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Pischner Classics: Strategie-Artikel, die man sich schenken kann!
von Andreas "Zeromant" Pischner
26.05.2008

[In der Reihe Pischner Classics kramen wir regelmäßig Artikel aus den Archiven der insgesamt sechs Jahre, die Andreas Pischner nun bereits für PlanetMTG schreibt, wieder hervor. Der Folgende erschien ursprünglich ca. Ende 2001/Anfang 2002 und obwohl etliche seiner Standpunkte in Hinblick auf das Phänomen des Bloggens vielleicht umformuliert werden müssten und die Beispiele allesamt veraltet sind – relevant ist das Ganze heutzutage immer noch, vielleicht sogar mehr denn je.]
Wer sich im Netz auf die Suche nach Magic-Artikeln mit strategischem Gehalt macht, droht in einer Flut vorgestellter Decks zu ertrinken. Jeden Tag findet man allein auf den bekannteren Magic-Seiten Dutzende neuer Posts, in denen Spieler ihre Eigenkreationen vorstellen. Wohl niemand hat die Zeit, sie alle zu lesen, oder gar zu analysieren, von einem etwaigen Testen der Decks ganz zu schweigen!

Deck-Ideen anderer Leute sind natürlich immer interessant, und wer nicht die Zeit hat, systematisches Playtesten zu betreiben und dabei eigene Decks zu entwickeln, kann versuchen, stattdessen einfach ein vielversprechendes Deck aus dem Netz aufzugreifen. Aber wie wählt man aus der Vielzahl an Informationen die interessantesten Beiträge aus?

Zunächst einmal hängt alles davon ab, wie viel Zeit man sich nimmt. Ich selbst informiere mich normalerweise eher oberflächlich, und gehe daher den einfachsten Weg: Ich lese größtenteils nur Beiträge von Autoren, die mir entweder als hervorragende Spieler oder als kompetente Kolumnisten bereits bekannt sind.

Dadurch minimiere ich zwar das Risiko, meine Zeit mit dem Lesen uninteressanter oder wenig fundierter Artikel zu verschwenden, verpasse jedoch andererseits auch einige wirkliche Perlen und die Möglichkeit, ein gutes Deck VOR dem Großteil der Magic-Gemeinschaft zu entdecken.

Wenn ich nun aber bereit bin, etwas mehr Zeit zu investieren, habe ich die Qual der Wahl – alles kann ich nicht lesen, aber nach welchen Kriterien gehe ich bei der Auswahl vor? Von anderen Spielern weiß ich, dass sie bestimmte Farben oder Strategien (z..B. Kombo oder Kontrolle) bevorzugen – das ist natürlich auch eine Möglichkeit, aber einem erfolgsorientierten Spieler ist diese Vorgehensweise nicht zu empfehlen. Vielmehr sollte man versuchen, die Spreu vom Weizen zu trennen, also unter den vielen schlechten Artikeln die wenigen guten zu finden. (Ein Unterfangen, dass mit dem Bild von Nadel und Heuhaufen vielleicht besser beschrieben werden könnte als mit Spreu und Weizen.) Die allermeisten veröffentlichten Decks sind einfach nicht gut, und viele sind sogar ausgesprochen schlecht! Wie kann man denn nun aber mit möglichst geringem Zeitaufwand die guten Decks erkennen?

Kurze Antwort: Es geht nicht! Um ein gutes Deck von einem nur soliden oder mittelmäßigen zu unterscheiden, gibt es nur eine Methode: Testen!! Wann immer ein seriöser Magic-Kolumnist ein Deck lobt, tut er es entweder

a) weil er es selbst gespielt hat,

b) weil Spieler, deren Urteil er vertraut, es gespielt haben,

c) weil es sich in einem wichtigen Turnier bewiesen hat (und selbst das ist oft ein strittiger Punkt...)

oder d) weil es einem Deck, auf das a), b) oder c) zutreffen, sehr, sehr ähnlich ist.

Niemand – weder Zvi noch Jon noch Kai – kann durch bloßes Ansehen eines unbekannten Decks entscheiden, wie gut es wirklich ist. Auch wenn ihre immense Erfahrung Spielern der absoluten Extraklasse natürlich eine große Hilfe beim ersten Einschätzen ist: Ohne Playtesten geht es einfach nicht!

Was man aber oft mit geringem Zeitaufwand tun kann, ist SCHLECHTE Decks oder Artikel auszusortieren – und das sind eine ganze Menge!

Das Netz ist für die große Mehrheit aller Magic-Spieler zugängig, die meisten Seiten-Redakteure unterziehen eingegangene Artikel keiner besonderen Auswahl, und Magic-Spieler tendieren dazu, sehr überzeugt von ihren eigenen Ideen zu sein. Das Resultat sind furchtbar viele Artikel, die den Server-Platz, den sie einnehmen, nicht wert sind.

