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Eternal
The Gift
von Michael Diezel
05.02.2015

Damit ich einmal nicht über Standard, sondern ein anderes Format – heute: Modern – schreibe, dafür braucht es schon triftige Gründe! In diesem Fall sind sie sogar immens … doch immer der Reihe nach. Mit den Bannings im Januar wurden die beiden stärksten modernen Delvekarten aus dem Format getrieben. Gleichzeitig ist die Fähigkeit aber von ihrem Potenzial her so stark, dass ein intensiver Blick auf die noch bestehenden Delvekarten sinnvoll erscheint. Eine sticht dabei besonders heraus und wird auch mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit bei der anstehenden Modern-PT, mit deren Vorbereitung ich mich in den vergangenen Wochen als Sparringspartner etwas näher beschäftigte, kräftig mitspielen dürfen:


Anstelle euch jetzt zu erzählen, warum Tasigur so gut ist, überrasche ich euch lieber mit der Tatsache, dass ich heute gar nicht vom Goldzahn schreiben will. Stattdessen geht es um eine andere Delvekarte, die zumindest in der Theorie noch viel unfairer sein kann. Bereit?


Riesenwuchs-Effekte sind ja nun nicht unbedingt für ihre gewaltigen Turnierperformances bekannt, schon gar nicht in Eternalformaten. Der Grund dafür ist ganz einfach und der gleiche wie bei Auren: Will man solche Effekte offensiv einsetzen, eröffnet man dem Gegner eine wunderbare Möglichkeit sowohl Tempo- als auch Ressourcenvorteil zu generieren, indem er den angezielten Mann einfach entfernt. Blöd. Insofern muss man sich schon etwas Spezielles einfallen lassen, um damit eben doch ein anständiges, turniertaugliches Deck auf die Beine zu stellen. Im Prinzip kann man dabei zwischen zwei Varianten unterscheiden:


1. Removalanfälligkeit reduzieren

Riesenwüchse sind traditionell eigentlich recht effektiv. Im Normalfall machen sie ein bis zwei Schadenspunkte mehr als vergleichbare Brandsprüche. Wenn nur diese blöde Kleinigkeit nicht wäre, dass die bezielte Kreatur erst einmal überleben muss. Damit dies klappt, kann man zum Beispiel auf Hexproof oder Protection zurückgreifen.


Beides hat es auf höchster Ebene schon gegeben, sei es mein alter Freund Invisible Stalker oder – für die Jüngeren unter euch – das gegenwärtige Heroicdeck. Gemeinhin versucht man aber, diese Kreaturenfertigkeiten so weit zu nutzen, dass man sogar Auren spielt, da der Schutz dauerhaft wirkt und dann dauerhafte Verbesserungen eben effektiver sind als die einmaligen.

Deswegen interessiert uns auch noch mehr die Variante #2:


2. Geschwindigkeit erhöhen

Es ist ganz einfach: Je aggressiver die Aggression, desto mehr wird der Gegner gezwungen, auf unsere Attacken zu reagieren. Entsprechend häufiger ergeben sich Fenster, in denen man gefahrlos einen Riesenwuchs anbringen kann. Ein einfaches Beispiel ist folgendes Deck:

Bodo Rösner, Grand Prix Kopenhagen 2008

16 Forest
4 Treetop Village
1 Pendelhaven

4 Llanowar Elves
4 Twinblade Slasher
4 Bramblewood Paragon
4 Wren's Run Vanquisher
4 Boggart Ram-Gang
4 Groundbreaker


4 Giant Growth
2 Might of Old Krosa
1 Stonewood Invocation
2 Garruk Wildspeaker

Sideboard:

4 Pithing Needle
4 Faerie Macabre
2 Guttural Response
2 Snakeform
3 Seal of Primordium


Die Effektivität dieser Strategie hängt in großem Maße von dem formatspezifischen Removal ab. Je billiger und stärker dieses ist, desto schwächer wird der Ansatz. Leider gibt es im Modern jede Menge kostengünstiger Vernichtungszauber, sodass man schon etwas mehr bieten muss, um den immensen Einsatz solcher Zaubersprüche zu rechtfertigen.

An dieser Stelle kommen zwei weitere Kreaturenfähigkeiten ins Spiel: Doppelschlag und Infizieren. Prinzipiell funktionieren beide fast gleich mit Pumpsprüchen: Sie verdoppeln deren Wirksamkeit. Giant Growth etwa gibt direkt +6 und das angesprochene Become Immense sogar +12. Zwölf Schadenspunkte? Für ein Mana? Ich hoffe, ihr erkennt jetzt, warum ich die Karte als potenziell noch brokener als Tasigur erachte.

