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Standard
Taste the Waste
von Michael Diezel
03.09.2015


Erinnert ihr euch noch an die ersten Tage von M15 und die Reaktionen auf folgende Karte?


Guest:
What a broken piece of BS trash. For 2 mana this should easily be 2-3 different cards.

Dimitrije Simic:
oh man this card, I already see the OPness with this card. I WANNA PLAY IT

BonSequitur:
This definitely looks like it could be a thing. Given that it only costs two, you don't have to work very hard to get value from it, but the mana option can be so bad a lot of the time. Plus it's a horrific late-game top deck.

LSV:
Constructed: 1.0
I don't want to waste too much time talking about this, but I have to mention that while the card does a bunch of wacky things, combining discard + this just doesn't seem like a high-tier Constructed combo. Too much has to go right, and I just don't see the pieces coming together well enough to merit their inclusion.

Das fasst die Meinungen eigentlich ganz gut zusammen. Die ersten drei sind Random Kommentare in Foren/unter Preview-Artikeln und der letzte von diesem Luis Scott-Vargas, von dem ihr vielleicht schon einmal gehört habt.

Ich denke, man erkennt schön die Unterschiede zwischen Hobbymagiern und ambitionierten Turnierspielern und zumindest für das Gewinnen von Events hatten Letztere mal wieder Recht. Waste Not taucht zwar alle 2676 Daily Events mal in erfolgreichen Modern-Decklisten auf, aber von formatdefinierend oder gar broken sind wir sicherlich weit entfernt.

Noch schlimmer sieht es im Standard aus, wo man genau einmal von dieser Karte gesprochen hat, und zwar dank eines gewissen Antonino DaRosas, der eher so meiner Generation entstammt und an den ich mich hauptsächlich erinnere, weil ich den Vornamen so gern falsch schreibe. Antoni – n – o. Der gute Antonino hatte jedenfalls bei einem GP in Memphis die gute Idee gehabt, ein Random Sideevent zu trollen (alte Männer haben komische Ideen), und zwar mit folgendem Deck:

Antonio DeRosa, 1st place at a tournament on 2015-02-22

4 Gurmag Angler
3 Tasigur, the Golden Fang

1 Island
5 Swamp
4 Bloodstained Mire
4 Dismal Backwater
4 Polluted Delta
4 Temple of Deceit
1 Urborg, Tomb of Yawgmoth


4 Waste Not
3 Bile Blight
1 Empty the Pits
3 Hero's Downfall
4 Dark Deal
4 Rakshasa's Secret
4 Sign in Blood
3 Thoughtseize
4 Treasure Cruise


Ich mag ja das „1st place at a tournament“. Wenn das kein Gütesiegel ist!

Jedenfalls reagierte die Community so, wie sie halt bei tollen neuen Sachen reagiert: euphorisch. Leider ließ sich der Erfolg so überhaupt nicht wiederholen und deshalb reagierte die Community, wie sie halt bei tollen Sachen reagiert, die sich als doch nicht so toll herausstellen: mit Ignoranz.

Seitdem ist die Sonne oft auf- und genauso häufig untergegangen und ich arbeite inzwischen an meinem Rückblick auf Theros und M15. Dabei kommt man auch an Waste Not nicht vorbei und als engagierter Schreiberling musste ich natürlich untersuchen, ob in den vergangenen Editionen denn nicht die eine oder andere Karte aufgetaucht ist, die dem Deck noch einmal einen Schub verleiht. Und siehe da, da gibt es doch jemanden:


Jace, Vryn's Prodigy ist ziemlich genau die Karte, die diesem Deck gefehlt hat.


Das beginnt bei seiner Funktion als Merfolk Looter, die einem Discarddeck unglaublich gelegen kommt. Warum? Nun, all die leckeren Discardspells haben einen gewaltigen Nachteil: Sie machen genau gar nichts mehr, wenn der Gegner keine Karte auf der Hand hält. Jedes Thoughtseize/Rakshasa's Secret, oder was auch immer man da spielen will, wird somit zum toten Draw. Nicht jedoch mit Jace, der das geschickt und schnell in sinnvollere Karten umwandelt. Ganz nebenbei füllt er dadurch auch noch den Friedhof, was in einem Deck mit diversen Delvespells sicher auch nicht so schlecht sein kann.

