray, Pin to the Earth, Armament of Nyx, dafür ohne Common-Bestow, geschweige denn Cycling-Auren. Jetzt fällt's mir wie Schuppen von den Augen, offensichtlich muss da der Satyr besser sein als all die anderen tollen Karten.

Und dann war da noch Frank Karsten, der versuchte, die Karten der Edition nach Spielstärke zu ordnen. Der kam echt auf die Idee, Satyr Grovedancer vor Sigiled Starfish zu platzieren. Und seit wann genau ist ein Grizzlybär besser als ein defensiv einsetzbarer Looter? Das wär ja nicht einmal in Zendikar der Fall gewesen. Klar, man darf sich schon mal verschätzen, wenn man eine ganze Edition sortiert. Aber bitte nicht bei Commons, welche sich im Powerlevel wie Tag und Nacht unterscheiden. Die meisten Leute halten ja den Hirsch für die beste Common im Set. Bin ich einverstanden, aber echt nur so knapp. Für mich kommen Sigiled Starfish und Pin to the Earth ziemlich bald danach, wenn nicht sogar auf Augenhöhe. Sigiled Starfish sieht vielleicht unspektakulär aus, lässt einen aber shaky Hände keepen (2- oder 5-Länder, das macht Onkel Nico ohnehin gerne) und dominiert Mid- und Late Game, indem er ab einem gewissen Punkt einfach die Länder aus den Draws filtert. Pin to the Earth ist einfach Silence the Believers ohne Strive, dafür zwei Mana günstiger. Das Ding stellt Bestow wunderbar ab, Utility-Tiere gibt's ja ohnehin fast keine und man sollte mit Blau immer Wege haben, um um eine Mauer herumzukommen.

Na ja, langer Rede kurzer Sinn, im neuen Draftformat fühlte ich mich mehr als nur wohl. Und auch gut vorbereitet. Der Draft begann mit einer einfachen Wahl in Form von Hour of Need, danach schob man mir alles, was man so Blaues haben will.


Shipwreck Singer
Baleful Eidolon
Sigiled Starfish
Omenspeaker
Siren of the Silent Song
Grim Guardian
Erebos's Emissary
Mnemonic Wall
Siren of the Fanged Coast
Hythonia the Cruel
Thoughtrender Lamia


3 Pin to the Earth
Nullify
Font of Fortunes
Hubris
Hour of Need
2 Divination
Asphyxiate
Griptide

10 Island
8 Swamp


Der Start ins Turnier war ebenfalls vielverheißend. Zwar verlor ich eine Runde gegen das weiß-rote Heroicdeck (nicht gegen Satyr Hoplite, keine Angst, sondern gegen Launch the Fleet plus Spear of Heliod), stand aber dann mit flottem 2 : 1 und somit einer guten Ausgangsposition dem Constructedteil gegenüber. Hier übrigens noch einmal meine Liste:


6 Forest
6 Swamp
4 Temple of Plenty
3 Temple of Malady
3 Temple of Silence
2 Mana Confluence

2 Polukranos, World Eater
4 Sylvan Caryatid
4 Satyr Wayfinder
4 Courser of Kruphix
1 Reaper of the Wilds
3 Ashen Rider
3 Abhorrent Overlord


2 Thoughtseize
2 Drown in Sorrow
4 Hero's Downfall
2 Silence the Believers
3 Whip of Erebos
2 Elspeth, Sun's Champion

Sideboard:

4 Dark Betrayal
2 Bile Blight
2 Deicide
2 Thoughtseize
1 Drown in Sorrow
1 Elspeth, Sun's Champion
1 Silence the Believers
1 Worst Fears
1 Pharika, God of Affliction


Runde 1 gewann ich sogar noch gegen Monoschwarz, danach wurde ich gegen Tobi Gräfensteiner gelost, welcher das auf die Karte identische Deck spielte. Die Spiele sind so grindy, wie man sich das in dem Matchup vorstellen kann, und wir trennten uns unentschieden 1 : 1. Ein Draw ist am ersten Tag quasi ein Loss, aber noch viel schlimmer als das: Wir rutschten beide ins Drawbracket. Da verlor ich erst mal gegen Constellation – eine Liste mit Dictate of Karametra, die sich dann irgendwie per Eidolon of Blossoms komboesk ins halbe Deck zieht.

