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Distraction
von Michael Diezel
28.02.2013


Wie jeder Spieler habe ich eine Vorliebe für bestimmte Decktypen. Turbo-Fog gehört nicht dazu, rote Karten schon eher. Ein weiterer Favorit sind diejenigen Decks, die ursprünglich unter der Bezeichnung „Turbo Xerox“ im Jahr 1997 zum ersten Mal auf sich aufmerksam machten.

Das Original von Alan Comer war, glaube ich, dieses hier:


4 Force of Will
3 Dissipate
4 Counterspell
4 Power Sink
4 Memory Lapse
4 Foreshadow
4 Portent
4 Impulse
1 Dream Tides


4 Suq'Ata Firewalker
4 Waterspout Djinn
4 Man-o'-War

17 Island


Die Idee dahinter ist, dass die ganzen blauen Cantrips dafür verwendet werden können, am Anfang Länder zu suchen und später Spells. Dadurch kommt man mit extrem wenigen Manaquellen aus, was natürlich ein riesiger Vorteil im mittleren bis späten Spiel ist. Gleichzeitig gelangt man zu Beginn einer Partie aber ausreichend sicher an die benötigten Länder.

Auf die Spitze trieb Meister Comer dieses Prinzip ein paar Jahre später mit dem legendären „Miracle Grow“, das immer noch erstaunliche Ähnlichkeiten mit etlichen Legacy-Listen aufweist:


4 Brainstorm
4 Curiosity
4 Daze
3 Foil
4 Force of Will
4 Gush
4 Land Grant
4 Sleight of Hand
4 Winter Orb

6 Island
4 Tropical Island


3 Gaea's Skyfolk
4 Lord of Atlantis
4 Merfolk Looter
4 Quirion Dryad

Sideboard:

2 Boomerang
4 Chill
3 Emerald Charm
2 Misdirection
4 Submerge


Ich selbst lebte auch in dieser Zeit schon im wilden Osten und wusste natürlich nichts von den hier präsentierten Theorien beziehungsweise den praktischen Umsetzungen. Ein paar eigene Versuche möchte ich euch trotzdem nicht vorenthalten. Zum einen sind sie in ihrer Naivität irgendwie unterhaltsam und zum anderen erklären sie meine Affinität zu diesem Ansatz:

Deutsche Meisterschaft 2001

4 Opt
3 Brainstorm
4 Accumulated Knowledge
3 Fact or Fiction
3 Force Spike
4 Counterspell
2 Exclude
3 Thwart
3 Foil
2 Dominate
3 Bribery
2 Boomerang
1 Misdirection

18 Island
2 Dust Bowl


2 Nether Spirit
1 Mahamoti Djinn

Sideboard:

3 Hibernation
3 Submerge
1 Mahamoti Djinn
2 Gainsay
2 Misdirection
2 Arcane Laboratory
2 Wash Out

PTQ-Top 8 2005

1 Armageddon
4 Serum Visions
3 Sleight of Hand
4 Brainstorm
4 Daze
1 Echoing Truth
4 Fire // Ice
3 Gush
1 Shadow Rift
2 Stifle
4 Mox Diamond
2 Seal of Removal

4 City of Brass
4 Flooded Strand
5 Island
1 Plains
2 Polluted Delta


4 Meddling Mage
3 Psychatog
4 Quirion Dryad

Sideboard:

1 Armageddon
2 Cursed Totem
3 Disenchant
2 Engineered Explosives
1 Misdirection
2 Pyroclasm
1 Stifle


16 Länder, viermal Mox Diamond und Armageddon. Das Deck war übrigens tatsächlich gut. Glaube ich.

Natürlich ändern sich die Zeiten, Quirion Dryade aber bleibt, und auch heute ist sie immer noch gut genug, um zumindest den einen oder anderen Gedanken an sie zu verschwenden. Leider ist mittlerweile bekannt, wie gut die unauffälligen blauen Cantrips sind – ein Hinweis findet sich darin, dass Ponder und Preordain im Modern gebannt sind –, und somit gab es in den letzten Monaten recht wenige von denen zu sehen. Richtig deutlich wird das, wenn ich einfach mal die Kandidaten von 2005 und die des Jahres 2013 gegenüberstelle:

Serum Visions
Sleight of Hand
Brainstorm

Thought Scour
Fleeting Distraction
Cremate

Ich denke, man erkennt den Unterschied.

Trotzdem ist natürlich nicht alles schlechter geworden, die Kreaturen etwa können deutlich mehr. Besonders gefragt ist dabei natürlich das dynamische Duo aus Delver of Secrets und Snapcaster Mage, die gut genug sind, um in anderen Formaten mit Karten wie Brainstorm aufzutreten.

Mein erster Versuch sah entsprechend so aus, dass ich diese zwölf Männer (plus ein paar Exeemplare von Augur of Bolas), Runechanter's Pike sowie diverse blaue beziehungsweise blau-grüne Zaubersprüche mit 20 Ländern in einen Topf warf, und das kam dabei heraus:


4 Thought Scour
3 Fleeting Distraction
3 Spell Rupture
4 Unsummon
4 Simic Charm
1 Dissipate
2 Hands of Binding
2 Runechanter's Pike
2 Mizzium Skin


4 Delver of Secrets
(Insectile Aberration)
4 Quirion Dryad
4 Snapcaster Mage
3 Augur of Bolas

8 Island
4 Hinterland Harbor
4 Breeding Pool
2 Cavern of Souls
2 Forest


Trotz der verdächtig geringen Kartenqualität ist das Deck nicht so schlecht, wie man auf den ersten Blick denken mag. Ja, manchmal ist es sogar richtig gut, nämlich immer dann, wenn man einen Delver/eine Dryade mehr zieht, als der Gegner Removal vorweisen kann. Damit sind wir auch direkt schon beim Hauptproblem der Konstruktion: Zu wenige wirkliche Bedrohungen, besonders wenn man davon ausgeht, dass später nachgezogene Dryaden einer ganzen Menge Arbeit bedürfen, um als solche wahrgenommen zu werden.


Davon abgesehen funktionierte es tatsächlich so wie geplant: Viele Cantrips sorgen dafür, dass man am Anfang gut aus den Startlöchern kommt und auch später noch ordentlich mitspielt. Die Dryade selbst wird sehr schnell sehr dick und kann dann von vielen Decks kaum noch gestoppt werden. Die wenigen Lösungen wiederum scheitern gern an Mizzium Skin und Simic Charm. Das Hauptproblem, Delver oder noch besser eine Dryade überhaupt erst einmal als Bedrohung auf den Tisch zu bekommen, blieb jedoch.

In-Color-Lösungen, die ich ausgetestet habe, beinhalteteten Talrand, Sky Summoner sowie mehr Piken zusammen mit meinem Liebling Invisible Stalker, was wiederum Hands of Binding zu einer relevanten Karte machte. Wirklich zufriedenstellen konnten die Versuche mich aber alle nicht. Viel gefehlt hat allerdings auch nicht, sodass ich nicht etwa den Ansatz aufgab, sondern einfach das machte, was man in solchen Situationen heutzutage tut: eine weitere Farbe integrieren.

Das ist in unseren Ravnica-Zeiten wirklich kaum mit Nachteilen behaftet und eröffnet eine beachtliche Palette weiterer Alternativen. Zwei davon möchte ich näher beleuchten. Die erste heute verwendet als Drittfarbe Schwarz, die zweite in der nächsten Woche Weiß. Schwarz bietet zunächst diesen Kameraden hier: Duskmantle Seer.


Als jemand, der dem Nervenkitzel der Kombination Dark Confidant/Greater Gargadon im Constructed nicht widerstehen konnte, reizte mich dieser Vampirzauberer schon seit seinem Bekanntwerden. In der Praxis ist es hingegen erstaunlich schwierig, ein Deck zu finden, was ihn wirklich gut unterstützt. Wenn es jedoch eines gibt, dann ist es dieses. Beachtlicher Flugkörper zusammen mit einer Fähigkeit, die offensichtlich Tempodecks bevorteilt – das passt.

Der zweite Mann, der hier seinen großen Standardauftritt bekommt, ist Deathrite Shaman. Ich denke, wir müssen nicht darüber diskutieren, dass der kleine Elf sein Geld wert ist, bisher allerdings meist in Formaten mit Fetchlands. Mit diesen können wir leider nicht aufwarten, dank Thought Scour und Grisly Salvage klappt es aber doch zumindest manchmal mit der gewünschten Beschleunigung. Ansonsten erfüllt Deathrite Shaman ungefähr das komplette Anforderungsprofil, zeitig am Start, pumpt billig die Dryade und macht hartnäckig Schaden. Zusätzlich agieren eine Menge Decks mit dem Friedhof oder sind einfach extrem aggressiv und gegen beide Strategien hilft der Schamane bekanntlich weiter.


Leider ergibt sich aus der Kombination Delver of Secrets/Deathrite Shaman/Snapcaster Mage/Quirion Dryad/Duskmantle Seer ein neues Problem: Es sind sehr viele Kreaturen. Das wiederum bedeutet weniger Platz für Sprüche und solche benötigt wiederum unser Geheimnisstöberer, um zur gefürchteten Fliege des Grauens zu mutieren. Gelöst habe ich es nicht, lediglich verringert, ganz simpel durch immer weiter voranschreitende Kürzung von Duskmantle Seer auf final ein einzelnes Exemplar. Unser Vampirzauberer schaffte es leider auch nur selten, zu überzeugen. Das liegt hauptsächlich daran, dass das Standardformat so ungluablich schnell ist. Gegen Aggro ist er paradoxerweise trotzdem noch ziemlich gut, da die entsprechenden Decks erstaunlich viele Probleme haben, einen Toughness-4-Body aus dem Weg zu räumen, wenn nicht gerade Dreadbore oder Mizzium Mortars zur Hand sind. Gegen die langsameren Decks ist er zwar theoretisch eine größere Bedrohung (und vor allem wirkt seine eigentlich symmetrische Fähigkeit besser zu unseren Gunsten), aber letztlich ist er auch nur irgendein stupider Mann, der irgendwie abgerüstet werden muss.

