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Geschichten aus der Gruft, Teil 2
Der Pischner fährt zur DM
von Andreas Pischner
07.01.2008

Ich stelle gerade fest, dass ich im Großen und Ganzen doch chronologisch erzähle. Meine Frage an die Leserschaft: Ist das schlimm? Erhält diese Reihe dadurch zu viel pseudohistorischen Charakter (dabei soll sie doch gerade Abwechslung zu den "Magic-Decks im Wandel der Zeit" bieten!), oder wird sie einfach nur kohärenter? Und wie schnell werden die Geschichten aus dem Mund des weißbärtigen Mannes, der sabbernd neben dem Ofen hockt, langweilig? Schreibt mal was!

Wie auch immer, es geht auf in die Jungsteinzeit des Pischnerschen Magic-Spiels:

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Allerlei Dummheiten
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"Dann benutze ich mein Wand of Ith auf Dich."

Ich mische meine Handkarten. "Zieh."

Frank zieht; es ist ein Lightning Bolt.

"Hm." Ich überlege kurz. "Als Antwort darauf schmeiße ich den auf Dich."

Frank überlegt kurz, zuckt dann mit den Achseln. "Müsste gehen."


...nein, liebe Leser, natürlich geht das nicht und ging auch niemals! So waren aber unsere Regelkenntnisse damals.

Dieses Erinnerungsfragment stammt aus einer meiner zahlreichen Playtest-Sessions (damals noch bekannt unter der Bezeichnung "sich zum Magic-Spielen treffen") mit Frank Schacherer. Wir hatten gerade unsere Decks getauscht; ich spielte sein schwarz-rotes "Afterburner" (Burn, Drain Life, Vampire und Drachen), von dem ich nichts hielt, weil es ja nichts gegen Enchantments machen konnte; er hatte mein rot-weiß-blaues Kontrolldeck (siehe letzte Woche) in der Hand, in dem sich zur Zeit ein Disrupting Scepter und ein Wand of Ith.befanden.

Ich hatte ihn vor diesem Decktausch sehr zuverlässig besiegt. Eine weitere Erinnerung an diesen Tag ist diejenige, wie ich mit meinem Wand of Ith jede Runde das selbe Dark Ritual traf, während Frank ansonsten Runde um Runde Land zog und legte und meine Aktivierungen des Wand mit einem beinahe gleichzeitig hervorgestoßenen "zahl' ich" kommentierte und seinen Würfel um eins nach unten drehte. Wie, warum ich das Wand in meinem Deck hatte und nicht stattdessen ein zweites Scepter, das schlicht und einfach in doppelter Hinsicht besser war (wenn man nicht gerade zum Beispiel mit Titania's Song spielte)? Naja, ich war noch nicht aus meiner "Jede-Karte-muss-doch-zu-irgendetwas-gut-sein!"-Phase heraus und wollte beides ausprobieren...

Frank wiederum wollte ausprobieren, warum ich ihn immer besiegte; deswegen der Decktausch. Er schlug mich dann mit meinem eigenen Deck, und ich war glücklich.

An einem anderen Abend spielte er ein Nether Void-Deck voller Power. Seine Moxe und der Lotus waren zwar als Proxies im Deck (was ich damals als unerhört empfand!), befanden sich aber in einer Schale auf dem Tisch. Obwohl er sich via Tutor immer schnell zuverlässig sein Enchant World holte, und dann mittels Dark Ritual zusammen mit einem Hypnotic Specter oder Juzam Djinn auf den Tisch legte, gewann ich immer noch gegen ihn mit Counterspell, Swords to Plowshares, Disenchant und vor allem Maze of Ith. Nach ein paar Spielen räumte er seine Karten mit den Worten zusammen "Dein Deck ist stärker", und ich war stolz wie Oscar!

Wieder ein anderes Mal hatte er ein monogrünes Deck dabei, mit Llanowar Elf, Elvish Archers, Winter Orb, Nevinyrral's Disk und Desert Twister. Er beschrieb es, wie so oft, mit den Worten: "Das ist ein Kontrolldeck!" Ich habe mich insgeheim ganz schön darüber lustig gemacht, dass alle Decks von Frank Kontrolldecks zu sein schienen. Vor allem aber freute ich mich, dass ich sie mit meinem URW-Deck immer besiegte!

Dann war da dieses eine Magic-Turnier, welches im Rahmen eines unterdessen extinkten Rollenspiel-Kons stattfand, dem "Ogerquest". Ca. zwei Dutzend Spieler nahmen teil, darunter Frank und ich. Ich war völlig entgeistert, als ich feststellte, dass Frank ein blau-weiß-rotes Deck spielte, welches meinem stark ähnelte! "Du kannst doch nicht einfach mein Deck kopieren!" Er grinste nur.

Ich gelangte ins Finale, gegen einen gewissen Andreas Huhn. Das Finale musste, weil die Location schloss, am nächsten Tag ausgespielt werden. Achtung, jetzt kommt's:

Andreas setzte sich mir gegenüber, legte sein Deck auf den Tisch, grinste mich an und sagte: "Ich habe schon zu Hause gemischt, um Zeit zu sparen." Prima, dachte ich mir und mischte rasch mein Deck. Ich verlor dann rasch gegen SwampDark RitualHypnotic Specter, gefolgt von SwampDark RitualSol RingJuggernaut. Ich war ziemlich angefressen, dass ich mit meinem unbesiegbaren Deck das Turnier nicht gewonnen hatte, aber wenn mein Gegner so viel Glück hatte...

Aua, aua, aua! Leider war das weder das erste noch das einzige Mal, dass ein Spieler meine Gutgläubigkeit und Naivität dermaßen ausnutzte. Ich hatte ab und zu mit Andreas gespielt und kam einfach nicht auf die Idee, dass jemand, den ich privat kannte, mich dermaßen plump abzocken würde!

Andreas hatte übrigens auch ein anderes Turnier gewonnen, welches im Rahmen des von Nexus veranstalteten "Burg-Con" stattfand. Dort hatte ich es nicht in die Endrunde geschafft, weil ich von "Mister Mox" besiegt worden war, einem Nürnberger Spieler, der die volle Power besaß – und sie vor allem auch spielte! Dazu muss man wissen, dass man nach den damaligen Turnierregeln das Recht besaß, seinen Gegner ohne Hüllen spielen zu lassen. Unter diesen Umständen war kaum ein Spieler bereit, teure Beta-Karten an den Start zu bringen. Ich erinnere mich, wie ich eine Runde dieses Turniers alleine dadurch gewann, dass mein Gegner lieber aufgab, anstatt auszutüten...

Mister Mox hingegen hatte keinerlei Probleme damit, sein bestimmt 300 DM teures Deck (GASP!) auch ohne Hüllen agieren zu lassen. Im Finale traf er dann auf Andreas Huhn. Damals war Sideboarden vor der ersten Runde erlaubt, und ich weiß noch genau, wie Andreas uns sein Sideboard zeigte und fragte: "Das ist doch gut gegen Mister Mox, oder?" (Er meinte einen Energy Flux.) "Auf jeden Fall!", antwortete ich. Er boardete seinen Flux dann hinein und gewann, weil er ihn in beiden Spielen auf der Anfangshand hatte...

Es dauerte leider viel, viel zu lange, bis ich begriff, wie Magic in der realen Welt gespielt wurde. Vielleicht lag es auch an dieser Naivität, dass ich später die Aufnahme eines jungen Spielers aus einem sehr schlechten Umfeld in mein Team Istari befürwortete, dessen Play Ethics seinem Skill weit, weit hinterherhinkten, und dessen Team-Mitgliedschaft ich trotz seiner beeindruckenden Erfolge später aufs Äußerste bedauern würde. In der Berliner Magic-Szene jedenfalls war von Anfang an der Wurm drin! Dazu aber später mehr.

