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Warrior King
von Michael Diezel
21.11.2014

Nachdem ich zuletzt versucht habe, ein wenig mehr Kontrolle in das midrangeverseuchte Standardformat zu bringen, gehen wir heute den genau entgegengesetzten Weg: Wir schlagen zu und zwar aggressiv.


Solche Ansätze haben gerade jede Menge Schwierigkeiten zu überwinden, angefangen bei den grünen Bodenblockern um Sylvan Caryatid und Courser of Kruphix über jede Menge Removal bis hin zu illustren Sideboardkarten wie Anger of the Gods, die vernichtender werden, je zielstrebiger die Offensive aufgestellt ist. Nicht zu vergessen die auffällige Einzelkartenstärke von Siege Rhino und Konsorten, die bekanntlich so ausgeprägt ist, dass man sich schon wirklich viel Mühe geben muss, um nicht in ihren Bann gezogen zu werden.

Doch natürlich will ich nicht nur jammern, sondern Möglichkeiten aufzeigen. Die erste Überlegung hierfür ist folgende:

1. „Normale“ aggressive Strategien haben in dem Format kaum eine Chance.

Unter „normal“ verstehe ich hier die üblichen Ansätze um eine bei eins startende Manakurve, abgerundet von ein wenig Brand oder Combattricks. Dass diese nicht funktionieren, haben die letzten Wochen eindrucksvoll bewiesen und ein Großteil der Gründe findet sich im oberen Absatz wieder. Im Umkehrschluss führt das zu folgender Theorie:

2. Aggressive Strategien müssen extrem fokussiert auftreten.

Die erfolgreichsten offensiven Decks des Formats funktionieren eigentlich fast ausnahmslos im Extrem: Egal ob das monorote Deck um Akroan Crusader oder weiß-blaues Heroic, sie alle sind auffallend synergiebeladen. Selbst das wenig erfolgreiche monoschwarze Deck, das einem traditionellen Beatdownansatz noch am nächsten kommt, ist auf Bestow und Devotion angewiesen.

3. Synergetische/fokussierte Aggrodecks sind stark anfällig für bestimmte Sideboardkarten.

Das rote Heroicdeck zum Beispiel bekommt riesengroße Probleme gegen Anger of the Gods oder Drown in Sorrow. Das weiß-blaue ist deutlich schwerer zu haten, weil der natürliche Feind (billiges Spotremoval) zum einen gar nicht so einfach zu finden ist und zudem mit Gods Willing und Compagnie die passenden Antworten gespielt werden. Diese letzte Überlegung hat mir dabei so gut gefallen, dass ich sie gern in einem anderen Deck umsetzen wollte. Oder anders gesprochen: Wie wäre es mit einem Tokendeck, dass die gängigen Antworten proaktiv ignorieren kann?

Nun dürfte dieser Satz gleich mehrere Fragen aufwerfen, zum Beispiel: „Warum Token?“ Beziehungsweise: „Womit will man Anger und Drown verhindern?“.

Zuerst zu der Tokenüberlegung: Hierbei gehen wir davon aus, dass es mehr oder weniger zwei aktive Möglichkeiten gibt, die superstarken Einzelkarten wie Courser oder Siege Rhino zu besiegen: Etwas Tolleres bauen oder so viel auf den Tisch werfen, dass eine oder zwei einzelne Karten nicht ausreichen, um sich angemessen zu verteidigen. Weiß-Blau-Heroic schlägt dabei die erste Richtung ein, das rote Deck eher die zweite. Leider ist Letzteres aus den genannten Gründen deutlich anfälliger als Ersteres, womit wir wieder bei der Frage wären, wie man die billige Massenvernichtung elegant verhindert. Antwort: Mardu Ascendancy!


Die aktivierte Fähigkeit beschützt die eigenen Truppen nicht nur vor Anger of the Gods und Drown in Sorrow, sondern kann auch im schnöden Kreaturenkampf durchaus relevanten Einfluss haben. Selbst einen Brandspruch auf einen wichtigen eigenen Mann de facto zu neutralisieren, reicht manchmal, um Spiele zu gewinnen. Das Problem an Mardu Ascendancy ist jedoch, dass sie nicht sonderlich gut mit dem natürlichen Freund globaler Pumpeffekte arbeitet. So ist die erste Fähigkeit bemerkenswert egal, wenn die eigene Offensive zum Großteil aus Spielsteinen besteht. In diesem Fall wiederum reicht die ausgelöste Fähigkeit bestenfalls für eine Sideboardkarte und dann gibt es vermutlich Effektiveres. Ein zeitlich gut eingestreutes Thoughtseize zum Beispiel.

Deshalb suchen wir ein Deck, welches eben nicht aktiv auf Tokens setzt, aber trotzdem von solchen profitieren kann. Klingt anspruchsvoll, ist es auch, aber – wie ich glaube – nicht hoffnungslos. Mardu Ascendancy gibt dabei die farbliche Gestaltung offensichtlich vor (mehr als drei Farben gehen in einem Aggrodeck selbst in der heutigen Zeit nicht – und selbst diese drei sind durchaus knifflig, wie noch gezeigt werden wird).

