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Kurz vor Alcatraz und anderes Stückwerk
...and justice for all
von Justus Rönnau
14.11.2004

Hallo allerseits, da bin ich mal wieder.

Ich hab länger nichts mehr geschrieben, was mehrere Gründe hat. Zum einen war auf den letzten Turniere nicht allzu viel los über das man berichten könnte und zum anderen nimmt die Motivation selber zu schreiben etwas ab, wenn man fast jeden Tag Artikel bearbeitet und editiert. Hinzu kommt, dass ich noch einen Artikel mit Sheldon Menery für die Judge-Seite geschrieben habe und meinen letzten Artikelfür eben diese ins englische übersetzt hab.

Mittlerweile ist aber genug zusammen gekommen um was draus zu machen.



1. Worlds 2004 in San Francisco

Was ist nur los mit den Magicspielern? So ziemlich alle penetranten Problemkinder haben sich verabschiedet. Entweder freiwillig (Boeken, Benafel) oder zumindest zeitweise unfreiwillig (Fuller, van Cleave). Selbst Tom Guevin ist ruhiger geworden.
Die Cheater sind entweder so vorsichtig geworden, dass sie kaum mehr erwischt werden oder so dumm/unaufmerksam, dass sie rechtzeitig erwischt werden. Das ist zwar gut für die Turniere, aber schlecht für Berichte.

Dementsprechend gibt es auch von den Weltmeisterschaften recht wenig zu berichten.
Sehr schön war, dass genug Judges da waren, so das jeder einen ganzen Tag frei hatte. So kam man endlich mal dazu, sich die Stadt ein wenig anzusehen (oder Side Events zu spielen wenn man das bevorzugt – einige Judges verzichteten auch und judgeten auch an ihrem freien Tag). Mein freier Tag war gleich der Mittwoch. Ich schlief erstmal aus und schaute mir dann Alcatraz, das auch von der Site aus zu sehen war, an. Lustige Anekdote: Alcatraz war das einzige Gefängnis, wo die Gefangenen nicht kalt duschen konnten. Die Insel ist nämlich nicht wegen ihrer Entfernung vom Festland so sicher, sondern wegen einer sehr kalten Strömung, die sie umgibt. So sollte verhindert werden, dass sich ein Fluchtwilliger an kalte Wassertemperaturen gewöhnt.
Danach ging ich zur Site und schaute mir an, was unsere Jungs so machten.

Donnerstag und Freitag war ich dann beim Mainevent. Was besonderes passierte da nicht, aber von den Side-Events hörte ich eine lustige Geschichte: Bei einem Deckcheck in einem der PTQs fiel auf, dass der Spieler einige Karten verkehrtrum im Deck hatte. Das waren 4 Wrath of God, was ja schon bedenklich ist. Die Judges entschieden sich, die Karten einfach umzudrehen und kommentarlos zurückzugeben. Nächste Runde bekam der Spieler nicht durch Zufall einen weiteren Deckcheck. Und siehe da, die Wraths waren schon wieder falsch rum. Sowas meine ich mit den dummen Cheatern.

Am Samstag war ich zur Judge Certification eingeteilt.

Randbemerkung: Im Gegensatz zu früheren Events hat das nicht einer die ganze Zeit gemacht, sondern es wurde täglich rotiert. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits ist es natürlich schön, etwas Abwechslung zu haben. Die Beliebtheit dieses Jobs schwankt enorm. Ich selber mach das sehr gerne und habe auch überhaupt kein Problem damit wie in Berlin 4 Tage am Stück Judgetests zu machen. Andere hingegen hassen den Job. Wenn's dann so einen für 4-5 Tage erwischt ist das natürlich blöd. Andererseits führt das natürlich auch zu Problemen. Man muß erstmal in die Routine reinkommen, bei Tests, die über die Tagesgrenze gehen muß man sich mit dem Tester vom Vortag koordinieren, etc.

Als ich das vorab in der Schedule las, bereitete ich mich innerlich auf einen anstrengenden und stressigen Tag vor, denn ich erinnerte mich noch gut an Berlin. Aber da hatte ich mich getäuscht. Es war nämlich recht wenig los. Ich hatte nur 2 Leute, die es bis zum tatsächlichen Test schafften. Lustig war, dass auch Aaron Forsythe kam um den Test zu machen. Wie nicht anders zu erwarten mußte er dann aber abbrechen, da er doch wieder was für die Coverage schreiben mußte. Na ja, der wird schon noch irgendwann zu kommen.
Später kam dann Andy Heckt und fragte mich, wieviel los sei. Da das wie gesagt nicht grade viel war, fragte er mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn einer der SE Leute die angefangenen Tests zuende macht, weil im Mainevent ein Backup für einen unerfahrenen Teamleader gebraucht wurde. Das bisherige Backup sollte nämlich jetzt zu seinem Lvl 3 Interview. Klar machte ich das.

