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Das Wort zum Montag: Development
von Andreas "Zeromant" Pischner
02.06.2008

Es gibt Themen, zu denen hat jeder eine Meinung. Bei Magic ist da zum Beispiel die Frage, ob eine bestimmte Karte zu schwach oder zu stark ist oder gerade richtig, oder ob sie am besten niemals hätte gedruckt werden dürfen.

Wie zu erwarten ist, wenn jeder seinen Senf zu etwas bei trägt, wird hier natürlich jede Menge Unsinn von ahnugslosen Leuten erzählt. Ihr wisst schon, Giant Solifuge müsste 4/3 sein, um gespielt zu werden, Damnation verbannt Aggro-Decks aus dem Format, Raking Canopy tötet Faeries... Ahnungslosigkeit hat Menschen noch nie am Aufreißen ihrer Klappe gehindert.

Das Einschätzen neuer Karten ist natürlich ein ganz besonderes und ein ganz besonders heikles Thema, aber es kann sich nicht zu einer Dauerbrenner-Diskussion entwickeln, da ein Jahr später im Rückblick natürlich für jeden offenbar ist, wie gut eine Karte tatsächlich war und welchen Einfuss sie auf das Metagame hatte. Nein, das ewige Feuer der Debatte brennt nicht bei der Frage, wie stark Karten sind, sondern dabei, wie stark sie sein DÜRFEN, KÖNNEN und SOLLEN. Könnte Lightning Bolt nicht wieder gedruckt werden oder Counterspell? Sind Tarmogoyf und Bitterblossom nicht zu stark für Standard? Dürfte es einen Leonin Skyhunter in Blau oder Grün geben, und könnten Counsel of the Soratami oder Lightning Blast nicht ein Mana weniger kosten? Braucht Grün Birds of Paradise und Llanowar Elf? Sollte Weiß Armageddon zurückbekommen? Wäre es schlimm, wenn Madblind Mountain ungetappt ins Spiel käme?

Das sind so die Fragen, zu denen eigentlich jeder Magic-Spieler seine eigene Meinung besitzt, und auf die es keine offensichtlich richtigen Antworten gibt. Da mich Magic als Spiel in enormem Maße interessiert – nicht nur das Spielen selbst, sondern vor allem auch die ihm zugrundeliegenden Prinzipen und seine Theorie –, will ich hierzu heute wieder ein paar kleine Diskussionen anstoßen.

Übrigens: Ich weiß nicht, ob jedem bekannt ist, dass R&D (Research & Development) bei Wizards of the Coast in unter anderem die Abteilungen Design und Development aufgeteilt ist. Grob gesprochen, ist Design für die Kartenideen zuständig, während sich Development um ihre Spielbarkeit und ihren Powerlevel kümmert, sowie darum, dass sie zusammen ein abgerundetes Set ergeben. Heute diskutiere ich also Development-Themen.
Der Color-Pie

Wer von Euch englischsprachige Magic-Artikel liest, kennt wahrscheinlich auch diesen hier..

Obwohl er natürlich humorvoll geschrieben und nicht in jedem Detail ernst gemeint ist, wirft er doch ein helles Licht darauf, wie ernst WotC R&D den Color-Pie nimmt. Immerhin beharken sich der Chef der Design-Abteilung und der Chef der Development-Abteilung (publikumswirksam) in aller Öffentlichkeit über ihre unterschiedlichen Philosophien!

Ich bin übrigens der Ansicht, dass Mark Rosewater hier schlicht und einfach Recht hat: Augury Adept ist eine Goldkarte, keine Hybridkarte. Dass sie nicht stark genug ist, um unter Turnierbedingungen Weiß tatsächlich einigermaßen zuverlässig Carddraw (und Blau Lifegain) zu geben, will ich nicht bestreiten, aber die unterschiedlichen Identitäten von Gold- und Hybrid-Karten, die sowieso bereits sehr subtil definiert sind, werden hier vollends verwischt.

Insgesamt jedoch bin ich der Ansicht, dass R&D den Color-Pie etwas zu wichtig nimmt! Klar, ich will keinen Pyroclasm in Blau und keinen Disenchant in Rot, aber ich bin generell der Ansicht, dass die Regel „Farbe A darf Effekt X nicht haben“ zu absolut ist. Auf Turnierniveau findet man ja immer Lösungen für solche Probleme wie zum Beispiel die Hilflosigkeit roter Decks gegen Worship + Silver Knight: Man gewinnt einfach schneller (was zu einer Power-Creep-Spirale führt, wie ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe), man bedient sich spezieller Artefakte (wie Powder Keg) oder Länder (z..B. Keldon Megaliths), oder man spielt schlicht ein anderes Deck.

Es ist der Casual-Level, auf dem es einfach keinen Spaß macht, mit seinem monoroten Zwergen-Deck gegen ein einzelnes Enchantment zu verlieren, das man einfach nicht wegbekommt, oder mit seinem liebevoll durchdachten monoschwarzen Madness-Deck hilflos gegen den gegnerischen Chameleon Colossus oder Whirling Dervish zu verlieren. Klar kann man auch auf Casual-Niveau dafür sorgen, dass die eigene Strategie nicht zu eindimensional und unflexibel gewählt ist, aber sobald man sich tatsächlich auf alle einigermaßen wahrscheinliche Eventualitäten vorbereitet, hat man schon wieder ein Turnierdeck gebaut.

Würden die folgenden Karte auf Turnierniveau ein Problem darstellen?

Red Disenchant Variant (Playing with Fire?) —
Sorcery
Chose one — ~ deals 3 damage to target creature or player, or destroy target enchantment or artifact and ~ deals 3 damage to you.

Das kann ich mir nicht vorstellen, auch wenn es sogar denkbar wäre, dass sie tatsächlich einmal in Turnierdecks auftaucht. Nichtsdestotrotz zeigt sie immer noch ganz klar RED SUCKS AT ENCHANTMENT REMOVAL, gibt Rot dank mangelnder Effizienz nicht zu viel Flexibilität und erlaubt dem Casual-Spieler, eine klaffende Lücke in seinen roten Decks zu schließen.

Was wäre hiermit:

Green Terror Variant (Forced Fertilization?) —
Instant
Destroy target creature. It can't be regenerated. It's controller may search his or her library for up to two lands and put them into play.

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass diese Karte jemals in einem Turnierdeck auftauchen würde, es sei denn, ein Lockdown-Deck, welches den Gegner erfolgreich daran hindert, überhaupt noch etwas mit seinen Ländern zu tun, sucht noch eine Lösung gegen bereits im Spiel befindliche Problemkreaturen. [Anm. d. Red.: Ach was, die spiel ich einfach auf eine eigene Kreatur (am besten so was wie Veteran Explorer) – Denkt euch vielleicht besser noch ein „you dont control“ hinzu. – TobiH] Allgemein jedoch kann man es einfach nicht riskieren, dem Gegner so viel Karten- und Tempovorteil zu verschaffen, insbesondere, weil er sich ja auch Sonderländer suchen kann. Nein, auch diese Karte wäre letztlich nur ein Out für den Casual-Monogrün-Spieler, der es satt hat, immer hilflos auf Visara the Dreadful oder Peacekeeper zu starren. (Und zu jung ist, um Desert Twister zu kennen.)
Kammerjägereien

Vielleicht habt Ihr es ja am letzten Beispiel gemerkt: Kreaturen kann eigentlich jede Farbe irgendwie in den Griff bekommen (ganz besonders unter Zuhilfenahme von Artefakten). Selbst Grün hat z..B. Hurricane, und da sind ja auch noch Mouth of Ronom, Serrated Arrows etc...

Der Grund dafür ist, dass Magic prinzipiell ein Spiel ist, in dem zwei mächtige Zauberer (okay, Weltenwanderer) sich mit herbeigerufenen Wesen bekämpfen. Ein großer Teil der Regeln und Mechaniken befasst sich mit dem Kreaturenkampf, und deswegen tut dies auch ein Großteil der Karten. Ob im Limited oder im Casual, R&D hat eingesehen, dass sie nicht gleichzeitig immer beeindruckendere Kreaturen drucken (was sie in den letzten Jahren getan haben, doch dazu später mehr) und mehreren Farben die Möglichkeit versagen können, sich dagegen zu wehren. Kleinere Utility Creatures – das beste Beispiel ist vielleicht der Royal Assassin – lassen sich auf allerlei verschiedene Arten und Weisen aus dem Weg räumen, wie zum Beispiel mit einer gewissen Common namens Moonglove Extract. (Aeolipile war damals noch eine Rare!) Gegen größere Kreaturen hat Schwarz Shriekmaw und Rot Spitebellows und Blau (neben Countern) Sower of Temptation und Weiß Prison Term undundund.

Nur Grün wird ein wenig außen vor gelassen. (Weswegen Grün ja auch vom Powerlevel-Creep zuletzt am stärksten profitiert hat, mit absurden Karten wie Imperious Perfect, Garruk Wildspeaker oder Chameleon Colossus – naja, und Tarmogoyf, aber der war ein Betriebsunfall von R&D, für den WIEDER EINMAL Maro verantwortlich ist...)

Artifacts und vor allem Enchantments hingegen sind weiterhin ein Problem. Man sieht das anhand von Bitterblossom zur Zeit recht gut – nur Weiß und Grün bekommen diese Karte wirklich in den Griff. Oder Planeswalker: Oblivion Ring wurde letztlich ausschließlich gedruckt, damit weiße Decks sich irgendwie gegen diesen neuen Kartentyp wehren konnten! (Und Grün bekam Rootgrapple, naja, Schwamm drüber.)

Es ist noch gar nicht so lange her, da verdrängte R&D ganz bewusst Disenchant-Effekte aus Weiß. Weiß sollte nur noch Enchantments zerstören können, und Naturalize war der neue Disenchant. Hier haben sie zuletzt deutlich zurückgerudert. Nicht nur, weil Disenchant als Timeshifted-Karte wiedergekommen ist, auch mit Aura of Silence als Reprint im Grundset oder Terashi's Grasp oder Faith's Fetters... oder, ganz aktuell mit Fracturing Gust. Grün darf es zwar noch einen Touch effizienter haben, und Weiß bekommt jetzt mehr Tranquility-Effekte als Grün, aber letztlich hat R&D eingesehen, dass es nicht gut für das Spiel ist, wenn man ganz bestimmte Farben spielen muss, um gewisse Arten von Permanents in den Griff zu bekommen.

Ich wünschte, diese Erkenntnis würden sie verallgemeinern. Ein schwarzes Disenchant (der seinem Beherrscher möglicherweise auch noch zwei Lifeloss verursacht) würde die völlige Hilflosigkeit dieser Farbe gegen Verzauberungen aufheben, ohne das Gleichgewicht zwischen den Farben wirklich zu stören – dermaßen miserable Karten benutzt man eben nur, wenn man ein bereits vorhandenes Ungleichgewicht im Metagame ausgleichen muss, das wohl schlimmer ist, als dieser Color-Pie-Verstoß – oder eben im Casual (als One-of mit einer Tutor-Toolbox, die ja eine Stärke von Schwarz ist).

Einfarbigkeit, die gerade für Themendecks nun einmal der Default ist, wird in Magic generell zu stark bestraft. Man muss zwar im Casual nicht mit Boil, Perish oder Karma rechnen (aber Achtung bei Magical Hack-Decks!), doch Protection, so nützlich sie für das Turnier-Metagame sein mag, stinkt im Casual einfach: Paladin en-Vec vs. Zwergendeck 1:0, fertig.

Deswegen wünsche ich mir, dass R&D den Color-Pie in Zukunft ein wenig stärker aufweicht (auch wenn das eine unappetitliche Metapher ist): Ein wenig mehr Flexibilität in den Farben und dementsprechend weniger Notwendigkeit für Power-Creep in deren Stärken. Weniger und weniger schlimme Color-Hoser haben wir ja zuletzt, aber ich wünsche mir auch weniger komplette Protection: Die Kombination von Shroud und Unblockability ist im Casual einfach unschön. Schließlich hoffe ich auf mehr Flavor-getriebene Color-Bleeds, Ihr wisst schon, so wie bei Ghost Ship oder Uthden Troll.

Ich denke, die exakt ausgearbeitete Entwicklung des Color-Pies war wichtig, um zu verstehen, wie Magic funktioniert, und worauf man beim Development eines Sets achten muss. Zuletzt gerät mir der Kuchen aber zu stark zum Selbstzweck.
Manakosten

Was ist der Unterschied zwischen Pearled Unicorn, Fresh Volunteers und Isamaru, Hound of Konda? Abgesehen vom Kreaturentyp – und dem Umstand, dass es sich bei Isamaru um einen legendären Hund handelt - natürlich hauptsächlich die Manakosten. Aber was genau bedeutet dieser Unterschied? Welche dieser Kreaturen sind zu schwach, zu stark oder genau richtig?

Die Antwort darauf kann man nicht im Vakuum geben. Natürlich gibt es den direkten Vergleich der Karten miteinander – wer Fresh Volunteers zur Verfügung hat, wird nicht stattdessen Pearled Unicorn nehmen. Wie aber schätzt man eine Karte ein, die sich nicht unmittelbar mit anderen vergleichen lässt, und wie ermittelt man, ob sie gut genug für ein wettbewerbsfähiges Deck (abgesehen vom Format) ist?

Manakosten von Karten sind nicht beliebig. Die Rahmenbedingungen des Spiels geben, wie es ihre Betitelung vermuten lösst, einen Rahmen für sie vor. Wenn beide Spieler mit 20 Lebenspunkten beginnen, sollte man keine 500/500 Kreaturen erwarten.

Magic besitzt außerdem eine eingebaute Mana-Progression, vorgegeben durch die Ein-Land-pro-Runde-Regel. Diese Regel ist letztlich für den tatsächlichen Stärkeunterschied zwischen Fresh Volunteers und Pearled Unicorn verantwortlich. man kann sich Gedanken darüber machen, wie Magic aussehen würde, wenn jeder Spieler zu Beginn des Spiels über sechs Mana verfügen würde und zu Beginn jeder Runde eine Karte zieht und ein Mana zu seinem Pool addieren darf – vermutlich wären Kreaturen für ein oder zwei Mana erheblich weniger wichtig.

So aber ist die relative Stärke, welche Karten verschiedener Manakosten aufweisen müssen, um „spielbar" oder „gut" zu sein, durch das Manasystem vorgegeben, während die Lebenspunkte einen Spielraum für ihre absolute Stärke geben. Magic würde auch funktionieren, wenn man für zwei Mana nur 1/1er, für vier Mana 2/2er und erst für sechs Mana 3/3er bekäme, auch wenn die ersten Runden dann möglicherweise mit einem gerüttelt Maß an Langeweile verbunden wären. Möglicherweise würde es auch noch funktionieren, wenn 4/4er ein Mana kosten würden, 6/6er zwei und 8/8er drei. 10/10er für 1 Mana allerdings ergeben bei 20 Lebenspunktezu Anfang einfach keinen Sinn.

Bestimmt ist Euch aufgefallen, dass ich hier nur von Kreaturen schreibe? Wie ich im vorigen Abschnitt bereits festgestellt habe, ist Magic für den Kreaturenkampf konzipiert. Mit der Zeit – und besonders mit dem Ansammeln von schlecht developten Karten – entstehen in Formaten ohne zeitliche Legalitätsbeschränkung zwar unweigerlich Decks, welche schneller als Kreaturendecks gewinnen können. Das ist aber nicht der Sinn von Magic, sondern eine Nebenwirkung, welche von seinen Machern toleriert wird. Nicht zuletzt deswegen rotieren Formate. Vintage hat sich vom Kreaturenkampf beinahe vollständig abgewandt, und Legacy steht auf der Kippe (und hält die Balance auch nur noch durch regelmäßige Bannings). Nicht interaktive Decks wie Kombo oder Burn können Kreaturendecks überholen.
Kreaturenkonstanz

Woran liegt es, dass mit der Vergrößerung des Kartenpools eines Formats die Bedeutung von kreaturenbasierender Aggro immer mehr in den Hintergrund tritt? Es liegt daran, dass Kreaturendecks kaum an Tempo gewinnen. Ein auf Schnelligkeit gebautes Kreaturendecks tötet bereits seit Alpha-Zeiten mit einfachsten Mitteln in Runde fünf (Forests, Scryb Sprites, Grizzly Bears, vielleicht ein paar Giant Growths dazu). Selbst in Eternal-Formaten können Kreaturendecks kaum um mehr als eine Runde beschleuinigen – ein einigermaßen zuverlässiger Goldfisch-Kill in Runde 4, und vielleicht ein paar glückliche Draws für den Dritte-Runde-Kill (zum Beispiel mit freundlicher Unterstützung von Gaea's Might), viel mehr geht da nicht. Kombodecks hingegen nutzen Manabeschleunigung und Engine-Karten, um zuverlässig in Runde 2 und auch keineswegs selten in Runde 1 zu goldfischen. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, werden immer wieder Kombokarten gebannt (in Vintage restricted, aber was nützt das schon). Auch Burn bleibt übrigens interessanterweise beim Runde-4-, mit dem gelegentlichem God-Draw Runde-3-Kill stehen.

Das Tempo von Kreaturendecks bleibt deswegen stabil, weil Kreaturen sich bei den Manakosten innerhalb eng umrissener Grenzen bewegen. 1-Mana-Kreaturen schwanken bei Magic zwischen 1/1 und 2/3 (erhebliche Nachteile wie beim Rogue Elephant nicht berücksichtigt), und es wird nie den Vanilla-4/4er für 1 Mana geben, weil dieser das gesamte Manakosten-Gefüge durcheinanderbringt.

Wie viel Mana sind angemessen für Wrath of God/Damnation? Richtig, vier Mana. Aber warum nicht zwei oder sechs? Nun, auf sechs Mana ist Wrath of God einfach zu langsam, um einen Kreaturenansturm aufzuhalten – die Karte wäre zu schwach. (Deswegen sind solche teureren Wrath-Effekte im Standard auch selten anzutreffen.) Auf zwei Mana hingegen kämen Kreaturen einfach nicht hinterher. (Das ist der Grund, warum die Decks mit vier Balance damals Kreaturendecks obsolet machten.) Kreaturen sind der Maßstab, von dem aus alle anderen Effekte gemessen werden müssen. Burn soll nicht schneller sein, als eine Kreaturenhorde. Deswegen ist Lightning Bolt bereits ein wenig zu stark, und deswegen gibt es keinen Burn-Spruch für ein Mana, der vier Punkte Schaden macht. Creature-Removal darf nicht so effizient sein, dass Kreaturen nicht dagegen ankommen. (Deswegen wurde Swords to Plowshares damals aus dem Grundset rotiert, ohne jemals einen vergleichbaren Nachfolger zu finden.) Counterspells, Discard, Landzerstörung: Alle diese Karten werden daran gemessen, zu welchem Zeitpunkt sie verglichen mit Kreaturen wie stark ins Spielgeschehen eingreifen.

Bei Engine-Karten, welche Kombodecks ermöglichen, greifen diese Maßstäbe nicht. Deswegen verbrennt sich R&D immer und immer wieder die Finger daran, und deswegen entstehen immer und immer wieder Decks, die R&D eigentlich nicht haben will, nämlich Kombodecks, die schneller gewinnen als Kreaturendecks.

Es geht also um die Kreaturen und um deren Preis-Leistungsverhältnis. Das sah zu Alpha-Zeiten ungefähr so aus:

  • 1 Mana 1/1 (Mons's Goblin Raiders, Merfolk of the Pearl Trident, Scryb Sprites, Llanowar Elves, Benalish Hero...)
  • 1 Mana 2/1 (bei Rares: Savannah Lions)
  • 2 Mana 2/2 (In Grün, oder bei doppelfarbigen Manakosten: Grizzly Bears, White Knight, Black Knight)
  • 3 Mana 2/2 (Pearled Unicorn, Scathe Zombies, Gray Ogre)
  • 4 Mana 3/3 (Hill Giant, War Mammoth)
  • 5 Mana 5/4 oder 4/5 (bei Uncommons: Water Elemental, Earth Elemental)
  • 6 Mana 6/4 oder 4/6 (bei Commons oder Uncommons: Craw Wurm, Obsianus Golem)
  • 6 Mana 5/5 mit Bonus (bei Rares: Shivan Dragon, Mahamoti Djinn)

  • Diese grundlegende Manakurve wurde in folgenden Sets aufgefüllt. Durkwood Boars wurden der Standard bei grünen 5-Mana-Kreaturen, und nach und nach bekamen alle Faben 2/2er oder wenigstens 2/1er (Coral Merfolk) für 2 Mana.

    Als Baseline für Kreaturen-Stats galt lange Jahre folgende einfache Progression:

  • 1 Mana 1/1
  • 2 Mana 2/1
  • 3 Mana 2/2
  • 4 Mana 3/3
  • 5 Mana 4/4
  • 6 Mana 5/5

  • Zu diesen Stats gab es dann, je nach Farbe, Rarity, Farbintensität und Ausrichtung des Sets noch verschieden große Boni obendrauf, aber die allermeisten Kreaturen ließen sich in dieses Schema erkennbar einordnen.
    Die Emanzipation der Kreaturen

    Es gab jedoch immer wieder Ausreißer. Es begann mit den „Bargain Creatures" aus Arabian Nights: Juzam Djinn, Erhnam Djinn oder Serendib Efreet sprengten diese Kurve im Austausch für einen gewissen Nachteil. Das war gewiss keine Absicht – die Designer dieser Karten glaubten vermutlich tatsächlich, die Nachteile dieser Kreaturen wögen ihre deutlich höhere Stärke auf!

    Kreaturen im Constructed wurden zu jener Zeit durch solche Bargain-Creatures definiert, doch selbst sie konnten nicht wirklich die Ära der kreaturenlosen Decks verhindern. Auch nachdem Balance restricted war, gab es immer noch Swords to Plowshares, welches Kreaturen für vier oder mehr Mana gründlich entwertete, sowie Lightning Bolt, der Weenie-Decks stoppte, und vor allem jede Menge Engine- und Lockdown-Karten, die dafür sorgten, dass Kontroll- und Kombostrategien aggressive Strategien überholten.

    Es hat sehr, sehr lange gedauert, aber unterdessen sind die Macher von Magic vermutlich zu der Einsicht gelangt, dass jene Bargain-Creatures von damals nicht nur „gar nicht so schlimm", sondern tatsächlich sogar „angemessen" bepreist waren! (Okay, vielleicht nicht der Efreet.) Zunächst hatten sie noch versucht, schwächere Versionen dieser Karten unters Magic-spielende Volk zu bringen. Nettletooth Djinn, Kookus, Rogue Skycaptain... sie setzten sich nicht durch. Nach und nach tastete sich R&D an einen höheren Powerlevel heran, zumeist mit Grün als Vorreiter. Da war zum Beispiel Trained Armodon, ein 3/3er für drei Mana... und er wurde immer noch nicht gespielt! Das gab ihnen dann wohl doch irgendwann zu denken. Sie probierten weiter mit Erhnam Djinn-Nachfolgern herum: Endangered Armodon, Erithizion... Nichts davon taugte etwas. In der Zwischenzeit flogen Serra Angel, Sengir Vampire, Savannah Lions & Mahamoti Djinn aus dem Grundset heraus, weil sie „zu stark" waren.

    Und dann passierte es: Serra Angel kehrte zurück – und niemand spielte ihn mehr auf Turnieren! Sengir Vampire kehrte zurück – ditto! Selbst Erhnam Djinn schaffte es nicht, obwohl er in einem Format mit Flametongue Kavu doch eigentlich hervorragende Chancen hätte besitzen sollen. Mahamoti Djinn tauchte, glaube ich, irgendwo in einem Rogue-Deck mal auf, weil er die Kamigawa-Drachen tot blocken konnte. Und Savannah Lions wurden zwar fleißig wieder gespielt, verschwanden zur Zeit von Sakura-Tribe Elder aber aus dem Metagame, weil sie es einfach nicht brachten!

    Vielleicht das größte Aha-Erlebnis, vor allem auch für die Magic-Community, war Spiritmonger. Ein 6/6er für nur fünf Mana, der regenerieren, die Farbe wechseln und wachsen konnte? Er blieb im Standard eine Randerscheinung, ja selbst im Block Constructed spielte er keine große Rolle. (Ironischerweise hatte er aber eine Zeit lang ein Breakout im Extended in Rock-Decks.) Alle diese Erkenntnisse zusammengenommen, konnte man nur einen Schluss ziehen: Kreaturen waren zu teuer!

    Heute sieht es ein wenig anders aus. Isamaru, Watchwolf, Ashenmoor Gouger, Loxodon Hierarch, Demigod of Revenge, Cloudthresher: Die neue Generation Kreaturen degradiert die alte. Tatsächlich nähert sich die moderne Manakurve meiner Ansicht nach vorsichtig folgenden Werten an:

  • 1 Mana 2/2
  • 2 Mana 3/3
  • 3 Mana 4/4
  • 4 Mana 6/6
  • 5 Mana 9/9
  • 6 Mana 20/20

  • Gut, dazu sollte ich vielleicht ein paar erklärende Worte verlieren: Zunächst einmal gehe ich hier eher von der Ober- als von der Unterkante aus. Grün und Weiß können im unteren Manabereich gelegentlich mit dem hier angegeben Verhältnis aufwarten, aber Blau zum Beispiel sicher nicht. Zum Zweiten hat der 3-Mana-4/4er ein besonderes Problem, auf das ich gleich noch eingehen werde. Und zum Dritten gibt es einfach keine spielbaren Vanilla-Kreaturen im oberen Manabereich, was nicht zuletzt daran liegt, dass R&D sich noch nicht traut (wie bei fünf Mana) oder auf Grund des Schummel-Problems nicht kann (6 Mana) - unter Schummelproblem vestehe ich hier, dass Kreaturen auf anderem Wege als durch die Bezahlung ihrer Manakosten ins Spiel gelangen. Ein Vanilla-20/20er ist natürlich absolut undruckbar, egal wie viel Mana er kostet – er bräuchte zumindest eine Notbremse wie Serra Avatar oder Darksteel Colossus (und selbst das würde vermutlich nicht genügen).

    Ich habe allerdings aus den tatsächlich gespielten Kreaturen extrapoliert, wie groß eine Vanilla Creature sein müsste, damit sie im kompetetiven Bereich stark wäre. Spiritmonger hat uns gelehrt, wie viel Luft da noch nach oben ist., und vor allem, wie viel fünf Mana doch sind, insbesondere, da WoG doch nur vier kostet! Ich denke, bis 9/9 wäre eine Kreatur noch okay und würde dann tatsächlich auch gespielt werden.

    Für sechs Mana hingegen kann man durchaus einen Spruch sprechen, der sagt: „If your opponent has no counterspell, no creature removal, no blockers, no bounce and no way to tap or steal a creature or prevent its damage, win on your next turn." Für fünf Mana bekommt man einen Time Warp, für sechs Mana Jokulhaups oder Dovescape! Ich erinnere mich noch daran, wie ich beim Legions-Prerelease glücklich Phage the Untouchable gespielt hatte... und dann jedes Mal verschämt wieder herausboardete, weil sie ihre sieben Mana nicht einmal ansatzweise wert war! (Auch im Constructed ist Phage völlig unspielbar, außer in jener Schummelkombo mit Volrath's Shapeshifter.) Nein, wenn man die sechs Mana wirklich bezahlt und es dann auch noch schafft, mit seiner Vanilla-Creature durchzukommen, dann hat man auch nicht weniger als 20 Schaden verdient.
    Für ein vogelfreies Spiel!

    So sehe ich also die moderne Kreaturenkurve. Wisst Ihr, es gab einmal eine Zeit, da wurde Bewerbern um eine Stelle bei R&D ein Test vorgelegt, in dem sie unter anderem eine rote 2/1er Kreatur für kommentieren sollten, die einen Jackal Pup ähnlichen Nachteil besaß. In einem magicthegathering.com-Artikel wurden wir dann darüber aufgeklärt, dass Bewerber, die diese Karte für druckbar erklärten, aussortiert wurden... Ich weiß noch, wie ich damals den Kopf schüttelte und dachte: „Jackal Pup ist nicht das Problem, sondern Fireblast." Heute haben wir Flamekin Bladewhirl und Tattermunge Maniac...

    Meine Manakurve bezieht sich auf grüne Kreaturen, unter der Annahme, dass Grün das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Ist euch aber aufgefallen, dass Ashenmoor Gouger höchst nachdrücklich NICHT grün ist?

    ...das ist die Schuld der Elfen und Vögel! Birds of Paradise, Llanowar Elves & Wild Growth machen es R&D unmöglich, Grün angemessene 3-Drops zu geben. Hey, was gehört wohl zwischen Watchwolf und Rumbling Slum? Genau – ein 4/4er natürlich! Mit Hungry Spriggan sind wir zumindest bereits in der Nähe.

    Nur, die grünen Manakreaturen bedeuten nun einmal, dass grüne 3-Mana-Kreaturen mit hoher Zuverlässigkeit in Runde 2 den Tisch betreten, und das ist eben ein wenig früh für 4/4er, auch nach modernen Maßstäben. Wisst Ihr, woran mich das erinnert?

    Genau, an die Extended-Bannings damals. Hypnotic Specter wurde gebannt. Dark Ritual nicht. Wer sieht den Fehler? Der Hippie ist zu uns ins Grundset zurückgekehrt als eine spielstarke, aber keineswegs das Metagame dominierende Kreatur. Es war natürlich die Beschleunigung, diejenige Karte, welche das Manasystem von Magic aushebelt, die für das Problem verantwortlich war.

    Deswegen bin ich der Ansicht, dass die Elfen und Vögel wegmüssen! Sie entwerten den grünen 2-Mana-Slot (weil man ja eh auf drei Mana beschleunigen kann) und verursachen gleichzeitig eine Schwächung des 3-Mana-Slots. Sie sind ein Design-Hindernis, das nur aus Tradition überlebt hat.

    Manabeschleunigung – zumindest solche ohne Kartennachteil wie bei Blood Pet oder Wild Cantor – sollte zumindest 2 Mana kosten. Das sind angemessene Kosten, nicht nur, weil man dafür einen 2-Drop aufgeben muss, sondern auch, weil das ganze Deck dadurch klobiger wird. (Denn man muss diese Manabeschleunigung effektiv zusätzlich zu Ländern spielen, wenn man den beschleunigenden Effekt nutzen will, und man zieht später „Länder" nach, die zwei Mana kosten.) Elf und Co. hingegen kosten einfach zu wenig und sind deswegen zu stark.
    Ich will meinen Gegenzauber wiederhaben!

    Jetzt, wo Kreaturen insgesamt effizienter geworden sind, könnte meiner Meinung nach auch endlich Counterspell zurückkehren! Ich war immer schon der Ansicht, Counterspell ist nicht zu stark, sondern Kreaturen sind eher zu schwach. Ein Counterspell, der in Runde 2 mit einem 2-Drop abtauscht, klingt fair. Einer, der gar nicht gespielt wird, weil er auf ein lohnenderes Ziel wartet... bedeutet einen Doppel-Stone Rain auf zwei Islands so lange, bis dieses lohnendere Ziel endlich gefunden ist! Oh, man muss natürlich auch kein Mana offen halten, aber wenn man sein Board aufbaut und dann ab Runde 4 oder so zu countern beginnt, ist Counterspell auch nicht so viel stärker als beispielsweise Sage's Dousing oder Cryptic Command.

    Die eigentliche Stärke von Counterspell war aber tatsächlich die Möglichkeit, den gegnerischen 2-Drop zu countern, was Blau die Möglichkeit eröffnete, nicht auf dem Board zurückzufallen. Nur – hat das Mana Leak nicht genauso gut, in manchen Decks sogar noch besser gemacht?

    Das aktuelle Standardformat ist knüppeldicke voll mit Kreaturen. Wo sind die allgegenwärtigen Remove Soul? Es gibt sie nicht; sie sind bestenfalls eine Randerscheinung. Wenn Counterspell zur Zeit legal wäre, würde Merfolk sich natürlich freuen... allerdings ist noch die Frage, ob Sage's Dousing oder Cryptic Command sich so leicht verdrängen ließen. Faeries würden sich gewiss auch freuen... aber immer noch in Runde 2 Bitterblossom spielen und, naja, danach halt mit Spellstutter Sprite countern.

    Was ich damit sagen will: Kreaturendecks haben von der Karte Counterspell nicht allzu viel zu befürchten, wenn Kreaturen ihr Mana wert sind! Getroffen wird davon eher klassische Kombo (Storm oder Dredge kommen mit Countern gar nicht so schlecht klar), und daran kann ich nichts Schlimmes finden!

    Meiner Ansicht nach sind die folgenden Kosten für Utility Spells angemessen:

    Counterspell
    Target player discards 2 cards of his or her choice.
    Stone Rain (denkt daran, keine Birds)
    Wrath of God
    Target player draws 2 cards (Instant)
    Fertile Ground
    Lava Spike
    Incinerate

    Kreaturen sind unterdessen gut genug – insbesondere auch Wrath of God-resistent – dass blaue Kontrolle nicht mehr übermäßig gedeckelt werden muss, und schnell genug, dass sie mit Burn ohne Fireblast mithalten können, wobei Burn nicht gleichzeitig besonders manaeffizient und flexibel sein darf (wie beim Lightning Bolt).

    Insgesamt bin ich zwar glücklich, dass 2/1er für ein Mana von der Ausnahme zur Regel geworden sind und man ab drei Mana Kreaturen außerhalb der (Rift) Bolt-Range erhält, aber insgesamt ist mir das aktuelle Standardformat doch tatsächlich ein winziges bisschen ZU kreaturenlastig. Ja, ich will Constructed-Formate, in denen Kreaturendecks der Normalfall sind, und andere Decks sich zunächst einmal darüber definieren müssen, wie sie Kreaturendecks stoppen, aber der Tribal-Block übertreibt es einfach ein wenig. Imperious Perfect ist mir – zumindest zusammen mit Llanowar Elf – schon zu stark. Tarmogoyf war zwar ein Versehen, aber er ist nun einmal passiert. Mutavault hat mich in einem Environment ohne Swords to Plowshares ein wenig in seiner Wirkung überrascht, und Garruk ist einfach etwas zu gut.

    Alles in allem vermisse ich kreaturenlose (gut, -arme) Decks und den ewigen Tanz Aggro gegen Kontrolle. Ich mag Tribal-Decks, wenn sie ein Bestandteil des Metagames sind, aber nicht, wenn sie es formen. Zum ersten Mal in der Geschichte von Magic schlägt das Pendel nach meinem Dafürhalten einen Touch zu weit in Richtung Kreaturen aus.

    Jetzt bin ich (nach Eventide, natürlich) auf Shards of Alara gespannt. Wie stehen die Chancen, dass Counterspell zurückkehrt?




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