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40 falsche Karten - mein Legions Pre-Release
von Andreas "Zeromant" Pischner
29.01.2003

Pre-Release-Turniere sind etwas Besonderes.

Obwohl ich immer mehr die Lust am Format "Sealed Deck" verliere, obwohl die Eintrittspreise über die Jahre immer weiter angestiegen sind, und obwohl ich es verabscheue, mit deutschen Karten spielen zu müssen, nehme ich doch jedesmal wieder an wenigstens einem Pre-Release-Turnier teil. Gut, die Zeiten sind vorbei, als ich an einem Pre-Release-Wochenende mir gleich zweimal in verschiedenen Städten die glitzernde Karte abholte - so stark ist die Begeisterung heute dann doch nicht mehr. Aber die Gelegenheit, das erste Mal mit den bisher nur aus den Netz bekannten Karten tatsächlich zu spielen, stellt doch immer wieder einen ganz besonderen Reiz dar!

Leider hängt der Erfolg bei einem Pre-Release-Turnier, wie bei jedem Sealed-Turnier, doch sehr stark von dem Kartenpool ab, den man öffnet. Ich hatte irgendwann festgestellt, dass ein schlechtes Abschneiden mit einem schlechten Deck mich nicht nur Rating-Punkte kostete (was, je nach Situation, sehr wichtig bis völlig unwichtig sein konnte), sondern auch Nerven - es war einfach FRUSTRIEREND, mit einem schlechten Deck gegen Spieler zu verlieren, die mir spielerisch oft einfach unterlegen waren, und nichts dagegen machen zu können. Daher hatte ich mir zuletzt angewöhnt, mit einem miesen Kartenpool früh zu droppen und mich auf die Suche nach Side Events zu begeben.

Beim Legions-Pre-Release-Turnier in Berlin bin ich 1-1-Drop gegangen - aber ich fürchte, ich kann es nicht auf den Kartenpool schieben: Ich hatte schlicht und einfach mein Deck völlig verbaut! Da es angenehmer (wenn auch ein wenig unergiebiger) ist, aus fremden Fehlern zu lernen, werde ich Euch meine beiden Decks - das, welches ich gespielt habe, und das, welches ich hätte spielen sollen! - hier vorstellen.

Wie üblich öffneten alle Teilnehmer zunächst Produkt, das sie vermutlich nicht behalten würden. Das Erste, was mir auffiel war, dass Weiß und Blau in Legions recht stark zu sein schienen - ein deutlicher Unterschied zum reinen Onslaught-Sealed, wo man normalerweise die Wahl zwischen R/G, B/G, R/B oder B/R/G hatte! Dann bemerkte ich, dass das daran lag, dass ich einfach eine obszöne Anzahl Flieger in Blau und Weiß hatte - GUTE Flieger, und bestimmt zehn Stück! Ich merkte mir, dass ich mit diesem Kartenpool vermutlich ein blau-weißes Deck bauen wollte, mit ein wenig Rot für Karten wie Sparksmith, Erratic Explosion und Shock.

Diesen Gedanken hatte ich noch im Hinterkopf, als ich die Karten zugeschoben bekam, aus denen ich dann wirklich mein Deck bauen durfte. Bei den Onslaught-Rares fielen mir sofort Quicksilver Dragon und Aven Brigadier auf, und ich war in Gedanken sofort wieder bei Blau-Weiß. Dann stellte ich allerdings fest, dass meine Flieger insgesamt weder so zahlreich, noch so stark waren, wie bei dem Kartenpool, den ich weggegeben hatte. Grün war insgesamt sehr schwach, aber Rot hatte sehr viel Removal. Schwarz hatte auch ein paar Removal oder Removal-ähnliche Karten und bot eine exzellente Mankurve, sowie ein paar Game-Breaker in Gestalt eines Frightshroud Couriers sowie eines Cabal Archon. Auch in den hohen Mana-Slots hatte ich ein paar starke Karten.

Das war mein Deck:
 
lands (17):
9Swamp
8Mountain

spells (5):
1Cruel Revival
1Shock
1Erratic Explosion
1Commando Raid
1Solar Blast

creatures (18):
1Cabal Archon
1Frightshroud Courier
1Thoughtbound Primoc
1Battering Craghorn
1Charging Slateback
2Withered Wretch
1Crypt Sliver
1Infernal Caretaker
1Noxious Ghoul
1Scion of Darkness
2Skirk Marauder
1Skirk Alarmist
1Goblin Clearcutter
1Crested Craghorn
1Goblin Dynamo
1Phage the Untouchable

40 cards
 
Eigentlich ein sehr schönes Deck - eine sehr gute Manakurve, eine in diesem Format geradezu unwahrscheinlich hohe Menge an Removal plus einige Removal-ähnliche Effekte, ein paar Möglichkeiten, Schaden an Blockern vorbei zu machen, und ein paar starke Karten in den hohen Mana-Slots.

Vor der ersten Runde spielte ich das Deck gegen meinen Teamkollegen Peer. Ich brachte ihn mit schnellem Beatdown mit Removal-Backup innerhalb weniger Runden in den einstelligen Lebenspunkte-Bereich. Dann legte er einen Grassland Crusader, und meine Offensive war gestoppt. Als er dann ein Starlit Sanctum fand, war auch das letzte bisschen Hoffung weg, irgendwie die letzten Punkte Schaden durchzubekommen. Keine gute Generalprobe.

In der ersten Runde spielte ich dann gegen ein recht mäßiges Deck. In einem Spiel konnte ich mit Hilfe meines Frightshroud Couriers einen Withered Wretch jede Runde für 4 Schaden kommen lassen, während die übrigen Kreaturen sich anstarrten. Im anderen Spiel war ich beinahe schon tot, doch dann tauchte mein Cabal Archon auf und erhielt mich am Leben. In diesem Spiel zog ich eine unglaublicke Kombo mit meinen BEIDEN Wretches ab (die Zombie & Cleric sind!), für die ich außerdem noch meinen Infernal Caretaker benötigte (ein Cleric, der Zombies wiederbringt), in der ich die Anzahl der Kleriker, die ich in den Archon opfern konnte, maximierte. Dadurch geriet mein Gegner rechtzeitig in Goblin Dynamo Reichweite.

Dieses Match, obgleich ich es gewonnen hatte, gab mir zu denken: Ich hatte den deutlichen Eindruck, beide Male recht glücklich gewonnen zu haben, obwohl ich von dem, was mein Gegner mir in seinem Deck gezeigt hatte, alles andere als beeindruckt gewesen war.

In der zweiten Runde spielte ich dann gegen 2 Keeneye Aven. Okay, das Deck meines Gegners hatte sicherlich noch ein paar Karten mehr, aber er besiegte mich einfach mühelos mit diesen beiden Fliegern, während ich einfach keine Offensive aufbauen konnte.

Das konnte es einfach nicht sein! Wenn ich gegen eine Handvoll Flieger bereits völlig chancenlos war, dann taugte mein Deck irgendwie nix - gegen grüne Fatties hatte ich noch gar nicht gespielt, und die waren sicherlich das größere Problem!

Ich droppte also aus dem Turnier und analysierte meinen Kartenpool noch einmal genauer. Dabei stellte ich zunächst einmal fest, dass mein Deck einen grundlegenden Fehler hatte: Es konnte nicht gewinnen! Ja, es hatte eine Menge Removal, aber das meiste davon kostete 3 Mana oder mehr und machte nur 2 Schaden. Wo ist da der Gewinn, wenn mein Gegner einfach für 3 Mana die nächste Morph-Kreatur nachlegt? Weiterhin bestanden die Decks in diesem Format zum allergrößten Teil aus Kreaturen in allen Größen. Wie konnte ich da hoffen, mich durch die Blocker hindurchzubrennen? Meine Anfangsoffensive wurde vom Gegner zumeist auf ca. 12 Leben gestoppt. Das war zuviel, um mit Archon oder Courier - beides eigentlich Kombokarten! - zuverlässig den Gegner finishen zu können, ja meistens selbst zu viel, um meinen Goblin Dynamo noch offensiv einsetzen zu können, der stattdessen zu einem insgesamt etwa 12 Mana teuren Removalspruch verkam! Phage, die sowieso als 40. Karte in mein Deck gekommen war, war das Mana einfach nicht wert, und den Scion bekam ich einfach nicht auf den Tisch (und ich hatte auch nie so recht das Mana frei, um ihn zu cyclen!)

Kurz gesagt, das Deck war SCHLECHT. Nicht im absoluten Sinn - ich würde behaupten, wenn ich dieses Deck in ein Onslaught-only-Sealed schummeln dürfte (auch ruhig mit 3 Boostern), dann würde es sich ordentlich schlagen. Nein, es war schlecht in diesem Format mit 3 Legions-Boostern, in dem Kreaturen einfach alles waren! Ich hatte mein Deck nach dem Prinzip gebaut: Removal ist das Wichtigste, also muss ich Rot spielen, das viel und starkes Removal hat. Zusammen mir Schwarz ergab sich dann eine sehr gute Manakurve, und ich hatte NOCH MEHR Removal. Ein sehr guter Plan - in einem anderen Environment! Hier aber hatte Removal einfach nicht die erste Priorität: Das Format wurde durch die besten Kreaturen entschieden, mit anderen Worten: Fatties und Flieger!

Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf betrachtete ich meinen Kartenpool noch einmal in Ruhe, nachdem ich gedroppt war. Heraus kam dabei folgendes Deck:
 
lands (17):
9Plains
8Island

spells (2):
1Inspirit
1Choking Tethers

creatures (21):
1Deftblade Elite
1Disciple of Grace
1Starlight Invoker
1Daru Healer
1Whipgrass Entangler
1Dive Bomber
2Aven Redeemer
1Crude Rampart
1Daunting Defender
1Ward Sliver
1Grassland Crusader
1Aven Brigadier
1Imagecrafter
1Voidmage Apprentice
1Echo Tracer
1Fleeting Aven
1Ascending Aven
1Keeneye Aven
1Glintwing Invoker
1Quicksilver Dragon

40 cards
 
Wenn es nicht schon aus der Deckliste ersichtlich ist: Dieses Deck ist VIEL stärker als das schwarz.rote - überhaupt kein Vergleich! (Und es hat nicht eine einzige Karte mit meiner ursprünglichen Version gemeinsam - daher auch der Titel dieses Artikels ) Ich verbrachte den Rest des Turniers damit, mit dieser Variante zu spielen, und gewann die überwältigende Mehrzahl der Spiele (unter anderem auch ein paar gegen mein ursprüngliches Deck, das einfach nicht mithalten konnte). Einer meiner Gegner stand im Turnier 5:0, 10:0 nach Spielen, und ich bügelte ihn 2 zu 0 weg. Auch wenn ich glaube, dass ich mit diesem Deck insgesamt vielleicht eher Glück beim Spielen gehabt hatte, so war doch offensichtlich, dass ich die Chance vertan hatte, mit einem ziemlich starken Deck das Pre-Release zu spielen!

Wenn ich jatzt auf die Decklisten schaue, fällt es mir auch schwer zu glauben, dass ich dermaßen danebenliegen konnte. Die Gründe waren folgende gewesen:

1. Ich hatte es mir zur obersten Priorität gemacht, so viel Removal wie möglich in mein Deck zu quetschen. Das war nicht die richtige Strategie gewesen.

2. Ich hatte immer noch den Kartenpool im Hinterkopf gehabt, den ich weitergeben musste, und der deutlich mehr und im Schnitt stärkere Flieger enthalten hatte! Dadurch hatte ich irgendwie den Maßstab für ein blau-weißes Deck zu hoch angesetzt - auch weil im reinen Onslaught-Format diese beiden Farben, so gut sie auch oft auf den ersten Blick aussehen mochten, sich bei genauem Hinsehen meistens dann doch als zu schwach erwiesen hatten.

3. Ich hatte zu viel Angst vor Spitting Gourna, und vor allem Needleshot Gourna (Letzteren erwartete ich, da er eine Legions-Common war, besonders häufig anzutreffen.) In meinen Testspielen hatte ich das Glück, diese Karten selten anzutreffen, und wenn doch, fand ich irgendwie immer einen Weg, an ihnen vorbeizukommen.

Von all diesen Gründen bietet nur der dritte ein wirkliches Argument gegen die zweite Version. Wenn man nun allerdings berücksichtig, dass diese Variante durchaus die Möglichkeit bietet, gezielt Removal zu splashen (es sind immerhin ein paar Füller darin, und das Farbmana wird nicht übermäßig belastet), dann kann man auch dieses Argument abmildern: Gegen einzelne, große Problemkreaturen kann man ein Cruel Revival splashen, gegen kleine, nervige Utility Creatures ala Wellwisher oder Sparksmith kann man ein paar der roten Removal-Sprüche hineinnehmen. Das Hauptdeck jedenfalls kommt ohne Removal hervorragend aus - ein Phänomen, das man nur in wenigen Sealed-Formaten beobachten kann! Es legt einfach mehr Flieger, als der Gegner handeln kann, und macht den Boden lange genug zu - das funktioniert wunderbar!

Eine Anmerkung noch: Zwei Karten, die mich in diesem Deck enorm überrascht haben, sind Imagecrafter und Whipgrass Entangler! Der Crafter scheint erst mit Legions so richtig zu Hochform aufzulaufen. (Zusammen mit dem Ward Sliver ist er übrigens besonders cool!) Der Entangler hingegen hat sich als sehr starke Tempokarte erwiesen, die es einem einmal ins Hintertreffen geratenen Gegner sehr schwer macht, zurück ins Spiel zu kommen, und manchmal im späten Spiel einfach das Austappen unmöglich macht, da er dann eine Wave of Indifference simulieren kann!

Soviel also zu meinem verkorksten Pre-Release. Diesmal war ich selbst schuld daran, dass ich es nicht erfolgreich bestritten habe! Aber dafür habe ich einiges gelernt, und das ist doch auch etwas wert?

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