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Eternal
Von erhaltenen und verwehrten Geschenken
von Nico Bohny
20.03.2014


Geschenke erhält man nicht nur an Weihnachten und am Geburtstag. Der liebe Magic-Gott, unter Kennern auch „der Shuffler“ genannt, hat es bei den letzten Pro Touren echt gut mit mir gemeint, was in komischer Weise mit meiner immer mal wieder aufflackernden Devotion verknüpft sein mag, sich aber gewissermaßen in umgekehrtem Maße dazu zeigt.

Limited testen für Pro Tour Valencia? Wie denn, ist ja noch gar nicht auf Magic Online. Drei Drafts nach dem Release gemacht, bäm, 6:0 gedraftet auf der Tour.
P
Modern testen für die Pro Tour? Na klar, kostet einen ja nur um die 3000 Tix online und unzählbare wertvolle Stunden des eigenen Lebens. Aber mit solch einer Devotion dahinter gesessen, dass selbst der alte Anubis, wenn die Hingabe ihm gewidmet worden wäre, wieder unter den Lebenden wandeln würde. Resultat? Na, ich will mal nichts vorwegnehmen …


Kapitel 1: Modern vor den Bannings

Ich war ein echt emsiges Kerlchen und da ich von Modern nicht wahnsinnig viel Ahnung hatte, nahm ich mir vor, fleißig zu testen und mir einen Einblick in das doch ziemlich umfangreiche Format zu verschaffen. Bei den wenigen Modernturnieren, die ich bis zu dem Zeitpunkt gespielt hatte, pilotierte ich verschiedenste Decks zum Misserfolg, darunter Jund, Death Cloud, Tron, Griselbrand und Scapeshift. Mit den meisten Decks erzielte ich ähnlich viele Siege wie Niederlagen, was wohl nicht primär an der Deckwahl, sondern vielmehr an meiner Fähigkeit, die zahlreichen ausgeliehenen Karten optimal einzusetzen, lag.

Meine Vergangenheit hinter mir lassend befasste ich mich als Erstes mit Living End. Jund war damals noch das große Deck to beat, was man online aufgrund des immensen Kartenwertes zwar nicht so oft antraf wie im echten Leben, aber ich war mir im Klaren, dass man gegen das Deck – zumindest vor den Bannings – vorbereitet sein müsste. Living End schlug sich wacker und ich denke, dass ich tatsächlich auch ein paar echt gute Neuerungen ins Deck einflechten konnte. Gemstone Caverns beispielsweise waren eine echt bombastische Idee – das Deck hatte ohnehin oft Starthände mit einer Blank (Living End oder ein zweiter Cascader), zudem konnte man das Extramana in Zug 0 bereits prima einsetzen. Ich spielte eine sehr explosive Variante mit Simian Spirit Guide, welcher nach dem Boarden per schnellem Thrun, the Last Troll oder Slaughter Games auch alternative Pläne umsetzen konnte. Alles in allem bescherte mir das Deck nicht nur viel Freude, sondern auch eine reichhaltige Ausbeute an Boostern aus den Daily Events. Es hatte bei mir definitiv einen Stein im Brett.


Als Nächstes wollte ich mich aber auch mit dem Buhmann selbst, Jund, auseinandersetzen. Decks to beat angeln sich diesen Titel nicht ohne Grund und von grün-schwarzen Strategien wusste ich aus der Vergangenheit, dass diese nach dem Sideboarden tendenziell besser werden als im ersten Spiel, einerseits wegen dem starken Sideboard, andererseits weil es wenige starke Karten dagegen gibt. Und in der Tat, ich wurde nicht enttäuscht. Jund stellte sich als prächtiges Deck heraus, welches im Online Metagame, welches sich auf die massenhaften Budgetdecks ausrichtete und somit das Jund-Matchup oft vernachlässigte, echt unfaire Sachen anstellte. In meinen Augen war das Problem von Jund, dass man es nicht sinnvoll ausbauen konnte, denn quasi 56 Karten aus dem Maindeck waren unanfechtbar. Dennoch, mit einigen Sideboardinnovationen, unter meinen Favoriten Kitchen Finks und einmal mehr Thrun, ließ sich das Deck nochmals melken und zu starken Finishs bringen. Ich wurde zuversichtlicher. Modern schien mir doch keine so große Hexerei zu sein, als welche ich sie immer empfunden hatte.

Ach ja, ein einziger Wermutstropfen: Mein UWR-Deck, welches mich gedanklich dermaßen gelockt hatte während meiner Südafrikareise, hatte ein unmögliches Jund-Matchup. Und wurde aufgrund dessen rasch vergessen und verworfen.


Kapitel 2: Bannings – Gegebene und entwendete Geschenke

Auf Wiedersehen, Deathrite Shaman! Auf ein Neues, Wild Nacatl und *würg* Bitterblossom!


Die Bannings waren irgendwie vorhersehbar, viele spekulierten in dieser Form darauf und tatsächlich wurde dem guten Jund ein Riegel vorgeschoben. Ich brauchte einen Moment, um zu evaluieren, wie sich dies für meine bisherigen Testergebnisse auswirkte. Meine ersten Gedanken: Jund ist nicht tot, aber sehr geschwächt und wohl kaum mehr ein Schreckensgespenst fürs Format. Living End profitiert vom Graveyardhate, der entfällt, leidet aber unter dem Jund-Matchup, welches man nicht mehr so zahlreich spielen darf, und hat außerdem nicht zwingend tolle Karten gegen Feen. Mein UWR-Kontrolldeck jubelt ob des Untergangs des Erzfeinds, nur um sich Sekunden später in der Sklaverei der Bitterblüte vorzufinden – vom Regen in die Traufe.

Unter dem Strich, und mal ohne pessimistisch klingen zu wollen: Meine getesteten Decks sind jetzt alle Gülle, fangen wir doch noch einmal von vorne an.


Kapitel 3: Die drei Fragezeichen

Bevor ich mich neu ins Getümmel gestürzt habe, nahm ich jedoch den in meinen Händen sterbenden alten Freund Jund an meine Brust, um mit ihm seine letzten Atemzüge zu teilen. Kitchen Finks ins Maindeck, Manabasis angepasst, Discardspells neu gegliedert (viermal Inquisition of Kozilek, zweimal Thoughtseize), neue Karten (Courser of Kruphix, Bitterblossom, Huntmaster of the Fells) getestet, Deck sterbend zurückgelassen. „Ich bin noch nicht tot“, wimmert das Deck aus dem Abfalleimer. Überhört.

Nach alter Modernweisheit „Take it Greasy“ nochmals die Griselbrand-Engine angeworfen, etwas umgeändert, und ins Gefecht geschickt. Das Deck hat schon einiges profitiert vom Wegfall des Schamanen, ist auch solider geworden mit den neu hinzugefügten Karten (Serum Visions, Sleight of Hand), aber gegen Zoo und Feen einfach nicht schnell genug. Ich war mal wieder sehr nahe dran, das Deck mit zur Tour zu nehmen … Wer meine Videos dazu gesehen hat, kann dies sicherlich nachvollziehen.

Dennoch, wie bei jeder guten Herzblattsendung gab's zum Glück noch Kandidat 3. „Wenn du mich in ein romantisches Restaurant in Valencia ausführen würdest, Kandidat 3, wo würden wir am Ende landen?“ – „In Valuetown!“ – „Den nehm ich!“ Kandidat 3 war rot-blau-weißer Natur und ein Hybrid meines alten Kontrolldecks und der gängigen UWR-Listen auf Magic Online. Runed Halo und eine kleine Thirst-Engine um Pithing Needle und Relic of Progenitus hatten es in meine erste Version wie auch in mein Herz geschafft und auf Sphinx's Revelation wollte ich auch nicht verzichten. Meine Win-Option? Trommelwirbel: Academy Ruins auf Engineered Explosives. Und zu einem gewissen Grad auch Celestial Colonnade und Timely Reinforcements im Maindeck sowie Geist of Saint Traft aus dem Sideboard.

Während ich dabei war, das Deck zurechtzustutzen, zeichnete sich langsam online wie auch in unserer Testgruppe ein klareres Metagame ab. Unsere Anwärter und Einschätzungen der Tier-1-Decks waren Birthing Pod, Affinity, Splinter Twin und Zoo. Von den vier Decks schlug ich Affinity und Zoo ziemlich zuverlässig, Twin zu etwa 50% und Pod leider eher selten, obwohl Magus of the Moat aus dem Sideboard beachtliche Dinge dagegen tat. Zusätzliche gute Matchups waren UWR, das man mit Needle auf Tectonic Edge und mit Academy Ruins einfach auskontrollieren konnte, die meisten Kombodecks, welche gegen Runed Halo einfach einpackten, sowie praktisch sämtliche Tierchendecks wie Fische, Sisters und so weiter. Üble Matchups waren Feen und Tron, außerdem war Jund nach wie vor kein Zuckerschlecken. Ich habe lange überlegt, wie ich das Deck noch abändern konnte, um von den Tier-1-Decks auch gegen Pod zu bestehen, und dann kam mir die Lösung des Problems: Gifts Ungiven!



Kapitel 4: One Deck to Rule Them All

Das Deck änderte sich gewaltig mit den Gifts. Die Manakurve musste angepasst werden, das heißt: kein Playset Cryptic Command mehr, weniger Reinforcements, keine Zorneffekte und Sphinx's Revelation mehr, denn für das Late Game beziehungsweise den 4-Drop war gesorgt. Außerdem mussten nette Gifts-Ziele hinein und so kam ein komplett neues Deck zum Vorschein:


4 Celestial Colonnade
4 Scalding Tarn
4 Arid Mesa
1 Mountain
1 Snow-Covered Plains
1 Plains
1 Snow-Covered Island
1 Island
1 Hallowed Fountain
1 Steam Vents
1 Sacred Foundry
1 Clifftop Retreat
2 Sulfur Falls
2 Tectonic Edge
1 Academy Ruins

1 Azorius Signet
1 Engineered Explosives
1 Pithing Needle


3 Snapcaster Mage
1 Iona, Shield of Emeria
1 Elesh Norn, Grand Cenobite

4 Lightning Bolt
4 Path to Exile
4 Gifts Ungiven
3 Spell Snare
2 Lightning Helix
2 Runed Halo

1 Izzet Charm
1 Cryptic Command
1 Negate
1 Thirst for Knowledge
1 Timely Reinforcements
1 Unburial Rites
1 Anger of the Gods


Sideboard:

1 Sowing Salt
1 Counterflux
1 Surgical Extraction
2 Dispel
2 Stony Silence
2 Timely Reinforcements
1 Anger of the Gods
1 Relic of Progenitus
3 Geist of Saint Traft
1 Negate


Kurz zu gewissen Karten und Matchups:

Iona und Elesh Norn waren mit Unburial Rites die Silverbullets gegen die meisten nichtblauen Decks, die man sich gerne in Zug 4 suchte und das Spiel im Folgezug damit beendete.

Thirst for Knowledge und Izzet Charm waren zusammen mit Snapcaster Mage die Targets, welche man suchte, wenn man Unburial Rites beziehungsweise das Reanimationsziel bereits auf der Hand hielt, um mit Umwegen ans Ziel zu gelangen.

Academy Ruins und Explosives konnten das Spiel gegen einerseits langsame Kontrolldecks oder unendlich Leben noch immer gewinnen, indem man sich dem Decktod verweigerte. Außerdem waren beides teilweise angenehme Ziele für Gifts Ungiven.

Schneeländer und Azorius Signet waren als Absicherung gegen Blood Moon im Deck – mit Gifts auf Schneeebene, Ebene und Signet konnte man so beispielsweise auf jeden Fall an weißes Mana kommen.

Zoo war ein gutes Matchup (60%), gegen welches man nach dem Boarden mit zusätzlichem Anger of the Gods und Timely Reinforcements auch gegen Geist of Saint Traft echt gut aufgestellt war. Je langsamer das Zoodeck, desto angenehmer meist das Matchup.

Affinity war ein gutes Matchup (60%), welches man über verschiedenste Wege gewinnen konnte, der am meisten gewählte war aber sicherlich Gifts auf Elesh Norn.

Birthing Pod war plötzlich ein sehr tolles Matchup (65% beziehungsweise 60%), wobei man gegen Melira lieber spielte als gegen Kiki-Jiki. Elesh Norn war für beide Decks quasi unbesiegbar, was sich nun mit der Inklusion von Slaughter Pact in ersterer Version ändern könnte.

Das Twin-Matchup wurde schlechter (40%), da man Antworten und Carddraw mit einer Engine ersetzte, welche hier nur eine sekundäre Rolle innehatte. Dennoch war das alles andere als schlecht, hing allerdings in vielen Situationen auch mit dem Können des Piloten zusammen. Remand in dickmannschen Händen wäre ein Albtraum gewesen, in den Händen manches Durchschnittsspielers war es aber durchaus besiegbar.

UWR wurde ebenfalls schlechter (40%), primär, weil man weniger Counter hatte als die alte Version und somit das Late Game gegen Cryptic Command und Sphinx's Revelation verlor. Die Ruins-Engine, welche früher noch etliche Spiele gewann und in diesem Matchup glänzte, wurde somit irrelevant und hätte möglicherweise komplett aus dem Deck gestrichen werden können.

Gegen Jund hatte man etwa einen Coinflip (50%) – Liliana of the Veil ist ein großes Problem, andererseits gewann Iona auf Schwarz oft sofort das Spiel.

Matchups, welche sich um Einzelkarten drehten (Bogles, Storm, Ad Nauseam, Infect) standen und fielen mit den Runed Halos und Gifts, welche man im frühen Spiel fand. Beide Karten beendeten bei gutem Timing schnell das Spiel, deren Wegbleiben verlor es aber innerhalb nützlicher Frist.


Kapitel 5: Tat und Wahrheit

Da stehe ich nun mit einer 3:0-Performance aus dem Draft und darf gegen Florian Pils mit Zoo ran. Gegen Flo verliere ich dauernd, der ist immer so lucky … Ich verliere den Würfelwurf und ebenso ein eher langsames Spiel, in welchem wir beide wegfluten. Im zweiten Spiel muss ich mich mit sechs Karten zurechtfinden, kann dies aber ganz gut und finde mit Timely Reinforcements und Gifts Ungiven wunderbar ins Spiel. Das dritte Spiel beginnen wir beide auf sechs Karten, Flo jedoch deutlich schneller als ich. Als ich mein viertes Land nicht ziehe und mit Gifts Ungiven auf der Hand keine relevanten Plays habe, ist dann leider Endstation.

Schon etwas gefrustet geht's in der Folgerunde gegen Adam Jansen mit Jund ran. Ich gewinne den Würfelwurf, halte eine etwas flutgefährdete Hand und werde von Thoughtseize und Liliana bestraft. Das zweite Spiel ist echt spannend: Er spielt im vierten Zug Liliana, ich Gifts auf Iona. In meinem Zug reanimiere ich die Dame, und werfe einen Blitz in Richtung Planeswalker. Ich bin auf 19, er auf 18 Leben, das Spiel sollte doch entschieden sein. In seinem Zug beschwört er zwei Goyfs, welche beide 7/8 sind, legt Raging Ravine und manövriert Liliana auf zwei Marken hoch. Hoppla. Ich fische mir gekonnt mein sechstes Land von oben, aktiviere die Colonnade, renne die Liliana um und haue ihn derweilen auf elf. Er aktiviert Ravine, schlägt mich auf eins und stirbt per exaktem Schaden. Uff! Im dritten Spiel kann ich eine schnelle Iona auf Schwarz zum Sieg reiten.


