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Das Wort zum Montag: Pischner ist anderer Meinung
von Andreas "Zeromant" Pischner
12.05.2008

Die Technik mit Titel und Untertitel ließ es ja bereits vermuten: „Das Wort zum Montag" ist eine neue Kolumne, für die ich in unregelmäßigen Abständen Beiträge verfasse, in denen ich „Community Topics", oder auch tatsächlich Magic-bezogene Themen (SCHLUCK!) diskutiere. Ja, eine Person kann alleine diskutieren – Sprache steckt doch voller Überraschungen!

Für heute habe ich ein paar Dinge zusammengestellt, bei denen meine Meinung ein wenig (oder auch ein wenig mehr) von der allgemein gängigen abweicht und begründe, wie und warum sie das tut.
Erstes Thema: Casual-Spieler vs. Turnier-Spieler


Ach nein, besser nicht – das hatten wir ja gerade erst! Aber Ihr habt bestimmt einen Schreck bekommen, nicht wahr?
Zweites Thema: Der Glücksfaktor bei Magic

Man liest im Netz immer wieder von Spielen, die durch Screw oder Flood oder Lucky Topdecking des Gegners entschieden wurden. Zahllose Magic-Spieler, die eine Partie verloren haben, schieben ihre Niederlage auf den bösen Zufall. Weil darunter natürlich viele uneinsichtige Spieler sind, die tatsächlich verloren haben, weil sie es verdient haben, und weil es generell einfach sinnvoller ist, sich auf diejenigen Bereiche zu fokussieren, die man beeinflussen kann (indem man sich gründlicher vorbereitet, mehr nachdenkt und sich besser konzentriert), als über diejenigen zu lamentieren, die man nicht beeinflussen kann (Aberglaube beiseite), findet man häufig Artikel im Netz, in denen Spieler die Bedeutsamkeit des Faktors „Glück" bei Magic relativieren, Dinge aufzeigen, die man für vom Zufall bestimmt hält, die man aber tatsächlich beeinflussen könnte und die Botschaft verbreiten, dass sich Können auf Dauer eben doch durchsetze.

Vieles von dem, was darin geschrieben wird, ist durchaus richtig und nützlich, und die Botschaft „weniger jammern, besser spielen!" gewiss auch nicht gerade verkehrt, aber meiner Ansicht nach besteht hier zuletzt eine deutliche Tendenz zur Übertreibung – oder, anders herum, zur UNTERTREIBUNG des Zufallsfaktor bei Magic.

Der ist nämlich tatsächlich sehr, sehr groß und war es schon immer! Zwar widerspreche ich der oft geäußerten Ansicht, dass er auf Grund der in den letzten Jahren gedruckten Karten größer sei als früher, aber er fällt zuletzt deswegen stärker ins Gewicht, weil das allgemeine Niveau der Spieler sich angeglichen hat, dank dem Internet und Magic Online, die unerfahreneren Spielern einen Kickstart verleihen können, aber auch dank eines gewissen Rückgangs des Niveaus an der Spitze, wo die großen Pro-Teams, die sich intensivst in Formate einarbeiteten, ausgestorben sind, weil die Spieler erkannt haben, dass sie mit entsprechendem Aufwand beim Pokern oder gar IN EINEM RICHTIGEN JOB mehr Geld verdienen können.

In der Zeit vor der Vernetzung der Magic-Szene im Internet (ursprünglich einmal der „Dojo-Effekt" genannt) konnte man auf Constructed-Turniere von PTQ-, ja selbst PT-Niveau fahren und dort einen großen Anteil Teilnehmer vorfinden, die mit den besten Decks des Formates einfach nicht vertraut und die deswegen leichte Beute für gut vorbereitete Spieler waren. Und in der Zeit vor Magic Online konnte man nach intensivem Training auf Limited-Turniere fahren und dort mit dem Wissensvorsprung, den man sich auf diese Weise über das Format angeeignet hatte, den Großteil seiner Gegner ausmanövrieren.

Das war einmal: Jedes Yu-Gi-Oh!-Kiddie, welches mit seinem auf dem Schulhof geklauten Deck zu einem Turnier fährt, kann sich vorher in wenigen Minuten ohne großes Suchen über die gängigen Archetypen informieren und, wenn seine Aufmerksamkeitsspanne dafür ausreicht, sogar in wenigen Stunden die wichtigsten Hinweise darauf, wie man in den Matchups dagegen spielt und sideboardet, aufstöbern. Bei Limited-Formaten hingegen kann man sich nur noch für die Zeit, die ein neues Set noch nicht auf MOL veröffentlicht ist, mit Hilfe von Real-Life-Drafts, sowie der Benutzung von Programmen wie Magic Workstation einen Vorwprung verschaffen – sobald die Karten auf Magic Online draftbar sind, holt der Rest der Magic-Welt diese zusätzliche Spielpraxis innerhalb von ein paar Tagen ein.

