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Limited
Flashback Drafts for Fun and … More Fun: Tempest-Block
von Iris Schwarz
17.09.2014

Hallo ihr Lieben,

wie viele andere auch habe ich seit dem gezwungenen Umstieg auf Version 4 deutlich weniger Magic Online als üblich gespielt. Da ich das Programm allerdings benötige, um mich auf Turniere vorzubereiten, spiele ich nun insgesamt deutlich weniger Magic und diese Tendenz wird sich in den nächsten Monaten sicherlich noch verstärken, weil ich langsam wieder anderen Interessen nachgehe.

Eine der Hauptmotivationen für mich, trotz allem immer wieder zu Magic Online zurückzukehren, ist die Möglichkeit, Draftformate auszuprobieren, die vor meiner Zeit waren. Neue Limited-Umgebungen sind aufregend, selbst wenn man nur eine Woche Zeit hat, sie voll auszukosten. Wobei die ganze Erfahrung schnell ziemlich teuer werden kann, wenn man nicht bereit ist, eingehend zu recherchieren. Meistens habe ich kurz gegoogelt und dann nach spätestens einer halben Stunde die Geduld verloren und bin einfach reingesprungen. Ich habe nie verstanden, warum keine der großen Magic-Seiten eine Serie von Artikeln hat, in denen direkt vor dem Start einer Flashback-Woche auf Magic Online kurz in das Format eingeführt wird. Da allerdings niemand Anstalten gemacht hat, dies zu ändern, mache ich es jetzt einfach selbst.


Das Ziel dieses Artikels und folgender ist nicht, eine genaue Analyse aller verfügbarer Archetypen zu bieten. Das wäre mir so lange, nachdem ich die Formate gespielt habe, auch ohne exorbitanten Zeitaufwand gar nicht möglich. Das Ziel ist, einen kurzen Überblick über das Format zu geben und ein gewisses Grundgefühl dafür zu vermitteln, welche Karten besser oder schlechter sind, als sie es in anderen Formaten wären. Ausführliche Diskussionen sind selbstverständlich sehr erwünscht!

Ich werde nur Formate besprechen, die ich mindestens zwanzigmal gedraftet habe, und versuchen, andere Formate an Bekannte zu delegieren. Und nun, ohne weitere Verzögerung: Tempest!


Geschwindigkeit!

Tempest-Block ist ein sehr schnelles Format. Ich würde zwar behaupten, es spielt sich ziemlich ähnlich wie Zendikar, habe allerdings nur relativ wenig Zendikar gedraftet. Der Hauptunterschied ist, dass die Kreaturen im Schnitt doch deutlich schlechter sind, was Burn in aggressiven Decks wichtiger macht, da man sonst schnell gegen einen einzelnen Hill Giant verliert.


Ich möchte gleich zu Einstieg zugeben, dass ich weniger als vierzig Drafts in diesem Format hinter mir habe, also nur über einen eingeschränkten Überblick verfüge. Erfolgreich war ich fast ausschließlich mit hyperaggressiven rot-schwarzen oder rot-weißen „Suicide Aggro Decks“, wohingegen gerade grüne Midrangedecks unter meiner Leitung einfach nicht gewinnen konnten, da sie immer zu viel frühen Schaden nahmen und dann nicht schnell genug waren, um Burn und Evasion zu racen.


Aggro!

Normalerweise werde ich kurz über alle legitimen Archetypen und/oder Farbkombinationen schreiben. Tempest-Block ist nun der Spezialfall, dass ich fast immer, wenn ich etwas gedraftet habe, was nicht all-in aggressiv war, unfassbar auf die Fresse geflogen bin und somit sicher nicht die Geeignetste bin, euch über diese anderen Decks zu informieren. Meine Erinnerung besagt allerdings, dass man fast zu zwei Dritteln gegen Aggrodecks antritt, und zu verstehen, wie diese funktionieren, sollte euch auch ein Gefühl dafür geben, wie ihr sie besiegen könnt.

Ich habe meistens Schwarz-Rot gespielt, was vor allen Dingen daran liegt, dass Schwarz in Tempest sehr stark ist. Es ist allerdings auch sehr schwach in den anderen beiden Sets, sodass Weiß möglicherweise einfach die bessere Farbe ist.


Das Wichtigste, an das ihr euch immer wieder erinnern müsst, wenn ihr Aggro spielt, ist, dass ihr Aggro spielt. Euer eigenes Leben ist eine Ressource genauso wie eure Hand und euer Board. Und all diese Ressourcen verwendet ihr dafür, den Gegner auf null Lebenspunkte zu bringen. Eure Einzelkarten sind nicht ansatzweise so stark, wie wir es aus neueren Formaten gewohnt sind, und Fehler vergibt euch das Deck nur sehr ungern. Manchmal müsst ihr links und rechts Karten und Leben wegschmeißen, um eurem Gegner ein paar wenige Schadenspunkte zuzufügen, aber wenn ihr den falschen Moment erwischt, reicht es am Ende nicht mehr für den Alphaschlag.

Um diese Aggrodecks erfolgreich zu pilotieren, braucht man ein ziemlich gutes Gefühl dafür, wann Lebenspunkte relevant sind und wann die Boardposition. Generell ist Boardposition aber deutlich weniger wichtig, als das in modernen Formaten der Fall ist, und oft werdet ihr selbst mit minimaler Einwirkung des Gegners das Spiel bei fünf Leben, null Handkarten und ohne Board gewinnen.

Ein nicht ganz untypischer – wenn auch offensichtlich starker – Start in ein Spiel sah zum Beispiel so aus:

Turn 1: Swamp, Carnophage
Turn 2: Swamp, Foul Imp
Turn 3: Swamp, Vampire Hounds
Turn 4: Lowland Giant discarded, Reanimate, Foul Imp

Im vierten Zug war ich also, ohne Einwirkung meines Gegners, bei einer Handkarte und neun Lebenspunkten. Ein knappes Spiel wurde es freilich nicht.

Fast alle 1-Drops sind in diesen Decks irgendwie spielbar. Alle, die Power 2 haben, sind extrem stark und auch die, die eine relevante Fähigkeit mitbringen, sollte man nicht unterschätzen. Insbesondere Mogg Fanatic oder Mogg Raider, aber auch Soltari Foot Soldier, Pit Imp oder Duct Crawler sind aufgrund der wertvollen Evasion durchaus gut spielbare Karten, wenn man fokussiert genug draftet.

Allerdings ist es nicht immer möglich, die Zügel die ersten paar Züge lang komplett in der Hand zu halten und die letzten paar Punkte simpel zu brennen oder über Shadow/Flieger zuzufügen, da manche Gegner eben von Anfang an mitspielen und man dann nie so richtig einen Fuß in die Tür bekommt. Das Beeindruckende an den All-in-Aggrodecks im Format ist, dass sie auch diese Spiele gut aus dem Nichts heraus gewinnen können. Eine recht typische Situation hierzu:

Es ist der fünfte Zug und mein Board besteht aus drei kleinen Dorks und drei Ländern, ich habe vier Handkarten und 16 Leben.
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Sein Board besteht aus einer größere Kreatur, er tappt sich aus für eine noch größere Kreatur, hat fünf Handkarten und 14 Leben.
P
Mein Zug 6: Land, Angriff mit allen Kreaturen, Blood Frenzy auf die ungeblockte und im End of Combat Fling mit ebendieser für insgesamt zehn Schadenspunkte.
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Mein Zug 7: Sonic Burst für tödlichen Schaden.

Der extreme Aggro-Archetyp ist auch der einzige, der einen legitimen Grund bietet, Auren zu verwenden. Auren waren wirklich, wirklich schlecht früher und Removal war sowohl reichhaltiger als auch effizienter als heute. Gerade wenn der Gegner nicht ausgetappt ist, lohnt es sich so gut wie nie, den gigantischen Tempo- und Kartennachteil zu riskieren. Sieht man allerdings Maniacal Rage als dorky Burnspruch, merkt man schnell, dass die Karte als solches durchaus spielbar ist. Es passiert durchaus häufiger, dass sich der Gegner für irgendetwas austappt, das ihm helfen soll zu stabilisieren und an dem die eigenen Power-2-Kreaturen nicht mehr vorbeikommen. Eine Giant Strength bedeutet in diesem Falle vier Punkte Schaden – wenn auch extrem situationsabhängig und ohne dem Gegner die Möglichkeit zum Chumpblocken zu nehmen. Das ist offensichtlich kein sehr guter Deal, aber Burn ist Burn und Lava Axe leider keine Option.

Schlussendlich möchte ich noch einmal deutlich sagen, wie stark Evasion in dem Format ist. Zwanzig Schadenspunkte zuzufügen, ohne dass der Gegner an irgendeiner Stelle die Bodenoffensive stoppt, ist selten möglich, da die Qualität der 1- und 2-Drops nicht hoch genug ist. Alle Shadowkreaturen sind sehr stark und es gibt insgesamt weniger Flieger oder Spinnen, sodass die Flieger, die man bekommen kann, besser sind, als sie es normalerweise wären.


Fallen


Hier möchte ich auf ein paar Karten zu sprechen kommen, die gut aussehen, weil sie in anderen Formaten gut wären, aber aus welchem Grund auch immer einfach nicht funktionieren, oder zumindest nicht ganz so hoch gepickt werden sollten, wie man es instinktiv möchte.

Sift: Ich verwende diese Karte exemplarisch für Carddraw, obwohl Sift selbst weiterhin recht stark ist. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass die gleichen Carddraw-Sprüche in den letzten Jahren im Vergleich zu ihren früheren Inkarnationen immer schlechter geworden sind, da die Qualität der Einzelkarten gestiegen ist und somit die Relevanz von Kartenvorteil abgenommen hat. Wer nur moderne Formate gespielt hat, sieht Sift vermutlich als „gute Karte, von der man im richtigen Deck auch mal mehrere Exemplare spielen kann, die dann allerdings entsprechend unterstützt werden sollten“ und liegt damit goldrichtig. Wer sich allerdings daran erinnert, was für eine Bombe Compulsive Research in Ravnica war und erwartet, dass Sift mindestens genauso gut ist, weil es ja aus einem noch älteren Format stammt, der wird mit Tempest-Drafts nicht glücklich werden. Die meisten Carddraw-Sprüche sind hier mit Vorsicht zu genießen.

Counterspell/Dismiss: Zu Beginn des Spiels Mana offen zu halten, ist gerade on the draw eine heikle Angelegenheit und meiner Erfahrung nach ist auch Doppelblau anfangs schwer zu zahlen. Später ein Fling zu erwischen, mag natürlich spielentscheidend sein, aber grundsätzlich hatte ich immer das Gefühl, dass mir das Manaoffenhalten mehr Spiele verloren hat, als es Wert gewesen ist. Ich sage nicht, dass, wenn man hauptsächlich blau ist, man keine Counterspells spielen sollte, da man wenig anderes Removal zur Verfügung hat. Ich sage allerdings, dass man nicht in Blau gehen sollte, um Counterspells zu spielen.

Legerdemain: Es gab Formate, wo Variationen dieser Karte zwischen gut und sehr gut schwankten. In Tempest ist sie viel zu langsam und macht nichts. Man kann sie unter Umständen sideboarden, wenn der Gegner riesige Kreaturen/Bomben und relativ wenig Removal hat, aber grundsätzlich sollte man nicht mit dieser Karte in seinem Deck starten.

Sliver: Auch wenn ich nicht glaube, dass sich einer meiner Leser zu einem Sliver-Draft hätte hinreißen lassen, möchte ich noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich dabei nicht um einen Archetypen handelt. Das Fixing ist miserabel, das Tempo hoch, und so gut viele dieser Sliver in Casual- und semikompetitiven Decks sein mögen, im Limited sollte man sie meiden. Die Tatsache, dass der Gegner random Sliver haben kann, macht sie auch als Einzelkarten etwas schlechter, als sie eigentlich aussehen.

Cat Burglar: Auch der hier ist exemplarisch als „teure Kreatur, die Karenvorteil zu generieren verspricht, aber für das Format viel zu langsam und fragil ist“ gemeint. Diese Karten sind in manchen Formaten fast Bomben, in Tempest hingegen unspielbar bis okay.


Perlen


Und obligatorisch auch eine Liste von Karten, die nicht unbedingt instinktiv sofort den Respekt erhalten, der ihnen gebührt.

Rolling Thunder: Ja ja, ich weiß. Was macht diese Karte auf dieser Liste, wenn sie doch so offensichtlich broken ist? Dass Rolling Thunder eine unfaire Common ist, sieht, glaube ich, jeder. Allerdings habe ich dennoch ab und an Thunders als dritten oder sogar vierten Pick gesehen, was für mich bedeutet: Nicht jeder versteht, wie unfair diese Karte ist. Vom Powerlevel her würde ich sie auf eine Stufe mit Bonfire of the Damned setzen. Sie ist weniger varianzreich, somit liegt der Spitzenwert etwas niedriger, aber es gibt so viele Toughness-1- und -2-Kreaturen, dass sie immer extrem krank ist und in den allermeisten Fällen das Spiel sofort beendet. Aus Erwägungen den Powerlevel betreffend gibt es keine Karte, die man über Rolling Thunder nehmen sollte.

Rootwater Hunter/Fireslinger: Pinger sind schon immer und in jedem Format gut gewesen und sind es auch heute noch. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, wie viele Kreaturen diese jungen Herren eigentlich zerstören und wie gut sie Spiele komplett übernehmen können.

Evincar's Justice: Sieht auf den ersten Blick etwas umständlich aus und ich will bestimmt nicht suggerieren, dass schwarze Kontrolle „ein Ding“ ist. Aber der bloße Powerlevel dieser Karte ist so hoch, dass auch jedes schwarze Aggrodeck glücklich ist über den billigen Sweeper, der das Spiel im Mirror um 180 Grad drehen kann oder im späteren Spielverlauf die letzten paar Schadenspunkte durchdrückt, während er das Board halbwegs unter Kontrolle hält.

Licids: Die Licids sind removalresistent, haben nützliche Effekte und können endlos chumpen. Ich würde alle ziemlich hoch picken, wenngleich der Zyklus aus Stronghold insgesamt wesentlich stärker ist und gerade Tempting Licid zu absolut absurden Blowouts führen kann.

Seething Anger: So klobig das auch aussieht, ist Seething Anger doch ein ziemlich passabler Brandspruch. Vorsicht ist geboten bei offenem Mana des Gegners, denn in Response eine Kreatur zu verlieren – und damit auch den Anger – ist sehr unangenehm.

Canopy Spider: Die grünen Decks, mit denen ich Erfolg hatte, haben Canopy Spiders enthalten. Die Karte blockt auf dem Boden und in der Luft fast alles, was in den ersten Zügen aufs Feld kommt, und eine ganze Menge davon sogar tot. 1/3er für zwei sind generell ziemlich solide in dem Format und die Spider ist der beste Mann.

Goblin Bombardment: Kreaturen auf dem Board in Schaden umwandeln zu können, ist super, kein Mana dafür zu zahlen, tröstet auch gut über die schlechte Rate hinweg. Diese Karte ist wirklich stark und man sollte gebührenden Respekt vor ihr haben.

Abschließend: Ich weiß, man hätte über mehr oder andere Karten sprechen können und auch andere Archetypen anreißen. Ich hoffe aber dennoch, dass klar geworden ist, in welche Richtung das Format geht. Grundsätzlich gilt: Langsamen Kartenvorteil mit Vorsicht genießen und die Reichweite von Aggrodecks nicht unterschätzen. Den Rest werdet ihr entweder der Diskussion in den Kommentaren entnehmen oder selbst feststellen müssen. Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Draften und werde nächste Woche zu Innistrad eine Einführung schreiben, die genauer auf die möglichen Archetypen eingeht.

Vielen Dank fürs Lesen! Für Fragen und Anregungen verweise ich wie immer auf das Forum und meinen Twitteraccount.

Iris




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