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Geschichten aus der besten Stadt Europas
von Thoralf Severin
26.02.2013


„Halli-Hallöchen auf unserem Flügchen. Wir als bestaussehendste Crew der Welt werden Ihnen den Flug zur besten Stadt Europas zu einem himmlischen Erlebnis machen.“

Ich mag ja Menschen, die ihren Job motiviert ausüben. Dieser besondere Flugbegleiter hat wohl eine Ehrenrunde in der Entertainmentklasse gemacht. Schade für ihn, dass es sechs Uhr morgens ist und dass 80% der Fluggäste von seiner überschwänglichen Fröhlichkeit eher wenig beeindruckt sind. Gut für ihn, dass keine spitzen Gegenstände, Ziegelsteine oder Flammenwerfer an Bord erlaubt sind. Aber London als beste Stadt Europas zu bezeichnen, da setzt bei mir auch nicht der „Geschmack ist relativ“-Filter ein … das kann einfach nur falsch sein.


Und somit herzlich willkommen zu meinem Bericht über London! Ich könnte den ganzen Artikel dafür verwenden, in aller Förmlichkeit auszudrücken, wie sehr ich London nicht mag, aber das ist wohl die falsche Plattform dafür. Naaaaa gut, dann eben Magic.

Nachdem wir länger vom Flughafen in Gatewick zum Hotel in London, als von meiner Haustür zur Landung in Gatewick gebraucht haben, wurden wir vom herrlichen Londoner Wetter empfangen. Nicht dass es in Deutschland großflächig wärmer ist, aber am Ende hat es praktisch unsere gesamte Gruppe in die Grippefraktion gerissen. Vielleicht lag es auch an dem Vermögen, das wir für die Bahnfahrten ausgegeben haben. Trotzdem haben wir uns natürliche eine schöne Zeit gemacht. Zum Beispiel in Vorbereitung auf die sonntägliche Judge-Booth-Aktion, wo man lustige Fragen präsentieren kann und auch schwierige Fragen beantworten muss, um eher unspannende Foils zu gewinnen. Die Fragen können durchaus sehr erstaunlich sein (sage ich als mittelmäßiger Regelfachmann), und während wir darüber diskutiert haben, was wir fragen könnten, hat Max folgende Situation geschildert:

Judge kommt an einen Tisch. Die Spieler fragen, ob Umezawa's Jitte mit Karakas angezielt werden kann. Der Judge verneint und die Spieler sind zufrieden. Der Judge ist schon dabei, wieder wegzugehen, als er noch mal aufs Board schaut und bemerkt, dass die Jitte auf einem Phantasmal Image liegt.

Judge: „Wie kommt eigentlich die Jitte aufs Image?“
Spieler: „…“
Judge: „Was ist dieses Image eigentlich?“
Spieler: “… der Thrun …“

Jedenfalls wollten wir uns rechtzeitig für den Grand Prix anmelden, um noch eine dieser tollen Spielmatten abzugreifen, damit der stolze Preis von 40 Pfund einigermaßen abfangbar wäre. Ich dachte auch, dass das ein Cakewalk wird, denn der letzte GP in London war gerade einmal mit vielen hundert Teilnehmern bestückt, aber damals war auch diese kleine, unwichtige Hochzeit. Das hat wohl mehr Einfluss darauf gehabt, als ich dachte. Also gab es eine Menschenschlange um die ganze Sideeventarea herum und das war doch etwas zu lang. So haben sich die Leute im Raum verteilt und sich anderweitig vergnügt. Um 20:00 Uhr gab es dann das Highlight eines jeden Grand Prix: Rich Hagon's Gameshow. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Zeit dafür zu nehmen, auch wenn man nicht allzu bewandert im Magic-Kartenuniversum ist. Allein als Beobachter ist das Event jede Minute wert. Danach ging's direkt ins Bett, denn ein großer Vorteil, morgens den Flieger zu nehmen, ist auch, dass man recht früh ins Bett geht und eine gute Portion Schlaf bekommt.


