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Constructed-Neuland
von Andreas "Zeromant" Pischner
17.02.2003

Wow, seit einem Jahr bereits schreibe ich meine Kolumne bei PlanetMTG - was sich da alles angesammelt hat! Ich habe mir heute ein bisschen Zeit genommen und mir ein paar meiner älteren Artikel wieder zu Gemüte geführt - falls Euch meine Schreibe gefällt, kann ich das auch Euch durchaus empfehlen! Ich finde sie auch heute noch ganz unterhaltsam. Einige davon sind irgendwie immer noch durchaus aktuell, und einige wirken doch an einigen Stellen im Nachhinein eher unfreiwillig komisch! (Hatten wir da wirklich beim Team-PTQ einen Spurnmage Advocate im SIDEBOARD? Habe ich da wirklich geschrieben, dass Desolation Angel meine letzte große Fehleinschätzung einer Karte gewesen ist - kurz, nachdem ich bei meiner Einschätzung von Judgment fürs Constructed WONDER vollständig ignoriert hatte?)

Am längsten bin ich an dem Artikel "Typ ABC - Magic nach Buchstaben" hängengeblieben, ein bisschen auch mit einem schlechten Gewissen - wann habe ich dieses Format zuletzt gespielt? Oder auch: Wann habe ich überhaupt zuletzt über Apprentice gespielt? Spätestens, seit ich einen Magic Online-Account habe, wurde das kleine Zauberlehrling-Programm von mir sträflich vernachlässigt! Dabei habe ich wieder so richtig Lust bekommen, mich wieder mit dem Magic-Alphabet zu beschäftigen - Gerade in E und Q habe ich in Onslaught sehr interessante Dinge gefunden, und außerdem wäre es interessant zu sehen, ob man nicht vielleicht ein Cycling-Deck oder sogar ein Sliver-Deck zusammenstöpseln könnte!

...aber es fehlt einfach die Zeit. In den letzten Wochen bin ich ja nicht einmal mehr zum MtGO-Spielen gekommen (das ist auch der Grund, warum der versprochene Artikel darüber noch auf sich warten lässt) - da kann ich wohl erst recht nicht die Zeit aufbringen, dieses leider wieder in Vergessenheit geratene Format zu reaktivieren.

Andererseits...

Ich habe gerade die Mammut-Aufgabe bewältigt, Ordnung in meine private Magickartensammlung zu bringen. Unglaublich, wieviel sich da schon wieder angesammelt hat, obwohl ich vor ca. drei Jahren einmal alles verkauft hatte! (Ein Rat an alle, die mit Magic aufhören wollen: Lasst es! Ihr fangt ja doch wieder an... es ist nur eine Frage der Zeit!) Und die allermeisten Karten haben sich niemals (höchstens als Proxies) in einem Deck befunden und werden es auch niemals tun - oder?

Zwischendurch habe ich im ZK-Forum an verschiedenen Stellen gelesen, dass viele Magic-Spieler die etablierten Decktypen und das dadurch vorgegebene Metagame in Constructed-Formaten, besonders in Standard, nicht schätzen. Die Diskussionen werden, wie üblich, mit SEHR großen Niveauschwankungen geführt, aber so langsam scheint sich die Einsicht hearuszukristallisieren, dass ein etabliertes Metagame aufgrund des Internets die logische Folge eines erforschten Formates ist. Einige Strategien sind nun einmal stärker als andere und werden irgendwann gefunden. Möglicherweise vorhandene alternative Strategien müssen erst einmal entdeckt und entwickelt werden. Hier liegt übrigens der Denkfehler vieler Spieler, die sich beklagen, dass sie mit ihren selbstentworfenen Decks gegen die Internet-Decks keine Chance hätten:

NATÜRLICH habt Ihr keine Chance! Die etablierten Decks sind über einen LANGEN Zeitraum von VIELEN Spielern entworfen und weiterentwickelt worden! Die paar Stunden Arbeit, die Ihr maximal in Euer Deck gesteckt habt, können dagegen natürlich nicht anstinken. Und das ist auch gut so! Wenn bei einem derartigen Missverhältnis bei der Entwicklungsdauer auch nur annähernd gleiche Gewinnchancen bestünden, wäre Magic ein beinahe ausschließliches Glücksspiel! (Und das ist es glücklicherweise nicht.)

Es IST immer noch möglich, eigenständige, starke Decks zu entwickeln - aber normalerweise benötigt man dafür eine Playtest-Gruppe, und VIEL Zeit. Auf diese Art sind alle diese Netzdecks in ihren ursprünglichen Versionen auch entstanden!

Was meint Ihr? Ihr habt aber einfach nicht die Zeit und Manpower für derart exzessives Playtesting? Na also, dann sitzen wir ja im selben Boot Und Ihr wollt trotzdem mit selbstentwickelten Decks gute Gewinnchancen haben?

...hey, dafür gibt es eine Lösung! Und sie lautet: Spielt einfach Formate, in denen sich noch kein festgefügtes Metagame entwickelt hat! So wie eben z.B. Typ ABC. Oder wie Beta-Challenge, das ich am Ende dieses Artikels vorstellen werde. Oder denkt Euch selbst etwas aus!

...gut, das ist eine Idee, und es kann auch Spaß bringen. Trotzdem gibt es da noch ein paar Probleme: Einmal haben die etablierten Formate den Vorteil, dass sie...nun ja...eben ETABLIERT sind - das heißt, dass man ohne größere Probleme Gegner und sogar Turniere finden kann.

Inoffizielle Fun-Formate hingegen sind weitgehend unbekannt, so dass der Kreis der potenziellen Spielpartner sehr klein ist. Dann muss man diese Spielpartner auch noch motivieren, sich mit diesem ungewöhnlichen Format näher zu beschäftigen: Solange ich im ZK-Thread zu Typ ABC regelmäßig Posts verfasste, hatte ich auch immer ein paar Spieler als Gegner zur Verfügung, die auch eigene Decks entworfen hatten. Sobald ich mir jedoch als Motivationskünstler eine Pause gönnte, schlief die kleine ABC-Szene auch prompt wieder ein.

Dann ist da noch das Problem des Kartenpools: Am meisten Spaß machen diejenigen Formate, die sich aus einem möglichst großen Kartenpool bedienen. Aber diese Karten muss man ja erst einmal HABEN! Es ist schwierig genug, sich für die wichtigen Formate alle notwendigen Karten zu besorgen - da hat man meistens nicht genügend Zeit, sich auch noch um obskure Karten für obskure Fun-Formate zu kümmern! (Wenn Typ ABC von heute auf morgen PTQ-Format würde, würde Xanthic Statue plötzlich verdammt teuer werden! )

Spielen auf Apprentice löst dieses Problem, schafft aber ein anderes: Man sitzt halt keinem Menschen gegenüber, sondern einem Computer. (Gut, bei vielen potenziellen Gegnern ist das ein Gewinn, aber das ist ein anderes Thema!) Das ist natürlich keine Katastrophe, aber gerade bei einem unkonventionellen Format ist das Bedürfnis, sich mit anderen Spielern in persona darüber auszutauschen, eher größer.

Ach ja, und schließlich löst das Spielen per Computer auch nicht das Problem der vielen vernachlässigten phyischen Karten, die sich zu Hause stapeln...

Deswegen möchte ich an dieser Stelle an ein Format erinnern, das man mit beinahe JEDEM Kartenpool spielen kann, und das die eigenen Deckbau-Skills fordert, ohne dass sich jemals ein festgefügtes Metagame etabliert! Und es ist niemand aufgrund seines Kartenpools benachteiligt!

...weil beide Spieler denselben benutzen Das Format ist (tatataTAAAA!):

Duplicate Sealed!

Eigentlich ein relativ bekanntes Format, wird es jedoch trotzdem nur äußerst selten gespielt. Dabei ist es, zumindest für zwei Spieler, recht einfach umzusetzen: Man nimmt einen möglichst großen Kartenpool, in dem sich alle Karten zwei- (oder VIER-)mal befinden (okay, das erfordert ein wenig Vorbereitung). Dann nimmt man von jeder Karte eine (bzw. ZWEI) Kopien, und mischt diese Karten. Man zieht dann eine gewisse Anzahl dieser Karten - sagen wir, neunzig - und sucht die korrespondierenden Karten dazu aus den übriggebliebenen Karten (die hoffentlich sortiert sind!) heraus. Jeder Spieler erhält eine identische Hälfte, und der Deckbau kann beginnen!

Zugegeben, einige Kartenpools sind sinnvoller als andere: Nur Creature Enchantments zum Beispiel wären wohl keine so gute Idee. Und auch, wenn in diesem Limited-Format natürlich keine Karten gebannt sind, möchte man vielleicht nicht unbedingt eine Balance im Stapel haben.

Worauf man hingegen NICHT achten muss, ist ob die Farben ungefähr gleichstark vertreten sind (qualitativ oder auch quantitativ) - das regelt sich schon von alleine. Am besten funktioniert dieses Format mit einem SEHR großen Kartenpool aus vielen verschiedenen Editionen - auf diese Art kommt man endlich einmal dazu, mit all seinen Karten tatsächlich einmal zu spielen!

Der Deckbau hingegen stellt einige Anforderungen an die Spieler. Man weiß schließlich GENAU, welches Material der Gegner zur Verfügung hat. Metagamen und Pre-Sideboarding sind offensichtlich angebracht! (Sideboarden im eigentlichen Sinne ist natürlich im anschließenden Match NICHT erlaubt - es läuft dem ganzen Prinzip zuwider, den Gegner auszurechnen und die stärkere Deck-Variante zu bauen, wenn man die Möglichkeit hat, sein Deck dem des Gegners einfach anzugleichen.)

Auch wenn es als "Duplicate SEALED" bekannt geworden ist, handelt es sich doch eigentlich um ein Constructed-Format: Beide Spieler haben exakt den gleichen Kartenpool zur Verfügung - das ist das eigentliche Unterscheidungsmerkmal zu Limited-Formaten, in denen die zur Verfügung stehenden Kartenpools unterschiedlich sind.

Ach übrigens: Manche Magic-Spieler, die sich miteinander darüber streiten, wer denn nun der bessere Spieler sei, stellen sogenannte "Schwanzvergleiche" an. Ein Showdown im einem Format - Minimaster, Sealed, Standard etc..., bei dem der Sieger sich dann als der besere Spieler bezeichnen darf. So albern dieses Prinzip ist: Zum Einschätzen der persönlichen Fähigkeiten eignet sich kein Format besser als Duplicate Sealed, da beide Spieler exakt dieselben Voraussetzungen haben: Einen absolut identischen Kartenpool, sowie ein für beide vollständig neues Metagame! (Natürlich ist immer noch ein Zufallsfaktor verhanden, aber Magic ist nun einmal ein Glücksspiel.)

So, zum Abschluss doch noch ein Format, das zum Spielen über Apprentice gedacht ist (da kaum jemand die Karten hat!). Es ist auch eigentlich weniger ein Format, das ich längere Zeit spielen wollte, als vielmehr ein Beispiel dafür, wie man selbst ein Constructed-Format ohne bereits bestehendes Metagame definieren kann, um z.B. ein einmaliges Turnier mit ein paar Kupels statfinden zu lassen - naja, und eine kleine Herausforderung an die Leser von PlanetMTG!

Beta-Challenge:

Der Kartenpool ist Beta, das ursprüngliche Magic-Grundset (das jedoch im Gegensatz zum Alpha-Printing die fehlednen Karten nachgereicht hat und die gröbsten Fehler beseitigt hat). Ja, das ist das Set mit den Moxen und so!

Das Deck darf keine Karte außer Standardländern mehr als einmal enthalten (also ein sogenanntes Highlander-Format). Es muss mindestens 40 Karten enthalten. Es gibt KEINE gebannten Karten außer den Ante-Karten und dem Chaos Orb (der auf Apprentice auch nicht so ricthig funktioniert), also viel Spaß mit Spoilern! Folgende Beschränkung gilt jedoch: Man darf maximal 2 Rares, maximal 6 Uncommons und maximal 16 Commons benutzen.

Dieses Format ist mit Sicherheit nicht balanciert - das ist auch nicht der Sinn der Übung. Vielmehr geht es darum, ein vollständig unbekanntes Metagame einzuschätzen und zu versuchen, das bestmögliche Deck zu bauen!

Ich habe genau das versucht (auch wenn ich mir nicht mehr als eine halbe Stunde Zeit genommen habe), und das Ergebnis...

...behalte ich bis auf Weiteres für mich! Hey, das ist eine HERAUSFORDEUNG hier - ich will, dass Ihr gegen mich SPIELT! Mein Deck ist bereits im Apprentice-Format abgespeichert und wartet auf einen Gegner. Schreibt mich unter meinem PlanetMTG-Account an, dann werde ich mein gutes altes Apprentice reaktivieren!

Bis denne also!


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 #1 Juhu ein Fun Spieler ! von EiziEiz am 17.02.2003 • 20:55
Finde aber Duplicate Sealed lustiger !

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