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Angst essen Seele auf
von Michael Diezel
09.04.2015

Wie wäre es zur Abwechslung mit ein wenig Kultur?

„Sie stöhnten, sie bewegten sich, sie erhoben sich alle,
Weder sprachen sie, noch rollten sie die Augen;
Es wäre selbst in einem Traum sonderbar,
Diese Toten sich erheben zu seh'n.“


Die zahlreichen Experten der englischen Romantik erkennen sofort die „Ballade vom alten Seemann“ von Samuel Taylor Coleridge. Die älteren Nerds hingegen erinnern sich an frühere Zeiten:


Die Scathe Zombies haben inzwischen auch schon mehr als 20 Jahre auf den Resten ihrer Buckel und für uns ist es kaum vorstellbar, dass Magic-Karten wirklich einmal so erbärmlich gewesen sein sollen. Heutzutage erwarten wir für drei Mana schon mindestens einen 4/4er, zumindest wenn er außer Lyrics nichts in der Textbox aufzuweisen hat. Ansonsten könnte man ja jederzeit hiermit auffüllen:


Genau das werden wir heute auch tun und ein Deck mit jeder Menge Seelenloser Zombies Morphs bauen. Damit wir dafür nicht ausgelacht werden, müssen wir uns ganz schön was einfallen lassen beziehungsweise dem folgen, was uns vorgegeben wird. Bei ihren Hauptfähigkeiten überlassen die Küstenzauberer ja nur noch wenig dem Zufall und so steht häufig bereits auf den Karten, was mit ihnen zu tun sei, und jeder kann sich ein wenig wie ein großer Deckkonstrukteur fühlen, wenn er das unendlich synergetische Drachen-/Devotion-/Markendeck selbst baut. Ganz ähnlich sieht es bei Morph auch aus, immerhin gibt es die geballte Subtilität in Form von Obscuring Æther, Secret Plans und Trail of Mystery.

Ironischerweise führt diese Auswahl dazu, dass man sich plötzlich wieder Gedanken machen muss, da ein Deck mit je vier davon, Morphkreaturen und Ländern so nicht funktionieren wird. Zumindest nicht ohne Obscuring Æther auf der Starthand …


Da alle drei zwingend so viele Morphs wie möglich sehen wollen und diese nun einmal per Definition eher unflexibel sind, bleibt nichts anderes übrig, als an mindestens einer dieser Karten den Rotstift anzusetzen, um Platz für profane Dinge wie einen Elvish Mystic zu schaffen. Erster Kandidat ist da für mich Secret Plans. Obscuring Æther ist die mit Abstand essenziellste des Triumvirats und zwischen Trail und Plans würde ich zwar knapp die Pläne bevorzugen, nicht jedoch, wenn das bedeutet, mich schon auf Blau als Zweitfarbe festlegen zu müssen. Allerdings behalten wir das natürlich im Hinterkopf, sollten andere Karten uns in ebenjene Richtung drängen. Von der Anzahl der spielbaren Morphs müssten wir das jedenfalls nicht, da bietet Grün mehr als genug:

Insbesondere die Neuzugänge aus Drachen von Tarkir können sich sehen lassen, weil sie einfach nicht totzukriegen sind. Die Seelenlosen Zombies wären stolz auf Deathmist Raptor und Den Protector. Dadurch hat man direkt das Lategame gesichert, aber auch zu Beginn des Spiels schlagen beide ordentlich zu. Das ist deswegen wichtig, weil man ansonsten keine Chance gegen andere geradlinige Decks haben wird. Denn – und das ist der Nachteil einer solchen Strategie – sonderlich viel Platz, um mit dem Gegner zu interagieren, wird es eher nicht geben. Im Idealfall tun das die Morphs natürlich selbst, etwa in Form von Hidden Dragonslayer, Ire Shaman, Silumgar Assassin oder Stratus Dancer. Diesen Zyklus megamorphiger Kreaturen haben sie nicht ohne Grund als „Rare“ gedruckt. Dank des goldenen Symbols erkennen wir, die müssen stark sein – und tatsächlich: Die sind allesamt überaus spielbar, zumal sie auch ein anständiges Notfall-Play für Turn 2 abgeben, falls man nichts Besseres zu tun findet.