Dagegen verlor ich halt, danach durfte ich gegen einen Menschen antreten, welcher mir als unendlich langsamer Spieler in Erinnerung war. Obwohl ich ihn wie ein Streitross im römischen Wagenrennen durch die Partien hetzte, trennten auch wir uns am Ende unentschieden – wovon er etwa 40 Minuten der Zeit in Anspruch nahm und ich etwa deren 20. Ich bat ihn aufzugeben, da er offensichtlich viel mehr Zeit des Spiels beansprucht hatte und das Board am Ende sehr zu meinen Gunsten aussah (Whip of Erebos auf meiner Seite und nichts auf seiner), aber das wollte er nicht. Dafür meinte er, nein nein, er hätte schon noch gewonnen, und deckte die obersten Karten seiner Bibliothek auf, um es mir zu beweisen – noch bevor wir den Ergebniszettel unterzeichnet hatten. Das gefiel dem Judge neben uns nicht sonderlich und beinahe wären wir dafür beide aus dem Turnier geflogen. Warum ich meinerseits ebenfalls misstrauisch vom Judge beäugt wurde? Weil ich Depp natürlich im Affekt meinte: Nein, hättest du nicht gewonnen, und auch die obersten Karten meiner Library aufdeckte. Dennoch, aus meiner Sicht war das Ergebnis schon klar ein Draw, was dann auch den Headjudge beschwichtigte. Trotzdem, die ganze Situation tiltete mich ziemlich, vor allem weil ich es sportlich gefunden hätte, in der Situation meines Gegners zu conceden, aber mir ist auch klar, dass man das von niemandem erwarten kann, dass das nur meine Meinung ist und nicht Common Sense. Na ja, zur Krönung des Ganzen durfte ich zum Schluss noch gegen Esper spielen – unser wohl schlechtestes Matchup – und so stand ich dann nach anfänglichem 3 : 1 auf einmal 3 : 3 : 2. Well done, achievment unlocked!


Die 13-Rare-Challenge

Atlanta war nicht auf voller Linie ein Misserfolg. Man bedenke die ganzen gemütlichen Abende mit Basketball, Bier, Magic Online und Tichu, die zahlreichen interessanten Diskussionen und natürlich auch die spannenden Begegnungen. Mein persönliches Highlight jedoch war klar der zweite Tag der Pro Tour. Moment, darf man da neuerdings mitspielen mit 3 : 3 : 2? Natürlich nicht, zumindest nicht im Mainevent. Für alle Schaulustigen sowie die motivierten Pro-Recken, die sich trotz Scheiterns am ersten Tag nochmals die geballte Ladung Magic geben wollten, gab es am zweiten Tag Gratisdrafts mit den R&D-Leuten von Wizards. Das wussten glücklicherweise nicht allzu viele, denn die Plätze waren auf 21 Leute beschränkt – drei Drafttische zu je sieben Spielern und eben den R&D-Meistern. Ich hatte mich zusammen mit einem mir bekannten Gesicht aus dem Tessin für den Mike-Long-Tisch eingeschrieben und da nahmen wir rund zehn Minuten vor Start des Drafts auch Platz. ihr werdet es bereits erraten haben, meine Intention war keineswegs, ein starkes Deck zu draften. Zumindest nicht als oberste Priorität. Mein Ziel war stattdessen, den guten Leuten mit mindestens zehn Rares die Hölle heiß zu machen. Aber wie kriegt man das hin in einem Gratisdraft, bei welchem doch alle Leute in einer Selbstverständlichkeit raredraften? Nun, da wusste sich Onkel Nico schon zu helfen. Als wir uns zu zweit an den Drafttisch setzten, platzierte ich gekonnt meinen Rucksack zu meiner Rechten. Nach und nach tröpfelten auch die anderen Teilnehmer ein, setzten sich zufällig an den Tisch, bis dann zu guter Letzt Sir Mike Long himself zu uns stieß. Nur noch ein Platz frei, per Zufall neben dem guten, alten Raremagier. Und: Wer bei R&D arbeitet, wird doch kaum raredraften, oder?