Als Ice Age herauskam, hatte ich über Frank unterdessen Daniel Brickwell und Stefan Funke getroffen, welche mit ihm zusammen den Kern des Team Istari bildeten. Bald würde ich auch Claudia Loroff, Martin Lüdecke und Boris Buschardt kennen lernen. Daniel veranstaltete damals in seinem Haus ein kleines, privates Turnier, welches wieder einmal Andreas gewann, der unter anderem die Kombination aus Atog und War Barge benutzte, um mehrere gegnerische Kreaturen in einem Zug zu entsorgen. Daniel zeichnete ihn deswegen außerdem noch mit einem besonderen Preis für das originellste Deck aus.

Überhaupt habe ich Daniel damals als sehr experimentierfreudig in Erinnerung! Er begründete einmal mir gegenüber Claudias Mitgliedschaft im Team Istari (eine Ehre, die ich mir erst noch verdienen musste!) damit, dass sie eigenständige Deckideen hatte, und erwähnte insbesondere ein Deck, welches sie um Sea Kings' Blessing, Riptide und Siren's Call herum gebastelt hatte, was ich für furchtbar umständlich hielt (ohne jedoch damals wirklich bereits über fundiertes Wissen zu verfügen, um diese Meinung zu begründen).



Gegen mich testete er dann eine monoschwarze Kreation, die als Schlüsselkarte eine höchst zweifelhafte Karte namens "Necropotence" nutzte. Ich hatte geradezu ein schlechtes Gewissen, denn ich probierte damals ein blau-weiß-grünes Deck mit zwei integrierten Kombos aus: Einmal das Stasis-Lock via Instill Energy auf Birds of Paradise, einmal Karma + Sleight of Mind... Karma im Hauptdeck gegen Monoschwarz – wie unfair! Ich legte die Verzauberung auf den Tisch und erwartete, dass Daniel sang- und klanglos dagegen verlöre. Er benutze aber eine Kombination aus Ivory Tower und Zuran Orb, um seine Lebenspunkte zu stabilisieren und trotzdem noch Karten zu "ziehen". Ich glaube, irgendwann räumte er dann mit einer Disk den Tisch frei und gewann noch!

Aber bevor ich mich der Ice Age-Ära zuwende, gilt es noch ein prägendes Ereignis meiner Magic-Laufbahn zu beschreiben: Meine erste DM!

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An - Aus - An - Aus
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Im Jahr 1995 befand sich der Magic-Vertrieb in Deutschland noch nicht in der Hand von Amigo. Die erste deutsche Meisterschaft fand daher nicht in Dietzenbach statt, wie es später Usus werden würde, sondern in Friedberg, welches sich gar nicht weit davon befand und wohl irgendwie mit dem Distributor Pegasus Spiele zu tun hatte. Es gab keine Qualifikation dafür – jeder konnte teilnehmen! So war auch ich also einmal bei einer DM. Später würde ich immer wieder in der letztmöglichen Runde an der Qualifikation scheitern. Nur einmal ermöglichte es mir mein Rating, nach Würzburg zu fahren (ansonsten war mein Constructed-Rating einfach immer zu schlecht), und letztes Jahr.war mir zwar ganz überraschend tatsächlich einmal die Qualifikation gelungen, aber RL-Gründe hinderten mich dann an der Fahrt. Ansonsten war ich nur noch einmal als Judge anwesend gewesen. Friedberg stellt also 50% meiner Spieler-Erinnerungen an Magic-DMs dar!