Einen schlechten Artikel kann man an mehreren Merkmalen erkennen, von denen ich im Folgenden einige aufzählen will. Wenn ein Artikel, in dem ein Deck beschrieben wird, eines dieser Merkmale aufweist, ist es aller Wahrscheinlichkeit nach Zeitverschwendung, sich weiter mit ihm zu befassen! Als bloße Ideenlieferanten mögen sie ja noch taugen („Hmmm. Traumatize & Haunting Echoes. Interessante Idee…“), aber mehr als einen flüchtigen Blick sind sie dann nicht wert.

Und die zehn wichtigsten Merkmale, an denen man überflüssige Deck-Beschreibungen erkennt, sind (Trommelwirbel, schmieriges Harald-Schmidt-Grinsen):
#1 – Der Schreiber gibt keine Deckliste an!

Der offensichtlichste Fall, der nur sehr selten vorkommt (aber er kommr vor)! Klarer Fall, ohne Deckliste fehlen einem alle nötigen Informationen.

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#2 – Der Schreiber gibt eine Deckliste an, aber ohne Länder!

Das kommt tatsächlich gar nicht so selten vor. Ob es sich nun um ein mehrfarbiges Deck handelt, bei dem der Schreiber die genaue Verteilung des farbigen Mana „noch nicht“ festgelegt hat, oder um ein einfarbiges Deck, bei dem man annehmen soll, dass die Deckliste einfach mit Standardländern aufgefüllt werden soll – Weiterlesen ist Zeitverschwendung!

Das Ermitteln der korrekten Mana-Verteilung in einem mehrfarbigen Deck ist sowohl eine schwierige, als auch eine wichtige Aufgabe bei der Entwicklung, und ein Spieler, der sich diese Mühe nicht gemacht hat, hat mit Sicherheit auch den Rest des Decks nicht eingehend genug getestet. (Wie könnte er auch?)

Bei einfarbigen Decks hingegen stellt sich immer die Frage: Warum keine Sonderländer? Nur bei sehr wenigen Designs ist es sinnvoll, ganz auf Sonderländer zu verzichten, und eine Begründung dazu sollte dann vom Autor auch mitgeliefert werden! Wenn er allerdings die Länder nicht einmal aufführt, hat er sich gar nicht erst Gedanken dazu gemacht.

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#3 – Die Deckliste hat mehr als 60 Karten!

Das gilt offensichtlich nicht für Battle of Wits-Decks (obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass es überhaupt gute Battle of Wits-Decks geben kann) oder Decks im 5-Color-Format.

Ansonsten jedoch geht es nicht nur darum, dass 60-Karten-Decks einfach besser sind als 61+-Karten-Decks – sie sind es, und wenn auch diese Diskussion wahrscheinlich mit jeder Generation von Magic-Anfängern wieder aufs Neue geführt werden muss, ist das hier nicht der richtige Ort dafür – sondern auch darum, dass der Designer des Decks, wenn er nicht in der Lage war, die überzählige(n) Karte(n) aus der Deckliste zu entfernen, eben nicht so viel Zeit in das Testen und Tunen gesteckt hat, wie für ein ordentliches Design nötig gewesen wäre.

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#4 – Der Artikel ist durchgängig in miserablem Deutsch oder von einem Muttersprachler in miserablem Englisch geschrieben!

Jetzt haltet Ihr mich vielleicht für einen Snob, aber ich rede hier nicht vom ungeübten, aber bemühten Deutsch/Englisch eines sprachlich eher weniger begabten Spielers, oder von einem Text mit gelegentlichen Tippfehlern, sondern von dahingeschluderten, von Grammatik-, Rechtschreib- und Tippfehlern nur so wimmelnden Sätzen, die offensichtlich nicht ein einziges Mal Korrektur gelesen wurden.

Könnt Ihr Euch vorstellen, dass der Artikel eines Spielers, der Zeit und Mühe investiert hat, um ein gutes Deck zu entwickeln, und sich dann voller Stolz dazu entschieden hat, es im Internet zu veröffentlichen, so aussehen würde? Ich nicht.

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#5 – Der Autor verzichtet ohne besondere Begründung auf bekannt starke Karten!

Zum Beispiel beschreibt er ein rot-grünes Kreaturendeck ohne Flametongue Kavu, oder ein blau-weißes Kontrolldeck ohne Fact or Fiction.

Das soll nicht heißen, dass es für ein bestimmtes Deck in einem bestimmten Metagame nicht die richtige Entscheidung sein könnte, auf diese Karten zu verzichten – aber dann gehört auch eine Begründung dazu! Wenn diese fehlt, kann das eigentlich nur bedeuten, dass der Autor sich dieser Entscheidung nicht einmal bewusst war, und dann kann man getrost davon ausgehen, dass das Deck nicht gut ist.

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#6 – Der Autor verwendet ohne besondere Begründung allgemein als schwach bekannte Karten!

Natürlich ist es gerade ein Merkmal innovativer Designs, ungewöhnliche Karten zu verwenden, doch wieder gilt: Nicht ohne Begründung! Wenn Aether Rift oder Chlorophant unkommentiert in Decklisten auftauchen, kann man sicher sein, dass das Deck nichts taugt. (Und wenn jemand Grizzly Bears statt Wild Mongrel spielt, muss er sich schon eine verdammt gute Begründung einfallen lassen...)

