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Das Glashaus
von Michael Diezel
12.05.2016

Letzte Woche haben wir uns jede Menge Budgetdecks rund um die unterhaltsameren Karten aus Shadows over Innistrad angesehen. Heute setzen wir dort wieder an, entledigen uns der Budget-Beschränkungen – ohne direkt unendlich teuer zu werden – und greifen auf die zweitwitzigste Karte zurück. Platz 1 geht natürlich unangefochten an Triskaidekaphobia, den zweiten belegt:


Brain in a Jar war eine überaus positive Überraschung für mich. Das Ding sieht zwar auf den ersten Blick aus wie eine ausbalancierte Æther Vial – was nicht so schlecht ist –, auf den zweiten dachte ich aber, dass diese Ausbalancierung dafür sorgt, dass die Karte direkt unspielbar sei. In vielen Decks ist dies auch richtig, da die Anforderungen an ein Deck mit dem Gehirn im Glas doch sehr beachtlich sind. Das blaue Deck der vergangenen Woche hat mir allerdings klar gemacht, dass es durchaus lohnend sein könnte, einen 60-Karten-Haufen um Brain in a Jar auf die Beine zu stellen. Im Prinzip benötigt man ja nur drei Dinge:

Hexereien und Spontanzauber sollten den Großteil des Decks ausmachen.
Diese sollten den Prinzipien der Manakurve folgen.
Das Ganze sollte nicht zerfallen, wenn man einmal nicht Turn 2 das Glas legt.

Das alles klingt durchaus plausibel. Ein Deck mit nur sehr wenigen Kreaturen sollte sich machen lassen. Die zugehörige Manakurve sollte sich eigentlich in jedem Deck ergeben und dadurch deckt man direkt noch den dritten Punkt ab.

Beim Deckbau muss man sich dann zuerst überlegen, womit man letztendlich das Spiel gewinnen will. Klar, irgendwann wird der Gegner im Normalfall aufgeben, wenn man die totale Kontrolle hat, aber manche erkennen das einfach nicht, und in diesen Fällen wäre es ein wenig peinlich, wenn man sich deckt.
Im monoblauen Deck der vergangenen Woche übernahm Rise from the Tides diesen Job. Auch heute ist die Karte durchaus im engeren Kandidatenkreis. Ihr großer Vorteil liegt darin, dass sie schnell den Sack zumacht. In einem Format mit dermaßen vielen superstarken Einzelkarten will man nämlich nicht darauf warten, dass der Gegner zu viele von denen auf den Tisch knallt, für die man dann wieder die richtige Antwort finden muss. Ein weiterer Vorteil ist die Kombination mit Brain in a Jar, mit dessen Hilfe die Zombies am Ende des gegnerischen Zuges ins Spiel kommen können, wodurch sich die potenziellen (und auch realistisch zu erwartenden) Antworten mehr oder weniger auf Kozilek's Return beschränken.


Der einzig relevante Nachteil von Rise from the Tides besteht darin, dass die Karte spürbar schlechter wird, wenn sie nicht aus dem Glas springt. Neben klassischem Massremoval wie Languish oder Radiant Flames fallen die Zombies plötzlich auch noch Declaration in Stone zum Opfer. Davon abgesehen ist es halt die 6-Mana-Karte, die noch ein wenig Setup benötigt, um überhaupt mächtig zu werden.

Deswegen habe ich auch nach einer Alternative gesucht und in einem der großen Gewinner der letzten Pro Tour gefunden:


Wie dieser Jon Finkel gezeigt hat, schlägt Seasons Past im Late Game einfach alles und ist im Gegensatz zu Rise from the Tides die deutlich bessere Einzelkarte. Überhaupt ist dieses grün-schwarze Kontrolldeck des Altmeisters ein guter Startpunkt:


2 Kalitas, Traitor of Ghet
2 Nissa, Vastwood Seer
(Nissa, Sage Animist)

1 Dead Weight
2 Ultimate Price
4 Grasp of Darkness
1 Infinite Obliteration
1 Nissa's Renewal
2 Duress
2 Seasons Past
2 Transgress the Mind
3 Ruinous Path
4 Dark Petition
4 Languish
4 Read the Bones


2 Llanowar Wastes
3 Evolving Wilds
4 Hissing Quagmire
5 Forest
12 Swamp

Sideboard:

2 Virulent Plague
1 Orbs of Warding
3 Naturalize
1 Clip Wings
3 Dead Weight
1 Infinite Obliteration
1 Ultimate Price
2 Duress
1 Kalitas, Traitor of Ghet


Im Prinzip macht das Deck schon mehr oder weniger das, was auch unser Deck machen soll: Jede Menge Spells in solider Kurve stoppen den Gegner, bis Seasons Past das Spiel gewinnt. Im Detail müssen wir hingegen nacharbeiten. Offensichtlich enthält das Deck zu viele Kreaturen. Insbesondere Kalitas ist mir ein Dorn im Auge. Versteht mich nicht falsch, ich denke, diese Karte ist eine der besten des Formats, aber selbst wenn wir für Kreaturen ein paar Slots freiräumen (maximal vier, mehr will ich mit Brain in a Jar nicht für Nicht-Land-Karten aufwenden, die weder Hexerei noch Spontanzauber sind), heißen die wahrscheinlich nicht Kalitas, weil der Verräter von Ghet einen der größten Vorteile eines extrem spruchbasierten Decks ruiniert: Der Gegner bleibt auf seinem Removal sitzen. Nissa stehe ich ein wenig aufgeschlossener gegenüber, ganz einfach weil sie auf jeden Fall einen Trigger durchbringt und im späten Spiel zumindest eine spontane Geschwindigkeit des feindlichen Removals fordert.

Die nächste relevante Änderung sieht so aus:


Blaues Mana kommt ins Deck, ganz einfach deswegen, weil mich Pieces of the Puzzle unheimlich beeindruckt hat. Die Karte macht so viel in diesem Deck: Quantitativen Kartenvorteil, der auch noch eine beachtliche qualitative Verbesserung bedeutet, da man in einem Deck, das hauptsächlich aus Spontanzaubern und Hexereien besteht, sehr oft Auswahl hat. Zusätzlich füllt man noch den Friedhof. Das ist offensichtlich solide mit Seasons Past, wichtiger aber ist das Anschalten von Spell Mastery (Dark Petition) und Delirium. Delirium?


Traverse the Ulvenwald ist bekanntlich eine leckere Karte. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass diese Aussage für unser Deck noch mehr als üblich gilt: Zunächst wird das Mana stabilisiert. Eine dritte Farbe ist gar nicht so leicht zu integrieren, weil man ja neben dem grünen Mana auch zwingend zwei schwarze benötigt und außerdem Nissa's Renewal sinnvoll spielen will. Auch gern ein zweites Mal. Dabei ist Traverse gleichzeitig noch ein Spruch für die erste Aufladung des Glases und die Hälfte der benötigten Spell Mastery. Im Late Game, wenn man Delirium erreicht hat, ist das Ding ein Super-Value-Target für Seasons Past, da man plötzlich einen Kreaturentutor spielen kann. Dafür benötigen wir wiederum Kreaturen. Wie vorhin angedeutet ist das eigentlich nicht im Sinne des Erfinders: Kreaturen springen nicht aus dem Jar und sind zudem nette Ziele für gegnerische Vernichtungszauber. Deswegen möchte ich auch ausschließlich Tierchen, die sofort etwas machen, wenn sie das Spielfeld betreten:




Ich gebe zu, die Möglichkeiten waren reichhaltig und ich kann mir auch durchaus eine andere Auswahl vorstellen. Am Ende sind es einfach das beste Kreaturenremoval, das beste Planeswalkerremoval und Nissa geworden, die einfach immer gut ist.

Traverse the Ulvenwald verbessert aber auch das Sideboard. Durch die Tutormöglichkeit können wir sehr spezielle Karten auf die Ersatzbank setzen, ohne dafür sonderlich viele Slots zu verbraten. Zumal wir mit Dark Petition ja noch einen weiteren Tutor spielen. Einen, der auch noch extrem nett mit Brain in a Jar zusammenarbeitet und auf die Art Extramana produziert.

Das beeinflusst dann natürlich den Rest des Decks, bei dem man doch die Karten ein wenig breiter fächern kann:


6 Forest
4 Swamp
4 Hissing Quagmire
4 Sunken Hollow
4 Evolving Wilds
1 Island

1 Dragonlord Silumgar
1 Nissa, Vastwood Seer
(Nissa, Sage Animist)
1 Gilt-Leaf Winnower


1 Duress
3 Ruinous Path
2 Grasp of Darkness
3 Ultimate Price
4 Brain in a Jar
4 Languish
4 Dark Petition
2 Seasons Past
4 Traverse the Ulvenwald
4 Pieces of the Puzzle
1 Transgress the Mind
1 Nissa's Renewal
1 To the Slaughter


Am Ende ist es doch klassischer, als ihr vielleicht erwartet habt. Das liegt ganz einfach daran, dass wir noch Tonnen an Removal benötigen und die Auswahl dafür – zumindest in den gewählten Farben – beschränkt ausfällt. Languish ist eine der dominanten Karten des Formats überhaupt, und das aus gutem Grund. Witzigerweise wird Languish in diesem Deck sogar noch besser, denn als Spontanzauber gewirkt erledigt die Karte viele Probleme, die man ansonsten entdeckt, etwa Kreaturenländer, insbesondere Lumbering Falls. Beim Spotremoval landet man natürlich irgendwo zwischen Grasp, Price und Path, wobei man die genauen Zahlen noch ans erwartete Metagame anpassen kann. Das eine To the Slaughter ist ein Zugeständnis an die Kombination aus Dark Petition plus halbwegs zuverlässigem Delirium.

Für die Disruption habe ich je einmal Duress und Transgress the Mind gewählt, weil die zusammen im Late Game einfach den Sack zumachen. Das Ganze geht dann so: Seasons Past auf Duress und Transgress, dann Brain in a Jar zwei Züge in Folge auf eins und dann zwei gesetzt – und zwar im Drawstep – und dem Gegner jede Antwortmöglichkeit genommen.


In der Zwischenzeit sollte man mit den höheren Punkten der Manakurve beliebig tolle Sachen machen, was meist beinhaltet, mehr Seasons Past und weitere Gehirngläser zu spielen und alles von vorne zu starten. Was ein Spaß! Besonders in Spiel 1, wo der Gegner noch Karten wie Languish, Declaration in Stone oder Fiery Impulse zieht. Zur Halbzeitpause fliegen diese dann meist zahlreich aus dem Deck und werden durch deutlich schmerzhaftere Anti-Control-Karten ersetzt.

Für uns bedeutet das jetzt, dass Kreaturen auf einmal viel besser werden, vor allem der hier:


Jace ist und bleibt der beste 2-Drop, wenn man halbwegs das passende Deck spielt. Dieses hier – jede Menge Sprüche, darunter Pieces of the Puzzle – wird den Anforderungen mehr als gerecht. Während Jace ein Spiel im Alleingang gewinnen kann, müsst ihr trotzdem ein wenig aufpassen, dass nicht das Grundprinzip des Decks zu sehr angegriffen wird beziehungsweise ihr einfach die entsprechenden Karten kürzt. Ich spreche hier hauptsächlich von Brain in a Jar und irgendwo auch Pieces of the Puzzle, die beide nicht besser werden, wenn man ein halbes Dutzend Spontanzauber und Hexereien durch Kreaturen ersetzt. Auch deswegen sind alle Nicht-Jace-Karten nur in geringen Stückzahlen im Sideboard:


Sideboard:

1 Kalitas, Traitor of Ghet
1 Flaying Tendrils
1 Negate
2 Den Protector
1 Tireless Tracker
1 Infinite Obliteration
1 Pick the Brain
1 Virulent Plague
1 Conclave Naturalists
1 Caustic Caterpillar
4 Jace, Vryn's Prodigy
(Jace, Telepath Unbound)


Im Prinzip steht auf den Karten ja, in welchen Situationen sie gut sind. Für die ganzen Kreaturen hat man halt volle acht Tutoren, aber auch die Sprüche werden zwischen Dark Petition und Pieces of the Puzzle halbwegs zuverlässig gefunden. Hier kann man sehr schön die Details ans Metagame anpassen, da man mit nur ein oder zwei anders besetzten Slots plötzlich komplett andere Möglichkeiten hat.

Eine letzte Aufgabe des Sideboards, die besser von zusätzlichen Kreaturen übernommen wird, ist die Sicherung der Zeit. Die Spiele können nämlich vor dem Boarden ausgesprochen langwierig werden, und wenn man dann unterlegen ist, braucht es den einen oder anderen zuschlagenden Mann, um volle drei Spiele zu schaffen. Diese finale Andeutung zeigt euch aber, wie intensiv sich das Deck spielt, wenn es halbwegs das macht, was es soll. Jede Menge Entscheidungen, ein Dutzend Tutoreffekte und in der Hauptsache eine Win-Condition, die vorsieht, dass man sich mehr oder weniger durchs gesamte Deck zieht. Kein Deck für Raucher also. Alle anderen sollten aber ihre Freude haben, besonders weil alle sadistischen Neigungen durch die absolute Überlegenheit, die das Deck entfaltet, wenn es ins Late Game kommt, mehr als befriedigt werden.

In diesem Sinne ein fröhliches Metzeln. Bis zum nächsten Mal!

Der MiDi




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