Zu guter Letzt ist Jace, Vryn's Prodigy auch einfach eine richtig gute Magic-Karte – insbesondere, wenn man ihn mit billigen Sprüchen kombiniert, da man ihn so gut zu Jace, Telepath Unbound wenden kann und er dann auch noch direkt seine Imitation von Snapcaster Mage geben kann. Mit Dark Deal oder Rakshasa's Secret ist beispielsweise ein Turn-3-Flip möglich und dann ist Jace schon ziemlich lächerlich.

Nicht zu vergessen, wir spielen auch noch Thoughtseize und die Eröffnung Thoughtseize, Jace gewinnt eben auch mal ein Spiel im Alleingang.


Nach so viel Lobhudelei muss ich allerdings noch auf zwei weitere Karten hinweisen, die in der Zwischenzeit gedruckt wurden und seither in vielen beziehungsweise allen Standarddecks auftauchen:


Beide Karten muss ich hier erwähnen, weil sie ziemlich gut gegen unser Deck aufgestellt sind und wir keine einfache Antwort zur Verfügung haben. Jedenfalls habe ich sie nicht gefunden.

Hangarback Walker ist deswegen stark, weil wir ja eine Art Midrangedeck darstellen, das gegnerische Kreaturen mit Removal bekämpft. Also genau so, wie es Hangarback Walker gern hat.

Deathmist Raptor ist noch schlimmer, da wir ja aktiv Karten von feindlicher Hand in den Friedhof befördern. Wenn eine davon Deathmist Raptor ist und dann dessen bester Kumpel Den Protector mitspielen darf, verliert man nicht nur jeden quantitativen Kartenvorteil, den man hoffentlich gerade erzielt hat, sondern auch sämtliches Tempo.


Wie gesagt, beide Karten sind wirklich stark, aber auch mit eingeschränkten Mitteln nicht völlig unbesiegbar. Hilfreich ist besonders folgender Neuzugang:


Unsere Kreaturenbasis besteht ja hauptsächlich aus dem Delve-Duo Angler/Tasigur und beide zeichnen sich dadurch aus, dass sie Languish überleben. Selbst Jace bekommt man normalerweise rechtzeitig umgedreht, sodass man auch hier von einer gewissen Synergie ausgehen kann. Ansonsten gibt es noch Bile Blight, was gegen beide Karten zumindest anständig ist, manchmal sogar besser. Trotzdem wird man Spiele gegen Hangarback Walker und Deathmist Raptor verlieren, aber mal ehrlich, welches Standarddeck tut das denn nicht?

Okay, so weit zur Theorie. Das Deck baut sich dann mehr oder weniger alleine, man muss lediglich bei ein paar Zahlen überlegen.


4 Temple of Deceit
4 Polluted Delta
4 Dismal Backwater
1 Urborg, Tomb of Yawgmoth
4 Bloodstained Mire
1 Island
5 Swamp

3 Bile Blight
2 Languish
4 Thoughtseize
2 Hero's Downfall
2 Treasure Cruise
4 Waste Not
4 Dark Deal
4 Rakshasa's Secret
1 Murderous Cut
2 Sign in Blood


2 Tasigur, the Golden Fang
3 Gurmag Angler
4 Jace, Vryn's Prodigy
(Jace, Telepath Unbound)

Sideboard:

1 Languish
1 Hero's Downfall
4 Ashiok, Nightmare Weaver
2 Drown in Sorrow
2 Stubborn Denial
3 Jorubai Murk Lurker
2 Risen Executioner



3 Gurmag Angler, 2 Tasigur, the Golden Fang

Bei den Kreaturen kann man sicherlich Argumente für eine weitere finden, weil man eigentlich immer zeitig eine auf den Tisch bekommen will, um schnell Druck zu erzeugen. Dabei wäre ganz klar ein vierter Angler zu bevorzugen, da dessen zusätzlicher Stärkepunkt deutlich relevanter ist als die aktivierte Fähigkeit von Tasigur. Dass ich trotzdem bei fünf bleibe, liegt ganz einfach an den Anforderungen in Richtung Friedhof. Acht Delvekarten sind da meines Erachtens das absolute Maximum und da nehme ich lieber noch die drei Sprüche.

2 Sign in Blood, 2 Treasure Cruise

Treasure Cruise ist im Idealfall völlig Banane (im positiven Sinn), da man in den Genuss von Ancestral Recall kommt. Im nicht ganz so idealen Fall hingegen stapeln sich die Delvekarten auf der Hand. In diesen Momenten ist man dann auch sehr häufig gezwungen, lieber einen Klops zu spielen, da man mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dem Spielfeld in die Defensive gedrängt ist und sich nicht die Zeit und den Zug nehmen kann, um mal für fünf Mana oder so drei Karten zu ziehen, sondern direkt Präsenz zeigen muss. Sign in Blood ist da direkt die grundsolide, aber völlig unspektakuläre Alternative. Mehr will ich davon auch nicht spielen, da man mit den vier Thoughtseizes doch recht spürbar suizidal arbeitet und dank Jace auch weitere Wege für mehr Karten spielt.

3 Bile Blight, 2 Hero's Downfall, 1 Murderous Cut, 2 Languish

Die Removalverteilung wird – wie angedeutet – von den Problemfällen bestimmt, gegen die Bile Blight mit die beste Antwort darstellt. Zusätzlich gehen wir ja davon aus, dass unser Discard den größten Teil der teuren gegnerischen Karten erledigt, weswegen wir eher wenig hartes Removal spielen. Das größte Potenzial hat hier sicherlich Murderous Cut, aber die Problematik der zahlreichen Delvekarten habe ich ja jetzt mehrfach angesprochen.

Sideboard

Das Sideboard ist für dieses Deck ungemein wichtig, da man doch einige Härtefälle angehen kann. Ich habe Deathmist Raptor und Hangarback Walker ja zur Genüge angesprochen und beide finden sich hauptsächlich in mittelschnellen Kreaturendecks. Das wiederum sind genau die Archetypen gegen die Ashiok, Nightmare Weaver so richtig gut ist. Im Normalfall tauscht man Ashiok dann direkt für die Kombination aus Waste Not und Dark Deal und umgeht dadurch auch das antizipierte Enchantmentremoval à la Dromoka's Command oder Reclamation Sage. Genial, oder?

Quasi alle anderen Sideboardkarten sind hingegen für die Spiele gegen extreme Decks gedacht. Also stark offensiven Gegnern begegnet man mit mehr Massremoval und Jorubai Murk Lurker. Letzterer ist nicht nur dringend benötigter Lebenspunktegenerator, sondern macht auch mit seinem Hintern den Boden dicht, wodurch der Gegner gezwungen wird, mehr Druck zu legen und somit stärker in Languish/Drown in Sorrow hinein zu spielen. In diesen Matchups neige ich sogar noch eher dazu, den Kram um Waste Not auf die Ersatzbank zu verbannen. Gegen Midrange ist er ja eigentlich wirklich gut, wird halt nur ganz gut gehatet. Gegen Aggro hingegen ist er schlichtweg zu langsam.

Risen Executioner wiederum ist die ebenfalls in Vergessenheit geratene Tech gegen Kontrolle. Mehr oder weniger unzerstörbar dürfte der den Blaumagiern jede Menge Kopfzerbrechen bereiten. Eine Alternative wäre übrigens Torrent Elemental, was sich noch weniger vom Spielfeld fernhalten lässt und auch ganz gut gegen Ashiok auf Feindesseite ist, womit man ansonsten auch Probleme bekommen kann.

Fazit

Der LSV hat schon nicht Unrecht. Waste Not macht zunächst gar nichts, und das ist immer ein schlechtes Zeichen. Als Topdeck ist es furchtbar, das macht es nicht besser und so wird auch dieses Deck nichts daran ändern, dass die Karte wohl bei vielen als herbe Fehlinvestition gelten muss. Witzigerweise ist sie völlig random superstark gegen eine andere formatdefinierende Karte. Jace, Vryn's Prodigy wird nämlich spürbar schlechter, wenn für jede Aktivierung plötzlich ein Zombie auf dem Spielfeld landet oder eine Extrakarte gezogen wird.

Diese Erkenntnis wird das Deck jetzt nicht in den Tier-1-Status erheben, ist aber sicherlich auch nicht von Nachteil. Auf jeden Fall erhält man für die finalen FNM-Turniere eine witzige Alternative, die sicherlich auch einige Decks vor ziemliche Probleme stellen kann. Wenn das Deck läuft, ist es nämlich kaum aufzuhalten und dank Jace hat auch eine gewisse Konstanz ins Deck Einzug gehalten. Wenn nur diese blöden Karten wie Deathmist Raptor nicht wären …

… dann würden wir uns vielleicht über jeden Gegner aufregen, der mit beeindruckender Regelmäßigkeit Waste Not into Dark Deal macht, während wir selbst noch unsere Länder sortieren.

In diesem Sinne, bis zur nächsten Woche!

Der MiDi




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