Die so verbliebenen 23 Slots für Spells zu besetzen, ist dann gleich noch viel schwieriger, da hier die Auswahl ganz erheblich ist. Gesetzt sind für mich Thought Scour und Unsummon aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen. Irgendeine Art von Kontermagie benötigt man vermutlich ebenfalls und hier dürfte Spell Rupture das Optimum darstellen, da der Unterschied von zwei zu den drei Mana der Alternativen (Dissipate, Psychic Strike) doch überaus relevant ist und spätestens im Zusammenspiel mit Snapcaster Mage auffallen dürfte. Ein Gegenargument ist, dass gerade die Decks, gegen die Kontermagie am besten ist (langsame Kontrollboliden), gleichzeitig gut darin sind, Männer umzuschießen, und man deswegen immer mal wieder in Situationen gerät, in denen man countern möchte, es aber zumindest mit Spell Rupture nicht kann.

Fleeting Distraction ist weniger eine Karte als ein notwendiges Übel. Die geringe Landanzahl und die Playsets Quirion Dryad und Snapcaster Mage schreien geradezu nach weiteren Cantrips und wie oben angedeutet werden die aktuell nicht besser. Traurig.


Grisly Salvage ist ins Deck gerutscht, um Thought Scour ein wenig beim Füttern der Schamanen zu unterstützen und natürlich auch, um Ziele für den Snapcaster zu finden. Der Unterschied von einem zum zweiten Mana ist jedoch extrem und so wünscht man sich die blaue Karte immer und Grisly Salvage höchst selten auf die Starthand. Trotzdem rundet sie die Gesamtanzahl von Cantrips und auch die der friedhoffüllenden Karten so ab, dass ich die beiden Exemplare nicht missen möchte.

Die letzten Plätze bekommen dann ein paar Removalsprüche. Die genaue Verteilung ändert sich ständig, hundertprotzentig zufrieden bin ich auch mit der hier vorgestellten nicht. Tragic Slip ist eigentlich mein Favorit, da billig (eins besser zwei, ihr erinnert euch?) und recht zuverlässig. Für Dimir Charm spricht die Flexibilität, zumal sein Bibliotheksverändermodus hübsch mit Delver und Shaman interagiert, leider erwischt er längst nicht alle Kreaturen, die man gern tot sehen möchte. Das schafft Abrupt Decay deutlich zuverlässiger, allerdings selten glanzvoll. In der Theorie kümmert sich Unsummon dann um die wirklich großen Typen, sodass man sich auf das kleine Gemüse beschränken kann. In der Praxis klappt das natürlich nicht immer, weswegen auch schon andere Optionen (Ultimate Price) mehr oder weniger lang ausprobiert wurden.

Doch genug der langen Worte, hier die fertige Deckliste:


4 Thought Scour
3 Fleeting Distraction
3 Spell Rupture
4 Unsummon
2 Abrupt Decay
3 Dimir Charm
2 Tragic Slip
2 Grisly Salvage

2 Island
1 Hinterland Harbor
4 Breeding Pool
4 Watery Grave
4 Drowned Catacomb
4 Overgrown Tomb
1 Woodland Cemetery


4 Delver of Secrets
(Insectile Aberration)
4 Quirion Dryad
4 Snapcaster Mage
1 Duskmantle Seer
4 Deathrite Shaman

Sideboard:

1 Duskmantle Seer
3 Devour Flesh
2 Appetite for Brains
2 Dispel
1 Tragic Slip
2 Golgari Charm
2 Cremate
2 Mizzium Skin


Im Sideboard gibt es vergleichsweise wenige Überraschungen und die meisten Karten dürften selbsterklärend sein. Da das Deck gewisse Komboelemente aufweist, kann man zwischen den einzelnen Duellen auch gar nicht so viel verändern, ohne den Charakter des Decks völlig zu zerstören.

Ansonsten fällt gerade gegen aggressive Decks noch ein Nachteil auf, den diese Version gegenüber der zweifarbigen besitzt. Zwei ungetappt ins Spiel kommende Ravnica-Länder sind eben doch vier Lebenspunkte weniger. Die können erstaunlich oft über Sieg oder Niederlage entscheiden. Natürlich kann man diese Länder auch einfach getappt ins Spiel bringen, aber der so erwirtschaftete Temponachteil kostet oft sogar noch mehr.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass dieses Deck ein beachtliches Potenzial besitzt, ich mir aber ziemlich sicher bin, dieses mit den vorgestellten Decklisten nicht vollständig abgerufen zu haben. In der nächsten Woche gibt es noch einen letzten Versuch mit Weiß und danach gilt es zu überlegen, inwiefern dies am vorhandenen Kartenmaterial und in welchem Maße an mir selbst liegt.

Bis dahin
Der MiDi




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