Randbemerkung: Teamleader, die in der Aufgabe noch keine große Erfahrung haben bekommen immer ein „Backup“. Das ist ein erfahrener Judge, der den neuen Teamleader beobachtet, Tips gibt und wenn etwas droht ernsthaft schief zu gehen auch eingreifen kann.

Am Sonntag machte ich neben einem Tablejudge im Viertelfinale noch beim Lvl 3 Interview von Johanna Knuutinen aus Finnland mit. Ich leitete das Interview, außerdem waren Collin Jackson und Carter mit dabei (zwischendurch auch Sheldon und Andy).

Das Interview war Brutal und dauerte die Rekordzeit von 4 Stunden, denn die Entscheidung war nicht einfach. Wir wollten Johanna von ihrer besten und von ihrer schlechtesten Seite sehen und das taten wir auch. Aber das war schon hart. Zur Verdeutlichung hier ein (aus der Erinnerung zusammengestellter) Ausschnitt aus dem IRC Channel #mtgjudge von vor ein paar Wochen:

Flame [Johanna]: I should finish my article
Mercator (Jasper Overman): what is it about?
Flame: my 4-hour torture at worlds
random guy: worlds is only 4 hours?!
Flame: I was talking about my lvl 3 interview
random guy: oh
Mercator: that's pretty long, right?
JustusR: very long indeed
Mercator: mine will probably be over after five minutes when Sheldon has made me cry.
JustusR: no, merc, that's when it starts
JustusR: it took us like 30 minutes to reduce her to tears, though
Flame: that's true

Und das war es wirklich. Die Darstellung war nicht übertrieben.
Normal ist das natürlich nicht. War aber notwendig, auch wenn ich schon etwas Mitleid bekam, welches aber ganz schnell unterdrückt wurde.
Hat sich am Ende dann aber doch gelohnt, denn Johanna hat bestanden. Nochmals Glückwunsch.


2. PTQ Nagoya in Grevenbroich

Letztes Wochenende war ein PTQ in Grevenbroich. Eigentlich hätte ich gar nicht da sein sollen. Als die nächsten EU GP Termine feststanden hatte ich Peter Coenen angemailed um mit ihm abzusprechen, wo er mich gerne als HJ oder Backup haben wollte. Heraus kam, dass er noch ein Backup für Bruno Barracosa in Helsinki suchte und ich sagte zu.
Als dann der Sponsorship Aufruf für Helsinki kam schrieb ich hin, nochmal als Bestätigung, dass ich kommen würde. Da stellt sich dann heraus, dass Peter seine Notizen verschlampt hatte und jetzt schon Gis als Backup angeheuert hatte. Na ja, dann eben PTQ gejudged.

Dort hatte dann unserer Kommissar seinen ersten DQ als HJ. Und das kam so:
Zu Beginn der ersten Runde rief ein Spieler, Mike Hofmann, einen Judge, da einige Karten im Deck des Gegners (Christoph Bußmann) in falscher Orientierung lagen. Als man sich das Deck ansah, konnte man feststellen, dass alle Länder, incl. eines nonbasics, in anderer Orientierung als der Rest der Karten war. Hinzu kam, dass er diese semi-durchsichtigen Hüllen spielte, man also ohne große Probleme erkennen konnte, in welche Richtung nun eine Karte lag. Ohne ihm genau zu sagen, was nun das Problem war, fragten wir Christoph, was er denn mit dem Deck so alles angestellt habe, wie er gemischt hat, etc. Er sagte, er hätte vor dem Match das Deck nach Ländern, Kreaturen und Sprüchen sortiert und dann erst pile und dann riffleshuffles gemacht. Beim Rifflen müßte er dann wohl aus Versehen einen Haufen umgedreht haben. Aber hätte aber sehr gründlich gemischt. Diese Version wiederholte er später noch mal und bestätigte auf Nachfrage auch ausdrücklich, dass die Karten vor dem Mischen sicher in gleicher Orientierung waren. Das müsse, wie gesagt, beim Rifflen passiert sein.
Nun sind weder Thorsten noch ich die Helden der Wahrscheinlichkeitsrechnung, aber die Chance, dass man bei einem gemischten Deck ausgerechnet versehentlich alle Länder umdreht schien uns vergleichsweise klein.
Wir zeigten Christoph dann also, wie sein Deck aussah. Da sagte er dann „oh, dann muß das wohl doch vorher passiert sein, war aber keine Absicht“. Auf die Frage, warum er sich denn vorher so sicher war, dass es anders gewesen sein mußte antwortete er, dass er eben zuerst dachte, dass es so gekommen wäre, jetzt aber die zweite Version für wahrscheinlicher hält.

