miraclegames.de
Standard
Die Jagd
von Michael Diezel
10.10.2013

Von den fünf Göttern, die wir bisher in Theros gesehen haben, ist Nylea, die Göttin der Jagd, so ein wenig wie das fünfte Rad am Wagen. Uninspiriert meinen die einen, wenig überzeugend die anderen. All diese negative Presse führt zumindest dazu, dass sie auch für den schmalen Geldbeutel erschwinglich ist und wir sie deswegen als eine Art Commander für ein budgetiertes Standarddeck in Erwägung ziehen können. Genau das tun wir auch und schauen uns das göttliche Mädel dafür zunächst in all ihrer Pracht an:


Nylea bringt die Problematik der Götter auf die Spitze. Im Alleingang macht sie nämlich … überhaupt nichts. Anders als ihre Kollegen, die alle zwischen statischer und aktivierter Fähigkeit einen Mangel an Devotion zumindest zeitweise ausgleichen können, sind ihre beiden Fähigkeiten ausschließlich mit ausliegenden Kreaturen zu gebrauchen. Das bedeutet für die Praxis, dass wir an grünen Kreaturen als Basis unserer Bemühungen um das grüne Manasymbol nicht vorbeikommen werden. Das ist jedoch nicht so wahnsinnig schlimm, denn wenn wir mal ehrlich sind, dürfen wir von der Farbe Grün auch nicht viel mehr erwarten. Da Nylea zusätzlich besonders im Kampf überzeugt, sollte dieser entsprechend forciert werden, was aber ebenfalls nichts Grundlegendes ändert.

Wichtiger ist hingegen die Überlegung, welche Karte neben der Jagdgöttin noch von der Devotion profitieren könnte. Ein zusätzlicher Nutznießer für all die Mühen ist, wenn nicht notwendig, so doch zumindest empfehlenswert, da man sich doch ganz anständig verbiegt, um fünf passende Manasymbole auf den Tisch zu bekommen. Zum Glück bietet Grün hier einen jungen Mann, der seine Verbindung zu Nylea in Form des passenden Bogens schon im Bild trägt:


Dieser Knabe kann im Idealfall ja eine ganze Menge und passt in seiner strategischen Tiefe perfekt zur grünen Göttin. Mit vielen grünen Manasymbolen wird er schnell unverschämt dick und profitiert dadurch ungemein vom Nylea-generierten Trampelschaden. Einen Nachteil hat das Ganze dann doch und dieser wurde von unserem Lieblings-Setreview-Schreiber LSV recht treffend als „TRGR“ beschrieben. Alles klar? Nein? Okay, TRGR steht für „the rich gets richer“ und ist der 2K13-Ausdruck für etwas, das wir in den Neunzigern als „Win more“ bezeichnet haben. So oder so geht es darum, dass Reverent Hunter natürlich seine besten Momente genau dann hat, wenn das Deck gut funktioniert. Falls nicht, ist er eher mäßig.

Damit hat der gute LSV selbstverständlich nicht Unrecht, meines Erachtens unterschätzt er aber sowohl das positive Potenzial in den guten Zeiten wie auch die Unwahrscheinlichkeit eines völligen Versagens. Letzteres etwa wird schon durch das Vorspielen einer halbwegs vernünftigen Kreatur ausgeschlossen, da unser Jäger nahezu sofort 4/4 oder größer ist. Auch eine Kombination mit Nylea selbst sorgt beispielsweise dafür, dass selbst ein spät und unpassend gezogener Reverent Hunter noch mit akzeptablen Werten ins Spiel kommen. Die positive Variante wiederum ist heutzutage weniger ignorierbar als in der guten alten Zeit, einfach weil die Karten so viel besser geworden sind. Es reicht eben nicht mehr, irgendwelche grünen Typen hinzulegen, sondern man muss schon ordentlich Betrieb machen. Und genau das macht der Hunter, wie angedeutet zuverlässiger, als man glaubt.