Die dritte Runde gewinne ich ziemlich schnell gegen Michael Servis mit Melira-Pod. Zwar bleibe ich nach gewonnenem Würfelwurf während drei Zügen auf drei Mana stehen, während er einen aktiven Pod am Laufen hat, aber das vierte Land und somit eine Elesh Norn aus den Tiefen meines Grabes arbeiten seine Bemühungen der letzten Züge schnell wieder ab. Elesh ist einfach so derart unfair gegen dieses Deck!

Und gegen Birthing Pod darf ich ein weiteres Mal ran, diesmal gegen die Kiki-Version, pilotiert von Gabriel Nguyen. Er gewinnt den Wurf und legt los mit Noble Hierarch into Pod into Kitchen Finks und Glen Elendra Archmage. Na herzlichen Dank! Im zweiten Spiel darf ich, diesmal mit nur fünf Karten, abermals den Kampf gegen Turn-2-Pod into 3-Drop bestreiten, wobei mir über den Zeitraum von drei Zügen ein Land von oben den Sieg bringen würde, da Elesh Norn schon im Grabe lauert, aber eben, Konjunktiv und so. So macht's einfach keinen Spaß!


In der letzten Runde des Tages wird's ernst gegen Marcelino Freeman mit Bogles. Das erste Spiel verliere ich nach verlorenen Würfelwurf gegen den typischen Hexproof/Aura-Draw. Leider ohne Runed Halo. Spiel 2 beginnt langsamer – er hat zwar den Hexgeprüften, ich dafür Negates für die Auren und dann Gifts auf Iona. Spiel 3 ist skurril. Sehr sogar. Wir nehmen beide Mulligan, er beginnt mit Leyline of Sanctity (warum boardet er die? Weil ich ihn in Spiel 2 umgeblitzt habe?) und Dryad Arbor, aber keinem zweiten Land. Meine Hand ist etwas langsamer, ich kann aber mit Engineered Explosives seine zwei Auren vom Land entfernen. Er hat also ein 1/1-Land und sonst nichts Relevantes auf dem Tisch, ich eine volle Hand und kann im vierten Zug Gifts Ungiven zocken. Nicht. Leyline noch einmal durchgelesen, Mist, stimmt ja, Gifts zielen auf Gegner. Na ja, halb so schlimm, ich halte ja noch Snapcaster Mage und zwei Counter, da kann einfach nichts schiefgehen. Den Arbor erlege ich mit Lightning Helix, gehe wieder auf elf Leben, sollte doch alles in Ordnung sein. Einen Slippery Bogle lasse ich resolven, kann mit Snappi seine Aura countern, alles im grünen Bereich. Er beginnt meine Mages auf den Path to Exile zu schicken. (Warum boardet er die? Ich habe doch Iona auf Weiß im Deck und sonst nix Entfernenswertes?) Ich lasse die Paths resolven, da ich mittlerweile Iona gezogen habe und nähere mich meinen neun Mana. Einen weiteren Bogle lasse ich ins Spiel und spare mir Negate und Counterflux für wichtigere Aufgaben. Dann endlich auf neun Mana angekommen slamme ich Iona, Shield of Emeria auf Weiß und halte das Spiel für gewonnen. Aber denkste – er spielt Doppel-Dismember (hääää?!) auf die weiße Dame und eine Aura auf den Bogle. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich habe fünf weitere Züge, um eine Colonnade, Timely Reinforcements, Runed Halo, einen weiteren Snapcaster Mage, ein irgendwas zu ziehen und faile. Und verstehe die Welt noch weniger. Während des ganzen Spiels hatte ich keinen Moment lang das Gefühl, irgendwie verlieren zu können, und dann ist es einfach passiert. Irgendwie. Niederlagen sind immer bitter, aber an dieser hatte ich echt zu nagen.

Der zweite Tag startet vielversprechend mit einem weiteren 3:0 im Draft. Von der Pein der letzten Modernrunde langsam erholt mische ich meine Karten gegen Alkio Anssi mit Twin. Würfelwurf verloren, Mulligan genommen, auf dem falschen Fuß erwischt, tot. Auch im zweiten Spiel Mulligan, schneller Geist of Saint Traft, Hoffnungsfunken. Spiel 3, auf drei Mana gescrewt, dann von Cryptic Command und Remand auskontrolliert. Ich hasse Constructed! Ich hasse Magic! Ich hasse den Shuffler!