Ein Problem gibt es allerdings noch: Doppelschläger existieren zwar viele, aber leider (oder zum Glück, das ist Ansichtssache) sind sie größtenteils so teuer, dass man kein ernsthaftes Deck im Modern auf ihnen aufbauen kann. Einzig über Boros Charm kann da etwas gehen, wie ein gewisser Christopher O'Bryant am vergangenen Wochenende vorgemacht hat:

Christopher O'Bryant, StarCityGames Invitational Qualifier

4 Stomping Ground
1 Sacred Foundry
1 Temple Garden
4 Wooded Foothills
4 Windswept Heath
4 Arid Mesa
1 Forest
1 Mountain

4 Goblin Guide
4 Wild Nacatl
3 Tarmogoyf
4 Monastery Swiftspear
4 Eidolon of the Great Revel
3 Ghor-Clan Rampager


3 Become Immense
4 Boros Charm
4 Mutagenic Growth
3 Gitaxian Probe
4 Lightning Bolt

Sideboard:

2 Seeker of the Way
2 Chained to the Rocks
3 Destructive Revelry
1 Torpor Orb
2 Dismember
2 Gut Shot
2 Aven Mindcensor
1 Dryad Arbor


Da Doppelschlag als Kernpunkt also eher ausgeschlossen ist, können wir nur noch mit Infect arbeiten und genau das tun wir hiermit. Infect als geradliniger Grundstein eines Decks hat drei große Vorteile:

1)

Glistener Elf

Ein Mana ist auch für Eternalformate nicht sonderlich viel und dank Glistener Elf gibt es zumindest eine theoretische Option auf den Turn-2-Kill. Dank Become Immense ist die Wahscheinlichkeit dafür auch nicht unbedingt geringer geworden. Leider darf man lediglich vier dieser Elfen verwenden und alle anderen Infizierer sind ein wenig teurer, kommen im Gegenzug allerdings mit integrierter Evasion, egal ob wir uns für den blauen (Blighted Agent) oder schwarzen (Plague Stinger) Weg entscheiden.

2)

Siege Rhino

Das neue Modern (also postbannings) wird aller Voraussicht nach von Karten wie Siege Rhino dominiert werden. Also quasi ein Standard extreme. Mit zusätzlichen Lebenspunkten in der einen oder anderen Form ist also zu rechnen und das ist dem Infectdeck herzlich egal. Auf der Gegenseite verliert man natürlich den Bonusschaden von Fetchlands, Thoughtseize und Konsorten. Spätestens gegen Martyr of Sands – was womöglich tatsächlich relevant sein könnte – wird man den Unterschied jedoch zu würdigen wissen.

3)

Inkmoth Nexus

Dieses Land hebt die komplette Strategie noch einmal auf ein anderes Level. Nur bei Bedarf eine Kreatur zu sein, schützt die kleine Motte vor ungefähr allem, was so gängigerweise auf Kreaturen einprasselt. Und dafür kostet sie noch nicht einmal Mana.

Nach all der ganzen Lobhudelei wird es Zeit für ein wenig Kritik. Dabei sticht insbesondere ein Punkt deutlich heraus: Das Spielen ist laaaaaaangweilig. Mann legen, immens vergrößern und angreifen. Wenn der Gegner sich nicht wehrt, ist er da tot – und zwar sehr schnell –, ansonsten ist es eben blöd. Letzteres stimmt natürlich so nicht und damit wird auch die gesamte Behauptung falsch. So ähnlich wie bei den meisten Kombodecks sind die Spiele, in denen alles funktioniert, mehr oder weniger eintönig (auch wenn man den normalerweise daraus resultierenden Sieg nun doch gerne mitnimmt). Diese sind allerdings längst nicht so häufig und alle anderen, also all jene Spiele gegen mitwirkende Gegner, sind durchaus eine spielerische Herausforderung. Damit ihr diese besteht, gebe ich euch folgende Waffen mit an die Hand:


Might of Old Krosa und Groundswell sind die effektivsten Pumpsprüche im Kosten/Nutzen-Verhältnis, die das Format so bietet – jetzt eben mit Ausnahme eines voll gedelvten Become Immense. Vines of Vastwood übernehmen eine Doppelfunktion, da sie neben einem anständigen Verstärken eine sehr wirksame Antwort auf feindliches Spotremoval darstellen. Mutagenic Growth wiederum hat mathematisch vielleicht sogar das allerbeste Verhältnis für Schaden zu Mana zu bieten, weil das Ding ja meist gar kein Mana kostet. Dafür ist der Effekt leider auch oftmals nicht so beeindruckend, zumal die eigenen Kreaturen trotzdem noch an Lightning Bolts sterben. Aufgewertet wird Mutagenic Growth hingegen von der Tatsache, dass er billig den Friedhof füllt, was Become Immense natürlich entgegenkommt.

Das ist übrigens auch ein relevantes Argument für Gitaxian Probe. Die beiden anderen – Informationsplus und Reduzieren der realen Deckgröße auf 56 – sind ebenfalls oft unterschätzt, weil man sie nur schwer nachweisen kann.


Und wenn wir schon bei phyrexianischem Mana sind, folgt sogleich Apostle's Blessing – das Schweizer Taschenmesser unserer Sprüche. Offensichtliche Hauptfunktion ist die Verteidigung gegen feindliche Zauber, aber auch als Infiltrate benötigt man diesen Spell ziemlich oft. Diese Flexibilität schätze ich übrigens mehr als den kleinen Pump von dem für diese Aufgabe oft gespielten Distortion Strike.

Der Rest des Decks ist dann ziemlich geradlinig: Zwölf billige Giftkreaturen und viermal Noble Hierarch, der einfach doppelt gut ist, weil man sowohl den extremen Manaboost zu Beginn einer Partie als auch die Exaltiertheit supergut gebrauchen kann.


Die Länderbasis wiederum enthält so viele Fetchlands wie nur möglich, um Become Immense weiter zu verbessern. Das sind irgendwas zwischen sieben und zwölf, weil man insgesamt 19–20 Länder spielen möchte, darunter je ein bis zwei Standardwälder, Breeding Pool, Overgrown Tomb und Pendelhaven sowie offensichtlich die vier Inkmoth Nexus. Pendelhaven will man eigentlich immer einen haben und die Legendenregel wird auch bei zwei Exemplaren eher selten relevant sein, weswegen ich hier unbedingt zu dieser Anzahl raten würde. Bei den drei anderen kommt es ein wenig darauf an, wie risikobereit man ist. Theoretisch will man nur ein Exemplar von jedem, allerdings bleibt natürlich ein gewisses Restrisiko für Ausnahmesituationen. Zudem wird irgendwann auch das Verhältnis von Fetchlands zu „echten“ Ländern relevant, da man Letztere eben doch hin und wieder einfach mal so zieht.

Wie gesagt, das ist so ein wenig Geschmackssache, ich persönliche versuche es mit je einem Ravnica-Dual und zwei Wäldern, da man ja auch gerne mal mit Path to Exile konfrontiert wird. Zusammengefasst landet man dann bei folgender Liste:


1 Wooded Foothills
4 Verdant Catacombs
4 Misty Rainforest
1 Overgrown Tomb
1 Breeding Pool
2 Forest
2 Pendelhaven
4 Inkmoth Nexus

4 Noble Hierarch
4 Glistener Elf
4 Blighted Agent
4 Plague Stinger


4 Gitaxian Probe
4 Might of Old Krosa
4 Vines of Vastwood
4 Groundswell
3 Apostle's Blessing
3 Mutagenic Growth
3 Become Immense


Natürlich kann man auch eine andere Kombination grüner Fetchlands spielen, bei mir ist das bloß ein Überbleibsel aus Zeiten, als ich (nur ganz kurz) mit den Standardländern Insel/Sumpf experimentiert hatte. Weiterhin können auch Sideboardüberlegungen Einfluss auf die genaue Auswahl nehmen. Momentan ist es ja so, dass man je vier schwarze und blaue Sprüche hat. Da gerät man eher selten in Versuchung, zwei Sprüche der Splashfarbe wirken zu wollen. Theoretisch kann sich das aber für die Spiele 2 und 3 ändern.

Ich präsentiere euch heute kein fertiges Sideboard, da das Deck in unserer Testrunde nie so weit gekommen ist – jedoch nicht, weil es nicht gewonnen hätte, sondern ganz einfach, weil keiner mehr übrig blieb, der es hätte spielen wollen. In dieser Konstellation testen wir dann immer mit einem „optimalen“ (oder auch „suboptimalen“, je nach Ansicht) Sideboard, welches ungefähr jede erdenkliche Karte für sämtliche Matchups enthält. Ich erspare euch diese Liste und verweise stattdessen auf meinen üblichen Hinweis zum Sideboarden bei Kombodecks. Ja, ihr habt richtig gelesen, Kombodeck. Zwar muss man irgendwann angreifen, um zu gewinnen, und das auch eher zeitig im Spiel, aber ein echtes Aggrodeck sieht doch irgendwie anders aus. Sideboarden eines Kombodecks also und da besteht wie üblich das Problem, dass man ein sehr enges Maindeck hat, in dem jede Karte eine eindeutige Aufgabe für den sehr stringenten Gameplan hat. Tauscht man jetzt einen Kombobestandteil (in diesem Deck zum Beispiel Random Pumps) gegen Disruption (zum Beispiel Thoughtseize), interagiert man zwar besser mit dem Gegner, schwächt aber gleichzeitig entweder seine eigene Geschwindigkeit oder die eigene Konstanz. Gern auch mal beides. Deswegen empfehle ich bei Kombo generell, entweder sehr wenig (maximal fünf Karten) oder sehr viel zu boarden. Letzteres geht dann meist mit einem kompletten Strategiewechsel einher, was aufgrund der speziellen Natur dieses Decks hier quasi nicht möglich ist. Die wenigen Karten wiederum sind oft aber auch dringend benötigt, da die Gegner ihr Deck ja auch verbessern. Im Zweifel gilt hier aber wirklich: Weniger ist mehr.

Mit diesen weisen Worten verabschiede ich mich von euch und dann schauen wir doch mal gemeinsam, ob am Wochenende denn jetzt jemand vergiftet wird!

Der MiDi




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