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Love It or Leave It – Magic in Utrecht
von Christopher Reichel-Dittes
08.04.2013

Hallo allerseits,

mein Name ist Christopher Reichel-Dittes, ich bin 27 Jahre jung/alt und den meisten wahrscheinlich kein Begriff. Dies mag in erster Linie daran liegen, dass sich meine bisherigen Magic-Erfolge auf drei Teilnahmen an der Deutschen Meisterschaft sowie eine Handvoll PTQ-Top 8 beschränken. Magic spiele ich jetzt seit circa 16 Jahren, mal mehr, mal weniger turnieraktiv, an unserem Wohnzimmertisch werden aber zumindest jede Woche casual die Pappkarten nach rechts gedreht.

Da ich seit vielen Jahren täglich dankbar das konsumiere, was die Magic-Szene hier und auf anderen Seiten so an lesbarem Material zur Verfügung stellt, hatte ich schon lange den Wunsch beziehungsweise das Bedürfnis, auch einmal etwas zurückzugeben. Allerdings hat mir bis heute dazu immer das passende Thema oder die Muße gefehlt.

Was ist nun anders? Nun, ich konnte mit viel Glück und auch ein wenig Geschick in Utrecht den Super-Sunday-Series-Slot gewinnen. Für alle, die damit jetzt gar nix anfangen können: Der Gewinner fliegt im Janaur 2014 auf Kosten von Wizards für drei Übernachtungen nach Seattle und spielt dort in einem Turnier mit insgesamt 20000 Dollar Preisausschüttung sowie Besichtigung von Wizards of the Coast und Dinner mit den Angestellten et cetera, et cetera …

Jetzt mag das nicht das wichtigste Turnier aller Zeiten gewesen sein, trotzdem konnte ich die ein oder andere Erkenntnis sammeln, die für euch vielleicht nützlich oder unterhaltsam sein mag. Wer aufregende neue Erkenntnisse über Gatecrash-Limited sucht, wird wahrscheinlich enttäuscht werden, allen anderen wünsche ich eine gute Zeit beim Lesen!

Das Turnier war so aufgebaut, dass parallel ein Standard- und ein Sealed-Teil stattfanden und jeweils die Top 4 dann in einem gemeinsamen Draft aufeinander treffen würde. Da ich Standard nur spiele, wenn ich dazu gezwungen werde, bin ich also im Sealed angetreten.

Weil ich mit vielem gerechnet hatte, aber nicht damit, einen Artikel zu schreiben, habe ich den Pool leider nicht mehr komplett beisammen. Grün und Rot waren beide jeweils zu wenig beziehungsweise kaum vorhanden, von Prime Speaker Zegana einmal abgesehen, sodass noch Schwarz, Blau und Weiß übrig blieben. Das müsst ihr mir jetzt einfach mal so glauben.

Folgendes Deck habe ich registriert:


7 Swamp
7 Plains
1 Godless Shrine
3 Island

1 Dutiful Thrull
1 Wight of Precinct Six
2 Daring Skyjek
1 High Priest of Penance
1 Nightveil Specter
1 Corpse Blockade
1 Deathcult Rogue
1 Basilica Guards
1 Knight of Obligation
1 Syndicate Enforcer
1 Balustrade Spy
1 Obzedat, Ghost Council
1 Dinrova Horror


1 Smite
1 Aerial Maneuver
2 Orzhov Charm
1 Grisly Spectacle
1 Aetherize
1 Angelic Edict
1 Debtor's Pulpit

Sideboard:

1 Agoraphobia
1 Holy Mantle
1 Shadow Slice
1 Nav Squad Commandos
1 Smog Elemental
1 Millennial Gargoyle
2 Duskmantle Guildmage
1 Soul Ransom


Mag sein, dass ich den Pool verbaut habe, so genau kann ich das nicht sagen, da es abgesehen vom Team-Sealed-Grand-Prix am Vortag mein erstes Sealed mit der Edition war. Die restlichen Erfahrungen davor haben sich eigentlich auf knapp zehn 8-4-Drafts online beschränkt.

Ich war erst geneigt, das Deck noch blaulastiger zu bauen, weil ja schon noch Qualität im Sideboard war. Allerdings ist die Geschwindigkeit des Formats ja kein Geheimnis mehr und ich wollte dann doch lieber unspektakuläre Sprüche und Kreaturen casten können, als mit Quality-2-Drops auf der Hand gegen die Boros-Kurve zu verlieren, weil ich nicht das passende Mana ziehe. Abgesehen vom Godless Shrine war auch an Fixing nichts vorhanden. Deshalb beschloss ich, den Blau-Splash möglichst gering zu halten. Dinrova Horror war für mich gesetzt. Einen 4/4-Klopfer mit eingebautem Kartenvorteil, der dazu noch als Out gegen Cipher oder Madcap Skills dient, den will ich an Bord haben.


Danach wurde es schon schwieriger. Grundsätzlich bin ich ein Fan von Agoraphobia. Removal zwischen Kreaturen hin und her schieben zu können, finde ich recht stark. Für Ætherize spricht hingegen, dass es einen aus Situationen herausholt, in denen Agoraphobia vielleicht nicht mehr genug macht. Bei wenigen blauen Quellen, kann man sich auch nicht drauf verlassen, Agoraphobia im zweiten Zug casten zu können und im Midgame kauft mir Ætherize das Tempo zurück, das ich anfangs unter Umständen verloren habe. Man könnte jetzt dafür argumentieren, einfach beides zu spielen. Ich wollte allerdings nicht mehr als drei Inseln aus oben genannten Gründen. Drei blaue Karten bei drei Inseln finde ich allerdings schon wieder grenzwertig. Ich habe mich dann für Ætherize im Maindeck entschieden und die Agoraphobia häufiger hereingeboardet. Ob das so richtig ist, dürft ihr entscheiden, Meinungen im Forum würden mich interessieren.

Jörg Unfried hat mich im Laufe des Turniers außerdem gefragt, wieso ich Soul Ransom nicht spielte. Zum einen weil Blau eben nur Splash sein sollte, zum anderen weil mich Soul Ransom am Vortag im Team-Sealed ziemlich enttäuscht hatte. Da hatte ich es noch im Maindeck und habe es fast immer bereut. Normalerweise ist ein Kontrollzauber ja gut, um Druck vom Board zu nehmen, aber das klappt mit Soul Ransom leider nie so wirklich, da der Gegner seine Kreatur auf Wunsch in seinem eigenen Zug wieder zum Angriff zur Verfügung hat. Klar habe ich dann tollen Kartenvorteil gemacht, der bringt mir aber auch nur sehr wenig, wenn ich keine Lebenspunkte mehr habe. Jörg hat argumentiert, dass im Team-Sealed die Decks schneller sind als im normalen Sealed, und damit hat er wohl auch Recht. So weit hatte ich beim Deckbau nicht gedacht, habe die Entscheidung zum Glück aber auch nicht bereut. Meistens wurde Soul Ransom in Spiel 2 und 3 im Mirror oder gegen Ramp-Gegner hereingeboardet und hat da dann seinen Zweck gezielt erfüllt.


Genauso kamen die beiden Exemplare von Duskmantle Guildmage und ein bis zwei Inseln gegen Kontrollgegner ins Deck, um eine zusätzliche Win-Condition darzustellen. Raus gingen dafür meist Aerial Maneuver und Corpse Blockade.

Für Holy Mantle und Shadow Slice fand ich das Deck schlicht nicht aggresiv genug. Nav Squad Commandos sind im 5-Mana-Slot der wesentlich schlechtere Obzedat. Und mehr verkloben mit dem Smog Elemental wollte ich auch nicht unbedingt. So bin ich dann also mit Corpse Blockade, Syndicate Enforcer und Aerial Maneuver anstelle von mehr Blau in die Schlacht gezogen.

Das Deck ist meiner Meinung nach schon gut, dennoch bin ich nicht davon ausgegangen, damit 8:1 zu spielen. Dafür braucht's meiner Erfahrung nach meist mehr als den einen Obzedat. Nightveil Specter und High Priest of Penance sind gute Karten, würde ich jetzt aber nicht auf dem Spoiler-Level sehen.


Mit 189 Spielern geht's auf ins Turnier. Die erste Situation, die hängenbleibt, ergibt sich in Runde 2. Mein Gegner kommt zwei Minuten zu spät an den Tisch gehastet und bekommt dafür ein Gameloss. Er riecht so stark nach Zigaretten, dass sich die Frage gar nicht erst stellt, wo er wohl gesteckt haben mag. Wir starten also 1:0 für mich ins zweite Game und er fährt mich auch direkt mit toller Boros-Kurve inklusive Blind Obedience und Foundry Champion sowie mehrfachen Skyknight Legionnaires gegen die Wand. Passend zu seinem Deck spielt er seine Züge auch in sehr hohem Tempo, was grundsätzlich in der Form gar nicht nötig wäre, da wir ja durch den Gameloss noch extrem viel Zeit auf der Uhr haben.


Im dritten Spiel dann folgende Situation: Ich fange an, Turn 2 legt er Vizkopa Guildmage. In meinem Zug beschwöre ich Nightveil Specter und gebe ab. Er legt sein drittes Land, tappt und spielt Skyknight Legionnaire. Im Combat-Step greift er ausgetappt mit beiden Kreaturen in mein Specter an. Ich überlege kurz, ob ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe, und lege dann mein Specter zum Block vor seinen Skynight. Er weist mich darauf hin, dass meine Kreatur keine Flugfähigkeit hat, ich weise ihn darauf hin, dass das Specter sehr wohl fliegt. Er erschrickt und meint nur, „Oh I thought it is the Dimir Rogue, unblockable. Then I don't attack!“, und dreht seine Kreaturen wieder zurück. Ich bestehe auf dem Angriff und Block, worauf er gleich ziemlich ungehalten wird und nur meint: „Okay!! If you want to play that kind of game!!“ Langer Rede kurzer Sinn, er hat sich die Karte einfach nicht durchgelesen, weil er in einem Affenzahn durch das Spiel gepflügt ist. Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Bei uns am Wohnzimmertisch keine Frage, da lass ich das zurücknehmen. Aber auf einem Turnier dieser Art?

Ich bleibe bei meiner Entscheidung und er verliert kurze Zeit darauf auch. Er gibt mir dann die Hand und sagt mit hämischem Grinsen: „Good Game. It's always a pleasure to play against guys like you!“ Ich versuche ihm noch zu erklären, dass ich da schon einen Unterschied sehe zu generell unfairem oder Shady Play, aber es ist natürlich nicht mehr mit ihm zu reden und er zieht beleidigt von dannen.


In Runde 3 habe Obzedat, Ghost Council auf der Starthand, traue mich aber nicht, ihn Turn 5 auszuspielen, da mein Gegner Blau-Grün mit Rotsplash spielt und einfach nichts rauslassen will außer Simic Keyrune. Ich vermute also Mystic Genesis, in die ich nicht gern mit meinem einzigen wirklichen Spoiler hineinlaufen möchte. Ich warte vergeblich die nächsten fünf, sechs Züge darauf, dass er sich austappt, und greife immer nur geduldig mit meinem Dutiful Thrull an, frei nach dem Motto, „Kleinvieh macht auch Mist.“ Er aktiviert seine Keyrune nie zum Block, was den Verdacht noch verstärkt, dass er das Countermana braucht. Ich ziehe nach Ewigkeiten auch mal wieder Kreaturen und komischerweise wird keine davon neutralisiert. Dafür baut er sein Board gehörig aus und das Spiel droht zu kippen. Irgendwann kommt dann also doch Obzedat ins offene Mana und zum Glück resolvt er. Ein paar Lifeswings später ist mein Gegner dann auch tot. Er zeigt seine Hand und hat nur Länder. Ich spiele also fast das komplette Spiel gegen ein Gespenst, was gar nicht da ist.

In Runde 5 darf ich wieder mal gegen Boros ran. Es steht im entscheidenden Duell 1:1 und es sieht gut für mich aus. Ich habe mehre Kreaturen auf dem Board, er hat lediglich Skyknight Legionnaire mit Madcap Skills. Er hat fünf Handkarten, ich auch, darunter gute Spells sowie mein fünftes Land, was ich nächsten Zug legen möchte, um mit Angelic Edict seinen Legionär zu beseitigen. Ich denke mir also, nächsten Zug sollte ich endgültig stabilisiert haben, wenn jetzt nicht der Megaspoiler bei ihm kommt, zumal ich auch noch auf sicheren 16 Lebenspunkten bin. Leider sind 16 Lebenspunkte in Gatecrash gar nicht so sicher. Er tappt seine fünf Mana und bloodrusht Wrecking Ogre, um mich genau für 16 Schadenspunkte anzugreifen. Danke fürs Gespräch. Er revealt seine Hand und hat nur noch Länder. Hätte er mich nicht getötet, hätte es im nächsten Zug also tatsächlich bestens für mich ausgesehen. Hätte, wäre, wenn, Magic ist und bleibt kein Spiel der Konjunktive! Somit stehe ich nur noch 4:1.


In der sechsten Runde dann das Orzhov-Mirror, er ohne Blau-Splash. Ich gewinne 2:0, beide Male allerdings sehr knapp. Einmal setzt er mich mit einem Sepulchral Primordial unter Druck, welcher sich mein Nightveil Specter aus dem Friedhof leiht. Ich ziehe aber mein Ætherize und kann somit beide im nächsten Attack bouncen. Specter geht auf meine Hand zurück (danke!), Primordial wird bei ihm erneut ausgespielt, findet allerdings kein zweites Ziel in meinem Friedhof (nochmals danke!). Nach ein oder zwei Zügen kann ich den 5/4er dann mit High Priest of Penance abstellen und in der Luft gewinnen, dank des Specters, mit dem er mich so großzügig versorgt hat. Ich boarde Agoraphobia um noch eine Möglichkeit zu haben, seinen Primordial abzustellen. Diese gewinnt dann auch direkt das Spiel. Wir sind beide extrem flooded und das Bord ist zugestellt, nur habe ich einen Extorter und eben Agoraphobia die pro Zug ein- bis zweimal zurückgeholt, ausgespielt und zum Extorten benutzt wird. Auf diese Weise sind meine Draws lange nicht so wichtig wie seine, denn ich habe immer etwas Sinnvolles zu tun und jedes zusätzliche Land hilft mir sogar noch. Irgendwann hat er dann keine Lebenspunkte mehr.

Die Top 16 scheint jetzt so langsam greifbar und die bekommt immerhin 18 Booster. Damit wäre ich voll und ganz zufrieden, von daher habe ich den Kopf einigermaßen frei und kann in erster Linie den Spaß am Spiel genießen.


Runde 7 dann wieder gegen UGr. Rot unter anderem für Clan Defiance, die ich auch direkt abbekomme mit Flieger und Nichtflieger auf dem Board. Zum Glück steht es bereits 1:0 für mich, denn auch dieser Gegner schafft es, seine Raucherpause für einen kleinen Gameloss zu verlängern. Ich nehme meine beiden Flieger ins Sideboard, um gegen den X-Spell wenigstens nicht immer gleich total geliefert zu sein. Bessere Antworten darauf habe ich leider nicht und da mein Deck lange braucht, um zu gewinnen, stelle ich mich schon mal darauf ein, dass er die Defiance auch ziehen wird. Wohl fühle ich mich dabei trotzdem nicht, zumal mir Nightveil Specter im Turnierverlauf wirklich ans Herz gewachsen ist. Teilweise hat es tollen Kartenvorteil produziert. Haltet ihr es für vertretbar, die Karte herauszuboarden? Meinungen würden mich auch hier interessieren.

Im entscheidenden dritten Spiel stallen wir endlos herum. Er hat irgendwann gefühlte 30–40 Power auf dem Tisch, kann aber nicht sinnvoll angreifen, da ich High Priest of Penance habe sowie Dutiful Thrull und andere Blocker wie Knight of Obligation, Corpse Blockade, Basilica Guards und Dinrova Horror, sodass er mich knapp nicht töten kann, Angst haben muss, im Gegenzug selbst zu sterben, und definitiv schlecht abtauscht, wenn er nicht mit allem angreift. Er geht jedoch tatsächlich all-in und untermauert das noch mit Gruul Charm für allgemeine Unblockbarkeit. Sein Strahlen, das er übers ganze Gesicht trägt, vergeht ihm dann sehr schnell, als ich vier Mana tappe und ihm Ætherize präsentiere. Er hadert noch gefühlte fünf Minuten mit seinem Schicksal, liest sich jede Karte dreimal durch und nimmt schließlich doch alles auf die Hand. Kurz darauf ist er besiegt.


In Runde 8 frage ich meinen Gegner, in welcher Runde er denn seine Niederlage kassiert hätte. Er antwortet nur trocken: „I haven't lost a round yet.“ Juhu, hochgelost gegen den unbesiegten Gegner mit wahrscheinlich 343405 Spoilerrares. Zu meiner Überraschung besiege ich ihn relativ schnell in Spiel 1. Ich lege eine aggressive Kurve mit zweimal Daring Skyjek und Deathcult Rogue (ja so was kann mein Deck auch ab und zu!) und besitige seinen Boros Reckoner mit Orzhov Charm. Das genügt.

Im zweiten Spiel legt er Turn 3 wieder Boros Reckoner, doch ich habe High Priest of Penance dagegen. Er kommentiert noch, „Oh, nice answer!“, geht in seinen Zug und zieht Frontline Medic von oben. Von da an kann ich eigentlich nur noch Schadensbegrenzung betreiben, weil ich einfach mit nichts abtauschen kann und mir jeden Zug drei Schadenspunkte fange. 1:1.


Im entscheidenden Spiel überlegt mein Gegner eine gefühlte Ewigkeit, ob er seine Hand halten soll oder nicht. Ich bitte ihn, etwas schneller zu überlegen, da wir nicht mehr viel Zeit auf der Uhr haben und ich mit dem Draw zu hoher Wahrscheinlichkeit raus bin, während es ihm nicht unbedingt etwas macht. Er überlegt dann noch mal und gerade, als ich den Judge rufen will, sagt er mit gequältem Gesicht: „Ok, keep.“ Ich lege wieder die Kurve mit Daring Skyjek und Deathcult Rogue, während bei ihm Zug um Zug einfach gar nichts kommt. Ich habe ihn bloß noch zwei Angriffe von seiner Niederlage entfernt und bin geneigt, meinen Syndicate Enforcer zu legen. Wenn er nichts hat, wäre er mit dem nächsten Angriff direkt tot. Da sich unter seinen Ländern aber auch eine schwarze Manaquelle befindet, wittere ich Merciless Eviction und verzichte darauf. Genau die kommt dann auch in seinem Zug. Ich kann Syndicate Enforcer nachlegen, bei ihm kommt Fortress Cyclops. Ich habe Aerial Maneuver für meinen Enforcer und zusammen mit Extort haut ihn das genau auf null Lebenspunkte. Ja, es war glücklich, zweimal gegen denselben Gegner aggressiv aus den Startlöchern zu kommen, trotzdem hätte er die Hand (4–5 Länder, Cyclops, Eviction) wahrscheinlich nicht halten sollen.

8:1. Der hilfsbereite Ashraf erklärt mir anhand der Standings, dass ich nicht sicher Top 4 bin, wenn ich drawe, daher muss ich auch in der letzten Runde noch einmal spielen.

Es geht gegen den ersten Deutschen an diesem Tag und wir spielen ein Orzhov-Mirror. Erstes Duell entscheidet Obzedat zu meinen Gunsten. Das zweite geht schnell an meinen Gegner, als er mir Gideon, Champion of Justice präsentiert, für den ich keine Antwort finde, weil ich halt irgendwie auch kaum eine habe. Ich durchsuche mein Sideboard, kann aber nichts Zufriedenstellendes finden und finde mich mit dem Gedanken ab, dass mein Gegner eben gewinnt und in der Top 4 ist, wenn er Gideon zieht. Und hoffe, dass er ihn nicht zieht …


Des Weiteren boarde ich zum ersten Mal auch das Smog Elemental ein sowie Millennial Gargoyle, um mit seinem Smog Elemental sowie Gargoyle abtauschen zu können beziehungsweise seine Fledermäuse stellen zu können, von denen er mir mehrere präsentiert hat. Er zieht Gideon nicht, stabilisiert sich mit Smog Elemental, muss damit jedoch mein Smog Elemental blocken, um am Leben zu bleiben, und verliert daraufhin gegen meinen Gargoyle.

Generell war mein Gegner sehr freundlich, allerdings hatte ich das Gefühl, er war der Situation psychisch nicht wirklich gewachsen. Nach der ersten Niederlage schien er schon geistig besiegt, seine Körperhaltung sprach Bände. Kurz neue Hoffnung, als mich der Gideon einfährt, doch spätestens als er seine Starthand fürs finale Spiel gezogen hat, verfiel er wieder ins alte, resignierte Muster und bei den meisten Draws konnte man ihm ansehen, ob er gerade gut oder schlecht (was häufiger der Fall war) gezogen hatte. Mich hat er damit ermutigt und aufgebaut, von daher habe ich mir vorgenommen, da in Zukunft bei mir selbst wieder vermehrt darauf zu achten und dem Gegner nicht das Gefühl zu geben, er habe gewonnen, bevor er es auch wirklich hat.

Top 4! Ich bin an dieser Stelle bereits verdammt glücklich und freue mich einfach nur auf einen spannenden Draft. Ich weiß, dass ich das Ding auch gut und gerne mal gewinnen kann, genauso ist mir aber bewusst, dass alle anderen das auch gerne wollen und jeder dafür das Quäntchen Glück beziehungsweise konzentriertes Spiel braucht. Und wir haben Sam Black mit im Draft sitzen, der sich über den Constructed-Part qualifiziert hat. An der lebenden Legende muss man erst mal vorbei!


Der Draft startet mit einer Entscheidung zwischen Dinrova Horror und Disciple of the Old Ways. Ich bin als alter Kontrollspieler natürlich geneigt, den Horror zu picken, letzten Endes siegt aber die Vernunft, da ich die aggressiven Draftstrategien für ertragreicher halte. Und für Experimente ist so ein Finaldraft wahrscheinlich nicht der beste Ort, das kann man dann auf Magic Online wieder ausprobieren.

Von da an geht es direkt in Gruul. Im zweiten Booster muss ich mich zwischen Clan Defiance und Rubblebelt Raiders (Foil) entscheiden. Ich denke, dass die Defiance fast immer die bessere Karte sein wird. Ist irgendjemand anderer Meinung?

Mein fertiges Draftdeck:


7 Mountain
9 Forest
1 Gruul Guildgate

1 Madcap Skills
1 Pit Fight
1 Ground Assault
1 Massive Raid
1 Clan Defiance


1 Wasteland Viper
1 Experiment One
3 Disciple of the Old Ways
1 Gyre Sage
1 Firefist Striker
1 Greenside Watcher
1 Bomber Corps
2 Slaughterhorn
1 Armored Transport
1 Millennial Gargoyle
2 Scorchwalker
1 Scab-Clan Charger
1 Rust Scarab
1 Zhur-Taa Swine


Alles in allem ein sehr starkes Deck meiner Meinung nach. Als letzte zwei Karten schaffen es Bomber Corps und Millennial Gargoyle ins Deck. Ich bin von beiden nicht sonderlich überzeugt, da ich Battalion eher selten auslösen werde und der 1/2-Mann sonst ja nicht so stark ist. Den Gargolye finde ich grundsätzlich immer nur so halbgar beziehungsweise total unspektakulär. Beide Karten werden mir natürlich mehrfach entscheidende Siege einfahren …

Runde 1 gegen einen russischen Gegner. Er spielt Orzhov. Ich starte mit Mulligan auf sechs on the play und fange mir direkt im vierten Zug noch Purge the Profane für meine letzten zwei Handkarten. Trotzdem kann ich ihn auf vier Lebenspunkte klopfen und habe dann Clan Defiance für den Sieg. Im zweiten Spiel kann er mich auf den Lebenspunkt genau mit Shadow Slice und Extort-Fledermäusen besiegen. Zum Abschluss darf ich mal wieder mit Mulligan auf sechs starten. Wir stallen beide das Bord zu, allerdings kommt mein Super-Gargoyle jeden Zug für zwei in der Luft, weil er keine Antwort findet. Das ziehen wir dann auch durch bis zum Schluss und er erleidet einen qualvollen Tod.

Runde 2 gegen einen sehr freundlichen Holländer. Es sollte das Match des Tages werden. Er spielt Boros und hat sich über den Constructed-Teil qualifiziert. Im ersten Spiel legt er im dritten Zug Five-Alarm Fire. Beim ersten Mal denkt er noch dran, doch bereits beim zweiten Mal vergisst er, seine Marke zu legen. Er gibt den Zug ab, bemerkt seinen Fehler und ärgert sich im halblauten Flüsterton darüber: „I'm so stupid.“ Zwei Züge später vergisst er es wieder und regt sich noch mehr darüber auf: „I'm such a bad player. You're lucky.“ Es sieht gut für mich aus, da er mehr mit seinen eigenen Fehlern beschäftigt ist als wirklich mit konzentriertem Spiel. Einen Zug, bevor ich ihn habe, zieht er Act of Treason, übernimmt mein mit Madcap Skills verzaubertes Bomber Corps, greift mich mit seinen Kreaturen für Battalion an und tötet so meinen Scorchwalker. Aus dem nichts wendet er damit das Spiel, ich ziehe keine Antwort und schiebe zusammen.


Während des Boardens ist er weiterhin stets im Selbstdialog und ärgert sich über seine Misplays. Im zweiten Spiel steht er noch bei 18 Lebenspunkten, als er Assemble the Legion legt. Das ist der Moment, in dem einem bewusst wird, dass man diesen Draft wohl eher nicht als Sieger verlassen wird und dass es mal wieder nicht ganz gelangt hat. Da ich mein Leben nicht (mehr) über Magic definiere, kann ich das 20 Sekunden später aber auch akzeptieren und denke mir: „Egal, du spielst jetzt einfach weiter Magic und schaust mal, wie viel Schaden du ihm noch machen kannst. Und wer weiß – vielleicht verzockt er es irgendwie.“ Zwischenzeitlich gesellen sich mal wieder Bomber Corps und Millennial Gargoyle auf mein Board. Der Boden ist zugestellt und ich kann nur noch für zwei den Zug in der Luft angreifen. Ich ziehe Clan Defiance, bin aber gezwungen, sie für fünf Schaden auf ihn und einen mit Madcap Skills verzauberten Critter zu spielen, um nicht sofort tot umzufallen. Da ich mir sicher bin, aus eigener Kraft nicht mehr gewinnen zu können, spiele ich einfach jeden Zug darauf hin, dass er sich schon irgendwie selbst besiegen wird. Er spielt Holy Mantle auf sein Ember Beast und bringt mich auf zehn Lebenspunkte. Das Board sieht jetzt folgendermaßen aus: Ich habe Millennial Gargoyle (getappt) und Bomber Corps. Er hat Ember Beast mit Holy Mantle, dazu acht Tokens sowie Assemble the Legion. Auf der Hand habe ich noch Forest und Pit Fight. Er sitzt auf drei Lebenspunkten, ich auf zehn. Wenn er mit allem angreift, bin ich trotz Pit Fight tot. Selbst wenn meine beiden Handkarten beide Removal wären, wäre ich immer noch tot. Seine Aufgabe: Drehe alles nach rechts.

Ihr könnt euch das ungefähr so vorstellen: Ihr dürft einen Elfmeter schießen. Allerdings aus vier Metern. Damit es nicht so schwer ist. Ach ja, der Torhüter ist krank, der steht also auch nicht im Kasten. Und wir spielen auf große Tore, schon klar. Und jetzt nehmt ihr so viel Anlauf, wie ihr nur könnt, und donnert den Ball mit Karacho über die Querlatte in den Abendhimmel.

So ungefähr dürfte er sich hinterher gefühlt haben. Er dreht nämlich sieben Tokens nach rechts. Einen lässt er hinten, „to play save“, wie er mich wissen lässt.

Ich deklariere mein Bomber Corps als Blocker. In dem Moment fällt ihm auf, dass rechts am Spielfeldrand ja noch sein verzaubertes Ember Beast liegt. Ungetappt. Nicht angreifend. Er möchte es noch nachträglich als Angreifer deklarieren, ich verneine das offensichtlich. Er stürzt mental in sich zusammen und kommentiert wieder lautstark seine eigene Unfähigkeit. Dann sammelt er sich wieder und bemerkt, dass ich ihn im Gegenzug ja nur auf einen Lebenspunkt schlagen kann, weil er noch seinen ungetappten Spielstein und Ember Beast als Blocker hat. NOT! Da war ja noch was. In meinem Zug spiele ich Pit Fight auf seinen 1/1er und greife genau für drei Schadenspunkte an. Er kommt gar nicht mehr klar mit der Welt und tut mir echt schon ein bisschen leid, denn er ist der netteste Gegner an diesem Tag, und es so böse wegzuwerfen, das vergisst man so schnell nicht. Seine Freunde, die aus etwas Entfernung zuschauen, sind mit ihren Nerven auch sichtlich am Ende, während mein Anhang sich ungehalten so lautstark freut, wie man das eben tut, wenn man in letzter Sekunde dem sicheren Tod von der Schippe springt.

Ich selbst kann nur ungläubig den Kopf schütteln und in mich hinein grinsen. Dieses verrückte Magic. Nach all den vielen Jahren erzeugt es immer noch und immer wieder diese Momente, in denen Dinge passieren, die man vorher nicht gesehen oder für möglich gehalten hat. Ich verspreche mir selbst, nie wieder ein Spiel aufzugeben, bevor es vorbei ist. So langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich diesen Draft als Sieger verlassen werde. Es gibt Tage im Leben, da soll das einfach so sein. Entsprechend optimistisch gehe ich ins dritte Spiel und es dauert nicht lange bis der Finaltisch auf mich wartet.

Mein Gegner im Finale ist Franzose und hat Sam Black im Halbfinale besiegt. Dementsprechend gut werden er und sein Deck wahrscheinlich sein. Allerdings ist mir das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wirklich wichtig. Ich bin mir sicher, dass heute mein Tag wird und ich das jetzt auch zu einem positiven Ende bringen kann. Als er on the play mit Mulligan startet, sehe ich mich bestätigt. Das ist das Zeichen, auf das ich gewartet habe.

Er hat ein super Simic-Deck, bekommt allerdings gegen diverse Bloodrusher keinen Fuß auf den Boden und nach Clan Defiance für Schaden auf Flieger, Nicht-Flieger und ihn selbst steht es 1:0 für mich. Als er im zweiten Match wieder Mulligan auf sechs macht, sieht man auch ihm seine Gemütslage an der Körpersprache an. Es ist in diesem Spiel wieder der Millennial Gargoyle, der am Ende mit Madcap Skills für die entscheidenden Schadenspunkte sorgt.

Als der Schiedsrichter mir kurz vor Mitternacht die Hand schüttelt und gratuliert, begreife ich nur langsam, dass es nun wirklich vorbei ist und ich es tatsächlich geschafft habe, den Trip nach Seattle einzuheimsen. Teilweise mit mehr Glück als Verstand, aber danach fragt ja hinterher bekanntlich keiner mehr.

Rückwirkend muss ich sagen, dass ich dieses Turnier vor ein paar Jahren wohl noch nicht gewonnen hätte. Einfach weil meine eigene Erwartungshaltung und der Drang, unbedingt gewinnen zu wollen, viel zu hoch gewesen wäre. Das führt zu unnötiger Anspannung, Frust, Spielfehlern, Missgunst, wie auch immer. Seit knapp fünf Jahren gelingt es mir irgendwie, das Spiel nur noch als das zu betrachten, was es letzten Endes ist: der für mich schönste Zeitvertreib, eine der größten Lieben meines Lebens und das Hobby, das ich hoffentlich auch mit 72 noch begeistert mit meinen Enkeln spielen werde. Mittlerweile kann ich mich genauso freuen, wenn der Gegner mich mit den abstrusesten Kombinationen aus dem Nichts gegen die Wand fährt, wie wenn das umgekehrt passiert, und mit ihm drüber lachen, wenn sein Limiteddeck sich urplötzlich mal wieder spielt, als wäre es im Modern für den ein oder anderen Turniersieg gut. Es ist für mich in Ordnung, wenn mir mein Deck trotz 18 Ländern den dritten Landdrop verwehrt, genauso wenn ich zwölfmal hintereinander nur Island oder Forest ziehe. Wer sich mit diesen Dingen nicht arrangieren kann, ist vielleicht besser damit beraten, sich nach einem anderen Zeitvertreib umzusehen. Manchmal hat mein Gegner Glück, weil ich Mulligan auf fünf nehmen muss oder er im entscheidenden Moment seinen Act of Treason oder den Lightning Bolt zieht. Dann gewinnt er und man ist geneigt, sich darüber zu ärgern. Aber oft genug sitzt man eben auch buchstäblich an der anderen Seite des Tisches, wie ich im Halbfinale zum Beispiel. Und dann gewinnt man unerwartet, weil der Gegner schlecht zieht, man selbst den unverschämt guten Draw hat oder das Gegenüber einfach nur vergisst, mit seinem Ember Beast anzugreifen.

Wenn wir uns dazu entscheiden, Magic zu spielen, teilweise hunderte oder tausende Kilometer durch die Welt reisen und viele, viele Euros dafür ausgeben, dann sollten wir es auch hinbekommen, das Spiel an den Tagen zu lieben, an denen es mal wieder nicht so läuft. Wir machen das schließlich alle freiwillig. Wie alles im Leben hat auch Magic zwei Seiten der Medaille. Wenn wir uns also zur ersten Runde an den Tisch setzen, können wir nie wissen, was der Tag oder das Turnier noch so für uns bereit hält. Und wenn alle Stricke reißen, kann der Gegner ja immer noch sich selbst besiegen.

In diesem Sinne: „Play the Game – See the World!“






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