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Limited
Ein zufälliges Comeback
von Christoph Hölzl
04.01.2011

Sechs Jahre lang habe ich kaum an Magic gedacht. Im September 2004 hatte ich mich dafür entschieden, die gut 2000 US-Dollar für meinen 22. Platz bei den Worlds in San Francisco nicht in eine Reise zur nächsten Pro Tour in Columbus zu investieren, sondern mich (unsinnigerweise! ) lieber auf mein Studium zu konzentrieren. „Professionelles Magic“ war für mich damit erledigt und der wahnsinnig tolle Kamigawa-Block vergraulte mir sehr schnell auch noch Magic Online.

Hin und wieder gucke ich aber noch auf PlanetMTG und erfahre zufällig, dass der nächste Block „Scars of Mirrodin“ heißt. Das reizt mich irgendwie – den Mirrodin-Block habe ich in guter Erinnerung und auf meinem alten Magic Online-Account sind noch Tix von früher. Also gebe ich dem Format einfach mal eine Chance, nur so zum Spaß. Meine Freundin bekommt mit, dass ich wieder ein bisschen spiele.

Bea: „Warst du in diesem Magic nich früher mal voll gut?“
Chris: „Na ja, 7000 Dollar ingesamt gewonnen oder so was.“
Bea: „Aber du bist doch dauernd umsonst irgendwo hingeflogen, Japan und so.“
Chris: „Ja, Pro Tour war das. Die nächste ist, glaub ich, in Paris.“
Bea: „Ui, da will ich hin!“

Also „verspreche“ ich ihr, den PTQ in München zu spielen. Dann aber muss ich genau diesen einen Samstag arbeiten, um für Galileo einen Beitrag zu drehen. (Dafür kann ich jetzt super mit Magic-Karten werfen!) Paris ist also gestorben … bis mich Bernhard Breit Ende November auf Facebook als Freund hinzufügt. Auf einmal macht es klick: Vom Jahresendevent habe ich schon gelesen, frei habe ich in dem Zeitraum sowieso und mit Bernhard bin ich da 2001 schon mal hingefahren und habe gleich den ersten PTQ mit der guten Quirion Dryad gewonnen. Einen Anruf bei Bernhard später ist alles organisiert und am 27. fahren wir um 5:30 Uhr von Rosenheim los Richtung Hanau.


Bernhard Breit, Andre Delere, Benny Paulmeier

Unterwegs sammeln wir noch Benny Paulmeier und Andre Delere ein und ich nerve auf der Fahrt alle mit großen Sprüchen, dass sie sich den ersten PTQ eigentlich schenken können, weil ich den sowieso wieder gewinne.

Um kurz nach zehn checken wir in die Villa Stockum ein (Kudos an JensK für den lächerlich guten Magic-Spieler Rabatt) und sind kurz vor elf an der Site. Ich freue mich sehr darauf, mit Leuten, die ich seit Jahren nicht gesehen habe, über die guten alten Zeiten zu reden. Aber ich muss mich zwangsläufig vollständig auf den PTQ konzentrieren, denn außer ein paar Judges und JensK sehe ich erst mal nur unbekannte Gesichter.


Von Engeln und anderen Spoiler – Sealed Deck

Ich registriere einen ordentlichen, aber bombenarmen Pool, während alle am Tisch über den Spoilerhaufen zwei Sitze rechts von mir staunen. Vier On-Color-Bomben, darunter Sunblast Angel, Molten-Tail Masticore und Hoard-Smelter Dragon, dazu so Filler wie Oxidda Scrapmelter, Arc Trail, drei Galvanic Blast … Dementsprechend weiß ich schon genau, was ich mir wünsche: „Gebt euren Pool nach links, und dann noch mal nach links!“

So kommt es dann auch. Das kann ja nur ein Durchmarsch in die Top 8 werden!

„So, und jetzt gebt die Kartenpools noch ein letztes Mal nach links weiter!“

Traurig schaue ich dem Traumpool nach, beobachte meinen Nebenmann, wie er die Karten glücklich auslegt, und blättere lustlos durch meine 84 Karten. Aber okay, Rot hat immerhin Kuldotha Phoenix, bei den Artefakten finde ich Strata Scythe und Wurmcoil Engine … und unter den weißen Karten hat sich auch für mich ein Sunblast Angel versteckt. Akzeptabel!


Der Start ist allerdings sehr holprig. In der ersten Runde verliere ich nach Mulligan und anfänglichen Mana-Problemen ein langes erstes Spiel, und als ich ausgleiche, sind nur noch drei Minuten auf der Uhr. Ich nehme im dritten Spiel einen aggressiven Mulligan und erwische im zweiten Versuch eine Starthand mit Kemba's Skyguard und Strata Scythe. Zwei Removal später aber steht das Unentschieden fest.

Die nächsten zwei Runden gewinne ich problemlos, in der vierten Runde habe ich erneut nach Mulligan anfangs zu wenig Länder. Es kommt zu folgender Situation:


Ich habe vier Leben, Kuldotha Phoenix, Tumble Magnet und Trigon of Corruption mit drei Mana offen. Mein Gegner spielt Rot/Weiß und hat Razor Hippogriff, Sylvok Replica, Copper Myr und vier Myr-Tokens. Wenn er mit allem angreift, bin ich tot, außer ich zeige ihm noch Galvanic Blast (oder Soul Parry). Im Beginning of Combat tappe ich mit dem Magneten seinen Copper Myr, er überlegt und tappt wie von mir erhofft den Myr für Mana, um mit der Replica das Trigon abzuschießen, und greift nicht an. Ich ziehe endlich mein sechstes Land, spiele Wurmcoil Engine, lege im Zug darauf Strata Scythe dazu und hole mir 14 Leben zurück.

In der fünften Runde gewinne ich das erste Spiel wieder ganz locker. Im zweiten Spiel legt mein Gegner Mindslaver, den ich mit Rust Tick unter Kontrolle halte. Aber als noch Argentum Armor dazukommt, muss ich meinen Sunblast Angel für nichts legen, damit er mich nicht selbst wratht, und mit Rust Tick die equippte Kreatur in Schach halten. Gedankenversklavt „topdecke“ ich Strata Scythe, equippe es zusammen mit Sylvok Lifestaff auf den Engel und bekomme alle drei von Turn to Slag abgeräumt. Die Armor beseitigt dann mit der Zeit noch mein restliches Board. Im dritten Spiel bleibt mein Gegner dann auf vier Mountain stehen.

Die sechste Runde ist dann noch einmal ein bombengetragenes, lockeres 2:0, womit ich mich in die Top 8 drawen kann.


Bombige Lebensretter – Die Top 8

Alle Spieler in den Top 8 wirken relativ unerfahren, daher sehe ich mich selbst schon als recht deutlichen Favoriten. Schließlich habe ich über 20 Drafts auf Magic Online gemacht und zwei davon gewonnen – mindestens! Mein größtes Problem ist eigentlich auch weniger der Draft an sich, sondern das Booster-Aufmachen; die sechs beim Deck registrieren waren die ersten seit 2004:

Judge: „Entfernt bitte zuerst die Tokenkarte und das Basic Land, ohne die Karten im Booster anzuschauen.“
Chris: „Uhm… Welche zwei sind das denn?“
Judge: „Die letzten zwei halt.“

Selbstbewusst lege ich dann auch beim zweiten Pack die letzten zwei Karten weg, ein Basic Land ist trotzdem noch im Booster. Schon fies, diese Foils

Dazwischen drafte ich aber auch noch Karten. (Siehe Draftviewer.) Los geht's dabei sehr unspektakulär mit Livewire Lash hauchdünn über Myr; ich halte es für wahrscheinlich, dass Poison an diesem Tisch unterdraftet ist und da habe ich lieber das Equipment. Danach nehme ich Tumble Magnet und schiebe meinem Nachbarn eigentlich nur weiße Karten zu. Beim dritten Pack habe ich die Auswahl zwischen Darksteel Axe, Tangle Angler und Corpse Cur. Da zwei Commons fehlen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die beiden rechts von mir nicht Infect sind, und nach links habe ich auch nichts weitergegeben. Also nehme ich ganz happy den Tangle Angler, der zur Not aber auch im rot-grünen Non-Infect super ist. Danach kommt zwar nicht viel für Infect, aber eigentlich sollte mein Seat gut genug sein, um mich später zu belohnen.


Im zweiten Booster lacht mich dann der Hoard-Smelter Dragon sehr verführerisch an. B/G-Infect ist nach dem Pick das unwahrscheinlichste Endergebnis für mein Deck, am wahrscheinlichsten ist R/G-Infect + Removal + Drache, oder einfach R/G-Dinosaurs. Das Pack danach ist erschreckend leer, ich sollte aber einfach die Panic Spellbomb statt dem Contagious Nim nehmen.

Im Anschluss gibt's viel zu viele 5-plus-Mana-Karten und viel zu wenig Infect/Myr. Immerhin entscheide ich mich mit Engulfing Slagwurm über Tel-Jilad Fallen korrekterweise endgültig für Fatties statt Infect; für ein Poison-Deck habe ich bis dahin einfach viel zu wenig Karten gesehen.


Mein größtes Problem vor dem letzten Booster ist aber die Kurve, First Pick Turn to Slag und Second Pick Contagion Engine (!) machen die nicht besser … mit so einer Engine lässt sich aber schon was anfangen. Danach bin ich überglücklich über meinen zweiten Myr, der zweite Barrage Ogre dagegen landet nicht mal im Deck. Dafür bekomme ich spät noch Shatter, Galvanic Blast und Darksteel Sentinel geschoben; auch dank Letzterem entscheide ich mich guten Gewissens für 18 Länder und zwei Myr.


Iron Myr
Gold Myr
3 Vulshok Replica
Tangle Angler
Blade-Tribe Berserkers
Barrage Ogre
2 Bellowing Tanglewurm
2 Saberclaw Golem
Darksteel Sentinel
Hoard-Smelter Dragon
Engulfing Slagwurm


Galvanic Blast
Shatter
Bladed Pinions
Livewire Lash
Tumble Magnet
Turn to Slag
Contagion Engine

10 Forest
8 Mountain


Ich habe Angst vor einem schnellen Infectdeck oder vielen frühen Fliegern, aber gegen alles andere sollte es sich gewinnen lassen. Rares waren schließlich im Sealed auch schon gut!


Viertelfinale gegen Martin Baumert, 2:0

Martin ist zwar Infect, aber zum Glück ist sein Deck nicht sonderlich schnell und hat eine für mich sehr gesunde Mischung aus Infect- und Non-Infect-Kreaturen; die Packs ließen anscheinend nichts anderes zu. In beiden Spielen kann ich ihn nach ein paar Runden mit großen Kreaturen noch rechtzeitig ausbremsen und gewinne am Ende jeweils mit Hoard-Smelter Dragon.

Mein Viertelfinale ist nach gerade mal 20 Minuten vorbei, Pierre Liebsch und Kaloyan Kirilov dagegen duellieren sich noch eine Stunde lang. Am Ende gewinnt Kaloyans Proliferate-Deck zweimal durch Poison, während Pierre mit seinem sehr soliden und für mich äußerst gefährlichen U/W-Deck (zwei Arrest, zwei Volition Reins, True Conviction und Trinket Mage auf Chimeric Mass) ausscheidet.


Halbfinale gegen Kaloyan Kirilov, 2:0

Ich habe den großen Vorteil, das komplette Deck meines Gegners zu kennen. Mit Corpse Cur, Ichorclaw Myr oder Ichor Rats macht er die ersten Poison-Counter und stallt dann mit weißem, blauem und schwarzem Trigon sowie Throne of Geth, Contagion Clasp und Golem Foundry bis der Gegner schwarz wird.

Im ersten Spiel halte ich Galvanic Blast, Turn to Slag, Contagion Engine und vier Länder. Kaloyan legt Ichor Rats, ich blaste sie, mache danach Engine auf Corpse Cur, spiele noch Turn to Slag auf die zurückgeholten Rats und proliferate ihn in vier Zügen raus.


Fürs zweite Spiel boarde ich Blight Mamba und Trigon of Infestation gegen seine Infectkreaturen und vielen Golems. Ich lege dann tatsächlich im zweiten Zug die Mamba hin, stalle danach mit Tumble Magnet und Trigon of Infestation, bis ich mein sechstes Land ziehe, die Engine meine Artefakte wieder auflädt und Kaloyan vergiftet.


Finale gegen Holger Grimm, 2:0

Holger spielt seinen ersten PTQ und ist super nett … und das sage ich nicht nur wegen der geschobenen Engine! Die Atmosphäre im Match ist trotz der Wichtigkeit sehr locker und freundschaftlich. Ich habe sogar fast das Gefühl, dass Holger auch für mich ist, weil er gemerkt hat, dass mir die Pro Tour wichtiger ist als ihm. Im ersten Spiel haue ich ihn mit zwei Vulshok Replica und Bladed Pinions sehr schnell auf neun, dann aber stallt er mit Tumble Magnet und Accorder's Shield auf Snapsail Glider meinen Flieger und beschwört einen rasant anwachsenden Darksteel Juggernaut. Immerhin macht sein Painful Quandary nicht viel, weil ich sowieso doppelt so viele Länder wie Spells habe.


Mein Plan allerdings steht schon. Bis der Magnet endlich leer ist, chumpe ich seinen Juggernaut erst mit Iron Myr, dann mit Vulshok Replica, die Holger auf sechs schießt. Dann räume ich den Glider mit Turn to Slag aus dem Weg und die zweite Replica schießt und schießt ihn auf null.

Ich boarde wieder Blight Mamba und Trigon für Blade-Tribe Berserkers und Livewire Lash. Anders kann ich seinen Juggernaut nicht aufhalten und ich will schließlich Zeit, um meine Bomben zu ziehen.

Ich mache wieder ein paar schnelle Schaden mit Vulshok Replica und Bladed Pinions, dann stellt mir Holger die Pinions mit Revoke ab, stallt den Boden mit Wall of Tanglecord und fängt an mich mit Necrogen Scudder und Chrome Steed anzugreifen. Mit Hoard-Smelter Dragon laufe ich zwar in Grasp of Darkness, tausche aber 3:1, da der Drache noch Scudder und Chrome Steed mitreißt. In der nächsten Runde ziehe ich Barrage Ogre und rechne kurz nach: Galvanic Blast auf der Hand, Vulshok Replica und Iron Myr im Spiel, Saberclaw Golem auf der Hand, macht genau elf Schaden. Also lege ich erst den Oger, in der Runde darauf den Golem, blaste Holger End of Turn und werfe ihm noch den Myr an den Kopf. In meiner Runde ballern ihn Oger und Replica dann genau auf null.

Nice.

Damit bestätigt sich das Gefühl, das ich schon seit Stunden habe: Heute kann einfach nichts schiefgehen. Die nächsten zwei Tage verbringe ich mit Two-Headed Giant, Team-Drafts (Bayern > BaWü!) und Highlander, während Bea zu Hause schon unsere Flüge nach Paris bucht und uns ein Hotel organisiert.

In Paris werde ich den Grand Prix skippen, damit wir Samstag und Montag (Valentinstag!) Zeit zum Sightseeing haben, Sonntag habe ich hoffentlich Besseres zu tun *hust*. Meine Vorbereitung für Paris beginnt aber schon jetzt; ich werde mir mal in aller Ruhe die Spoiler von M11 und des Zendikar-Blocks durchlesen.

Wir sehen uns in Frankreich!
Chris




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