In Mardu gibt es mit Butcher of the Horde auch gleich eine passende, völlig alberne Khans-Rare. Selbst als einfallsloser 5/4-Flieger für vier wäre der schon beachtlich; dass man ihm mit ein wenig Aufwand noch Haste (sehr häufig), Lifelink (kommt vor) oder Vigilance (habe ich genau einmal gemacht) geben kann, ist schon ziemlich frech. Nun habe ich hier „wenig Aufwand“ geschrieben, was natürlich nur richtig ist, wenn man unnützes Getier herumliegen hat. Aber hatte ich nicht gerade nach Möglichkeiten gesucht, Spielsteine zu Höheren zu berufen als nur anzugreifen? Wie wäre es denn dann mit dem Einsatz als Dämonenfutter? Reicht nicht? Dann vielleicht als Opfer des Zombiekönigs?


Tymaret ist eigentlich viel zu gut, um so wenig gespielt zu werden. Sein riesengroßes Problem, welches er sich mit jeder Menge anderer Aggrokreaturen teilt, ist neben seiner Zweifarbigkeit die Zwei in der Angriffsstärke. Wäre das früher ein solider Wert gewesen, liest der kundige Magic-Spieler des Jahres 2014 darin nur, “… wird von Sylvan Caryatid geblockt“, und hat auch irgendwo Recht damit. Deshalb müssen sich die Aggrodecks ja auch etwas einfallen lassen, um an der gefürchteten Mauer vorbeizukommen. Dabei haben sich Kampftricks als effektiv bewährt, leider leiden diese aber immer am Nachteil, potenziell nutzlos zu sein. Nämlich genau dann, wenn der Gegner Removal zeigt.

Deswegen habe ich nach anderen Wegen gesucht, die Stärke aufzupimpen und bin am Kreaturentyp hängengeblieben. Nicht Zombie, sondern Warrior. Da gab es doch … genau … Chief of the Edge!

Wir ignorieren für den Moment die Anforderung, eine - und eine -Kreatur im gleichen Deck zu spielen, und behaupten einfach mal, das würde schon gehen. Wenn man das so weit definiert hat, entwickelt sich das Deck plötzlich fast von allein:


Der eine Krieger, starke Einzelkarte und dann noch voller Synergien mit den Opfereffekten, der Krieger, furchtbare Einzelkarte, aber voller Synergien mit Mardu Ascendancy und Goblin Rabblemaster. Apropos Rabblemaster: Krieger, starke Einzelkarte und dann noch voller Synergien mit den Opfereffekten. Das war ja einfach.

An dieser Stelle haben sich dann auch die roten und schwarzen Karten gegenüber den weißen als Hauptfarben durchgesetzt. Dies hat nebenbei den Vorteil, dass man mit den besten Supportspells für aggressive Strategien überhaupt rechnen kann: Brand. Brand bedeutet heutzutage fast immer Stoke the Flames und unser Ansatz um jede Menge Kleinvieh nutzt die Einberufungsmöglichkeit effektiver als fast alle anderen. Hinzu kommen die üblichen Lightning Strikes, wobei die eher die Stärke von Mitläufern haben und ein wenig dem Mangel an Alternativen geschuldet sind.

Die letzten Slots gehen dann an Tormented Hero, der zwar jetzt auch nicht der größte Krieger aller Zeiten ist, aber eben Krieger, billig und zumindest anständig schlagkräftig. Da man eigentlich immer im ersten Zug eine Kreatur legen möchte, sollte man offensichtlich auch mehr als acht spielen und da ist er eben die bestmögliche Option.


Womit wir auch wieder beim Mana wären. Ein weiterer Vorteil der schwarz-roten Basis liegt nämlich darin, dass wir mit der den vollen Nutzen aus dem passenden Fetchland ziehen können, was bei einer Grundfarbe Weiß nicht möglich wäre. Zu Bloodstained Mire spiele ich drei Gebirge und zwei Sümpfe, weil auch das obligatorische Urborg, Tomb of Yawgmoth nicht fehlen darf, zumal wir ja quasi gezwungen sind, auf das Playset Mana Confluence und die acht Painlands zurückzugreifen. Keiner hat gesagt, dass es schmerzfrei werden würde.