Nach einem ordentlichen englischen Frühstück ging's los. Nun, nicht für die Leute mit den Byes, die durften ihre Sealed Decks erst in der ersten Runde bauen, weil es zu viele Leute für zu wenig Platz gab. Das hat die nette Headjudgelady, die später noch eine wichtige Rolle einnehmen wird, ganz gut organisiert. So konnte das Turnier flüssig ablaufen, obwohl eigentlich gar nicht jeder Platz gehabt hätte. Zum Glück gab es für Runde 4 genug Drops, sodass alles ohne Komplikationen ablaufen konnte.

Mein Pool war nicht berauschend, aber auch nicht unendlich schlecht. Ich habe mich auf einen spannenden Tag eingestellt, bei dem das Erreichen des zweiten gut möglich sein würde. Alles in allem war ich zufrieden, aber das Early Game und das fehlende Fixing machten mir etwas Sorgen. Ich glaube, dass es keine wirklich Alternative zu diesem Build gibt, aber ihr könnt ja mal einen Blick darauf werfen. Ich habe regelmäßig die „Aggrophobia“ gegen den dicken Sylvan Primordial ausgetauscht, wenn mir viele Madcap Skills oder Ähnliches gezeigt wurden.


Experiment One
Wasteland Viper
Greenside Watcher
2 Metropolis Sprite
Disciple of the Old Ways
Crocanura
Elusive Krasis
Simic Fluxmage
Drakewing Krasis
Deathcult Rogue
Ghor-Clan Rampager
Rubblebelt Raiders
Leyline Phantom
2 Zhur-Taa Swine
Sylvan Primordial

Prophetic Prism
Verdant Haven
Mystic Genesis
2 Pit Fight
Totally Lost

Dimir Guildgate
3 Mountain
7 Forest
6 Island


Sideboard:

Angelic Skirmisher
2 Debtor's Pulpit
Hold the Gates
Nav Squad Commandos
Righteous Charge
2 Shielded Passage
Smite
2 Zarichi Tiger
Assault Griffin
Daring Skyjek
Boros Elite

Leyline Phantom
Agoraphobia
Sage's Row Denizen
Skygames
Hands of Binding

Gateway Shade
Devour Flesh
Killing Glare
Shadow Alley Denizen
Midnight Recovery
Grisly Spectacle
Corpse Blockade
Contaminated Ground

3 Boros Guildgate


Sideboard:

Massive Raid
Viashino Shanktail
Act of Treason
Madcap Skills
2 Foundry Street Denizen
2 Scorchwalker
Towering Thunderfist
Warmind Infantry

Adaptive Snapjaw
2 Predator's Rapport
2 Hindervines

Simic Keyrune
Armored Transport
2 Riot Gear
Razortip Whip

Hydroform
2 Executioner's Swing
2 Mortus Strider
Primal Visitation
Biovisionary
Arrows of Justice
Nightveil Specter
Merfolk of the Depths
Coerced Confession
Shattering Blow


Ich werde euch ersparen, jede Runde im Einzelnen durchzukauen, sondern lieber ein paar Highlights des Tags präsentieren. Ingesamt bin ich 8:2 gegangen, was ich durchaus fair fand. Zwar stand ich zwischendurch 8:0, aber das hätte ich auch nicht erwartet. Ist aber recht einfach zu erklären, denn am ganzen ersten Tag bin ich genau fünf Rares/Mythics auf gegnerischer Seite begegnet und zwei davon wurden vom MVP Mystic Genesis ausgelacht und eine war Duskmantle Seer, als meine Gegnerin auf zwei Leben war. Ich habe ja eine Schwäche für teure Counterspells (à la Fall of the Gavel), aber das Prachtexemplar Mystic Genesis könnte man direkt als absurd bezeichnen. Meistens war es ein Counter für einen 5- oder 6-Drop, der auch noch einen Riesen mitbringt und damit obendrein evolvt!