Runde 2 gegen Alex Andrup mit Fish. Und die Welt ist wieder in Ordnung. Ich gewinne den Wurf, grinde den Gegner aus, wunderbar. Spiel 2 verliere ich nach Mulligan zwar, aber Spiel 3 gewinne ich trotz dreifacher Spreading Seas und dreimal Mutavault. Ein Spiel übrigens, welches ich auch gut hätte verlieren können, doch er hat mir teilweise gut in die Hände gespielt. Einmal beispielsweise greift er mit drei Exemplaren von Cursecatcher in meine Reinforcement-Tokens an. Er hat den Lord aus der Vial, ich den Pfad. Hui. Und als er dann mit seinen Mutavaults in meine Colonnade chumpattackt, nur um zwei Züge später Snapcaster auf Timely Reinforcements zu ernten, das war dann doch zu meinen Gunsten. Und auch erstaunlich, wie schnell mein Frust wieder besänftigt ist und ich hinter meiner Deckwahl stehe.

Die nächste Runde spiele ich gegen Maksym Gryn mit Big Zoo. Er äußert sich negativ zu seinen Modernkünsten, und meint, er habe einfach sein Standarddeck mitgebracht. Humblebrag? Ich glaube es ihm nicht ganz, merke dann aber, dass er es nicht ganz unernst gemeint hat. Er spielt Naya mit Voice of Resurgence, Domri Rade, Huntmaster of the Fells, Loxodon Smiter und Stormbreath Dragon, aber schon auch garniert mit Wild Nacatl und Noble Hierarch. Er gewinnt den Wurf und beginnt mit Voice, ich mit Path to Exile. Den folgenden Huntmaster kann ich noch verkraften, der zweite, gepaart mit Stormbreath Dragon, ist allerdings zu viel des Guten. Da hat er mich tatsächlich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich ärgere mich schon ziemlich und will wirklich nicht gegen das alte Standard-Naya verlieren (welches zugegebenermaßen gar nicht schlecht ist gegen mich). Glücklicherweise sind meine nächsten beiden Draws von Gifts Ungiven und Runed Halo gesegnet und so gewinne ich ziemlich schnell 2:1. Das bedeutet schon mal Geld und ich freue mich, noch um Top 25 spielen zu dürfen.


Aber der Traum ist schnell ausgeträumt. Die nächste Runde verliere ich gegen UWR-Twin von Bahadir Sirkecioglu. Das Matchup ist echt nicht so prickelnd, primär weil Restoration Angel einfach stark ist gegen mein Deck. Und weil ich eine Iona auf Blau setze, nachdem ich schon drei Pfade gesehen habe. Und er natürlich auch den vierten zieht. (Und ja, die Karte gehört auf die Ersatzbank in den Spielen 2 und 3, zumindest zwei Exemplare davon.)

Die letzte Runde bestreite ich gegen Diego Mayo Gavela. Wir könnten drawen für Top 50, aber ich rechne mir minimale Chancen auf Top 25 aus und möchte spielen. Er pilotiert UWR und gewinnt den (diesmal wenigstens nicht relevanten) Wurf, während ich mulligane, und wir müssen beide schmunzeln, als wir uns Academy Ruins und Explosives zeigen. Seine Liste sieht meiner alten echt ähnlich und wenig verwundernd besiegt er mich im ersten Spiel. Zwei weitere Mulligans meinerseits, dafür allerdings einen Turn-3-Geist später sind wir wieder am Mischen. Das dritte Spiel entlockt uns abermals verschmitzte Lächeln. Am witzigsten eigentlich der Moment, in welchem ich Surgical Extraction spiele und sehe, dass er fast identisch wie ich geboardet hat – mehrere Geists, Counterflux, Dispel, Negate und Extraction. Als er Letztere zieht und auch mein Deck durchkämmt, müssen wir beide grinsen. Ein Bruder im Geiste! Dem mag ich den Sieg dann auch gönnen. Dennoch, schade um die schlechte Perfomance des Decks, ich hätte mir nach der echt intensiven Vorbereitung mehr erhofft.

