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Eternal
Braindead
von Michael Diezel
11.06.2015

Ah, Modern … Ich muss gestehen, dass ich bis vor wenigen Tagen dieses Format gemieden habe wie Superman das Kryptonit. Zu viele Menschen haben wohl zu viele schlechte Erfahrungen mit dem Format gemacht und dann zu viele Artikel darüber geschrieben. Meine letzten eigenen Erinnerungen versinken ebenfalls in einer Wolke aus Blitzen, Gift und Zwillingsspreißeln, sodass meine durch den PTQ-Terminkalender erzwungene Motivation eher überschaubar war.

Am vergangenen Wochenende jedoch durfte ich den PPTQ in Leipzig als Judge begleiten und was ich dort sah, wirkte tatsächlich des Öfteren wie Kartenspielen. Klar passieren immer noch völlig alberne Sachen, aber das als solches empfinde ich nicht als störend. Dank der Reinkarnation von Delver of Secrets und Birthing Pod (offensichtlich ohne Pod, dafür mit Collected Company) gibt es wieder mehr „faire“ Decks, die nicht sofort umfallen, wenn sie nicht direkt die richtige Sideboardkarte ziehen.


Ein Problem bleibt natürlich: Viele Decks verlangen eine recht beachtliche finanzielle Hingabe, wenn man eine Erstanschaffung in Erwägung zieht. Klar gibt es Ausnahmen, die dann aber eben meist in den Bereich der extrem geradlinigen Strategien fallen – mit allen zugehörigen Vor- und Nachteilen. Wer jetzt wie ich nur bedingt Lust darauf hat, die ganze Zeit mit dem Monoartefaktedeck gegen Shatterstorms zu laufen oder drei Blitze auf einen Streich von Feed the Clan neutralisiert zu bekommen, guckt ziemlich in die Röhre.

Umso begeisterter war ich dann, als ein gewisser André Müller (nein, nicht der legendäre TrashT; der schreibt sich auch anders) folgendes Konstrukt in die Top 8 pilotierte …

André Müllers Dredgevine

4 Vengevine
4 Gravecrawler
4 Bloodghast
4 Lotleth Troll
4 Stinkweed Imp
3 Satyr Wayfinder
2 Bloodsoaked Champion
3 Gurmag Angler
1 Tymaret, the Murder King

4 Faithless Looting
4 Grisly Salvage
2 Abrupt Decay
1 Darkblast


2 Blackcleave Cliffs
2 Copperline Gorge
2 Verdant Catacombs
1 Marsh Flats
1 Bloodstained Mire
2 Windswept Heath
2 Wooded Foothills
3 Overrown Tomb
1 Stomping Ground
1 Blood Crypt
2 Swamp
1 Forest

Sideboard:

4 Duress
3 Gnaw to the Bones
3 Ancient Grudge
2 Golgari Charm
2 Murderous Cut
1 Lightning Axe


Ich weiß, ich weiß, das Deck ist weder absolut neu, noch herausragend billig – selbst geradlinig kommt es daher. Wir müssen jedoch auch ein wenig realistisch bleiben und die Aussicht darauf, bei einem halbwegs konkurrenzfähigen Modernturnier mit einem Deck erfolgreich zu sein, das all diese Punkte spürbar besser erfüllt, ist doch ziemlich gering.

Weiterhin gefällt mir noch etwas anderes: Diese Deckliste ist offensichtlich nicht perfekt (dazu gleich mehr). Für viele wäre das jetzt ein Grund zur Panik bis hin zum Antrittsverzicht, etwa weil man das vierte passende Fetchland nicht auftreiben konnte. André hingegen hat sich bemüht, möglichst gleichwertigen Ersatz zu finden. Natürlich verliert man so vermutlich ein paar Prozentpunkte gegen das Feld, oft genug fällt das aber überhaupt nicht auf. Da man zudem sowieso eine nicht unerhebliche Portion Glück benötigt, um ein Magic-Turnier – erst recht im Modern – zu gewinnen, kann man dieses auch einfach noch ein wenig mehr strapazieren. Meine Meinung.

Wie auch immer, wenden wir uns dem Deck zu, welches auch auf Magic Online hin und wieder in den Daily Events auftaucht:

Legion273's Dredgevine

2 Bloodghast
4 Golgari Grave-Troll
4 Gravecrawler
4 Gurmag Angler
4 Lotleth Troll
4 Satyr Wayfinder
4 Vengevine

1 Darkblast
1 Gnaw to the Bone
2 Murderous Cut
3 Abrupt Decay
3 Grisly Salvage
4 Faithless Looting


1 Forest
1 Swamp
2 Blood Crypt
4 Blackcleave Cliffs
4 Bloodstained Mire
4 Overgrown Tomb
4 Wooded Foothills

Sideboard:

1 Darkblast
2 Gnaw to the Bone
4 Ancient Grudge
2 Golgari Charm
1 Maelstrom Pulse
2 Spellskite
3 Thoughtseize


Legion273 hat den ganzen Frühling hindurch diverse Booster mit Dredgevine abgegriffen und deswegen nehme ich auch seine letzte Liste als Maßstab.

Im direkten Duell sieht man sehr viele Gemeinsamkeiten. Drei Unterschiede stechen jedoch heraus:

Stinkweed Imp ist ja so etwas wie der kleine Bruder des Trolls, sowohl spielerisch als auch finanziell. Interessanterweise spielte sich der Imp in meinen Versuchen mit dem Deck allerdings besser als der Troll. Klar ist sechs größer fünf, aber der Unterschied ist schwer messbar. Deutlicher wird der Unterschied von drei Mana zu fünf, insbesondere da man erschreckend häufig auf die Idee kommt, den Imp tatsächlich von der Hand wirken zu wollen. Meist möchte man danach noch einen der 1-Mana-Zombies spielen und das klappt mit vier Mana tatsächlich, während die sechs Mana für ein vergleichbares Play mit dem Troll eher nicht passieren. Ich kann jetzt nicht beurteilen, ob die Imps eine Notlösung aufgrund fehlender Trolle waren oder tatsächlich das Ergebnis langer Testnächte, auf jeden Fall verschlechtert man das Deck mit ihnen nicht.

Ich selbst würde inzwischen nie weniger als vier Gurmag Angler spielen und da belasten die Cuts natürlich dann recht schnell den Friedhof, zumal man ja auch noch die eine oder andere Kreatur anderweitig wiederbeleben möchte. Insofern erscheinen mir viermal Angler plus zwei Cuts auch als Maximum, das ich vermutlich nicht einmal ausschöpfen würde. Bloodghast auf der anderen Seite ist manchmal die beste und manchmal die schlechteste Karte im Deck, da er zwar tatsächlich ziemlich unkaputtbar ist, aber eher so nebenher läuft und das nicht einmal sonderlich beeindruckend. Hier ist das Matchup extrem entscheidend. In den langen Ressourcenkriegen gibt es nichts Besseres, versucht der Gegner hingegen in Zug 3 oder 4 die Random Kombo zu zwirbeln, hätte man gern eine beeindruckendere Karte als dieses Korallenmeervolk. Könnt ihr die erwarteten Gegner also abschätzen, gehören entsprechend viele Bloodghasts ins Deck, mir reichen für den Moment die zwei.

3. Die jeweilige Manabasis

Es ist natürlich niemals sinnvoll, die ersten Marsh Flats vor den vierten Verdant Catacombs einzubauen, insofern können wir bei Andrés Liste schon einmal von Problemen bei der Kartenverfügbarkeit ausgehen. Genauso wenig ist es für mich aber nachvollziehbar, wie in der Liste von Magic Online genau gar kein Stomping Ground mitspielen darf, da ich dieses Doppelland fast am häufigsten gesucht habe. Überhaupt gefallen mir einige Sachen bei den Ländern nicht. Ich meine, klar sind die Ravnica-Duals unendlich stark und so weiter, aber eben auch sehr schmerzvoll. In einem Metagame, in dem durchaus mehrere aggressive Tempodecks rumspringen – Delver, Affinity und natürlich Burn sind die ersten, die mir spontan einfallen –, kann der Verlust von zwei Lebenspunkten gerne mal den Ausschlag geben, leider in die falsche Richtung. Da man zudem eine Art Kombodeck spielt, wird man die Leben auch nahezu unvermeidbar zahlen müssen, weil man sonst am Anfang nicht aus dem Knick kommt. Die optimalen Länder, um die verlorenen Leben hier zu reduzieren?


Mir ist bewusst, dass man sich durch das Dredgen hin und wieder potenzieller Ziele für die Fetchlands beraubt, sodass eine Reduktion der Ravnica-Duals schon gefährlich ist, aber auch hier bringe ich das Tempoargument. Wichtig sind die ersten Züge. Dort genau das passende Doppelland unglücklich in den Friedhof zu bringen, ist in dieser Kombination schon sehr selten und ab Land 3 oder gar 4 ist es nahezu egal. Die andere Option, das Risiko zu minimieren, wäre weniger Fetchlands zu spielen, aber auch das finde ich nicht gut, wo dieses eine Land im Friedhof doch für so viele tolle Sachen gut sein kann.

Eine letzte Änderung im Maindeck, die ich für wichtig halte, wäre die Erhöhung der Unfairness. Dafür muss Grisly Salvage, die mir übrigens an sich sehr gefallen hat, weichen und Platz für Tormenting Voice plus weitere Dredgekarten machen. Die Begründung dafür ist einerseits, dass faire Decks wie Jund, Delver oder Random Kontrolle sowieso gute Matchups sind, die durch den Wechsel der stabileren Grisly Salvage zu Tormenting Voice nicht ernsthaft verschlechtert werden. Andererseits muss im Kampf mit anderen unfairen Decks alles ein wenig toller, besser und größer sein – und da ist zusätzliches Dredgen sicher nicht der schlechteste Ansatz. Ein weiterer Vorteil ist das zusätzliche Loswerden nerviger Handkarten. Und das sind wirklich einige. Satyr Wayfinder über Grisly Salvage ist dann das notwendige Übel, um weitere billige Kreaturen zu haben, um die Vengevines schlussendlich auch wieder aufs Schlachtfeld schicken zu können.

Mein Dredgevine

4 Gurmag Angler
4 Stinkweed Imp
2 Golgari Grave-Troll
2 Bloodghast
4 Satyr Wayfinder
4 Vengevine
4 Lotleth Troll
4 Gravecrawler

3 Tormenting Voice
2 Murderous Cut
4 Faithless Looting
3 Abrupt Decay


2 Copperline Gorge
2 Overgrown Tomb
4 Blackcleave Cliffs
4 Bloodstained Mire
4 Wooded Foothills
1 Forest
1 Swamp
1 Stomping Ground
1 Blood Crypt

Sideboard:

2 Darkblast
3 Ancient Grudge
2 Become Immense
2 Gnaw to the Bone
4 Thoughtseize
2 Golgari Charm


Wie ihr seht, habe ich auch im Sideboard zumindest eine wichtige Neuerung eingeführt:


Dieses Delve. So broken.

Wie schon mehrfach angedeutet gehören zu den problematischeren Matchups jene, die selbst keine Lust auf lange Spiele haben. Mit Abrupt Decay und Murderous Cut haben wir zwar ein Mindestmaß an Disruption, inwiefern das jetzt aber ausreicht, hängt auch vom Ziehgott ab. Nun wäre die gewohnte Maßnahme, einfach die passende Antwort ins Sideboard zu stecken. Machen wir auch: Darkblast, Ancient Grudge, Gnaw to the Bone sind allesamt für ziemlich spezifische Matchups gedacht, nämlich die wichtigsten geradlinigen Gegner. Andere wie etwa das Amulet-Bloom-Deck werden davon jedoch überhaupt nicht abgeschreckt, und da es darüber hinaus noch eine weitere Handvoll mehr oder weniger potenter Kombodecks (zum Beispiel Storm) gibt, müssen die flexiblen Antworten ran. Zum Glück spielen wir ja Schwarz und können somit auf Thoughtseize bauen und auch Golgari Charm deckt überraschend viele Problemfelder ab.

Was uns jetzt noch fehlt ist zusätzlicher Druck und das ist genau der Punkt, an dem Become Immense ins Spiel kommt. Der Spontanzauber beendet das Spiel im Normalfall genau den einen Zug schneller, der uns ansonsten normalerweise fehlt.

Bleibt nur noch zu klären, was genau wir jetzt eigentlich machen, wenn der Gegner seinerseits auf Friedhofbasierte Decks eingestellt ist. Dabei ist zunächst zu klären, was genau das heißt. Das Aus von André im Viertelfinale kam zum Beispiel durch die magischen Hände von Till Riffert, der als Jund-Pro in schöner Regelmäßigkeit Turn 2 Scavenging Ooze legen konnte, was vermutlich auch die schlimmste Maindeckkarte ist, die moderne Friedhöfe so abbekommen können. Allerdings hat auch Mr. Ooze ganz schön zu knabbern, um dem Dredgen Herr zu werden. Zudem haben wir ja immerhin fünf potenzielle Antworten.


Nach dem Sideboarden gibt es dann die Aussicht auf Relic of Progenitus oder gar Leyline of the Void, die natürlich dann schon nerven. Leider fehlen so ein wenig die Tricks, um mit dem Relikt geschickt interagieren zu können, und die Leyline beantworten wir eigentlich nur mittels Golgari Charm, aber – aber – erstens ist das Deck auch erstaunlich fähig, ohne den Friedhof zumindest eine halbwegs akzeptable Performance abzuliefern, da Karten wie Gravecrawler, Lotleth Troll oder Vengevine auch hardgecastet nicht völlige Versager sind, und zweitens gibt es zumindest für die Leyline momentan kaum gute Argumente, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo sich dieses Deck so richtig durchgesetzt hat.

Ob es das wirklich tun wird? Nicht ausgeschlossen. In meinen Testspielen war es wirklich konstant und potent, was immer eine gelungene Mischung darstellt. Zudem spielt es in einer ganz netten Nische zwischen fair und unfair, die so ein bisschen die Vorteile der Geradlinigkeit ausnutzt, ohne die kompletten Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Ist natürlich alles ein wenig relativ, aber was in diesem Format ist das nicht?

In diesem Sinne, viel Freude beim Reanimieren der Toten!
Der MiDi




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