Na ja, wir beide hielten eine dritte Version für am Wahrscheinlichsten und dachten, dass wir zumindest in diesem Turnier besser ohne ihn auskommen.



3. Aufgemischt!

Im ZKForum gab es letztens mal wieder eine Diskussion ums Mischen.
Da wurde ich gebeten, mal was dazu zu schreiben. Also gut.

So besonders viel kann man dazu leider nicht sagen. Die Regeln besagen eben, dass sich zu Beginn eines Duells (also wenn man das Deck „präsentiert“, d.h. dem Gegner zum Mischen oder Abheben hinlegt) die Karten im Deck in zufälliger Reihenfolge befinden müssen.
Darüber, wie man da hinkommt schweigen sich die Regeln aus.

Da es hier sicher einige gibt, die mit Begriffen wie „Pile-Shuffle“ u.ä. nichts anfangen können will ich die erstmal erklären:

Pile-Shuffle:
Man legt die Karten in Haufen (piles) auf, meistens sind das 3-10. Dann legt man die Haufen aufeinander und ändert so die Reihenfolge der Karten. Wichtig ist, dass ein Pileshuffle die Zufälligkeit des Decks nicht erhöht, denn der Prozess läßt sich ja präzise rückgängig machen. Neben einem Pileshuffle (der durchaus Sinn macht) ums man also auf jeden Fall noch auf andere Art und Weise mischen. Ein Pileshuffle macht Sinn, da Karten/Hüllen, besonders wenn sie nicht mehr ganz neu sind, aneinanderkleben können. So bricht man diese Klumpen auf.

Riffle-Shuffle
(nicht Rifle-Shuffle, mit Gewehren hat das nichts zu tun):
Man teilt das Deck in zwei Teile und läßt die Karten der beiden Teile dann mehr oder weniger abwechselnd ineinander Fallen. Habt ihr bestimmt schon öfters in mehr oder weniger guten Western gesehen . Da die Karten – wenn man sich nicht besondere Mühe gibt – nicht genau 1:1 ineinander fallen und das ganze mit ordinärer Feinmotorik auch nicht zu manipulieren ist ergibt sich mit der Methode tatsächlich eine zufällige Reihenfolge. Einmal reicht natürlich nicht, dass ums man schon öfters machen, dazwischen auch gerne mal ein Pile-Shuffle einlegen.

Side-Shuffle:
Der Riffle-Shuffle für Grobmotoriker. Man teilt das Deck in zwei Teile und schiebt die ineinander. Dauert länger als ein Riffle, ist aber einfacher und hat den gleichen Effekt.

Abheben:
Man nimmt ein Teil des Decks und legt ihn auf den anderen. Nicht sehr effektiv, kann in der Hand aber recht schnell gemacht werden.


Am effektivsten ist eine Kombination aus Riffle- und Pileshuffle. So 20-30 Riffles sollte man schon machen um ein Deck vernünftig zu mischen. In der Praxis sind soviel aber selten nötig, da das Deck zu Beginn ja nicht sortiert ist.
Wenn man sein Deck natürlich vorher sortiert braucht man schon die volle Anzahl, was dazu führen kann, dass man Probleme mit dem Zeitlimit bekommt, besonders wenn man auch noch Sideboarden will.

Das Deck zu stacken ist sowieso eine echte Unart. Das alberne an der Sache ist, dass es – wenn man nicht cheaten will – per Definition auch gar nichts bringt. Denn wenn es einem was nutzt ist es eben cheating. Sowas verbraucht also nur Zeit, denn nicht nur das Sortieren des Decks kostet Zeit, man ums danach auch noch gründlicher mischen also sonst.
Akzeptiert einfach, dass ein gewisser Glücksfaktor Teil von Magic ist.

Dabei fällt mir noch eine lustige Anekdote ein. Als Apprentice erschien, hatten die Macher voller Naivität den Shuffler so programmiert, dass er die Karten tatsächlich in zufälliger (für die Informatiker/Mathematiker: so zufällig wie ein Computer das eben kann) Reihenfolge ins virtuelle Deck packte. Die Proteststürme der Spieler über den schlechten Shuffler waren riesig. Daraufhin schrieben sie den Shuffler so um, dass er ein gestacktes Deck mit dem 3 Riffle-Shuffles gemacht wurden simulierte (damals waren 3 Riffles als Minimum in den Turnierregeln vorgesehen). Dabei kommt natürlich ein ziemlich gestacktes Deck raus. Die Spieler aber waren höchst zu frieden – die Masse meinte, der Shuffler liege jetzt viel näher am RL. Ah ja, alles klar.

In diesem Sinne,

Justus

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