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#7 – Der Autor zeigt offensichtliche Regelunkenntnis bei seinen Kommentaren!

(Zum Beispiel erwähnt er, dass eine Mystic Snake nicht gespielt werden könne, wenn der Stapel leer ist.) Nicht nur, dass es schwer vorstellbar ist, dass ein Spieler, der fundamentale Regelschnitzer macht, ein brauchbares Deck entwerfen könne: Da dieser Kommentar sicherlich irgendwie mit seinem Deck zusammenhängt, muss man damit rechnen, dass er erstens nur mit Spielern getestet hat, die genauso wenig Ahnung von den Regeln haben wie er, und zweitens beim Testen irreguläre Situationen entstanden sind.

Beides entwertet natürlich sein Playtesting...

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#8 – Der Schreiber hat sein Deck hauptsächlich gegen unbekannte Decktypen getestet!

Okay, sein Deck gewinnt also gegen die Cephaliden-Kontrolle von Mike, gegen den rot-weißen Drachen-Reanimator von John und das (von ihm) gefürchtete Turbo-Gerrard von Jacqueline. Na und? Selbst wenn alle diese Decks wirklich gut wären (und es spricht alles dagegen), und selbst wenn er die Decklisten dieser Decks mit angibt, damit man sieht, wogegen er gespielt hat – wen interessiert's?

Die Frage ist doch: Wie schneidet das Deck gegen die erfolgreichen Decks der jüngsten großen Turniere ab, also gegen die Decks, die auf Turnieren wirklich gespielt werden? Wenn dazu nicht genug Informationen vorhanden sind...

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#9 – Der Autor gibt fantastische Prozentwerte für die Siegchancen seines Decks gegen bekannte Decktypen an!

Wie viele Artikel hatte ich dieses Jahr gesehen, in denen jemand behauptete, sein Deck gewönne 80% gegen Rebellen, 100% gegen blau-weiße Kontrolle und 120% (mindestens!) gegen Fires?

Hervorragende Siegchancen gegen ALLE wichtigen Decks sind immer ein Grund, misstrauisch zu werden, aber wenn die Gewinnwahrscheinlichkeit gegen ein als erstklassig bekanntes Deck 80% oder mehr betragen soll, kann man davon ausgehen, dass da etwas nicht stimmt. Selbst wenn ein Deck die absolute Nemesis eines anderen Decks darstellt, ist der Zufallsfaktor bei Magic einfach zu hoch, um dermaßen extreme Gewinnchancen gegen ein gutes Deck zu gestatten. Meistens beruhen die unwahrscheinlichen Zahlen auf einer oder mehrerer der folgenden Ursachen:

a) Sie sind erstunken und erlogen.

b) Sie beruhen auf Schätzungen, wobei das favorisierte Deck womöglich unterbewusst besser beurteilt wurde.

c) Mana-Screw-Spiele und/oder Mana-Flood-Spiele wurden nicht gezählt, sondern nur „richtige“ Spiele.

d) Es wurde gegen eine suboptimale „verbesserte“ Variante des bekannten Decks getestet.

e) Es wurde gegen schlechte Spieler getestet – oder gegen einen selbst, wobei das getestete Deck aufgrund häufigerer Verwendung besser gespielt wurde.

Egal, woran es nun genau lag: Traumhafte Gewinnraten eines Decks weisen auf mangelhaftes Testen oder unzutreffendes Beurteilen des Decks hin.

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#10 – Der Deck-Designer erklärt konstant schlechte Turnierergebnisse seines Decks mit Pech!

Manchmal kommt es vor, dass ein Autor von Turnieren berichtet, die er mit dem von ihm beschriebenen Deck gespielt hat – und dass er bei diesen Turnieren mittelmäßig oder gar schlecht abgeschnitten hat. Ohne den Zufallsfaktor bei Magic wegleugnen zu wollen: Konstant schlechte Ergebnisse, insbesondere bei Turnieren unterer Güteklasse (wie z..B. Ladenturnieren) sind ein Zeichen, dass das Deck und/oder sein Spieler nichts taugen.

Dabei halte ich es für recht unwahrscheinlich, dass ein Deck sehr viel besser sein soll, als der Spieler, der es entworfen hat (das sogenannte Nate-Heiss-Syndrom ). Viel wahrscheinlicher ist, dass dem Spieler einfach die Einsicht fehlt, dass seine Kreation halt doch nicht so wahnsinnig toll ist, wie er denkt. Also:

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So, das soll es erst einmal gewesen sein! Beim nochmaligen Durchlesen fällt mir auf, wie selbstverständlich jedes einzelne dieser Merkmale erscheint – und doch kann man mit ihrer Hilfe einen Großteil der im Netz veröffentlichten Deck-Beschreibungen bereits aussortieren. Vielleicht findet sich ja bei dem Rest ein verborgenes Juwel...

Viel Spaß beim Suchen, und frohe Weihnachten allerseits!

Andreas




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