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Five Things I Love about You
von Anne Mehlhorn
16.09.2014

Nachdem Nico Bohny vor ein paar Tagen seinen sehr lesenswerten Artikel zum Thema „Fünf Dinge, die ich an Magic hasse“ veröffentlicht hat, juckte es mich in den Fingern, das Gegenstück zu verfassen: fünf Dinge, die ich an Magic liebe. Ich möchte damit auf keinen Fall Nicos Punkte widerlegen oder ihre Validität leugnen. Aber neben aller (berechtigter oder unberechtigter) Kritik ist es immer wieder auch mal schön, sich ins Gedächtnis zu rufen, warum man dieses Spiel eigentlich liebt.

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Magic spiele, ernte ich dafür meistens eher zweifelnde Blicke. Unter Frauen ist der Begriff ohnehin kaum bekannt („Ist das so was wie früher diese Dinosaurierkarten?“) und auch viele Männer kennen Magic höchstens aus ihrer Kindheit und fragen sich wahrscheinlich insgeheim ein bisschen, was mit mir nicht stimmt. Ich versuche dann immer, diesen Menschen ein Stück meiner Begeisterung zu vermitteln und komme mir dabei wie ein Missionar vor. Dennoch bin ich mir sicher: Auch sie würden das Spiel mögen, wenn sie ihm eine Chance gäben!

Diese Lobreden an das beste Kartenspiel aller Zeiten möchte ich in diesem Artikel auf fünf Aspekte herunterbrechen. Es sind die Dinge, die Magic für mich persönlich so toll und wichtig machen – andere Spieler, vor allem Profis, haben vielleicht ganz andere Gründe.


1. Das Design

Eine Sache, die leider vor lauter Strategie, Diskussion um die besten Fähigkeiten und Decklisten manchmal etwas untergeht: schlicht und ergreifend das Design der Karten. Wow! Als Kind habe ich Karten wie Fallen Angel (in der Version der 8. Edition) oder Dark Ritual (Merkadische Masken) eigentlich nur der Bilder wegen gespielt. Es lohnt sich, diese Bilder einmal als Original auf der großen Leinwand zu sehen. Die Detailliebe, die Farbgebung, die Atmosphäre – fantastisch! Jede einzelne Karte ist für mich ein kleines Kunstwerk; abgesehen vom Bild gibt es ja noch den Namen, den Anekdotentext und die Fähigkeiten – alles zusammen ergibt (fast immer) ein rundes Ganzes. Gerade im Theros-Block hat das Entwicklerteam so viel Flavor in die Karten gesteckt, die nicht nur nach mythologischen Wesen benannt waren, sondern sich auch wie welche verhielten!

Bei Magic habe ich nie das Gefühl, dass dahinter eine Firma steckt, die nur aufs schnelle Geld mit minderwertiger Ware aus ist (wie ich das, so leid es mir tut, schon als Kind bei den Pokémon-Karten empfunden habe). Wenn man die Artikel der Entwicklerteams liest, ihre Gedanken, Ideen und den Entstehungsprozess verfolgt und dann am Ende das Ergebnis bestaunt, spürt man einfach, dass hier Leute am Werk sind, die ihre Arbeit lieben. Die kreativ sind, Visionen haben und mit Herz und Seele dabei sind.


2. Die Leute

Es ist schon irgendwie lustig, dass einer der Punkte, die Nico Bohny auf seiner Liste stehen hatte, eins zu eins auch in meinem Artikel auftaucht. Jeder macht eben andere Erfahrungen und vielleicht ist das Klima unter den Profis auch insgesamt rauer – oder werden Frauen vielleicht netter behandelt? Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass ich die Arschloch-Quote unter den Magic-Spielern, mit denen ich bisher zu tun hatte, bei höchstens zehn Prozent ansetzen würde. Das ist deutlich weniger als in meinen sonstigen Lebensbereichen!


Ich finde die Magic-Community großartig. Das Klischee vom soziopathischen, stinkenden Nerd ohne echtes Leben trifft definitiv (auf einen Großteil der Spieler) nicht zu! Selten bin ich mit anderen Menschen so schnell in interessante Gespräche gekommen, habe so viel gelacht und so viele tolle Leute in so kurzer Zeit kennengelernt wie beim Magic-Spielen. Von ein paar richtigen Freundschaften bis hin zu vielen guten Bekannten habe ich diesem Spiel so viel zu verdanken. Und gerade bei Großveranstaltungen wie Pro Tour Qualifiern oder einem Grand Prix empfinde ich immer dieses Gemeinschaftsgefühl: Da sind so viele unterschiedliche Leute – jedes Alter, jeder Berufsstand, jede Nationalität – und alle sind von sonst woher angereist, nur für dieses Spiel.

Für alle, die sich in der „Party, Saufen, Beachvolleyball“-Jugendwelt nicht wohl fühlen und sich lieber mit echten Menschen als mit perfekten Püppchen umgeben, ist Magic das perfekte Hobby, um tolle Leute kennenzulernen.


3. Die Vorfreude

Das Leben ist nicht immer spaßig. Oftmals gibt es Wochen und Monate, in denen alles nur zäh an einem vorbeifließt. Arbeit, Uni, Haushalt. Tag reiht sich an Tag und man muss so viele Dinge tun, auf die man eigentlich keine Lust hat. Was mir da immer hilft: Vorfreude auf schöne Ereignisse in der Zukunft. Mit Magic hat man diese Vorfreude quasi permanent. Denn es gibt immer etwas, worauf man sich stürzen kann: das nächste große Turnier, die nächsten Spoiler der neuen Edition, die nächste überraschende Standard-Deck-Idee.


Dieses gespannte Warten vor jeder neuen Edition. Wie man Stück für Stück immer mehr erfährt von der Welt und von den Figuren darin. Wilde Spekulationen auf Facebook, dann tauchen die ersten Karten auf. Es beginnen die Diskussionen mit den anderen Spielern – glaubst du, das und das könnte funktionieren? Wie wird das Metagame dadurch beeinflusst? Hoffentlich mache ich XY beim Prerelease auf!

Am meisten packt mich die Vorfreude vor großen Turnieren. Wenn ich mit meinen Freunden zu einem Grand Prix fahre, dann ist das schon drei Monate vorher dick rot im Kalender markiert. Und wenn dann mal ein ganz grauer, trüber Tag anbricht, schaue ich darauf und denke: Komm, nur noch ein paar Wochen …


4. Der Wettbewerb

Ich bin ein wettbewerbsbegeisterter Mensch. Es ist für mich immer eine schöne Herausforderung, mein Können mit anderen zu messen – egal in welchem Lebensbereich. Es spornt an, es weckt Ehrgeiz, es macht alles viel spannender. Leider habe ich oft das Gefühl, dass diese Einstellung von der Gesellschaft abgelehnt wird. Besonders von Frauen erwartet man nach wie vor nur Hilfsbereitschaft, Gemeinschaftssinn und eine „dabei sein ist alles“-Einstellung. Steht man dagegen vorm Notenaushang und sagt Sachen wie: „Fuck, der ist schon wieder besser als ich gewesen!“ (oder alternativ: „Yeah! 1,0 – in your face!“), wird man schief angeschaut.


In Magic kann ich das ungebremst ausleben. Es geht hier nicht darum, meinem Gegner zu helfen, ihn gewinnen zu lassen oder „einfach nur so zu spielen“. Nein. Es geht um Punkte, um Rankings, um Preise. Letztlich ist das Ziel von Magic, den Gegner auf null Lebenspunkte zu bringen (und damit im übertragenen Sinne: ihn zu töten). Ich liebe dieses archaische Kampf-auf-Leben-und-Tod-Gefühl. Dass man einfach mal „der Beste sein wollen“ darf, ohne schlechtes Gewissen. Dass es erlaubt ist, verbissen zu sein. Ja, natürlich tun die Niederlagen weh, aber dieser Schmerz und der Frust sind okay. Sie werden von der Community akzeptiert und ernst genommen. Keiner steht da und sagt: „Ach komm, ist doch nur ein Spiel. Es gibt Wichtigeres im Leben.“ – wie sonst bei fast allen Dingen, die mir wichtig sind.


5. Der Tunnel

Wozu sind Hobbys eigentlich da? Zur Selbstverwirklichung, zur Selbstoptimierung? Ich finde, manche Hobbys sollten einfach ein Ausgleich sein. Eine Möglichkeit, hin und wieder gezielt aus dem Hamsterrad des Alltags auszusteigen. Und mein Gott, wie Magic das schafft! Bei keiner Feier, keinem Kinofilm und keinem Buch kann ich so dermaßen abschalten wie beim Magic-Spielen. Ich nenne das gern „den Tunnel“, weil sich der Verstand für eine Weile verengt auf diese eine Sache, auf das Spiel. Es gibt nur noch dich und deinen Gegner, die Gedanken kreisen um die nächsten Züge. Welche Karten hat er gerade auf der Hand? Soll ich mit dieser Kreatur besser noch warten? Die ganze Welt kreist für ein paar Stunden (oder auch den ganzen Tag) darum, der beste Magier zu sein.


Noch nie ist es mir passiert, dass mir mitten in einem spannenden Match plötzlich Gedanken durch den Kopf gingen wie: „Boah, morgen hast du Prüfung und du hast das und das noch nicht gelernt.“ Oder: „Bei dir Zuhause sieht's aus wie im Schweinestall, du musst unbedingt mal wieder putzen.“ Nein, das gesamte restliche Leben schweigt, wenn man im Tunnel ist. Das ist für mich und sicher auch für viele andere eine sehr angenehme Erfahrung. (Man munkelt, mancher nimmt Drogen, um ein ähnliches Empfinden herbeizuführen.)

Wenn ein Spiel es schafft, dich so gefangen zu nehmen, dass du nicht nur manchmal, sondern eigentlich fast bei jedem Spiel im Tunnel bist, dann haben die Entwickler des Spiels verdammt viel richtig gemacht. Und wer wollte das im Falle von Magic auch anzweifeln?


Da dies mein erster Artikel für PlanetMTG ist, würde ich mich sehr über Feedback freuen. Außerdem interessiert mich: Was sind die Dinge, die ihr am meisten an Magic liebt? Versucht ihr auch ständig, andere davon zu überzeugen? Ist es euch vielleicht auch schon gelungen? Ich bin gespannt auf eure Geschichten!




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