miraclegames.de
Standard
Der zweite Frühling
von Michael Diezel
08.09.2009

Während die gesamte restliche Magic-Welt entweder M10-Booster in Prag öffnete oder alternativ über die Ankündigung der neuen Fetch-Länder in Ohnmacht fiel, beschränkte sich mein Leben als Weltenwanderer auf einen kleinen Draft zum Abschluss des Alara-Jahres. Dem Ereignis angemessen fanden sich auch hauptsächlich neue Mitglieder der DCI ein, lediglich ein Drafter dürfte mittlerweile (traurig, aber wahr) noch über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügen: Ilja T...irgendwas alias Duodax alias Foren-Troll-hartnäckig-genug-um-sogar-Andreas-Pischner-sprachlos-zu-machen. Dessen Deck war dann auch tatsächlich ziemlich spektakulär, ob das jetzt an seinen Fähigkeiten oder den um ihn herum geöffneten Rares lag, sei dahingestellt – aber seht selbst:


Bleibt nur noch das Ergebnis des Decks nachzutragen: Mit etwas Glück 2-1...

Doch weg von der Vergangenheit, welche die liebgewonnene Welt von Alara demnächst sein wird, und im Eilschritt in die Zukunft namens Zendikar! Über die damit verbundenen Neurungen und deren Auswirkungen auf die Magic-Welt („tot“) wird an zahlreichend Stellen ausführlich diskutiert, so dass ich mich lieber einen anderem Thema zuwenden möchte: Welche schon seit einiger Zeit im Standard legalen Karten könnten an Bedeutung gewinnen.

Leider kann ich jedoch nicht in die Zukunft sehen, dafür aber ein wenig überlegen, was der Verlust des beeindruckend starken Lorwyn/Shadowmoor-Konstrukts für Lücken hinterlässt und somit hoffentlich richtiger liegen als bei bloßer Kaffeesatzleserei.

Bevor wir uns einzelnen Karten zuwenden, ganz kurz ein paar Thesen, auf die ich mich später immer mal berufen werde und die Ihr als eifrige Leser meiner wöchentlichen Weisheiten sowieso zur Genüge kennt:

Außergewöhnlich starke Einzelkarten (Cryptic Command, Baneslayer Angel, Figure of Destiny, Bloodbraid Elf...) bestimmen das aktuelle Standard-Geschehen.
Die aktuell legalen (Vivid-) Länder erlauben wildeste Farbspiele.
Synergien spielen oftmals nur eine untergeordnete Rolle, da die Einzelkarten so stark sind.
Die Punkte 1-3 beruhen hauptsächlich auf Lorwyn/Shadowmoor-Karten.

Was sind nun aber potenzielle Kandidaten für das Rampenlicht der nächsten Monate?

Elite Vanguard: Stellvertretend für die gesamte Zunft der Soldaten. Ohne kleine Wesen mit behaarten Füßen dürften diese zu den besten weißen Männern gehören und entsprechend ihre kleineren Synergien (Veteran Armorsmith bzw. Veteran Swordsmith) auch im Standard-Format anbringen. Ob das so funktioniert oder ob am Ende die Vorhut ohne Soldaten-Kollegen die Ehre der Reinen verteidigt (z.B. mit seinem Helden, dem weißen Ritter) oder ob sie am Ende sogar eher in dreifarbigen Zoo-Decks auftaucht, all das wird Zendikar noch aufzeigen. Fakt ist jedoch, dass Honor of the Pure wahrscheinlich zu stark ist, um komplett außen vorgelassen zu werden.

Mark of Asylum: Durch den Wegfall von Spectral Procession, Figure of Destiny, Windbrisk Heights und Co., wird der Verlust eines anderen unscheinbaren Kithkins in den Hintergrund gedrängt: Burrenton Forge-Tender. Der kleine Essenmann war der Grund für die Alpträume zahlreicher Rotmagier jeder Art, da er gegen diese Decks verschiedene Funktionen in Personalunion übernehmen konnte: dicke rote Männer blocken, selbst kaum verhinderbaren Schaden verursachen und nebenbei noch das gesamte Team vor dem in Mode gekommenen roten Massremoval schützen. Okay, der Forge-Tender war toll, doch nun gibt es ihn nicht mehr und bei der Suche nach Alternativen wird man irgendwann bei dieser Verzauberung hängenbleiben. Sie übernimmt nämlich die wichtigste Aufgabe – die eigenen Kämpfer vor Volcanic Fallout, Earthquake und Co. zu schützen – mit einer unglaublichen Effektivität, da sie noch dazu sämtliche Brandsprüche ins eigene Gesicht umleitet. Dafür ist sie allerdings deutlich unflexibler, da man mit ihr wohl weder blocken noch angreifen kann. Je nach Beliebtheit der roten Karten ein Kandidat für so manches weiße Sideboard.

Covenant of Minds: Konnte im Gegensatz zu seinem direkten Widersacher Mulldrifter weder fliegen noch hauen noch für drei Mana die Divination simulieren. Doch im Gegensatz zum Grübelschlängler ist dieses Gerät noch ein Jahr lang legal und könnte in dieser Zeit tatsächlich zum blauen Kartenzieher der Wahl aufsteigen, denn noch sind die Alternativen überschaubar: Mind Spring, Courier's Capsule oder eben Divination. Weiterhin wird es zu beobachten sein, inwiefern man problemlos Esper Charm in die Control-Decks bekommt, wenn man sich tatsächlich mal wieder Gedanken übers Mana machen muss.


Essence Scatter/Negate/Cancel: Ohne Broken Ambitions momentan das Nonplusultra im Bereich der Kontermagie. Allerdings legen sie die Messlatte für neue Neutralisierungszauber nicht allzu hoch...

Merfolk Sovereign: Wird (ähnlich wie der Goblin-Chieftain) an den Leistungen seiner Untertanen gemessen. Beide Völker scheinen auch in Zendikar eine beachtliche Rolle zu spielen, wobei das gesamte Meervolk-Konzept selbst in Zeiten zweier Lords und den bombigen Sygg, River Guide und Silvergill Adept durchaus mit einer Karte namens Volcanic Fallout zu kämpfen hatte. Goblins sind da per Definition nicht ganz so leicht zu beeindrucken, bringt der Schaden des Instants sie doch dem Ziel wieder zwei Schritte näher.

Ponder: Nette Kombination mit den Fetch-Ländern für einen noch größeren Effekt. Gute Karte ziehen, zwei schlechte drauf lassen, fetchen und weg sind sie. Wo haben wir so etwas nur schon gesehen...?


Sleep: Ohne Cryptic Command müssen sich die schnelleren blauen Decks etwas einfallen lassen, um ihren Schaden auch an den Mann zu bringen. Gerade in der Simic-Konstellation könnte Sleep da eine gewichtige Rolle spielen, zumindest als Sideboard-Waffe gegen andere Aggrodecks.

Duress: Ohne Thoughtseize wieder erste Wahl.

Tendrils of Corruption: Einige der bisher bekannten Zendikar-Karten lassen darauf schließen, dass außer dreifarbigen Decks besonders einfarbige wieder einen Schub erhalten sollen. Tendrils wiederum sind das Musterbeispiel eines monofarbenen Spruches. Unglaublich stark ausschließlich im dunkelschwarzen Deck. Ohne den Koloss des Grauens könnte das sogar funktionieren. Muss nur noch eine Lösung für den Zobelbraunen Riesenhirsch gefunden werden.


Vampire Nocturnus: Wie erwartet sind fast alle schwarzen Männer Zendikars irgendwann in ihrem Leben mal gebissen worden. Schlecht für sie, gut für den Vampir der Nacht, der dadurch einiges an Fußvolk gewinnt. Seine Fähigkeit ist im Vampir-Aggro jedenfalls nicht zu verachten, nur muss es eben auch dieses sein. Dass so ein Tribal-Deck mit Karten aus hauptsächlich einer Edition möglich ist, haben wir in Lorwyn zur Genüge bewiesen bekommen und darüber hinaus: Gibt es denn ein stylischeres Fantasy-Volk, das so dringend mal ein Deck benötigt?

Ball Lightning: Der überfüllte 3-Mana-Slot in roten Decks verliert Boggart Ram Gang und Flame Javelin. Wir werden sehen, ob das schon ausreicht, damit sich der Kugelblitz gegen Anathemancer (eventuell nur noch Sideboard-Material?) und Kollegen durchsetzt.

Earthquake: Diese Karte störte sich besonders am MVP des besten wirklichen Kreaturendecks, das diese Bezeichnung auch verdient: Spectral Procession. Die mit der Hexerei gebauten Geister fliegen bekanntlich und sind somit immun gegen mögliche Erdbeben. Abgesehen von diesem speziellen Fall gab es kaum relevante Kreaturendecks klassischen Designs, gegen welche Earthquake seine besten Auftritte feiert. Dies könnte sich ändern, wenn beispielsweise schwarze Männer ins Geschehen eingreifen (Vampire!) oder Grün sich auf seine Stärke im Legen von Kreaturen besinnt.


Goblin Assault: Ist beim Erscheinen von Alara als „rote Bitterblossom“ begrüßt worden und danach recht schnell in Vergessenheit geraten. Grund: Wer auf dem ründlichen Mann aufbauen wollte griff einfach zum Original, das 1) billiger war 2) fliegende statt suizidale Männer baute und 3) die besseren Mitspieler (Feen > Goblins) hatte. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass der Goblin-Ansturm keineswegs eine schlechte Karte ist, sondern vielmehr sein Schattendasein der letzten Monate dem offensichtlich überlegenen Artgenossen zu verdanken hat.

Magma Phoenix: Eigentlich eine blau-rote Karte, da er wohl nur in diesen Decks zur Höchstform auflaufen wird. Was fehlte diesen bisher zum Glück? Richtig: ein passendes Fetchland. Das hätte sich ja wohl jetzt erledigt.

Viashino Slaughtermaster/Marisi's Twinclaws: Da es mindestens einen neuen Doppelschläger gibt – wenn auch als mythisch raren Goblin –, rückt ein Deck aus ebenjenen sowie zahlreichen Optionen, deren Stärke zu erhöhen, in immer greifbarere Regionen.

Cliffrunner Behemoth: War immer und in jedem Deck schlechter als Chameleon Colossus bzw. Bloodbraid Elf. Da zumindest Letzterer noch legal ist und dazu mit dem guten, alten Blitz eine extrem effiziente Antwort häufig gespielt wird, glaube ich noch nicht so recht an den Behemoth. Die zu erwartende Struktur der Decks in Richtung Dreifarbigkeit kommt ihm allerdings zugute und das Potenzial hat er auf jeden Fall.

Cudgel Troll: Welcher Spruch bekommt den eigentlich noch weg, wenn der Gegner immer das grüne Mana offen hält? Okay, Cruel Ultimatum, aber wenn das kommt, ist sowieso alles vorbei. Davon abgesehen natürlich Path to Exile und Terminate, wenn man sich an das erinnert. Alles andere, insbesondere die Massremoval der Wahl schaffen den Troll nicht. Da seine Kampfwerte durchaus ordentlich sind, könnte das vielleicht schon ausreichen, um ihn ins Format zu katapultieren, zumal einige der besten grünen 4-Mana-Männer (Colossus, Liege) gerade rausrotieren.

Manaplasm: In einer Welt, in der es für drei Mana 5/4-Schläger oder 3/3-Eile-Männer gibt, ist kein Platz für eine poplige 1/1-Kreatur, die erst mutieren muss, um in solche Bereiche vorzudringen. Die stärksten einfarbigen Männer verlassen jedoch mit Shadowmoor die Bühne, und inwiefern man noch Monster mit Manakosten regelmäßig ohne die Verwendung von Vivid- oder Filter-Ländern in Runde 3 auf den Tisch bekommt, bleibt abzuwarten (wobei Fetch-Länder wahrscheinlich recht hilfreich sein dürften). Theoretisch gibt es auch noch Synergiemöglichkeiten mit den Fallenkarten, deren vergleichsweise hohen Manakosten (die für den vom Plasma benötigten Punch sorgen) oftmals nicht oder nicht ganz bezahlt werden müssen. Ob es da allerdings wirklich welche gibt, die auch im restlichen Erscheinungsbild in ein Deck mit Manaplasm passen, bleibt abzuwarten.

Rampant Growth/Borderland Ranger: Für mehr Standardland-Action wären die gefragt, die das im Limited schon gut erledigen. Eventuell kommen dann auch wieder die Domain-Spells aus Conflux ins Blickfeld, aber bis es so weit ist, müsste Zendikar wohl auch noch ein bisschen was in diese Richtung liefern.

Wild Nacatl: Mit M10-Ländern und dem rot-weißen Fetchland jetzt auch im Standard durchaus aus Volcanic Fallout-Reichweite zu bringen. Ranger of Eos verbleibt auch und sucht nach dem Abzug der Schicksalsverkörperungen nach neuen Haustieren.


Defiler of Souls: Dieser junge Mann wird in Zukunft mit Sicherheit häufiger ein lohnendes Opfer finden, als das in der bisherigen Umgebung der Fall war. Da seine Werte durchaus ordentlich sind und er mit sechs Mana zumindest nicht unbezahlbar ist, fehlt eigentlich nur noch das schwarzbasierte Control-Deck, das seine Möglichkeiten auch voll ausschöpft. Zugute kommt ihm dabei das Rausrotieren der bisher üblichen Finisher dieser Art von Decks, etwa Demigod of Revenge oder Oona, Queen of the Fae.


Knight of the Reliquary: Gut, bei dem muss man kein Prophet sein, um die gewachsene Bedeutung zu erkennen. Die Kombination mit Fetch-Ländern war schon stark genug fürs Extended, Landfall funktioniert auch prima und überhaupt ist der Länder-Block wie gemacht für das Mädel. Sichert Euch also noch schnell ein paar Exemplare fürs Standard-Format, bevor sie wieder im Preis explodieren.

Lorescale Coatl: Mit gütiger Hilfe des blau-grünen Fetchlands wird der geschätzte Start mit Coatl in Runde 2 (per Birds of Paradise/Noble Hierarch/Llanowar Elves) deutlich wahrscheinlicher. Diesen braucht es halt, um diese göttliche Schlange spielbar zu machen. Ob das allein ausreichend ist, hängt auch ein wenig an anderen Faktoren (z.B. billigen Kartenziehern, um das Wachstum zu beschleunigen), es ist aber auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Punish Ignorance: Ungefähr eine Million Mal schlechter als Cryptic Command, welches genau diesen Slot in den Decks einnahm, die auch mit der Ignoranz hätten leben können. Diese Tempo-Decks in den Esper-Farben könnten jetzt statt des Temposwings von Counter-Bounce/Tap/Draw zum direkteren Counter/Drain Life für drei greifen. Besonders mit Countersquall und dem neuen Hideous End summieren sich die kleinen Nadelstiche schnell.


Terminate: Was man mit dem alles nicht wegbekam in den letzten Monaten: Chameleon Colossus, Great Sable Stag, Stillmoon Cavalier, Burrenton Forge-Tender... Das führte letztendlich dazu, dass der Rakdos-Magier lieber auf Doom Blade (Terror, Deathmark) in Kombination mit allerlei Brand zurückgriff, statt sich einfach dieses eigentlich effektivsten Zaubers zu bedienen. Da von den genannten nur der Hirsch übrig bleibt, den man in dieser Farbkombination noch dazu hervorragend mit dem Blitz in den Griff bekommt, spricht eigentlich nichts mehr gegen Terminate.

Wargate: Bringt für drei Mana ein beliebiges Land ins Spiel. Da wir davon ausgehen können, dass im Länder-Block einige davon auf uns zukommen, sollten wohl auch ein paar mit etwas ausgefalleneren Effekten dabei sein. Je nach deren genauer Beschaffenheit könnte es dann Decks geben, die sich den Tutor auf das eine oder andere Spezialland durchaus wünschen...

Gargoyle Castle: Ohne Mutavault das beste angreifende Land im Geschehen. Gerade in Control-Decks, die jetzt wohl wieder mit weniger Farben auskommen werden, ein solider Finisher. Die Frage ist jedoch, inwieweit Zendikar selbst Länder ins Gespräch bringt, die Late-Game-Potenzial besitzen. Die schon bekannten raren Länder der Form Valakut oder Emeria lassen da einiges erahnen.


M10-Doppelländer: Wie schon angesprochen kommen diesen Gefilden sowohl die Rotation der übermächtigen Lorwyn-Shadowmoor-Block-Länder als auch die Inklusion der Fetchländer entgegen, die wohl den Einsatz von Standardländern erhöhen werden.

Terramorphic Expanse: Profitiert stark von den schon bekannten Zendikar-Spielereien. Landfall wird mit ihr doppelt getriggert und auch alle Karten, die nach einem bestimmten ins Spiel kommenden Standardland fragen, werden von ihr bedient. Darüber hinaus sieht es so aus, als dass dreifarbige Decks zur Norm werden sollten und deren Manabasis könnte dann in etwa so aussehen:

2 Expanse
4 Fetch-Länder der Farben X und Z
4 Tri-Länder XYZ
3 M10-Länder XY
3 M10-Länder YZ
2 Standardland X
2 Standardland Z
4 Standardland Y

Tri-Länder: Für die Vielfarbigkeit werden mit Sicherheit in Zukunft besonders Arcane Sanctum und seine Kameraden sorgen, was wiederum zu einer Stärkung genau dreifarbiger Decks führen sollte. Die Fetch-Länder in Feindfarben tun ihr Übriges.


Ihr seht, es wird sich einiges ändern. Was genau, lässt sich aber erst sagen, wenn wirklich große Teile des Spoilers veröffentlicht sind. Ich hoffe, dieser erste Einblick war trotzdem Eure Lesezeit wert.

Bis zur nächsten Woche!
Der MiDi




Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Michael Diezel

[23.07.2016]Der Mondmann
[02.06.2016]Grumpy Old Men
[26.05.2016]L.E. Crash #5
[12.05.2016]Das Glashaus
[05.05.2016]Apollo 13


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite