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Eternal
Liliana im Bikini?
von Pascal Baatz
13.03.2012

[Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel musste auf seine Veröffentlichung ein paar Wochen warten. Wir hoffen, dass er zwischenzeitlich nichts an Relevanz eingebüßt hat.]


Zu diesem Legacyartikel haben mich zwei Fragen getrieben, die sich bereits während des GP Amsterdam in meinem Kopf festgesetzt hatten. Vor, während und danach schwärmte mir ein Teamkollege von der Stärke der neuen Liliana vor, ein anderer von ihrem Aussehen. Ich feuerte, wie so häufig, zunächst eine volle Breitseite sarkastische Skepsis ab. Liliana of the Veil im Blade-Control oder in einem Kontrolldeck ŕ la Landstill? So richtig konnten die Manabasen dieser Decks und ich uns das nicht vorstellen. Frage Nummer 1 lautet also: Ist Liliana of the Veil schön gut, und wenn ja, in welchem Deck?

Einer meiner Gegner des Grand Prix, Christophe Gregoir, spielte dann auch ein blauschwarzes Aggrokontrolldeck mit ebenjenem Planeswalker gegen mich. Irgendwo zwischen Team America und Blade-Control schien es eine Nische zu geben, die Gregoir und einige andere Spieler ausgelotet hatten. Als ich aber nachher nicht mehr viel von diesem Deck gesehen habe, stellte sich mir die Anschlussfrage, ob UB gut sei. Dass ein Deck in der Versenkung verschwindet, muss ja nicht zwangsläufig heißen, dass es prinzipiell schlecht wäre. Vielleicht haben die Konstrukteure einfach zu gängigen Varianten gewechselt oder das Metagame hat sich zum schlechten gewandelt.


Die schöne Liliana


Wie ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben habe, sollte man Planeswalker unter drei groben Gesichtspunkten betrachten. Dabei sind alle drei miteinander verbunden.

1)

Kann der Planeswalker überhaupt ausgespielt werden. In welchem Zug ist das durchschnittlich (Manabeschleunigung/Farbanforderungen) der Fall beziehungsweise sollte es der Fall sein.

2)

Sind die Fähigkeiten für die Boardposition, das Spiel, das Deck zuträglich. Hier muss man sowohl mit den Manakosten abwägen als auch mit den Kompromissen, die beim Deckbau eingegangen werden.

3)

Kann der Planeswalker beschützt werden, beziehungsweise kann er sich selber schützen.

Während Frage 2 auf das Potenzial abzielt, beschäftigen sich die anderen beiden damit, ob das Potenzial in dem gespielten Deck auch abgerufen werden und zum Tragen kommen kann. Planeswalker müssen üblicherweise in der richtigen Situation gespielt werden, um über Züge hinweg den vollen Effekt zu erzielen. Kann das gewährleistet werden oder ist es zu aufwändig?

Das Potenzial von Liliana ist, die Removal- und Discardkomponente eines Decks zu verstärken. Auf Liliana als alleinige Quelle dieser Effekte will ein Deck nicht vertrauen. In Hinblick auf den Discard muss sich der Deckbauer die Frage stellen, ob die Symmetrie der Fähigkeit ein Problem ist. Es muss nicht notwendigerweise Life from the Loam oder … Squee, Goblin Nabob gespielt werden, aber die ein oder andere Karte sollte man schon verschmerzen können.

Schaut man sich die Manakurven von Legacy an, so passt sich die schwarze Dame hier akzeptabel ein. In den ersten Zügen: Viel disarden und erste wichtige Kreaturen vom Tisch halten. Im dritten oder vierten Zug soll dann Liliana kommen, die sich vielleicht noch um den letzten Überlebenden kümmert. Idealerweise möchten wir Liliana aber gleich auf einen leeren Tisch legen und die Loyalität hochziehen, dann nämlich beschützt sich die Karte voraussichtlich nicht nur lange und effektiv, sondern macht es dem Gegner ungemein schwer, eine gute Position aufzubauen. Weder nutzen einzelne Kreaturen noch kann die Hand lange aufgestockt werden.

So gut wie die geringen Manakosten sind, so restriktiv ist . Zusammengefasst wird also ein Deck benötigt, dessen Anfangsstrategie Disruption ist und das doppelschwarzes Mana relativ sicher im dritten, spätestens vierten Zug hinbekommt. Hinzu kommt, dass das gesuchte Deck entweder redundante Spells zum Abwerfen haben sollte und/oder ab Liliana of the Veil auch einfach nicht mehr Mana benötigt und somit Länder abwerfen kann. Da sie die Entscheidungen immer dem Gegner überlässt, nimmt sie in diesem Deck ganz klar eine unterstützende Rolle ein. Wo Jace, the Mind Sculptor in Kontrolldecks ein wichtiges Standbein geworden ist, würde ich die Funktion eher als Sargnagel umschreiben. Ja in Anbetracht der Flexibiltät gegen Aggro-, Kombo- und Kontrolldecks sogar schon als Sargnagelpistole.


Das starke Blau-Schwarz


Wie nicht wirklich schwer zu erraten war, führt uns die obige Analyse geradewegs zu dem blauschwarzen Deck, das eingangs erwähnt wurde. Blau bietet flexible Disruption und Kartenselektion, um Liliana und die richtigen Länder zu finden. Die eigenen Spells sind günstig, sodass Länder discardet werden können, und zur Not kann ein Snapcaster Mage auch einen abgeworfenen Zauberspruch verwenden.

Zum Großteil baut sich das folgende Deck von selbst. Wegen Liliana möchten wir guten Discard wie Hymn to Tourach, weswegen mehr als zwei Farben von vornherein schwierig werden. Eine wichige Entscheidung muss man bei den Kreaturen treffen. Werden die üblichen Wizards für ein Deck rekrutiert, das eher zur Kontrolle neigt, oder wird der bekannte Weg mit Abyssal Persecutor und Cabal Therapy und Liliana of the Veil als Sac-Outlets beschritten.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass es hier um ein kompetitives Deck gehen soll. Eines, welches mir schon in ähnlicher Form um die Ohren gehauen wurde. Dementsprechend wendete ich mich von dem „vollstarken Flieger für vier Mana“ ab und landete hier:


4 Underground Sea
4 Polluted Delta
4 Verdant Catacombs
2 Swamp
2 Island
2 Creeping Tar Pit
2 Wasteland

4 Dark Confidant
4 Snapcaster Mage
3 Vendilion Clique


4 Force of Will
4 Spell Snare
4 Brainstorm
4 Hymn to Tourach
2 Liliana of the Veil
2 Jace, the Mind Sculptor
2 Doom Blade
2 Dismember
1 Unearth
2 Into the Roil
2 Surgical Extraction


Aus den hohen Anforderungen an die Farbsicherheit, gleichzeitig aber einer schwachen Kreaturenbasis ergibt sich eine seltsame Manabasis für ein zweifarbiges Deck. Acht Fetchländer harmonieren allerdings auch mit den Jaces und ab einem gewissen Zeitpunkt sammeln sich die Länder sowieso für Brainstorm und Liliana auf der Hand. Vier Länder, die keine Farbe produzieren, verträgt das Deck bei zwanzig Ländern nicht so gut, also wird in den – vermeintlich bitteren – Teerapfel gebissen.

Da die Deckstrategie auf Kontrolle ausgelegt ist, passen sich Creeping Tar Pit und Wasteland als unterstützende Karten gut ein. Der Plan ist, sie nachher bereit zu haben, nicht sie sofort zu verwenden. Auch die Kreaturen unterstüzten mit ihren Fähigkeiten primär die Kontrollrolle. Schaden zu verursachen, ist zunächst zweitrangig. Ein Phantasmal Image, das sonst gerne einmal mit Snapcaster Mage und Freunden kombiniert wird, kann hier durch das flexiblere Unearth ersetzt werden.

Die sonst so üblichen 1-Mana-Discarder habe ich hier aus einem einfachen Grund weggelassen. Anders als die Hymne sind sie eben symmetrisch und da haben wir in Blau Gegenzauber als bessere Alternative. Lieber fange ich später im Spiel manche Topdecks mit Spell Snare ab, als dass ich mich mit weiteren vier Discardspells zu einseitig aufstelle. Weg von der Einseitigkeit gehe ich auch mit Surgical Extraction und Into the Roil. Ein Deck, das die wichtigsten Bedrohungen des Gegners so sicher in den Friedhof bekommt und auch nicht schnell gewinnen will, kann ruhig zur Extraction greifen.


Interessanterweise sind die Aufgaben von Into the Roil und Surgical Extraction sogar ähnlich. Der Bouncespruch hilft ab und an im Early Game aus, ist aber eigentlich für schwerwiegende Probleme gedacht. UB-Control kann hervorragend mit Problemen umgehen, die sich in der Hand des Gegners oder auf dem Stack befinden. Schafft es eine Verzauberung, ein Artefakt oder ein Planeswalker jedoch durch das Netz, soll Into the Roil Abhilfe verschaffen. Zurück auf der Hand eröffnen sich dann wieder Optionen, auch dank Liliana. Dementsprechend ist Into the Roil eine Karte, die man möglichst für schlechte Zeiten aufbewahren sollte. Genauso wirkt eine sorgsam gezielte Surgical Extraction dafür, dass bestimmte Problemkarten gar nicht mehr nachgezogen werden.

Diese vier Slots sind also indirekte Problemlöser und dank Snapcaster Mage und Unearth auf selbigen virtuell in großer Stückzahl verfügbar. In einem Deck mit Weiß- oder Grünsplash wäre Vindicate respektive Maelstrom Pulse gesetzt. In UB müssen wir hier mit Kniffen arbeiten, die aber auch besser mit Dark Confidant und der Zielsetzung einer schmalen Manabasis harmonieren. Grundsätzlich schlechter sind diese Karten übrigens nicht. Das mekrt man spätestens, wenn der erste Stoneforge Mystic vom Blade-Control-Magier mit einer Extraction bedacht wird oder man sich keine Sorgen mehr über Swords to Plowshares auf Confidant machen muss.

Bevor ich etwas zum Sideboard sage, ein paar Notizen zu den Testspielen: Ich habe so einige davon gegen die wichtigsten Decks des Formates bestritten und war wirklich überrascht. Die Realität ist ja für vieles bekannt, nicht aber für ihre Nachsicht. Doch dieses UB-Deck spielt sich nicht nur sehr interessant, sondern ist im Meta auch gut aufgestellt. Das Verblüffende ist, dass der Spieler eben nicht mit sieben Handkarten den Gegner angrinst, der eigentlich schon seit zehn Zügen verloren hat, nur um dann gegen ein anderes Deck in Turn 3 ausgenommen zu werden. Diese Liste setzt auf Materialschlacht! Vor allem gegen UR-Delver gab es lange Phasen, wo beide Spieler im Topdeckmodus waren. Letztendlich setzt sich UB in diesen Situation sehr oft durch. Extractions nehmen dem Gegner gefährliche Topdeckchancen, Planeswalker sind ohnehin Bomben in diesen Situationen und alle Kreaturen erzeugen Mehrwert.


Im Laufe der Spiele hat sich außerdem herauskristallisert, dass Teer gar nicht bitter schmeckt. Creeping Tar Pit ist ein unglaublich unterschätztes Land. Es nagt unaufhaltsam am Gegner, während Mages und Confidants sich hier und da auch schon mal vor dicke Viecher werfen. Nicht wenige Spiele endeten schlicht deswegen, weil dem Gegner eine Antwort auf das Land fehlte. Wie bei gutem Wein oder Wertanlagen liegt es allerdings erst einmal eine ganze Weile nur herum. Erst wenn die gegnerische Hand nicht mehr nach Removal riecht, kann Mana in der Teergrube versenkt werden.

So gut sich diese Maschine im Maindeck auch gegen sämtliche blaugewandeten Gegner schlägt, so problematisch ist das Matchup gegen Maverick. Dementsprechend schlecht war mein ursprüngliches Sideboard. Null Rod zu haben, war zwar ganz angenehm, aber im Endeffekt fehlte es öfter an Pithing Needle für Pernicious Deed, Planeswalker, Mother of Runes oder Grim Lavamancer. Andere Teile mussten schleunigst durch mehr Removal ersetzt werden. Von Perish/Virtue's Ruin würde ich jedoch ungern mehr als je zwei Exemplare einpacken. Die sind mana- und spieltechnisch schon strapaziös genug einzufädeln. Also lieber auf günstiges Removal wie Ghastly Demise, mehr Doom Blade oder Deathmark setzen. Wer Tribaldecks erwartet, greift natürlich noch zu Engineered Plague.


Sideboard:

3 Pithing Needle
2 Deathmark
2 Ghastly Demise
2 Perish
2 Virtue's Ruin
2 Tormod's Crypt
2 Sower of Temptation


Grafdigger's Cage bleibt aus letztens geschilderten Gründen draußen, Sower of Temptation hingegen drinnen. Wie Creeping Tar Pit ist auch die Fee so eine Karte, die erst im Spiel überzeugt. Berücksichtigt man aber, dass sich der Gegner dank Confidant und Surgical Extraction removaltechnisch des Öfteren verausgabt, so kann man sich denken, warum Sower im Sideboard ist.


Tatsächliche Antworten

Ich habe zwei Fragen gestellt, doch bis jetzt habe ich die Antworten eher angedeutet. Ist Liliana of the Veil wirklich stark, ist UB stark? Nun wie ihr am vorgestellten Deck hoffentlich erkennt, gilt es einige brennende Reifen zu durchspringen, um Liliana nutzen zu können. Besonders hoch hängen die Reifen meistens nicht, aber besonders groß fällt der Applaus hinterher auch nicht immer aus.


Die verschleierte Weltenwanderin ist super, wenn der Tisch nahezu leer ist, und lediglich okay, wenn noch Probleme bestehen. Das kann man für alle gängigen Planeswalker sagen, mit dem Unterschied, dass Liliana eben nur drei Mana kostet und echtes Removal bietet, dafür aber nicht aktiv das Spiel gewinnt. Die zwiespältige Antwort auf die Frage verdeutlicht die obige Deckliste am besten. Ich würde Liliana hier keinesfalls missen wollen, doch mehr als zwei Exemplare will ich eben auch nicht spielen.

Was das Deck betrifft, in dem Liliana untergebracht wird, so können wir von Schwarz aus genauso gut Sprünge nach Weiß oder Grün machen wie nach Blau. In Rot hätten wir Blightning oder Grim Lavamancer, welcher Karten von Liliana verfeuern kann, aber insgesamt gibt es hier zu wenig Antworten auf das Meta. Bleibt also der Gedanke an ein grünschwarzes The Rock beziehungsweise ein „Nic Fit“-ähnliches Deck mit Garruk Relentless, Pernicious Deed und Manabeschleunigung. Wenn ihr dazu etwas lesen wollt, meldet euch im Forum!

Ich bin mit UB jedenfalls sehr zufrieden, obwohl man gegen Maverick nur mit hartem Sideboardplan in den Sieg schliddern kann. Ein nicht unerheblicher Faktor, das sei erwähnt, ist aber die neue und interessante Spielweise, die einem dieses Deck auferlegt.




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