Zusammenfassend noch einmal im Schnelldurchlauf:

Matches: 4:6
Spiele: 12:15
Würfelwurfe: 3:7
Mulligans: 11:2

Klar, die Statistiken frusten, aber ja, man nimmt mit einem Deck, welches teils aus 1-offs besteht, die man lieber sucht als zieht, auch mal eine neue Starthand, wenn man kein gieriger Bastard ist. Und den Würfelwurf kann man halt ebenso mal verlieren. Was lernen wir also aus dem ernüchternden Resultat? Das Leben ist kein Bohnyhof!


Kapitel 6: Zwei Lichtblicke im Dunkeln

Zwei spaßige Geschichten, welche ich erst in Barcelona gehört beziehungsweise erlebt habe, möchte ich euch trotzdem nicht vorenthalten.

Die erste mögen einige von euch schon kennen, und möglicherweise auch besser erzählen können als ich, da meine Ich-habe-von-einem-Freund-eines-Freundes-eines-Freundes-gehört-Version bereits über einige Ecken geht. Dennoch, die Kerngeschichte: Kiki-Pod spielt gegen UWR, es steht unentschieden, die Extraturns werden ausgerufen. Der UWR-Spieler sieht keinen Sinn im Ausspielen der fünf Züge, aber der japanische Pod-Pilot möchte sich den Spielspaß nicht entgehen lassen. Also beginnt der UWR-Mann mit Celestial Colonnade, der Podder legt ebenfalls ein Land, in Extrazug 3 kommt dann ein Fetchland dazu und im vierten Extrazug probiert eine Voice of Resurgence, das Spielfeld zu betreten. Wahrscheinlich bereits müde, wahrscheinlich im Affekt von „Voice böse – Voice weg“ und wahrscheinlich einfach ohne viel zu überlegen, spielt der UWR-Spieler seinen Counter auf das güldene Hirschgeweih. Der Japaner darauf: Summoning Trap, findet Eternal Witness, holt sich die Trap zurück. Nochmals Trap, findet Restoration Angel, blinkt Witness, noch 'ne Trap. Diese findet Kiki-Jiki, geht in die Kombo, gewinnt. Leider geil!


Zweite Story: In Barcelona, nach gefizzeltem Day 1, wird Bananenbier (zwei Teile Bier, am besten Weizen, ein Teil Bananensaft, klasse Getränk, probiert's selbst aus!) getrunken und im Appartment rumgehangen. Vom Sideevent am Freitag liegen noch gewonnenen Booster herum und die guten Leute wollen unbedingt, dass meine geöffnet werden. Johlende Sprechgesänge, und schon gebe ich mich geschlagen. Aber nicht ohne Plan. Um den Leuten wenigstens eine gute Show zu bieten, reiße ich ohne ihr Wissen einen Booster sanft an und schmuggle meinen Stormbreath Dragon, welchen ich auch beim Sideeventdraft ergattert habe, als viertletzte Karte ins Booster. Schließlich will man die Leute, die es einem ja ohnehin nicht gönnen („LOL, und der Lucker rippt noch die Moneyrare, gibt's ja nicht!“), ein wenig foppen. Und dazu animieren, im Goldrausch ihre eigenen Booster zu öffnen. Also komme ich mit dem Booster wieder, öffne ihn theatralisch auf der noch verschlossenen Seite, gehe mit der allgemeinen Aufmerksamkeit behutsam sämtliche Commons und Uncommons durch, und dann … boah, Stormbreath Dragon. Alle beeindruckt! Dann Frage aus hinterster Reihe: Hat's noch 'ne Foil im Pack? Ich fühle mich auf halber Strecke ertappt, schau mir im für die anderen unsichtbaren Winkel die „wahre“ Rare des Boosters an: Stormbreath Dragon. Gifts Given!




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