Das ist eine logische Konsequenz aus unserer hochaggressiven Haltung, dank derer wir eben nicht mal nebenbei ein Land getappt legen können. Die Praxis hat dabei gezeigt, dass es normalerweise besser funktioniert, als man vielleicht befürchten mag. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Spiele einfach zu schnell vorbei sind. Entweder, weil man sie gewonnen hat (und dann sind die eigenen Lebenspunkte egal) oder weil der Gegner sich stabilisiert hat (und dann sind sie eben sehr oft auch egal). Wirklich relevant sind sie in Race-Situationen, da es aber bis auf WU-Heroic eigentlich kein wirklich häufig angetroffenes Aggrodeck im Format gibt, zählt das nicht, zumal auch hier die Duelle sehr oft nicht auf einen einzelnen Schadenspunkt heruntergebrochen werden. Trotzdem wird es die Spiele geben, in denen man in Zug 3 sechs Schadenspunkte genommen hat und dann sollte der Gegner besser nicht anfangen, die Brandsprüche zu zählen …


4 Butcher of the Horde
4 Goblin Rabblemaster
3 Tymaret, the Murder King
4 Bloodsoaked Champion
4 Foundry Street Denizen
4 Chief of the Edge
3 Tormented Hero


4 Lightning Strike
4 Stoke the Flames
3 Mardu Ascendancy

3 Mountain
4 Bloodstained Mire
4 Caves of Koilos
4 Battlefield Forge
2 Swamp
4 Mana Confluence
1 Urborg, Tomb of Yawgmoth
1 Nomad Outpost


Noch kurz zu den vielleicht merkwürdigen Zahlen in der Liste: Dreimal Mardu Ascendancy, weil sie am Ende nicht so wichtig ist, dass ich sie unbedingt immer ziehen will und gleichzeitig mehrere Exemplare durchaus störend sein können. Beachtet in solchen Fällen aber wirklich, dass sich die aktivierte Fähigkeit entsprechend großzügiger einsetzen lässt. Die drei Heroes wiederum sind einfach der Mathematik geschuldet. 23 Länder, 34 andere gesetzte Karten ergibt 57, bis zur 60 also Rest drei.

Kommen wir zum Sideboard und da habe ich mir wirklich Mühe gegeben:


Sideboard:

1 Nomad Outpost
1 Purphoros, God of the Forge
2 Harness by Force
3 Thoughtseize
3 Magma Spray
2 Sorin, Solemn Visitor
2 Dictate of Erebos
1 Glare of Heresy


Thoughtseize und Magma Spray dürften klar sein, Glare vermutlich auch, doch dann wird's speziell:

Purphoros, der alte Schmiedegott, kann bekanntlich Spiele fast im Alleingang gewinnen. Gegen sehr langsame Ansätze bietet er eine einzigartige Bedrohung, von der ich auch weitere Kopien auf die Ersatzbank setzen würde, wenn ihr verstärkt mit solchen Gegnern rechnet. Harness by Force und Dictate of Erebos bilden das Duo gegen die starken Einzelkreaturen. Ersteres ist besonders effektiv, da man immerhin sieben Opfereffekte hat, und so ein Siege Rhino erst zu klauen, dann damit zuzuschlagen und es schließlich zu opfern, zählt zu den leckersten Plays überhaupt. Nur getoppt vom Angriff mit der Gruke des VertrauensTM, wo nach den Blocks plötzlich das Dictate mitspielt. Dieses ist von Abzan übrigens fast gar nicht zu besiegen, kostet dafür aber auch fünf Mana. Das wiederum erklärt das zusätzliche Land. Das Deck kann zwischen den dann teureren Karten, aber auch aktivierten Fähigkeiten von Bloodsoaked Champion oder Tymaret problemlos ein weiteres Land verkraften. Bleibt noch Sorin. Der ist ironischerweise eher für die extremen Decks, also Kontrolle oder Aggro gedacht, wo jeweils eine seiner beiden Fähigkeiten zur Hochform aufläuft.

Typische Karten zum Herausboarden sind Lightning Strike (gegen alle Decks ohne lohnende Ziele, also fast alles außer aggressive Decks inklusive Jeskai und der aggressiven Abzan-Variante), Mardu Ascendancy (gegen alle Decks mit viel Spotremoval), Foundry Street Denizen (immer dann, wenn auch die Ascendancy geht) und Tormented Hero (wenn man sonst nix findet). Gegen langsamere grüne Decks kann man auf diese Art einen halben Morph machen, indem man einen Großteil der angesprochenen Karten auf die Ersatzbank schickt und durch Thoughtseize plus Harness/Dictate ersetzt.

Spielerisch ist das Ganze nicht ganz einfach, weil man sehr oft überlegen muss, was einem das Leben der eigenen Kreaturen wert ist. Sehr oft kommt es nämlich zu Situationen, in denen man all seine Mannen in die des Gegners rennen lässt, wobei sich das eine oder andere Opfer nicht vermeiden lässt. Anders geht es aber nicht, da unser Late Game wirklich hauptsächlich darauf abzielt, noch irgendwie Schadenspunkte durchzuprügeln. Das wird natürlich effektiver, wenn man noch Tymaret oder Butcher zum Opfern der Geblockten hat.

Ansonsten empfehle ich, im ersten Zug ein Land zu legen, welches schwarzes Mana produzieren kann, da beide 2-Drops des Decks dieses benötigen. Nicht dass man auf einmal Chief of the Edge zieht und sich ärgert, dass man Turn 1 Mountain gefetcht hat …

Mit dieser wahrhaftig großartigen Weisheit verabschiede ich mich auch schon. Möge der Managott mit euch sein!

Der MiDi




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