Das hilft uns jetzt nicht unbedingt bei der Farbauswahl, also schauen wir doch mal, was es sonst noch so an spielbaren (Mega-)Morphs gibt. Wir achten dabei besonders auf die Aufdeckkosten, weil Trail of Mystery und mehr noch Secret Plans in diesem Bereich gern sparen würden, um möglichst oft ausgelöst zu werden.

Vielleicht habe ich auch noch den einen oder anderen übersehen, aber im Großen und Ganzen sind das die ernsthaften Kandidaten. Auf der Liste finden wir zum einen die starken Einzelkarten, bei denen die Morphfähigkeit gerne mal egal ist (Ashcloud Phoenix, Sagu Mauler), die Gratis-Ummorpher, weil diese Option schlicht so superstark erscheint, sowie ausgewählte Typen, deren Aufdecken fetzige Fähigkeiten auslöst (Grim Haruspex, Icefeather Aven, Master of Pearls). Auffällig ist, dass abgesehen von Icefeather Aven genau keiner von denen mit dem Gegner interagiert, was uns zwei Möglichkeiten lässt:

1)

Der blaue Weg für maximale Synergien (Secret Plans) bei nur rudimentären Interaktionsmöglichkeiten (Icefeather Aven, Stratus Dancer), wodurch unser Plan gegen andere geradlinige Decks darin bestehen müsste, einfach härter zuzuschlagen. Wie wir noch sehen werden, ist dies nicht so unmöglich, wie es vielleicht klingt.

2)

Ein andersfarbiger Weg, der neben der grünen Basis den passenden Megamorph spielt. Das wird dann weniger straight-forward, bietet aber mehr Platz für nützliche Karten wie Removal, Discard oder Dromoka's Command.


4 Island
4 Yavimaya Coast
2 Mana Confluence
4 Temple of Mystery
8 Forest

4 Trail of Mystery
2Secret Plans
4 Obscuring Aether
4 Ghostfire Blade


4 Deathmist Raptor
4 Icefeather Aven
4 Temur Charger
4 Gudul Lurker
4 Stratus Dancer
4 Elvish Mystic


Das ist die Umsetzung des aggressiven blau-grünen Ansatzes. Wir spielen so viel Evasion wie möglich und natürlich sämtliche Synergien. In diesem Deck gefällt mir Trail of Mystery besser als Secret Plans, da der +2+2-Bonus beim Aufdecken in relevanten Schaden mündet. Zusätzlich spielen wir Ghostfire Blade, um noch mehr Druck aufbauen zu können. Die Klinge harmoniert offensichtlich nahezu perfekt mit den ganzen Morphs und lässt selbst die unschuldigsten von ihnen zu beachtlichen Bedrohungen anwachsen. Witzigerweise sind die einzigen Karten, die nicht aus dem Khans-Block stammen, die vier Elfenmystiker sowie ein paar Doppelländer. Falls ihr also ein Deck mit Perspektive sucht – hier ist eins.

Im Sideboard gibt es dann die Möglichkeit, verstärkt Kontrolle zu spielen. Je nach Gegner können wir dann bis zu 100000 Removalspells egalisieren, indem wir Rekursionen von Deathmist Raptor/Den Protector starten oder aber die feindlichen Kreaturen bouncen. Und zwar alle – mit Profaner of the Dead. Man sollte genug Kartenvorteil erwirtschaften, dass man problemlos den Verlust einer Kreatur beim Exploiten verschmerzen kann. Und der Profaner bietet für diese Opfergabe einen zum Teil absolut lächerlichen Tempovorteil. Ganz nebenbei beantwortet er bestimmte Sachen (Tokens, manifestierte Länder) ziemlich endgültig.

Für alles, was dann noch dicker ist, habe ich Polymorphist's Jest im Gepäck. Mit dem Verschwinden blauer Kreaturendecks ein wenig in Vergessenheit geraten kann auch dieser Spontanzauber ganze Spiele im Alleingang entscheiden, besonders wenn andere Decks mit großer Kreaturenanzahl beteiligt sind.

Folgende Konfiguration sitzt aktuell auf meiner Ersatzbank:


Sideboard:

3 Ainok Survivalist
3 Polymorphist's Jest
3 Profaner of the Dead
4 Den Protector
2 Negate


So viel also zu der Variante, auf die wirklich jeder kommen dürfte, zumindest in Ansätzen. Über Details lässt sich bestimmt streiten, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Basis ungefähr so aussehen dürfte, also mit jeder Menge Verzauberungen und den billig aufzudeckenden Kreaturen.