Nachdem wir jetzt die Basics gesetzt haben, füllen wir einmal den Rest mit Leben. In erster Linie suchen wir hierfür Kreaturen, insbesondere solche, die …

sehr gut bis außergewöhnlich kämpfen. Da wir einfarbig bleiben wollen und Grün im Bereich Kreaturenvernichtung … nun ja … ausbaufähig aufgestellt ist, müssen unsere Kreaturen schlichtweg besser sein.
P
viel grünes Mana einfordern, um möglichst zuverlässig Devotion zu erreichen.

Starten wir doch direkt bei unseren Optionen für ein Mana. Einer der größten Vorteile am einfarbigen Dasein ist ja, dass wir schon mit dem Legen des ersten Landes in der Lage sein können, Druck auf den Tisch zu bringen. Drei Möglichkeiten stehen hierbei zur Auswahl:

Dryad Militant ist dabei die unspektakuläre Variante. 2/1 ohne relevante Fähigkeit (da der aufgedruckte Text nahezu nie Einfluss aufs Spielgeschehen haben dürfte) ist ein Klassiker, in diesem Fall im positiven Sinn. Trotzdem gefallen mir die beiden anderen Optionen sogar noch einen Tick besser. Elvish Mystic kämpft selbst schlechter, sorgt im Gegenzug aber für einen extremen Boost sämtlicher Starts. Wir tauschen somit Explosivität gegen Konstanz, etwas, das ich schon bei Reverent Hunter für gut befunden habe. Ja, ein Manaelf von oben ist jetzt nicht der ganz große Topdeck, dafür gibt es wohl keine Karte, die man lieber auf der Starthand hat. Ausnahme ist vielleicht Experiment One. Ganz ähnlich wie der Mystic ist auch unser Menschenschleim nach Zug 1 nicht mehr sonderlich beeindruckend – wenn auch deutlich ausbaufähiger als der Elf. Das jedoch müssen wir in Kauf nehmen, um möglichst zuverlässig eine (für den Gegner) anspruchsvolle Eröffnung hinzubekommen. Experiment One hat darüber hinaus natürliche Synergien mit den ganzen Klopsen, die später kommen, wodurch sich beachtliche Dimensionen für eine 1-Mana-Kreatur ergeben. 7/7 habe ich schon geschafft. Wenn man sich dann überlegt, dass Wild Nacatl im Modern verboten ist …


Ganz ähnliche Überlegungen können wir auch im Bereich der 2-Mana-Kreaturen anstellen, nur dass Gyre Sage sämtliche Instanzen von Experiment One ersetzt. Zusätzlich kommt man so natürlich noch in den Genuss beachtlicher Manamengen. Was man mit all dem anstellt? Dazu gleich mehr.

Zuvor noch kurz ein weiterer Kandidat für brokene Starts, mäßige Fortsetzung: Burning-Tree Emissary. Während dessen wohlbekannte Power verbunden mit der hohen Devotion fast für die automatische Platzreservierung sorgt, möchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass nicht alles Gold ist, was ihn betrifft. Hauptsächlich liegt das daran, dass man abgesehen von Gyre Sage kaum zusätzliche Nachfolgeplays ins Deck bekommt. Das wiederum schmerzt in Hinblick auf seine starken Starts, die normalerweise im zweiten Zug aus ein bis vier Gesandten und einem würdigen Nachfolger bestehen. Dieser Nachfolger darf aber von Natur aus nur ein grünes Mana kosten. Das jedoch hilft nur begrenzt bei der Devotion, weswegen man das eigentlich vermeiden will. Klassisches Dilemma. Die Lösung ist zweigeteilt. So kann man zunächst davon ausgehen, dass ein Emissary auch in Zug 3 noch sehr anständig ist, besonders, wenn man im Zug davor eine Karte wie Kalonian Tusker aufs Feld gelegt hat. Zusätzlich spielt man ja auch noch vier Manaelfen, die im zweiten Zug schon drei grüne Mana bereitstellen. Selbst mit einem Gesandten an der Stelle bleiben noch zwei übrig, mit denen sich sowohl Boon Satyr als auch Reverent Hunter wirken lassen. Letzterer übrigens schon als geschmeidiger 5/5er.


Zusätzlich kann man es immer noch mit Scavenging Ooze probieren. Das überschreitet zwar eigentlich unser Budget, wer aber noch ein paar Tauschkarten findet, macht hiermit sicher nichts falsch. Nicht nur für das monogrüne Devotiondeck gesprochen, sondern ganz allgemein ist das Ooze eine superstarke Karte, die sich flexibel in diverse Decks einbauen lässt. In unserem Deck ist sie nicht ganz so stark wie gewohnt, da wir selbst nicht groß mit dem Gegner interagieren. Somit müssen wir immer schauen, was dieser so tut und wie diese Aktionen Kreaturen in den Friedhof befördern. Nur mit diesen wird das Ooze offensichtlich zu der erhofften Verstärkung. Aus diesem Grund sind zwei Kopien wohl auch das theoretische Maximum.

Weiter geht's bei drei Mana und die sind fest in Theros-Hand. Neben dem schon mehrfach angesprochenen Reverent Hunter verstärkt Boon Satyr unsere Reihen. Power 4 ist schon sehr ordentlich und die Flashfähigkeit nützlich. Wirklich beeindruckend wird er aber als Verzauberung. Bestow ist eine der einfachsten Möglichkeiten, überschüssiges Mana noch gewinnbringend zu nutzen. In der Praxis sieht das dann so aus, dass man für drei Mana bei Bedarf einen sehr soliden Mann erhält, der zugleich aber auch im späteren Spiel noch das spürbare Upgrade erhält. Damit sind wir schon bei dem Thema, das uns im letzten Manabereich noch begleiten wird: Manasenken. Als solche bezeichnen wir Fähigkeiten, in die wir möglichst gewinnbringend überschüssiges Mana stopfen können, ohne jemals darauf angewiesen zu sein.


Boon Satyr war ein schönes Beispiel, Nylea, God of the Hunt ist ein weiteres. Nummer 3 folgt in Form von Polukranos, dem guten, alten World Eater. Diese Hydra ist bereits so ein anständiger Kämpfer mit recht eindrucksvollen Werten rechts unten. Ihre Monstrousfähigkeit ist sozusagen die Zugabe, die immer dann eingesetzt wird, wenn man sonst gerade nicht weiß, wohin mit dem Mana. Natürlich kann man sie auch gezielt einsetzen, wodurch wir als grüne Magier noch etwas erhalten, was uns eigentlich gar nicht zusteht: Kreaturenzerstörung.

Diese drei Karten – plus die allseits bewährten Mutavaults – führen dazu, dass ich eigentlich gar nicht weiter nach oben in der Manakurve will. Klar gibt es noch Kalonian Hydra oder Arbor Colossus als superstarke Kreaturen im oberen Preissegment, aber wirklich benötigen tut man sie nicht. Schließlich will man seine Draws nicht verklumpen, eine Gefahr, die nicht völlig von der Hand zu weisen ist, wenn wir mit 1-Drop starten und bis fünf gehen wollen.

An dieser Stelle ist unser Deck dann eigentlich auch schon voll:


4 Reverent Hunter
4 Burning-Tree Emissary
4 Kalonian Tusker
4 Boon Satyr
3 Nylea, God of the Hunt
3 Polukranos, World Eater
4 Elvish Mystic
2 Scavenging Ooze
4 Gyre Sage
4 Experiment One


20 Forest
4 Mutavault

Sideboard:

1 Garruk, Caller of Beasts
3 Mistcutter Hydra
4 Nylea's Disciple
2 Time to Feed
2 Hunt the Hunter
3 Ratchet Bomb


Wie man sieht, ist das Ganze mehr oder weniger stringent auf die Kreaturenübermacht aufgebaut. Keine Kreaturenvernichtung, kein Schnickschnack. Einfach 36 Kreaturen (plus viermal Mutavault). Diese Aufstellung hat gewisse Vorteile bei der Konstanz; Evolutionen und Devotionen etwa sind so wahrscheinlich wie nur irgendwie möglich. Auf der anderen Seite ist das Ganze natürlich nicht ohne Risiko. Das sieht man schon daran, dass man ziemlich ins Schwimmen kommt, falls der Gegner einmal eine wirklich dominante Kreatur auf den Tisch bekommt. Typische Beispiele wären sämtliche Vertreter der Lifelinkfraktion, also Archangel of Thune oder ein Dude mit Unflinching Courage. Zusätzlich sind Helden wie Trostani, Selesnya's Voice oder Master of Waves beachtliche Brocken, da die offensichtlich ein Spiel im Alleingang dominieren können, wenn man sie lässt. Zum Glück sind diese Jungs (und Mädels) aktuell nicht so oft zu sehen und teilweise auch einfach zu langsam gegen unsere besseren Outputs. Trotzdem wollte ich euch vorwarnen.

Weil die Spieletipps bei einem 36-Kreaturen-Deck eher überschaubar ausfallen würden, verwende ich die letzten Zeilen lieber für einige Worte über mögliche Alternativen. Ein paar habe ich ja schon angesprochen. Kalonian Hydra und Arbor Colossus könnten den Manabeschleunigungsaspekt weiter ausnutzen und stellen gleichzeitig beachtliche Einzelkartenbedrohungen dar. Die könnte der richtige Weg sein, wenn man mehr Angst vor Massenvernichtungswaffen hat als ich. Gerade Anger of the Gods tut diesem Deck arg weh, und diesen mit einer Hydra zu beantworten, kann nicht so schlecht sein. In eine ähnliche Richtung schlägt Garruk, Caller of Beasts. Noch teurer – was die Nachteile ausreichend abdeckt – bringt er im Alleingang ein fast unbesiegbares Late Game auf den Tisch. Wo wir gerade in den höheren Manaregionen sind – Nykthos, Shrine to Nyx wäre da ebenfalls einen zweiten Blick wert. Aktuell habe ich das legendäre Land komplett draußen, weil mir die Gefahr, das dringend benötigte zweite grüne Mana nicht zu haben, größer erschien als der potenzielle Nutzen nahezu unendlicher Manamengen. Gerade in Hinblick auf Garruk, Colossus und Co. kann man aber darüber nachdenken, die Aggressivität herunterzufahren, mehr Fettsäcke auf den Tisch zu bringen und all das mit Nykthos zu krönen.


Ein paar Worte noch zum Sideboard. Dieses ist zunächst einmal Murks. Wir haben hier ein monogrünes Deck (erster Fehler für ein gelungenes Sideboard) mit einem sehr spezifischen Plan (zweiter Fehler). Diese Kombination führt dazu, dass wir nicht nur mit grünen Karten auskommen müssen, sondern auch noch möglichst Kreaturen benötigen, um unseren Spielplan des „Überrollens“ nicht zu gefährden. Logischerweise sind dies massive Einschränkungen, die nicht selten dazu führen, dass man in den Spielen 2 und 3 schlechter dasteht.

Nachdem ich all dies geschrieben und nur noch einen würdigen Abschluss gesucht habe, um euch von der Kampfstärke der grünen Karten zu überzeugen, hat ein gewisser Chris Renner mit folgendem Konstrukt das Halbfinale der StarCityGames-Open von Cleveland erreicht:


4 Boon Satyr
4 Burning-Tree Emissary
2 Deadbridge Goliath
4 Elvish Mystic
4 Experiment One
2 Kalonian Hydra
4 Kalonian Tusker
4 Nylea, God of the Hunt
2 Polukranos, World Eater
4 Reverent Hunter
2 Scavenging Ooze


20 Forest
4 Mutavault

Sideboard:

2 Fade into Antiquity
3 Garruk, Caller of Beasts
3 Mistcutter Hydra
4 Nylea's Disciple
3 Time to Feed


Ich denke, das ist Beweis genug.

In diesem Sinne, möge Nylea mit euch sein!
Der MiDi




Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Michael Diezel

[23.07.2016]Der Mondmann
[02.06.2016]Grumpy Old Men
[26.05.2016]L.E. Crash #5
[12.05.2016]Das Glashaus
[05.05.2016]Apollo 13


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite