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Rotes, mehr
von Andreas "Zeromant" Pischner
26.08.2008

Ja, das ist schon das zweite Mal, dass ich meine kleine Reihe zum Schreiben von Magic-Artikeln unterbreche, aber die läuft uns ja nicht weg – Aktualität hingegen schon!

Ich habe aufmerksam die Berichterstattungen zum GP in Kopenhagen. verfolgt, und mir ist einiges aufgefallen, wovon ich Euch heute erzählen möchte.

Fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Red is da King!

Ein Fünftel des Feldes bestand aus Monorot. Über ein Viertel der Decks des zweiten Tages waren monorot. Ein Viertel der Top 8 Decks waren Monorot. Und diese beiden trafen sich dann im Finale.

Was gibt es da noch groß zu analysieren? Es lässt sich höchstens feststellen, dass sich die Teilnehmer noch nicht ausreichend auf die rote Gefahr eingestellt hatten. Ich stelle mir das so vor wie in der „guten alten Zeit“ des Tempest-Sligh: Das eigene Kontrolldeck (Toast, Lark, Faeries, Merfolk... was auch immer) wurde ein bisschen getunet, bis es im Playtesting gefühlte 50% gegen ein lustlos gespieltes rotes Deck holte, und dann wurde das Matchup als gewinnbar eingestuft. (Schließlich spielt man ja als Kontrollmagier viel besser als irgend so ein random Aggro-Fritze!) Anders lässt sich für mich nicht erklären, dass nachdem die Dominanz roter Decks am letzten Wochenende sich dermaßen unmissverständlich manifestiert hatte, kein Backlash eintrat.

...außer natürlich, das rote Deck ist unschlagbar! Sollte das wirklich der Fall sein? Werfen wir einen Blick auf die Zusammensetzung des Feldes am zweitenTag: Neben 28% Rot waren dort 12,5% Faeries zu finden (ein Achtel des Feldes immerhin!) sowie insgesamt ca. 22% Reveillark (die Unterscheidung zwischen UW und UWr ist, was das Matchup gegen Rot angeht, vermutlich nicht soo bedeutsam). Diese drei Decktypen stellten also fünf Achtel des Feldes. Ein bisschen Toast, ein paar Token-Decks, ein bisschen Storm, ein bisschen Ramp, ein paar Elfen, ein paar Schwäne und etwas Merfolk füllten den Rest auf, alles andere waren One-ofs. Konzentrieren wir uns auf die fünf Achtel: Rot, Lark und Faeries bildeten offensichtlich ein Rock-Paper-Scissors-Metagame, in dem die alte Goblin-Regel Gültigkeit besaß: Good ol' rock, nothin' beats rock! Im Viertelfinale walzte Saito 2:0 das Lark-Deck von Robert van Medevoort nieder – eine verkohlte Leiche mehr, auf deren Urne geschrieben steht „Aber eigentlich war Rot doch ein gutes Matchup für mich!“ Yup, really feels like 1997 again...

Was ist eigentlich aus dem Rising Star des vergangenen Wochenendes, den Schwänen geworden? Ein Mitläuferdeck im ersten Tag, ein Mitläuferdeck im zweiten Tag, und dann auf dem Weg in die Top 8 aussortiert. Ein Feld, welches sich auf Schwäne eingestellt hat, scheint dann doch problematisch zu sein, insbesondere wenn die roten Decks jetzt alle Everlasting Torment. aus dem Sideboard holen (übrigens auch eine von manchen als „Crap-Rare“ titulierte Karte) – es ist ja nicht so, dass Schwäne nicht um Hate herumspielen könnten, aber Rot gibt ihnen einfach nicht die Zeit dazu! Dazu mag dann noch gekommen sein, dass so spät in der Saison die meisten Spieler sich nicht mehr von dem Deck, welches sie bis dato ausgiebig getestet hatten, abwenden wollten – eine durchaus vernünftige Einstellung eigentlich (als Gegenbeispiel gibt es da einen berüchtigten ÖM-Artikel).

Unter diesen Umständen hingen die Feendecks allerdings gewissermaßen in der... äh... Luft. Gegen Schwäne hat man mit Countern, gezieltem Discard, einer raschen Clock und schwarzem Removal für die Swans ein exzellentes Matchup, und gegen Reveillark. ein bekannt Gutes – aber in einer See von roten Decks blüht Feen eben das Schicksal von Motten, die sich in einem altmodischen Kronleuchter (ja genau, die mit echten Kerzen!) verirrt haben. Faeries waren in Kopenhagen schlicht die falsche Wahl gewesen.

Aber Reveillark? Nun, sehen wir uns doch die Top-8-Liste von van Medevoort doch einmal an: Keine Rune Snag. (Hat mit dem Thema nichts zu tun, sorry – das war für Kalle!) Drei Aven Riftwtacher. Die übliche Lark-Engine. Drei Wrath of God. Aus dem Sideboard kommen dann vermutlich noch vier Runed Halo, und man sollte annehmen, dass auch die Glen Elendra Archmage. irgendwie noch Platz finden.

Tja, und das genügt eben nicht! Zu wenig Lifegain, keine Condemn, zu viele klobige Sprüche. Gegen Starts mit Figure of Destiny/Magus of the Scroll, Blood Knight/Stigma Lasher, Ashenmoor Gauger/Boggart Ram-Gang. ist diese Ein-Spruch-pro-Runde-Strategie einfach zu umständlich, und ein einziges Everlasting Torment. trumpft sämtliche Halos, während Archmages halt vom Magus abgeschossen werden, oder auch von Murderous Redcap.

Reveillark. ist prinzipiell ein Deck, das Rot schlagen kann, aber es kann sich eben NICHT darauf verlassen! Auch die Piloten roter Decks haben ihre Kreationen weiter getunet. Lark hingegen musste sich auf seine schlechteren Matchups konzentrieren. An diesem Sideboard sieht man es: Wheel of Sun and Moon. ist wohl fürs Mirror (denn gegen Schwäne hilft es ja nicht wirklich, wie wir jetzt wissen), die Archmages gegen alle anderen kontrollartigen Decks, insbesondere mit Cryptic Command, der Magus gegen Toast und alles, was mit zu vielen Manlands nervt (von denen Medevoort kein Einziges selbst spielt, um sich seinen eigenen Magus leisten zu können), Sacred Mesa. gegen Faeries. Das Endresultat ist ein Deck, welches gegen alles irgendwie mitspielen kann, aber nirgends wirkliche Durchschlagskraft besitzt. Damit ist es für einen guten Spieler natürlich eine gute Wahl – und Medevoort hat ja auch Top 8 gemacht – aber als Metagamelösung für die rote Gefahr eben nicht geeignet. Ich vermute einfach mal, dass andere Larklisten ähnlich aussahen, und dass es diesem Decktypen deswegen nicht gel.ungen ist, Rot im Zaum zu halten – man versuchte, alles ein bisschen zu können und konnte dann nichts mehr richtig.

Gewissermaßen konsequent ist es übrigens, dass der dominante Spieler des Turniers, Tomoharu Saitou, sich am Ende geschlagen geben musste: Seine Version mit Magus sowie sein Sideboard waren vermutlich stärker gegen das Gesamtfeld, aber Larsson besitzt die Vorteile im Mirror. Bereits im Hauptdeck spielt David anstelle des hier höchst ineffizienten Magus of the Moon. Boggart Ram-Gang, und während Saitou aus dem Sideboard wohl nichts Besseres als Murderous Redcap. holen kann, hat David Greater Gargadon. zur Verfügung (GROSS!), möglicherweise noch Faerie Macabre. gegen Demigod of Revenge. des Gegners (denn das ganze Kleinzeug neutralisiert einander vermutlich eh, und am Ende entscheiden wiederkehrende Demigods und große, GROSSE Gargadons das Spiel!) 50% mehr Keldon Megaliths. helfen vermutlich auch. (Ich lese gerade, dass Saitou zusätzlich noch Spitebellows. hereinnimmt – was sein Deck eigentlich nicht schneller machen kann – und Larsson Unwilling Recruit. für die Kombo mit dem Gargadon. Das hätte ich so nicht erwartet. Beide Seiten nehmen also mehr Removal für drei Mana ins Deck, hm. In jedem Fall aber gewann Larsson das erste Spiel, weil seine Kreaturen besser als Magus of the Moon. waren, und das zweite, weil Greater Gargadon. GROSS ist.)

Larssons Entscheidung, keinen Magus of the Moon. zu spielen, ist übrigens sehr interessant – ist er denn nicht einer der Schlüssel zum Erfolg des roten Decks? Ja, das ist er – und zwar auch, wenn man ihn gar nicht spielt! Kalle hat in seinem Reveillark-Artikel bereits beschrieben, wie er sein Deck um den bösen Magus herum getunet hat. An den Top 8 Listen in Kopenhagen lässt sich erkennen, dass er nicht der Einzige ist – siehe Medevoort.

Wenn die Gegner ihre Decks in Erwartung des Magus bereits freiwillig verstümmeln, dann ist das doch prima! (Was sich allerdings Jahoda gedacht hat, der ohne gegen Magus sowie überhaupt gegen Rot kaum etwas machen kann, und der unter einem Magus kein kriegen kann, das weiß ich nicht. Cavaglieri sideboardet wohl Wall of Roots. hinein, um frühe Blocker und grünes Mana für Tarmogoyf. zur Verfügung zu haben.)

Kontrollspieler wiederum müssen immer Lösungen für einen Magus zur Hand haben und entsprechend um ihn herumspielen, selbst wenn er gar nicht vorhanden ist! Während sie also darauf warten, dass sie den Mondmagier abschaffen. müssen, rennt ihnen Larsson mit Stigma Lasher. und Boggart Ram-Gang. ihre Wall of Roots. ein und greift hemmungslos in Kitchen Finks. an.

Eine Analyse des Grand Prix in Kopenhagen ist aber unvollständig, wenn darin nicht wiederum Phips gebührende Erwähnung findet! Sein intensives Testen mit seinem Team scheint zumindest IHM etwas gebracht zu haben – nach der Qualifikation zu den Worlds lässt er nun Top 8 in einem GP folgen, bravo! Leider waren das auch schon die wirklichen Erfolgsmeldungen aus deutscher Sicht – und „deutsch“ ist diese Sicht auch nur im großdeutschen Sinne: Ruess auf 17, Lehmann und Diezel auf 20 und 21, Rösner auf 36, dazu Sauerborn, Ludewig und Langner vom Tiebreaker am Einzug in Tag 2 gehindert, Porojan beim Stand von 7:3 disqualifiziert – alles (außer der DQ offensichtlich) sehr respektable Ergebnisse, aber aus Sicht einer einstmals großen Magic-Nation, und bei einem Anteil von 10% deutschen Spielern im Feld einfach unbefriedigend. Die Top 8: Zweimal Japan, einmal Frankreich, einmal die Niederlande, einmal Schweden, einmal Italien (auch wenn Cavaglieri in Deutschland wohnt), einmal Tschechien, einmal Österreich – Deutschland auf dem Weg in die Drittklassigkeit!

Oh ja, diese DQ von Porojan. Was ist da passiert? Sein Gegner gibt beim Stand von 1:1 auf, und um freundlich zu sein, erlaubt er ihm 2:0 zu gewinnen. Was nicht geht, weil das bereits beendete Spiel, welches sein Gegner gewonnen hat, nicht ignoriert werden darf. Das Ganze machen sie in Gegenwart eines Judges.
Wie kann es sein, dass diesen beiden so etwas passiert...?“

Ist das doof oder was? Ich meine, hier ging es um den ZWEITEN Tiebreaker, der ungefähr so häufig bedeutsam ist, wie ein gewisser bekannter deutscher Judge ein sanktioniertes Match gewinnt! Warum riskieren sie dafür eine Disqualifikation?

...ganz offensichtlich, weil ihnen nicht im Geringsten klar war, dass das nicht erlaubt war! „Erstaunlich, dass zwei Leuten mit mehrfacher GP-Top-8-Erfahrung so was passiert“, schreibt Teardrop. Ja, es ist in der Tat erstaunlich, aber wehe man fängt an, Ursachenforschung zu betreiben! Die Frage muss doch lauten: Wie kann es sein, dass zwei Spieler mit mehrfacher GP-Top-8-Erfahrung mit dieser Regel noch nicht in Berührung gekommen sind? Die Antw.ort ist eben, dass diese Regel auch von Judges immer mal gerne missachtet wurde. Ich zitiere aus Tobis Artikel letzte Woche:

Das bedeutet auch, dass man genaugenommen zu diesem Zweck nicht unter den obersten Karten der Bibliothek nachsehen kann, wer gewonnen (wer z..B. als Erster den siegbringenden Burn-Spruch gezogen) hätte. Zwar kann es sein, dass man an einen netten Judge gerät, der in diesem Fall ein Auge zudrückt (u..a. Falko Görres), aber ein Anspruch besteht nicht.

Das ist die gleiche Regel, die hier verletzt wird: Ein beendetes Spiel muss so eingetragen werden, wie es zu Ende gegangen ist. Raul und sein Gegner sind garantiert nicht die einzigen Spieler, denen bei einem GP so ein Fehler unterlaufen hätte können, denn diese Regel wurde den Spielern eben nicht konsequent vermittelt!

Zurück zum Metagame: Da steh ich nun usw. Wie werden die Spieler bei der DM auf die rote Flut reagieren? Gibt es eine gute Antw.ort darauf? Oder heißt es „if you can't beat them, join them“? Spieler, die seit Wochen Toast, Lark oder Merfolk getestet haben, werden aller Wahrscheinlichkeit ihr Deck nicht mehr wechseln, höchstens noch stärker anpassen. Faerie-Spieler... haben ein Problem! Natürlich können sie es mit der Strategie „gut draften und Glück bei den Matchups haben“ versuchen, die insbesondere bei Semipros, für die die DM nur „ein weiterer PTQ“ ist, nicht allzu überraschend wäre.

Ich will eigentlich nur etwas spielen, wofür ich die nötigen Karten besitze, was in diesem Metagame nicht völlig deplatziert ist, und was den Nachteil meiner mangelnden Spielpraxis nicht noch potenziert. Ich fürchte, die Lösungsmenge ist leer.

Also was nun – einfach Spaß haben? Bodo Rösners Monogrün (soll auf Diezel zurückgehen) könnte ich bauen. Gegen Lark muss ich halt Glück haben. Ich würde dann die Faerie Macabre. im Sideboard gegen zwei weitere Snakeform. sowie zwei Wheel of Sun and Moon. austauschen – Primal Command. ist für ein Deck mit 21 Ländern einfach keine Option.

Ich werde dann mal im Forum fragen, wie das mit Snakeform. vs. Figure of Destiny. genau ist – bis dieser Artikel erscheint, findet sich da gewiss auch eine Antw.ort!

Ansonsten käme B/G in Frage – das Deck habe ich immerhin schon bei einem Turnier gespielt... oder naja, ich betrachte es doch als Hinweis von oben, dass ich ausgerechnet Figure of Destiny. und Demigod of Revenge. (und übrigens auch Stigma Lasher) vier Mal gezogen habe und zeige den Leuten, die Ihr Deck gegen Rot abgedichtet zu haben glauben, den Geist von 1997... Ich lasse mich dann mal von mir selbst überraschen!

Nächste Woche ist dann, wenn Tobi da nichts verschiebt [Sehr gut möglich!. .– TobiH], wieder ein Pischner Classic an der Reihe (nein, ich weiß selbst nicht, welcher), und in der Woche darauf wird es WAHRSCHEINLICH einen DM-Bericht von mir geben – WAHRSCHEINLICH aber ohne Erfahrungen aus der Top 8... Danach kann es dann mit den Magic-Artikeltypen. weiter gehen!




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