Nun, mein genialer Plan hat natürlich bestens funktioniert. Nachdem ich in Pack 1 volle drei Dictate of Karametra erhielt, wusste ich, dass meinem kompletten Durchbruch nichts mehr im Wege stehen würde. So sah mein Juwel eines Decks am Ende aus:


Font of Fertility
Unravel the Aether
Font of Return
2 Kruphix's Insight
Bow of Nylea
Anger of the Gods
Astral Cornucopia
3 Dictate of Karametra
Hunter's Prowess


2 Bearer of the Heavens
Humbler of Mortals
2 Eater of Hope
Fated Return
Nylea's Disciple
Sylvan Caryatid
Golden Hind
2 Leafcrown Dryad

3 Swamp
4 Mountain
10 Forest


Man beachte: Mein Sideboard enthielt unter anderem noch zwei weitere Rares: Heliod, God of the Sun und irgendetwas Irrelevantes. Ich musste schon schmunzeln beim Öffnen des Sonnengottes, denn stellt euch mal all die schönen Spielsteine vor, die man mit drei Geboten erzeugen kann. Aber die gute Nylea's Presence ließ mich im Stich, daher mussten es dann die anderen Goldkarten richten. Mit dem Deck gewann ich im Übrigen in drei Runden ganze vier Spiele und verlor auch deren vier. Schön symmetrisch also. Nebst verschiedenen, eleganten Kills durfte ich gegen Mike Long einmal auf die Killerkombo Bearer of the Heavens plus Eater of Hope zurückgreifen. Lest die Karten gut durch und merkt selbst, was da Amüsantes passiert …!


Nico, Gott der limitierten Fähigkeiten

Damit sind meine Limitedabenteuer aber noch nicht zu Ende. Eigentlich bin ich ja nicht der Typ, der gerne prahlt, aber manchmal kommt man eben nicht darum herum. Matteo, mein Draftbegleiter von vorher, hat in der Coverage nämlich Folgendes aufgeschnappt: Bei der Pro Tour wurde ausgerechnet, wer im Limited an Premierturnieren (GP und PT) den besten Lifetime-Score hat (ich denke mal, gewertet wurde erst ab einer bestimmten Anzahl Turniere). Und ratet mal, wer in diese Liste trotz all den Rare-Challenges an zweiten Tagen bei Grand Prix reingerutscht ist. Meine Wenigkeit! Solche Nachrichten hört man natürlich gerne und umso motivierter ging ich dann zuhause meine nächsten Drafts an. Schließlich musste ich auf Magic Online noch Journey into Nyx komplettieren. Etliche Triple-Nyx-Drafts, unendliche Pin to the Earth-Milldecks und doch einige Extrabooster später sah mein Rating dann folgendermaßen aus:


Solche Erfolge trösten einen dann ganz gut über Misserfolge bei der PT hinweg. Außerdem: Wer braucht schon Fame und Erfolg auf der Tour? Man weiß doch, dass man in dem Spiel alles erreicht hat, wenn man Folgendes in der Mailbox vorfindet:


So, an der Stelle mal ein großes Dankeschön an alle Leser, welche sich durch die ganzen Brags gekämpft haben, ich gebe mir Mühe, mich nun wieder demütigeren Zeilen zu widmen.


To Be Continued …

Auf was lohnt es sich denn noch zu freuen jetzt, da diese Pro-Season für mich auch schon wieder abgelaufen ist? Nun, da gibt es Einiges:

Vintage Masters auf Magic Online: Ich denke, ich werde in den nächsten Artikeln von nichts anderem mehr berichten …
P
GP Mailand: Limited, Theros, Pin to the Earth. Und dazu Pizza und lustige Gesellschaft. Was will man mehr?
P
Worlds 2014: Da es momentan ganz danach aussieht, als könnte ich meinen Captainstatus halten, wird wohl schon in einem halben Jahr wieder auf Pro-Niveau gespielt werden. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sich die guten Leute bei den WMCQ qualifizieren. Ansonsten benötige ich dann eine gute Ausrede, um mich vor dem Event drücken zu können … (im Übrigen: Was passiert eigentlich, wenn der Kapitän oder ein Qualifizierter nicht antritt? Rückt dann der Vizekapitän nach, oder geht das Team halt zu dritt?)
P
Mein Silberlevel hält ja noch eine Saison an. Zwar werde ich wohl nicht nach Hawaii reisen können, beziehungsweise es gar nicht wollen für einen Wochenendtrip, aber es folgt ja bestimmt eine europäische PT im nächsten Jahr. Oder gar eine japanische …? Good times ahead!





Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Nico Bohny

[03.07.2016]28 Weeks Later
[25.06.2016]Vom Tellerwäscher zum Millionär #16
[19.06.2016]Vom Tellerwäscher zum Millionär #15
[12.06.2016]Vom Tellerwäscher zum Millionär #14
[06.06.2016]Vom Tellerwäscher zum Millionär #13


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite