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Aristokraten vs. Zombies
von Michael Diezel
22.03.2013

Einer der häufigsten Fehler unter Magic-Spielern ist das Überbewerten eigener Lebenspunkte und Kreaturen. Entsprechend unbeliebt sind Effekte, die einen zum Bezahlen von Lebenspunkten auffordern oder gar das Opfern einer Kreatur verlangen.

Dabei gilt auch für die Fälle, in denen man Ressourcen bezahlt (denn nicht nur Mana ist also solche zu sehen, sondern eben auch Kreaturen und Lebenspunkte), um etwas zu bekommen: Inwiefern das eine gute Idee darstellt, liegt wie immer am Kosten-Nutzen-Verhältnis. Auf diesem basiert letztlich das komplette Spiel, wobei das Ergebnis dieser Gleichung entscheidend ist. Manchmal kann man auf diese Art gute (beziehungsweise bessereMagic ist immer auch ein Komparativspiel) Karten ganz einfach erkennen, wie sich an folgendem Beispiel hoffentlich gut nachvollziehen lässt:

vs.

In der Wirkung die gleiche Karte, in den Kosten ein gewaltiger (ja, auch ein Mana ist gewaltig) Unterschied. Wohl kaum einer würde auf die Idee kommen, auch nur einen Searing Spear ins Deck zu stecken, bevor nicht schon vier Blitzschläge dabei sind. Immer vorausgesetzt, man darf beide nutzen, was im Standard auf Lightning Bolt ja nicht zutrifft.

Während in diesem Beispiel sehr simpel deutlich wird, in welchem Verhältnis Nutzen und Kosten stehen, ist das mit den Ressourcen und Kreaturen deutlich schiweriger. Zunächst verwendet man sie viel seltener, wodurch eine gewisse Übung im Umgang mit ihnen fehlt. Des Weiteren ist auch eine Pauschalisierung schwieriger. Nehmen wir etwa die Lebenspunkte. Ist ein Lebenspunkt viel? Nun, Länder wie Scalding Tarn gelten nicht umsonst als beste ihrer Zunft und eine Karte wie Necropotence ist nicht umsonst nahezu überall verboten. Für zwei Lebenspunkte wiederum erhält man zum Beispiel die Möglichkeit, eins der aktuell so beliebten Ravnica-Länder wie Temple Garden enttappt zu spielen. Die sind bekanntlich ebenfalls superstark, zwei Lebenspunkte reichen also auch nicht. Wo aber ist denn nun die Grenze? Bei fünf Lebenspunkten? Zehn?

Wie eigentlich immer hängt das ganz von den Begebenheiten ab. Dazu gehören natürlich der Effekt, den man erreichen möchte (eine der ersten Kombinationen in Magic überhaupt war die aus Black Lotus, Channel und Fireball für den Kill im ersten Zug; der kostete nicht weniger als 19 Lebenspunkte), und der Gegner (so kann man sicherlich freigiebiger mit den eigenen Lebenspunkten sein, wenn man gegen ein Kontrolldeck spielt, als wenn der Gegner ein sehr schnelles Deck ins Rennen schickt). Ähnlich sieht es im Bereich Kreaturen aus, wobei hier noch zu beachten ist, wer denn eigentlich das Opferlamm geben soll.


Wenn man sich entsprechend die Mühe macht und versucht, Lebenspunkte und Kreaturen als solche Ressourcen zu betrachten, kann man sogar versuchen Decks zu bauen, die das auf die Spitze treiben. Ein Beispiel hat vor wenigen Wochen sogar ein nicht ganz unwichtiges Turnier gewonnen.

Tom Martell: Platz 1, Pro Tour Gatecrash

4 Boros Reckoner
4 Cartel Aristocrat
4 Champion of the Parish
4 Doomed Traveler
4 Falkenrath Aristocrat
3 Knight of Infamy
1 Restoration Angel
2 Silverblade Paladin
2 Skirsdag High Priest
2 Zealous Conscripts

2 Lingering Souls
4 Orzhov Charm


4 Blood Crypt
3 Cavern of Souls
1 Clifftop Retreat
4 Godless Shrine
4 Isolated Chapel
3 Plains
4 Sacred Foundry
1 Vault of the Archangel

Sideboard:

2 Blasphemous Act
2 Lingering Souls
1 Mentor of the Meek
2 Obzedat, Ghost Council
2 Rest in Peace
1 Skirsdag High Priest
2 Sorin, Lord of Innistrad
3 Tragic Slip


Das Deck verwendet bewusst die Möglichkeit des Opferns (mittels der beiden Aristokraten), um gezielt Vorteile aus dem Ableben einer Kreatur herbeizuführen. Diese Vorteile bestehen hauptsächlich in der Fähigkeit „Morbide“ und der Kombination mit dem Ziel von Zealous Conscripts, aber auch die entsprechenden Opferer selbst haben natürlich positive Effekte. Hinzu kommen spezielle Interaktionen mit erwarteten Feindeskarten wie Boros Reckoner. Dessen Fähigkeit des Schadenverteilens wird nur ausgelöst, wenn zunächst Schaden zugefügt wird. Das passiert jedoch nicht, sollte der Zweikampfgegner vorher den Kampf verlassen. Vergleichbares gilt für Lebensverknüpfung.

Ich möchte das Ganze heute noch ein Stück weiter treiben und noch mehr Nutzen aus dem Opfern von Männern ziehen. Hierfür benötigen wir sowohl mehr Karten, die Nutzen aus Sterbenden ziehen, als auch noch potentere Opfer. Bereit?


Okay, starten wir zunächst mit möglichen Opfern und begeben uns dafür in die selbstzerstörerischste Farbe überhaupt: Schwarz. Wenn wir die Basis aus schwarzen Karten nehmen, erlaubt uns das, folgenden Racker ins Feld zu führen:


Eine 1-Mana-Kreatur mit Stärke 2 ist traditionell anständig, eine die darüber hinaus nahezu unsterblich ist, wird richtig stark. Damit es unser Gravecrawler tatsächlich immer wieder aufs Spielfeld schafft, benötigen wir offensichtlich weitere Zombies. Hierfür greifen wir einfach zu den beiden, die fast immer bereit stehen, weil sie so extrem gut sind:


Der Ghul hat noch bessere Zahlen rechts unten als der Gravecrawler und der Messenger glänzt mit der Kombination aus schwer verhinderbarem Schaden und Zweitleben. Letzteres ist natürlich besonders zu beachten, wenn das verwendete Deck gern Kreaturen opfert.

Um genau das sicherzustellen, rekrutieren wir zu Skirsdag High Priest noch Blood Artist. Dazu kurz ein paar Erklärungen. Das Deck erhält durch die Umstellung der Basiskreaturen von Weiß auf Schwarz einen verstärkt aggressiven Charakter. Die Zombies sind einfach deutlich besser im Zuschlagen als im Verteidigen, da sie entweder gar nicht blocken oder zunächst einen Zug Zeit zur Eingewöhnung benötigen. Blood Artist erhöht den Schaden, der ausgeteilt wird, sorgt für Möglichkeiten, Spiele zu gewinnen, in denen man nicht mehr über Angriffe weiter kommt, und hilft gleichzeitig als Defensivmaßnahme gegen andere offensive Decks, indem man etliche Lebenspunkte zurückerhält.

Auch ansonsten steigert sich die Zahl der hochkarätigen Synergien noch weiter. Gravecrawler plus Zombie plus Opferstätte (also in diesem Fall die beiden Aristokraten) plus Blood Artist macht sehr schnell sehr viele Schadenspunkte (und Leben). Orzhov Charms dritte Fähigkeit (die, bei der ein eigener Mann auf die Hand zurückkommt) arbeitet ziemlich gut mit Geralf's Messenger zusammen und auch seine Reanimierfertigkeit ist noch wichtiger, da man mit einem Zombie gern den einen oder anderen weiteren (Gravecrawler) zurück aufs Feld schicken kann.

Dafür bezahlt man mit der angesprochenen Schwächung der Defensive sowie einer noch abenteuerlicheren Manabasis. Geralf's Messenger hat – bei aller unbestrittener Power – einen großen Nachteil: die drei Totenköpfe oben rechts. Wenn man zu diesen noch einige weiße und ein paar rote Karten wirken möchte, bedeutet dies, dass man auf eine illustre Ansammlung diverser Doppelländer angewiesen ist. Diese sind momentan sehr stark und arbeiten im Fall der Ravnica- und M10-Länder auch noch ganz hervorragend zusammen. Trotzdem wird es das eine oder andere Duell geben, in dem eben nicht die richtige Verteilung vorliegt oder aber das Ravnica-Land zu den M10-Ländern fehlt und diese somit nur getappt ins Spiel kommen. Auch der erwartete Schaden durch enttappt gespielte Länder ist nicht völlig zu vernachlässigen, besonders (siehe oben), wenn der Gegner selbst hart und schnell zuschlägt.

Kommen wir zur fertigen Deckliste:


2 Swamp
4 Isolated Chapel
4 Godless Shrine
2 Cavern of Souls
4 Blood Crypt
4 Dragonskull Summit
3 Orzhov Guildgate
1 Vault of the Archangel

4 Blood Artist
4 Geralf's Messenger
4 Gravecrawler
4 Diregraf Ghoul
4 Cartel Aristocrat
2 Skirsdag High Priest
4 Falkenrath Aristocrat
1 Zealous Conscripts


3 Lingering Souls
3 Tragic Slip
3 Orzhov Charm

Sideboard:

2 Sorin, Lord of Innistrad
1 Lingering Souls
1 Tragic Slip
2 Obzedat, Ghost Council
2 Blind Obedience
2 Purify the Grave
2 Duress
2 Rakdos's Return
1 Victim of Night


Wie ihr seht, waren hier noch ein paar Plätze frei. Die ersten gingen an Tragic Slip. Dies ist im Vergleich zur Version des Pro-Tour-Champions erneut der gewonnenen Aggressivität geschuldet. Dadurch möchte man erstens noch dringender potenzielle Blocker aus dem Weg räumen, zweitens weniger Lebenspunkte fürs Kreaturenzerstören mit Orzhov Charm bezahlen (sodass man davon einfach weniger spielt), weil man defensiv anfälliger ist, und drittens nur ein Mana ausgeben, um irgendeinen Mann zu beseitigen, was besser klappt, weil die Opfersynergien maximiert sind. Die verbliebenen ein bis zwei Plätze zu besetzen, war dagegen unglaublich schwer. Prinzipiell gibt es eine Menge extrem starker Karten, die man eigentlich alle gern mit dabei hätte, zum Beispiel Sorin, Lord of Innistrad (besonders mit Lingering Souls), Restoration Angel (sehr nett mit Geralf's Messenger), Obzedat, Ghost Council (einfach ein grundsolides Paket), Zealous Conscripts (bekanntlich albern mit den Opfereffekten).

Schwierig gestaltet sich auch der Bau eines würdigen Sideboards. Viele der typischeren Optionen sind nicht so gut wie gewohnt. Rest in Peace beispielsweise ist ja so eine Art Atombombe für sämtliche friedhofbasierte Strategien. Leider gehören unsere Zombies mit in diese Gruppe, sodass wir uns eher Sniper-Lösungen ansehen sollten. Von diesen gibt es mehrere (Vile Rebirth, Purify the Grave), ihnen gemein ist die unbedingte Notwendigkeit, für den Bedarfsfall Mana bereit zu halten, was ungefähr dem Opfern eines Landes gleichkommt. Ganz ähnlich ist es mit Antworten auf große, offensive Gegnerhorden. Die bekannte Lösung wäre hier Blasphemous Act, der jedoch massiv an Wert einbüßt, wenn man nicht selbst, dafür aber potenziell der Gegner Boros Reckoner an den Start bringt. Die Alternativen sind entweder zu schwach (Rolling Temblor) oder zu teuer (Merciless Eviction), sodass wir Kreaturen stattdessen vermutlich einzeln abräumen müssen.


Zusätzlich denken wir an diverse Kreaturen, die von aggressiven Gegnern unbedingt beseitigt werden müssen, etwa Gloom Surgeon, Knight of Infamy oder Vampire Nighthawk. Sollte der Gegner das können – gut, dann hat er vermutlich kaum noch genug Mana, um währenddessen weitere Männer nachzulegen. Hat er es nicht, ist es sogar noch besser. Letzte Option ist Blind Obedience. Nicht nur, dass die meisten der aggressiven Gegner in beachtlichem Maße auf Kreaturen mit Eile setzen, die hiervon ihrer Fähigkeit beraubt werden, sondern auch Extort ist (ähnlich wie Blood Artist) in der Defensive zu gebrauchen. Gegen langsamere Decks arbeiten wir hingegen mit besonders stabilen Bedrohungen, also Planeswalkern (Sorin, Liliana) und Obzedat, die wiederum von Duress und Rakdos's Return vorbereitet werden. Letzteres hat es dabei durchaus drauf, auch einfach zu gewinnen.

Alles in allem erhält man ein wirklich unterhaltsames Deck, welches gleichzeitig ganz kräftig zuschlagen und durchaus knifflig tricksen kann. Diese Mischung macht es übrigens tatsächlich konkurrenzfähig, da erstaunlich viele Gegner mit mindestens einer der beiden Angriffspunkte ihre Schwierigkeiten haben. (Im Normalfall gilt: Kontrolle wird über profanen Beatdown angegangen, aggressive Gegner mittels Synergien.) Gleichzeitig spielt man hervorragende Einzelkarten, die – mit wenigen Ausnahmen – in nahezu allen Decks ihrer Farbkombinationen ein Heim finden würden. So bleiben hauptsächlich die Probleme in der Manabasis, umgeht man diese, dürfte man eine Menge Spiele gewinnen. Aber das gilt natürlich für einige Decks des Formats.

In diesem Sinne wünsche ich ein glückliches Händchen!
Der MiDi




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