Zunächst musste ich aber irgendwie hinkommen. Arne Löw (der später mit Uli Bachstein zusammen den Laden "Magic Dreams" eröffnen sollte) kannte jemanden (mir Unbekanntes), der mit seinem Auto hinfuhr und meinte, da sei noch ein Platz für mich frei. Ich solle um 20 Uhr bei ihm aufkreuzen. Um Viertel vor acht war ich dann dort, und auf mein Klingeln öffnete mir dann Arnes Freundin. Ja, die anderen seien leider schon losgefahren! Der Fahrer hatte beschlossen, eine Stunde früher loszufahren und da ich kein Handy besaß (was damals übrigens noch absolut der Normalfall war!), hätte man mir nicht Bescheid geben können, und es täte Arne Leid, aber der Fahrer entscheide nun einmal.

Bums.

Ich konnte es nicht glauben. Sollte ich so die DEUTSCHE MEISTERSCHAFT verpassen? Aber was sollte ich tun?

Ich rief Markus Voht an. Der wollte eigentlich nicht dorthin, weil er bei Weitem nicht mehr so intensiv Magic zockte wie ich, und weil er einfach müde war, aber ich versuchte, ihn doch noch einmal zu überreden. Ich hatte keinen Erfolg.

Allerdings meinte Markus dann: "Nimm' doch einfach mein Auto!"

Tja, es spricht wirklich für meinen damaligen Magic-Enthusiasmus, dass ich dieses Angebot annahm, denn eigentlich hatte ich ein verdammt schlechtes Gefühl dabei, mir etwas so Teures wie einen PKW auszuborgen. Es war jedoch unterdessen 21 Uhr, und morgen früh würde in Friedberg eine deutsche Magic-Meisterschaft beginnen. Was gab es also für eine Alternative?

Nach angemessenen Dankesbezeugungen fuhr ich los. Die Zeit würde ja locker reichen, und wer brauchte schon Schlaf?

Als ich das erste Mal an einer Tankstelle rastete, hatte ich Schwierigkeiten, den Motor wieder anzubekommen. Ich geriet ein wenig in Panik, aber nach einigen Minuten lief er wieder. Ich fuhr weiter.

Bei meiner zweiten Rast das Gleiche. Nun, ich war geduldig. Immer und immer wieder startete ich, und tatsächlich sprang der Motor noch einmal an. Ich beschloss, ihn einfach nicht mehr abzustellen, bis ich am Ziel war.

Dann jedoch musste ich baustellenbedingt anhalten, und der Motor ging aus. Und nicht wieder an. Da war nichts zu machen: Ich schob den Wagen auf den Seitenstreifen und rief den ADAC an. So wurde der Pischner, der niemals ein Auto besessen hatte, zum ADAC-Mitglied: Der freundliche Mann, welcher herbeieilte, kam zu dem Schluss, dass die Batterie ausgetauscht werden müsse. Das würde mich entweder X DM (dreistelliger Betrag) kosten, oder wäre für ADAC-Mitglieder kostenlos, und ich könne an Ort und Stelle für ein Jahr ADAC-Mitglied werden, was mich insgesamt Y DM (zweistelliger Betrag) kostete. Überzeugende Argumentation, nicht wahr?

Mit der neuen Batterie eingebaut und Markus' alter im Kofferraum fuhr ich dann weiter, so lange, bis ich die Autobahn verließ und in Friedberg an einer Ampel hielt. Dann ging der Motor aus und nicht wieder an. Bitte verfallen sie JETZT in Panik!

Ich gab der Karre eine halbe Stunde Pause und versuchte es noch einmal und hurra, sie sprang wieder an! Danach brachte sie mich, gerade rechtzeitig zur Anmeldung, an den Veranstaltungsort und würde mir in Zukunft keine Probleme mehr bereiten. So konnte ich also endlich Magic spielen!

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Aus-Balanciert
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Das Friedberger Format war höchst merkwürdig: Man spielte Standard ENTWEDER mit The Dark, Fallen Empires und Revised ODER mit The Dark, Fallen Empires und 4th Edition, da gerade erst der Wechsel des Grundsets stattgefunden hatte – das konnte jeder Spieler selbst entscheiden! Ich war übrigens mit einem schwarz-weißen Rack-Deck am Start, mit Weiß im Wesentlichen für Swords to Plowshares und (natürlich!) Disenchant, sowie ein wenig Sideboard-Krams. Warum ich nicht mein ach-so-starkes URW-Deck zockte? Nun, weil mein Discard-Deck es schlug! Das Stein-Schere-Papier-Prinzip hatte ich damals noch nicht verinnerlicht – ich versuchte immer nur das "beste" Deck zu finden, und wenn mein B/w mein bisheriges bestes Deck schlug, dann war es doch offensichtlich das beste Deck, nicht wahr?

Wenige Tage vor der DM war übrigens damals im Internet bekanntgegeben worden, dass Balance von nun an restricted sei. Da ich mich natürlich immer auf dem neuesten Informationsstand hielt, wusste ich das und hatte entsprechend nur eine Balance mitgebracht, die ich im Sideboard gegen White Weenie – ein Katatstrophenmatchup für mein Deck – spielte. Bei der Eröffnungsansprache erklärte die Organisation der knapp vierstelligen Anzahl Spieler jedoch, dass sie diese Restriktion außer Kraft setzen würde, da sie so kurzfristig geschehen sei, und ich kam mir mächtig verarscht vor!

Ich war übrigens einer der ganz, ganz wenigen Spieler, die sich für 4th Edition an Stelle von Revised entschieden hatten. Mir waren zwei Strip Mine als zusätzliche Verteidigung gegen Mishra's Factory (die natürlich keiner spielte, weil sie ebenfalls aus der Vierten Edition waren) eben wichtiger als vier Scrubland in meinem Deck...

Der Modus der DM war wie folgt: Zunächst spielte man in Achtergruppen jeder gegen jeden, und die beiden Erstplatzierten qualifizierten sich für den zweiten Tag. Dann würden die restlichen 256 Spieler im K.O.-System den Deutschen Meister ermitteln.

Aus Amerika war übrigens extra ein Angestellter von WotC angereist, ein gewisser Jim Lin, wenn ich mich recht entsinne, der als eine Art Oberschiedsrichter fungierte. Einmal wurde er am zweiten Tag hinzugerufen, als eine Partie ins Zeitaus gegangen war. Einer der beiden Spieler beschwerte sich in holperigem Englisch lauthals und wortreich: Er hatte mit seinem U/W-Millstone Deck seinen Gegner völlig unter Kontrolle – das Board war leer, die gegnerische Hand war leer, und seine Hand voll Counter, und er benötigte nur noch wenige Züge, um auch die gegnerische Bibliothek zu leeren. Außerdem habe sein Gegner sehr langsam gespielt. Seine ganze Art zu reden erinnert mich im Nachhinein an TrashT, aber der kann es ja wohl schlecht gewesen sein, oder? War der Junge damals nicht noch in der Grundschule?

Jedenfalls hörte Jim Lin sich diese ganze Tirade ohne ein Wort zu sagen – man könnte beinahe meinen ohne zuzuhören – an und sagte dann einfach nur "Sorry, your opponent wins" (der hatte nämlich mehr Lebenspunkte), und das war's.

In einer anderen Situation opferte Marcus Heyduk alle seine Fallen Empires-Saclands (Havenwood Battleground etc...), um mit Hilfe eines Channel gerade genügend Mana für einen tödlichen Fireball zusammenzubekommen. Als Antwort auf diesen Fireball, den zu bezahlen ihn auf einen Lebenspunkt brachte, tötete sein Gegner ihn mit einem Lightning Bolt. Ich beobachtete das Ganze und rannte los, um Jim Lin zu holen. Wisst Ihr, warum?
Nach den damaligen
Regeln starben
Spieler erst am
Ende einer Runde!

Richtig, nach den damaligen Regeln war Marcus nämlich noch gar nicht tot! Spieler starben erst am Ende einer Runde, und so hätte Marcus also ausreichend Zeit gehabt, mit seinem Fireball ein Unentschieden herzustellen. Ich trieb Jim auf, und er kam gerade noch rechtzeitig an den Tisch, um diese Angelegenheit zu klären.

In der Vorbereitung auf die DM hatte meine Regelfestigkeit enorm zugenommen, und solche Dinge wie das Wand-of-Ith-Beispiel zu Beginn dieses Artikels passierten mir nicht mehr. Damit war ich Marcus weit voraus, der noch vor nicht allzu langer Zeit in einem Spiel gegen mich noch am Ende seiner Runde seine Howling Mine getappt hatte, damit ich keine Extra-Karte zog, mit dem Hinweis, dass Zak Dolan (der damalige Weltmeister) das gegen Bertrand Lestree ja auch so gemacht habe (Zitat aus der Coverage: "At the end of his turn, Zak tapped his Howling Mine, denying Bertrand the extra card.") Er war nicht zu überzeugen gewesen, dass Zak dafür seinen Icy Manipulator benutzt haben musste, der ein paar Sätze vorher erwähnt worden war – nein, er tappte seine Mine einfach so!

Ich hatte meine Runde am ersten Tag souverän gewonnen und befand mich daher im zweiten Tag in den K.O.-Runden. Mein erster Gegner spielte ein Deck mit Mana Flare, sowie Fireball & Disintegrate. Als das Flare lag, dachte ich mir, prima!, und spielte einen Drain Life auf ihn. Sein Fireball zurück glich das nicht so recht aus, und ein weiterer Drain Life beendete dieses Spiel.

Dann jedoch ereilte mich mein Schicksal: Plains, Tundra Wolves, go. Ich wusste sofort, dass dieses Turnier nun für mich zu Ende war. Ein Spiel gewann ich sogar noch, weil ich meine Ritter zuerst auf den Tisch bekam, aber ansonsten waren die zwölf gegenerischen Protection-from-Black-Kreaturen unüberwindlich für mich. Ach, hätte ich doch vier Balance im Sideboard gehabt...

Frank Schacherer erreichte immerhin noch die Top 32 (oder waren es sogar Top 16?) dieses Turniers, mit einer Monkey, May I?-Variante – welche in den Top 8 praktisch jeder spielte. (Wer meine historische Reihe nicht liest: Kird Ape + Counterspell, und wenn Ihr Euch jetzt das Deck nicht denken könnt, dann solltet Ihr sie besser doch lesen!)

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Knapp vorbei ist glücklicherweise auch daneben
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Auf der Rückfahrt nahm ich dann Frank mit, dessen Fahrer schon früher zurückgefahren war. Wir diskutierten endlos über die Decks, die wir in den Finalrunden gesehen hatten. Ich jammerte immer noch darüber, dass ich nicht vier Balance gespielt hatte und hielt mein Deck immer noch für sehr stark. (Wahrscheinlich war es das sogar, wenn ich aus heutiger Sicht darauf zurückblicke – unter der Annahme, dass ich genügend Länder spielte, heißt das!)

Wir waren noch zwei oder drei Stunden von Berlin entfernt, als sich mir von hinten in SEHR hohem Tempo ein Wagen näherte. Es war Nacht und es regnete leicht, und ich fuhr auf der mittleren Spur mit ein wenig mehr als 120 Stundenkilometern. Jener Wagen benötigte vielleicht drei Sekunden, um von einem Paar Lichtpunkte in meinem Rückspiegel zu einem Auto zu werden, welches mich überholte. Danach scherte es direkt vor mir wieder ein – da können keine fünf Meter Abstand gewesen sein – und bog gleich darauf im rechten Winkel wieder nach links ab! Ehrlich!

Gut, dass ich als Jugendlicher so viele Videospiele gezockt hatte! Während mein Gehirn sich noch bemühte zu verarbeiten, was ich da gerade sah, machten meine Hände einen kleinen Schlenker mit dem Lenkrad, und so wichen wir der hinteren Stoßstange des unterdessen unglaublicher Weise waagerecht stehenden Wagens um wenige Zentimeter aus. Noch nie bin ich dermaßen knapp dem Tod entronnen.

Im Rückspiegel sah ich dann, wie das andere Auto sich noch ein paar Mal um sich selbst drehte und schließlich überschlug. Völlig fertig fuhr ich noch bis zur nächsten Haltestelle, wo ich mich erst einmal hinsetzte und die Augen schloss, während Frank zum Autotelefon marschierte und den Unfall meldete. Nach ca. einer Stunde hatte ich mich dann so weit beruhigt, dass wir weiterfahren konnten.

Froh darüber, dass letztlich nichts Schlimmes passiert war, übergab ich Markus sein Auto wieder. Die Matschspritzer am vorderen linken Kotflügel illustrierten beängstigend deutlich, WIE nahe ich jenem anderen Wagen gekommen war. Ich erzählte Markus noch von der ausgetauschten Batterie, und er guckte mich komisch an und meinte, dass die Batterie gerade erst letzte Woche ausgetauscht worden sei! Nun gut, jetzt hatte er zwei.



Es gibt übrigens eine Moral von der Geschichte – nein, nicht von Pischners Autobahnerlebnissen, sondern vom Magic-Anteil dieses Artikels: Lest Euch noch einmal meine Erinnerungen an das Playtesting mit Frank durch, und Ihr werdet feststellen, dass man daran gut erkennen kann, wer von uns beiden der bessere Magic-Spieler war:

Frank, ganz klar.

Warum, wenn ich ihn doch damals immer schlug?

Die Antwort lautet: Weil Frank damals in der Lage war, von mir zu lernen, ich aber nicht im Stande, von ihm zu lernen! Ich hatte mein supertolles Deck, das fast immer gewann und dachte, ich wüsste schon alles, was es über Magic zu wissen gab – welche Farben man spielen musste, dass man immer Disenchants brauchte, etc... Frank hingegen LERNTE. Er nahm mein Deck und spielte damit, um es zu verstehen. Er probierte andere Strategien aus, selbst wenn er – ebenso wie ich – der Meinung war, dass sie sich vermutlich als weniger stark erweisen würden. Er kopierte auch ohne falschen Stolz mein Deck, als er zu dem Schluss kam, dass es besser war als seine Deckideen.

Auch Daniel war eindeutig ein besserer Spieler als ich. Er befasste sich mit Konzepten, die auf den ersten Blick unsinnig aussahen, aber nicht wirklich vollständig theoretisch zu erfassen waren, wie eben Necropotence. Er vereinfachte Situationen nicht nach dem Motto "Karma gegen Mono-Schwarz, sorry, good game", sondern suchte nach Optionen. Er umgab sich gezielt mit Spielern, die ihm Anregungen lieferten und betrachtete das Spielen gegen sie nicht als Ermittlung, wer von beiden denn nun besser sei, sondern als Ideenaustausch.

Der erste Schritt, um zu einem wirklich guten Spieler zu werden, ist derjenige sich einzugestehen, dass man noch nicht gut IST, und dass man immer und jederzeit von anderen lernen kann – auch von schlechteren Spielern. Ich hatte diese Erkenntnis noch vor mir. Viele erlangen sie nie.

Marcus Heyduk zum Beispiel erwies sich als noch wesentlich lernresistenter als ich und würde Magic aufgeben, sobald er feststellte, dass andere ihn überholten. Schuld war natürlich das Spiel selbst, Typ 2, Limited-Formate, die Pro Tour, die neuen Editionen... naja, Magic war eben auch damals schon tot! Aber das würde erst nach PT Mainz geschehen – so weit sind wir noch nicht.

Davon, und wie ich so langsam doch zu einem wirklich guten Spieler wurde, erzähle ich Euch dann das nächste Mal!




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