Hilfreich war auch, dass meine Gegner sich meistens gekonnt selbst aus dem Spiel genommen haben. Viele Partien hätte ich eigentlich nicht gewinnen sollen, aber zu deren Verteidigung – ich finde das Set ebenfalls nicht einfach. Evolve und Bloodrush sind durchaus schwierig, denn alle diese Mechaniken, ebenso wie Extort, verlangen ein ordentliches Maß an Prioritäteneinschätzungen und Timing. Mein Favorit war folgender Spielzug:

Ich: Forest, go.
Er: Plains, Boros Elite.
Ich: Island, Metropolis Sprite.
Er: Mountain, Angriff.
Ich: „Hmmm, na gut, dann Block.“
Er: „Oh!... na dann kämpfen die beiden.“
Ich: „Öhhh, okay. Dann stribt deine Elite.“
Er: “… Mist, concede!“

Ich musste mich doch ein bisschen zusammenreißen, so was ist mir echt noch nie passiert. Aber es gab auch Schattenseiten. Zum Beispiel gibt es Momente, die einen schnell paranoid machen. Ich bin auf 16 und mein Gegner greift in Turn 5 mit einem 3/2er an. Mein Board gut und meine Hand umso besser. Fünf Sekunden später bin ich tot: Zhur-Taa Swine für +5/+4 und Boros Charm … gulp.

Bezeichnenderweise habe ich dann mein erstes Match auch wegen eines Spielfehlers verloren. In einem schon sicher gewonnenem Spiel hat mein Sylvan Primordial versucht, die Keyrune des Gegners zu töten, nachdem ich einen großen Angriff gestartet hatte. Leider hat das nicht so gut funktioniert. Dann war ich tot on board.


Trotzdem lief der Tag richtig gut und ich konnte gespannt aufs Draften gucken, wobei gespannt eher unentspannt hieß, denn ich hatte davor genau zweimal gedraftet und das erschreckend unüberzeugend. Mir war aber klar, dass wohl viele der Menschen auch nicht wirklich viel gedraftet haben würden und dass einige Karten, die ich wirklich mochte, noch nicht überbeliebt sein würden (wie Madcap Skills oder Righteous Charge). Der Draft lief sehr gut, es wurde wie geplant Aggroboros gedraftet, featuring späte Madcap Skills und Righteous Charge. Leider hatte das Deck kein Removal, doch das war meist gar nicht zu spüren. Viele Karten haben so ähnlich wie Removal funktioniert und die Schnelligkeit war sowieso das beste Removal, direkt für den Gegner.


Foundry Street Denizen
Wojek Halbediers
2 Daring Skyjek
Bomber Corps
Syndic of Tithes
Boros Reckoner
2 Armored Transport
Ember Beast
Warmind Infantry
Court Street Denizen
Knight of Obligation
2 Nav Squad Commandos
Urbis Protector


Beckon Apparition
Martial Glory
2 Act of Treason
Righteous Charge
2 Madcap Skills

9 Plains
8 Mountain


Leider war der Draft an sich weniger witzig. Bei vielen Pods fehlte ein Spieler, die wohl verschlafen hatten. Wie gewöhnlich wurde der Draft an einen anderen Judge vergeben und diese junge Dame war etwas übereilig.

Judge: „Okay, I am going to call the draft. Can everybody hear me?“
Spieler vorne: „YES!“
Spieler hinten: „What did she say?“
Judge: “… count the cards in your pack it should be 14 …“
Spieler vorne: „1 … 2 … 3 …“
Spieler hinten: „What did she say?“
Judge: „You have 50 seconds to look at your booster …“
Spieler vorne: „Öhhh, Panik …“
Spieler hinten: „Can we look at the Booster now?“
Judge: „Make the pick, count 13 cards, and pass them to your left.“
Spieler vorne: „Ahhhh, too fast.“
Spieler hinten: „Judge?!?“
Judge: „Look at your 13 cards …“
Spieler vorne: „OK, all good now.“
Spieler hinten: „JUUUUUUUUUUDGE!!!“

Nach dem dritten Pick war der Ansagerin auch klar, dass etwas eher suboptimal gelaufen ist. Also wurde kurz alles angehalten, um die Tische wieder zu synchronisieren. Bis dahin war noch alles in Ordnung. Dann liefen auf einmal viele Menschen auf die Drafttische zu, um sich auf die fehlenden Spots zu setzen. In der Tat hatten die Judges entschieden, dass die fehlenden Spieler irgendwie in den Draft integriert werden sollten. Und damit begann das Abenteuer. Ich weiß nicht, was (zur Hölle!) die Judges dazu bewegt hat, diese Spieler noch teilnehmen zu lassen, aber diese Entscheidung wurde noch von der Art und Weise übertroffen, wie das umgesetzt wurde. Wir als kompletter Tisch durften nach unserem dritten Pick warten, bis alles um uns herum wieder ins Lot gebracht wurde. Tische, an denen Spieler neu hinzugekommen waren, wurden hingegen angewiesen, den kompletten Draft zurückzudrehen, also alle gemachten Picks wieder in die Booster zurückzulegen. Dann sollte jeder, für den sich nichts verändert hat, die gleichen Karten picken und alle anderen sollten nach besten Gewissen handeln. Ich glaube der richtige Ausdruck dafür ist: WTF?!? Aus Erzählungen von anderen Spielern wurde doch recht schnell klar, dass da nichts wieder genauso gelaufen ist.

Und der zweite Draft war nicht weniger merkwürdig. Wieder habe ich zu einem ordentlichen NoReBo-Deck (No Removal Boros) gegriffen. Auch in diesem Draft konnte ich die wichtigen Karten alle relativ spät aufsammeln.


Foundry Street Denizen
Dutiful Thrull
2 Daring Skyjek
Sunhome Guildmage
Bomber Corps
Frontline Medic
Skyknight Legionaire
Court Street Denizen
2 Millennial Gargoyle
Zarichi Tiger
2 Assault Griffin
Knight of Obligation
Towering Thunderfist
Wrecking Ogre


2 Righteous Charge
2 Madcap Skills
Aerial Maneuver
Shielded Passage
Gift of Orzhova

1 Boros Guildgate
8 Plains
7 Mountain


Aber um zu diesem Deck zu kommen, musste ich auch eine halbe Odyssee durchleben. Zuerst fing alles recht harmlos damit an, dass drei Leute an unserem Tisch nicht die richtige Anzahl an Karten in den Boostern hatte. Da die Judges leider keine vorgestempelten Booster mehr hatten (die sie genau wann verbraten hatten?), haben sie normale, ungestempelte Booster vergeben, was berechtigterweise zu großem Protest am Tisch führte. Nach zehn Minuten hat die Oberschiedsrichterin beschlossen, dass sie dann einfach die Karten unterschreiben werde, und damit war erst mal alles schick. Bis zum zweiten Boosterdurchgang, denn da wurden wieder unpassende Booster aufgemacht, diesmal mit 13 und 15 Karten. Kurzerhand hat die Dame den 15-Karten-Booster in die Hand genommen, gemischt und wollte den Spieler mit 13 Karten eine ziehen lassen. Das wurde vom Tisch natürlich nicht ohne Proteste zugelassen und nach weiteren zehn Minuten gab es wieder zwei neue Booster. Im dritten Durchgang war dann für uns alles richtig, aber viele andere Tische hatte nun das gleiche Problem. Diesmal durften wir warten, bis das gelöst wurde. Als wir dann endlich nach einer gefühlten Stunde in den dritten Booster schauen durften, meinte der Spieler mir gegenüber, dass er zwei Rares im Booster habe. Für diese Tatsache hatte sie dann nur noch einen Kommentar: „Must be your lucky day.“

Mir ist bewusst, dass so ein Grand Prix für die Schiedsrichter eine schwierige Sache ist und dass manche Situationen nicht immer perfekt gelöst werden können, aber beide Drafts wurden meiner Meinung nach sehr suboptimal gehandhabt. Im zweiten Draft war letztlich alles okay, es hat nur etwas gedauert, aber im ersten Draft die Spieler noch einsteigen zu lassen, war einfach nur falsch und unverständlich.

Am Ende konnte ich mir mit einem 4:2 am zweiten Tag noch einen Platz in der Top 64 sichern und damit bin ich komplett zufrieden. Abgesehen davon, dass nach dem Wochenende alle klinisch tot waren, war es doch sehr witzig und ich freue mich schon auf den nächsten Grand Prix, für mich in Utrecht, hoffentlich auch mit euch! Macht's gut!






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