Wem das jetzt alles zu schnöde war, dem empfehle ich die andere Variante:


4 Plains
6 Forest
4 Temple of Plenty
4 Windswept Heath
4 Blossoming Sands
1 Nykthos, Shrine to Nyx

4 Obscuring Aether
3 Trail of Mystery
3 Dromoka's Command
3 Mastery of the Unseen


4 Elvish Mystic
4 Rattleclaw Mystic
4 Hidden Dragonslayer
4 Whisperwood Elemental
4 Den Protector
4 Deathmist Raptor


Das Ganze erinnert ein wenig an das berüchtigte grün-weiße Devotion-Deck und spielt sich auch vergleichbar. Man tauscht allerdings jede Menge Explosivität und Power gegen Widerstandsfähigkeit, wodurch nahezu alle Matchups anders bewertet werden müssen. So sind die langwierigen Ressourcenkämpfe plötzlich viel leichter zu gewinnen, weil das angesprochene Duo Deathmist Raptor/Den Protector schlicht nicht totzukriegen ist. Auf der anderen Seite erhält man keine einfachen Siege mehr, wenn sich der Gegner nicht wehrt. Inwiefern dieser Tausch sinnvoll ist, das muss jeder für sich und sein Metagame selbst herausfinden. Allerdings ist es jetzt nicht so, dass man in aggressiven Matchups gar keine Chance mehr hätte. Noch immer kann man ganz gut rumstallen und dann mit Mastery of the Unseen zurück in sichere Lebenspunktegefilde gelangen.

Und dann kann man natürlich noch Dromoka's Command spielen und damit die Karte zwirbeln, die ich ganz eindeutig zu den stärksten Neuzugängen aus Dragons of Tarkir halte. Auch die Synergien mit Whisperwood Elemental und Mastery of the Unseen sind nicht zu verachten. Im Gegenzug handelt man sich ein paar Schwächen ein, zum Beispiel gegen Stormbreath Dragon oder Anger of the Gods, aber irgendetwas ist ja immer.

Auch hierfür gibt es natürlich ein Sideboard, welches dann im Idealfall an genau diesen Problemen und Schwierigkeiten arbeitet:


Sideboard:

2 Setessan Tactics
3 Arbor Colossus
3 Hornet Nest
2 Ainok Survivalist
1 Mastery of the Unseen
2 Valorous Stance
2 Nissa, Worldwaker


Wie mehrfach betont ist man mit dieser Liste gut aufgestellt gegen andere Midrangedecks, sodass man auf der Ersatzbank hauptsächlich Antworten für extrem aggressive beziehungsweise extrem defensive Decks findet, die sich größtenteils selbst erklären. Magic kann manchmal so einfach sein.

Zum Abschluss möchte ich noch kurz darauf hinweisen, wie hervorragend einige der hier verwendeten Einzelkarten im aktuellen Metagame sind:


Darüber muss ich vermutlich wenige Worte verlieren. Sehr gern der gute 2:1-Tausch, bei dem man noch vier bis sechs Mana gutmacht. Nicht schlecht für einen kleinen Spontanzauber.


Dicke Männer nebenbei zu töten, kann nicht so schlecht sein, insbesondere, wenn gerade jeder versucht, möglichst viele Drachen mitmachen zu lassen. Im Ernst, Kontrolle, wogegen der Dragonslayer wirklich mäßig wäre, ist extrem auf dem Rückzug und superaggressive Decks ohne dicke Männer müssen sich immer noch mit dem Lifelink herumschlagen.


Bei all dem neuen Spielzeug, gibt es trotzdem noch immer das Abzan-Deck des Vertrauens, welches sich eher im kontrollierenden Teil des Aggressivitätspektrums befindet. Dagegen macht der Protector nicht nur soliden Kartenvorteil – vor allem, sobald mehrere beteiligt sind –, sondern ignoriert auch noch die Soldaten von Elspeth, Sun's Champion, die ansonsten eine der besseren Antworten des Abzan-Decks darstellt.

So viel also zu den Scathe Zombies 2k15. Ich hoffe, ihr habt ein wenig Respekt vor generischen 2/2-Kreaturen gewonnen!

Der MiDi




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