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Du musst weiter fischen, immer weiter fischen!
von Olaf Krzikalla
24.09.2008

Es ist Freitagmorgen, der 29. August 2008, die Deutsche Meisterschaft beginnt in fünf Minuten und die Artikelüberschrift ist der Name meines in großer Eile registrierten Decks. Genau zu diesem Zeitpunkt stelle ich mir diesen Namen auch als Überschrift für einen Bericht über dieses Turnier vor. Nur glaube ich natürlich nicht, dass es Sonntagabend ausreichend Gründe geben würde, um einen Artikel mit einer solchen Überschift zu rechtfertigen. Tatsächlich aber gibt es dann gleich mehrere triftige Gründe, sich mal der gesamtdeutschen Magic-Community zu zeigen.

Zum ersten besteht die gesamte Top 8 aus Spielern, die weder 24/7-Profis sind und dadurch ständig deutschlandweit im Rampenlicht stehen noch ihre Magic-Karriere im Internet dokumentieren. Zumindest zu einem Achtel werde ich diesen Zustand verbessern und ein wenig über mich schreiben.

Zum zweiten will ich noch einige W.orte über das meines Erachtens nach meistunterschätzte Deck der vergangenen Saison verlieren. Aufgrund des bevorstehenden Formatfortschritts ist das konkrete Deck zwar nicht mehr wirklich interessant, es gilt aber doch noch einige Dinge zu erklären und auch mit einer populären Legende aufzuräumen.

Den dritten und letzten Teil bildet dann ein kleiner Bericht über mein bisher erfolgreichstes Magic. turnier, wobei ich mich auf die positiven, umstrittenen und negativen Höhepunkte des Magic-Spiels beschränken werde. Ein dazugehöriger Roadtrip mit Fussball, Fotos und Grillen wird sicher zu gegebener Zeit von kompetenter Seite nachgeliefert.

Diese drei Gründe verleiten mich jetzt also zu einem Magic-Artikel in drei Teilen. Und der unerwartete Erfolg auf der DM verleitet mich zu einer Überschrift, die schon am Morgen des 29. entstanden ist.

– Scan der Original-Deckliste

Teil 1: Das Ich.

Olaf Krrkrrzquikr – WIE??? Das haben sich die ersten gefragt, als ich Freitagabend 7-0 stand. Das haben sich die Nachrichtensprecher der Tagesschau gefragt, als ich Samstagabend in der Top 8 war. Und das hat sich der Rest des Universums dann Sonntagabend gefragt, als mir der Titel „Deutscher Magic-Meister 2008“ verliehen wurde. Mein Nachname wird dabei doch ganz einfach „Kschikalla“ gesprochen (TrashT, bitte üben!), wobei man das anfängliche K fast gar nicht hört. Das W.ort ist polnisch und bedeutet übersetzt soviel wie „Schreier“. Nun ja, wer beim Fußball dabei war, für den sollte jetzt alles klar sein.

Für alle anderen: Eigentlich bin ich kein böser Mensch, nur habe ich seit 20 Jahren schlechte Laune. Vor 20 Jahren war ich 18 und musste zur DDR-Armee, auch NVA genannt.

Das aber ist lange her und inzwischen arbeite ich bereits seit zehn Jahren als Softwareentwickler, momentan in der Berliner Softwareschmiede Native Instruments, mit deren Programmen unter anderem die Elektro-Kapelle Depeche Mode musiziert.

Leider aber hat mich auch ein typisch deutsches Menschenschicksal ereilt und ich pendle am Wochenende immer nach Dresden zu Frau, Kind und Haus. Damit führe ich praktisch ein Doppelleben: Montag bis Freitag werden für geistige und sportliche Aktivitäten genutzt, ein Wochenende aber ohne Baumarktbesuch ist ein verlorenes Wochenende.

Zum Thema Softwareentwicklung muss ich wohl noch ein in Hannover aufgetauchtes Missverständnis aufklären: Tatsächlich setze ich das von Andreas „Zeromant“ Pischner entwickelte und hier. vorgestellte Spiel ZzzzZ auf dem Computer um, allerdings programmiere ich nicht FÜR ihn, sondern einfach aus Spaß an der Bastelei. Ursprünglich fragte ich mich nur, ob eine KI existiert, die das ZzzzZ-Spielprinzip knackt. Inzwischen geht das Projekt mit der Entwicklung von ZzzzZ3 zwar in eine andere, allerdings auch sehr spannende Richtung.

Aber außer ZzzzZ gibt es da ja noch dieses andere Spiel in meinem Leben.

Die ersten Magic-Karten habe ich irgendwann 1994 oder 1995 gekauft. Damals fand man noch original Doppelländer in den Boostern. Damals fuhr man auch noch mit abenteuerlichen Decks zu Turnieren in noch viel abenteuerlichere Orte. (Die Senftenberger mögen mir dieses verzeihen.) Damals wäre aber die Idee, auf Turnieren Geld zu gewinnen, nicht abenteuerlich, sondern schlichtweg abwegig gewesen. Es war halt das teure Hobby, welches ein Mann von Welt sich auch als Student leisten muss. Und wir hatten Spaß an der Deck-Bastelei – teilweise besorgniserregend viel.

Irgendwann aber war die Sucht auch vorbei. Bis ich 1998 den Fehler beging, meinem damals neuen Arbeitskollegen Martin Golm. das Spiel beizubringen. Der fing an, auf sogenannten Prereleases und anderen Turnieren zu spielen, was dann wiederum mein Interesse weckte, und so hat sich das wieder hochgeschaukelt. Mein erster Grand Prix war Hamburg 2001 und seitdem spiele ich eigentlich regelmäßig ein großes Turnier im Jahr. Zu mehr fehlt mir einfach die Zeit.

Nur bin ich dummerweise auch ziemlich ehrgeizig und nachdem ich letztes Jahr in Krakau meinen zweiten Day 2 in Folge erreicht hatte (der davor war in Dortmund), wollte ich auch wenigstens einmal auf die Pro Tour. Also einfach mal in familiärer Runde den PTQ Leipzig (40 Teilnehmer, 2 Slots, Diskussion um den Verfall von Turnier-Magic) gewonnen, zehn Stunden nach Kuala Lumpur geflogen und – Zickzack-Overrath – war ich Magic-Profi. Sagen wir mal so: Es stört nicht weiter.

Jedenfalls waren meine Magic-Ambitionen damit erst mal befriedigt. Auf Hollywood hatte ich keine rechte Lust (wer will schon nach Amerika?), über Brüssel legen wir das Tuch des Schweigens und zur DM habe ich es sehr glücklich und eher im „mal sehen was passiert“-Prinzip über den National Qualifier Leipzig geschafft.

Für die DM hat dann die übliche und wie immer äußerst ernsthafte Vorbereitung am Küchentisch stattgefunden. Getestet wurde immer Mono-Rot (das Deck hat Steffen Feja a..k..a. „der Bunte“ auf der DM gespielt) gegen Meervölker (das Deck hab dann wohl ich auf der DM gespielt). Zu Anfang habe ich eigentlich immer verloren, aber wisst Ihr was? Viele Abende und Biere später hatte ich den Dreh plötzlich raus und ab da war das Matchup tatsächlich ausgeglichen. Gleich mehr dazu.

Nun sollte man aus dieser sparsamen Form der Vorbereitung nicht unbedingt schließen, dass ich gänzlich unvorbereitet gewesen wäre. SSE-Draft war zwar tatsächlich unentdecktes Land, Gelegenheit zum LLM-Draften aber hatte ich vor und in Kuala Lumpur zur Genüge. Das Fischdeck spiele ich jetzt schon über die gesamte Saison durchaus passabel. unter Turnierbedingungen. Und Turnierbedingungen sind immer auch die besten Trainingsbedingungen für das nächste Turnier. Deswegen gab es auch vor der DM keine Diskussionen um die Deckwahl – trotz des angeblich so schlechten Matchups gegen das populär gewordene Rot. Und damit kommen wir von meiner Person zu einer echten Legende.

Teil 2: Das Deck.

Es gab eine Zeit, da hausten in den Wäldern noch Drachen. Es war die Zeit, in der im Sideboard eines jeden roten Decks vier Martyr of Ashes. und vier Pyroclasm. gespielt wurden. Es war die Zeit, in der Meervolk-Decks spätestens nach dem Sideboarden nicht mehr gegen rote Decks gewinnen konnten. Doch die Erde drehte sich weiter um die Sonne. Die Drachen verschwanden aus den Wäldern, Martyr of Ashes. und Pyroclasm. aus den Sideboards. Nur die Legenden hielten sich hartnäckig.

Doch verlassen wir das Reich der Legenden und wenden uns wieder den Fakten zu.

Bereits hier. schrieb Jan Ruess, dass das Matchup gegen Rot gar nicht so schlecht ist. Inzwischen haben sich die monoroten Kartenhaufen in eine Richtung entwickelt, dass – man verzeihe mir diese Platitüde – ich kaum noch von einem Deck sprechen mag. Die Manakurve erinnert an das Streckenprofil einer Pyrenäenetappe bei der Tour de France inklusive Bergankunft der Ehrenkategorie. Figure of Destiny. braucht insgesamt fünf Mana, um zu einem simplen 4/4er zu werden. Und zu allem Überfluss auch noch drei Mana am Stück, wo der 3-Mana-Slot eh schon vollkommen überladen ist. Die aktuellen roten Decks sind inzwischen so kreaturenlastig, dass sich gegen Meervölker ein typisches Aggro- vs. Aggro-Race entwickelt.
Jeder legt jede Runde irgendwas aus, geblockt wird nie und am Ende gewinnt entweder der Würfelwurf oder derjenige, der es als Erstes schafft, zwei oder mehr Sprüche in einer Runde zu sprechen. Meist ist das Spiel zu Ende, bevor die Hände leer sind.

Nun hat der rote Magier mit Skred. leider doch eine äußerst effiziente Tempowaffe zur Hand. Dagegen hilft dann nur ein ähnlich effizienter blauer Spruch – Unsummon. Eben jenes Unsummon. war schon in Krakau am Start, wurde dann während der NQ-Saison vermutlich vollkommen zu Unrecht auf die Ersatzbank geschickt, dann aber rechtzeitig am Donnerstag vor der DM wiederentdeckt (natürlich habe ich wieder die 5-Euro-Unsummon. gespielt). Und durch Unsummon. wird das Deck erst richtig schön. Meervölker sind von Natur aus sehr tempoorientiert und wenn man mal ein klitzekleines Mana übrig hat, bouncet man fröhlich in der Gegend rum. Teure gegnerische Kreaturen sieht man meistens nie wieder und die eigenen Mannen sind billig genug, um auch mal vor einem Removal gerettet zu werden, ohne zu viel Tempo einzubüßen.


4 Cursecatcher
1 Sygg, River Guide
4 Silvergill Adept
4 Lord of Atlantis
4 Stonybrook Banneret
4 Merrow Reejerey
2 Venser, Shaper Savant
3 Vendilion Clique

3 Sage's Dousing
3 Unsummon
4 Cryptic Command

11 Island
4 Mutavault
4 Adarkar Wastes
4 Wanderwine Hub
1 Faerie Conclave


2 Reveillark
3 Snakeform
2 Wispmare
4 Sunlance
4 Sower of Temptation

Diese und weitere Karten gibt's bei:


Dermaßen ausgerüstet muss man beim Spiel gegen Mono-Rot nur noch beachten, dass man konsequent angreift. Einen Übergang zur Verteidigung darf es nicht geben, denn mit fortschreitender Spieldauer fällt die Klobigkeit des monoroten Decks immer weniger ins Gewicht. Mit einer bedingungslos offensiven Strategie aber wird das Matchup für die Meervölker plötzlich ausgeglichen. Man muss akzeptieren, dass man das Race auch verlieren kann. Aber ohne Race kann man nie gewinnen. Und genau das war die Lehre des Küchentischs, auf dem ich unzählige Male Boggart Ram-Gang. und Co. fälschlicherweise geblockt hatte.

Die Idee des forcierten Angriffs gegen Mono-Rot hat dann auch die im Meervolk-Deck fast nur defensiv einsetzbaren Burrenton Forge-Tender. aus dem Sideboard verdrängt.

Neben Mono-Rot war im Metagame natürlich viel Reveillark. zu erwarten. Dagegen haben die Fische ja ein anerkanntermaßen gutes Matchup. Auch insofern halte ich Meervölker nicht für eine so ungeschickte Deckwahl. (Hehe, ich hab jetzt gut reden.)

Ansonsten hat Jan Ruess das Deck hier auf dem Planeten bereits ausführlichst besprochen. Inzwischen hat noch Vendilion Clique. die Sower of Temptation. aus dem Maindeck verdrängt. Sower of Temptation. ist nur sehr speziell einsetzbar. Die Clique dagegen passt wunderbar in die Aggro-Kontroll-Strategie und bringt einem für den Kontroll-Teil wichtige Informationen. Im Übrigen geht diese Idee nach meinen Informationen auch auf Jan Ruess zurück.

Aufgrund des bevorstehenden Formatfortschritts sind diese konkreten Erkenntnisse nun nicht mehr viel wert. Zumindest aber kann man im Hinterkopf behalten, dass monorote Decks wahrscheinlich auch in der nächsten Saison durch Gegenracen besiegt werden können, zumal diese ja noch Ersatz für Skred. und Blood Knight. brauchen.

Leider müssen auch die Meervölker in der nächsten Saison eine neue Strategie suchen, da sie durch den Wegfall des Lord of Atlantis. viel von ihrer Aggressivität einbüßen werden. Bevor es aber so weit ist, sollen die Meervölker jetzt noch einmal einen großen Auftritt bekommen.

Teil 3: Das Turnier.

Wie oben bereits angekündigt, werde ich mich auf spieltechnische Dinge beschränken und auch da nur auf die aus meiner Sicht positiven und negativen Höhepunkte näher eingehen.


1. Match: Wesimo Al-Bacha mit Reveillark.

Wesimo hat mich in seiner aktiven Zeit am ersten Tag des GP Dortmund besiegt. Insofern hoffe ich auf Revanche, er natürlich auf eine Neuauflage. Diesmal aber habe ich das gute Matchup, was auch zu einem klaren ersten Spiel führt.

Dass sich hier inzwischen zwei Gelegenheitsspieler gegenübersitzen, wird dann im zweiten Spiel deutlich, als ich mit Vendilion Clique. auf dem Tisch eine zweite spiele. Genau eine Zehntelsekunde zu spät wird mir der Unsinn bewusst. Statt zu versuchen, das Play zurückzunehmen, bleibe ich mucksmäuschenstill sitzen. Und tatsächlich, Wesimo countert die Zweit-Clique mit Cryptic Command. Da gilt dann die alte Schachweisheit: Wer den vorletzten Fehler macht, gewinnt.

1-0, 2:0


2. Match: Kai Fiedler mit Reveillark.

Gegen Kai habe ich mir beim NQ Leipzig noch einen harten Kampf über drei volle Spiele liefern müssen. Inzwischen ist das Matchup durch die Vendilion Clique. aber noch besser für mich geworden. Die Cliquen leisten auch wieder gute Arbeit und so gibt es diesmal nur zwei Spiele, beide mit klarem Ausgang.

2-0. 4:0


3. Match: Reinhold Kohl mit Mono-Rot.

Im dritten Match habe ich mit Reinhold Kohl den ersten monoroten Magier vor mir. Im ersten Spiel kann ich durch Unsummon. auf eine 4/4-Figure of Destiny. das Tempospiel zu meinen Gunsten entscheiden – genau nach Plan. Das zweite Spiel wird verdammt eng. Ein frühes Unsummon. nimmt den ärgsten Druck vom Tisch, die Vendilion Clique. erwischt sogar einen Sulfurous Blast.

Schlussendlich liege ich im Race aber doch hinten, da ich auf vier Ländern stehenbleibe und er diesmal auch noch das Skred. hat. Ein Schwarm-Angriff bringt ihn zwar auf sieben Leben, selbst habe ich aber zu dem Zeitpunkt nur noch sechs Leben bei Boggart Ram-Gang. und Ashenmoor Gouger. auf seiner Seite. Von meinen vier verbliebenen Handkarten lege ich noch den Cursecatcher. und fange mir im End of Turn auch noch ein Incinerate. In seinem Zug spielt er noch einen Ashenmoor Gouger, pingt dann mit leerer Hand und Keldon Megaliths. meinen Cursecatcher. ins Grab und greift mit Boggart Ram-Gang. und Ashenmoor Gouger. an. Als ich da das Doppel-Unsummon. präsentiere, kommt es zu emotionalen Szenen am Spielfeldrand. (Gelle, Herr Menzel?)

Tatsächlich hat meine Hand vollkommen zum Matchup gepasst. Reinhold findet das Ganze im Übrigen eher lustig, mit einem Unsummon. hatte er in diesem Moment gerechnet und um das hat er auch extra herumgespielt. Nur mit dem zweiten war das dann halt so 'ne Sache. Aber in diesem Spiel wird auch das erste Mal die hauchdünne und oft unbeeinflussbare Grenze zwischen Sieg und Niederlage deutlich, an der ich mich von nun an bis zum Sonntag langbewegen werde. Hätte Reinhold statt des zweiten Ashenmoor Gouger. Boggart Ram-Gang, Flame Javelin. oder Incinerate. auf der Hand gehabt, wäre mein Plan gescheitert und Ihr würdet jetzt einen Artikel von einem ganz anderen Autor lesen.


So aber stehe ich erstmal 3-0. Nicht schlecht für den Anfang, aber auch nicht ganz ungewohnt. 2005 in Bonn (meiner ersten und bis dato einzigen DM) habe ich nach dem Standardteil auch schon 3-0 gestanden, dann aber im ersten Draft fürchterlich versagt. Das galt es diesmal natürlich zu vermeiden. Der Weg schien mir auch klar: um jeden Preis Meervölker draften. Ein Meervolk-Deck im PTQ-Top-8-Draft hat mich nach Kuala Lumpur getragen, dort hat mir ein Meervolk-Deck ein 3-0 in meinem Pod beschert und überhaupt habe ich ja ein Faible für die blauen Männlein.

Ob ich dann im Draft weiterfischen konnte und wie mein Fischzug am Sonntag schließlich endete, erfahrt Ihr dann nächste Woche.




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