Nein, der Glücksfaktor ist in der Tarmogoyf-Zeit nicht größer als in der Necropotence-Zeit; aber er tritt deutlicher hervor. Während jedoch so ziemlich jede Sorte Magic-Spieler sich über schlechte Draws beschwert (und die schlechten hier nur dazu neigen, ein wenig uneinsichtiger zu sein, wenn man ihnen ihre Fehler vorhält), sind es tendenziell eher die etwas besseren Spieler, die sich darüber beklagen, dass Magic in der modernen Zeit immer mehr zu Kartenlegen verkomme (oder eben zu Yu-Gi-Oh!, was die ultimative Herabwürdigung darstellt).

Ich glaube, dass dieser zweite Effekt etwas mit einer zu großen Erwartungshaltung zu tun hat: Da glaubt man nun endlich verstanden zu haben, das man seines eigenen Glückes Schmied ist, und dass man beim Deckbau, im Playtesting und im Durchspiel Gelegenheiten hat, seine Chancen zu maximieren, und dann stellt sich der Erfolg, für den man doch so hart gekämpft hat, IMMER NOCH NICHT ein, man scheitert Mal um Mal in PTQs in der letzten Runde oder in den Top 8, und man hat immer wieder diese frustrierenden Niederlagenserien beim Draften.

Das wird sich jedoch nicht ändern! Magic ist und bleibt zum großen Teil ein Glücksspiel, auch wenn diese Komponente zuletzt gerne kleingeredet wurde, und es gibt weder ein Anrecht auf Erfolg, wenn man alles richtig macht, noch eines darauf, dass nicht ab und zu einmal einfach alles schiefgeht. Selbst zu seiner besten Zeit, als Kai Budde als praktisch unschlagbar galt, gab es Pro Touren, bei denen er nicht den zweiten Tag erreichte. Und ein namhafter Pro (namhaft ja, aber den Namen habe ich leider vergessen) hat in einem Top-8-Interview einmal erwähnt, dass er seit Jahren daran gescheitert ist, beim lokalen FNM den ersten Platz zu belegen.

Setzen sich gute Spieler denn wenigstens auf Dauer durch? Nun, das ist zumindest das theoretische Modell, aber in der Praxis haben gute Spieler nicht mehr als eine gute CHANCE, sich auf Dauer durchzusetzen. Das liegt daran, dass die „Dauer" dieses Experimentes eben bei weitem nicht lange genug gehen kann, um die feinen Leistungsunterschiede zwischen guten und sehr guten Spielern sicher herauszustellen. Ein bisschen liegt es aber auch daran, dass Erfolg bei Magic größtenteils nicht über die Gesamtverteilung von Siegen und Niederlagen wahrgenommen wird, sondern eben über die Spitzen der Verteilung, die es einem ermöglichen, ein Turnier zu gewinnen. So ist es zwar sehr unwahrscheinlich, dass ein wirklich schlechter Spieler über einen längeren Zeitraum konstant Erfolge erzielt, aber eben alles andere als auszuschließen, dass ein sehr guter Spieler über Jahre hinaus nie einen wirklichen Durchbruch erzielt.

Was mich jedoch am meisten bei vielen jener Artikel stört, ist die unterschwellige, teilweise auch offenkundige Botschaft, dass Spieler, die in einer Partie Fehler gemacht haben, kein Recht mehr hätten, die Niederlage auf ihr Pech zu schieben! Das ist einfach ganz, ganz großer Blödsinn, wenn er auch wohl aus guter Absicht heraus geschrieben wird.

Fakt ist: ALLE Spieler machen Fehler. In so ziemlich jeder Partie sogar – es gibt so viel, was man falsch machen kann! Das gilt wohl bereits, wenn man sich auf Spielfehler im eigentlichen Sinn beschränkt, aber spätestens, wenn man noch berücksichtigt, wie man mit Spieltempo, Blicken oder Körpersprache etc... dem Gegner Informationen liefert oder von diesem erhalten könnte, sollte es offenbar werden. Niemand, absolut niemand kann perfekt spielen.

In jedem Duell machen also beide Spieler Fehler. Der „moralische" Sieger dieses Duells wäre also derjenige, der weniger bzw. weniger schlimme Fehler gemacht hat. Natürlich ist es ein guter Ansatz, wenn man aus jedem Fehler, den man bemerkt (oder auf den man aufmerksam gemacht wird) eine Lektion zieht, aber das ändert nichts daran, dass man es nicht VERDIENT hat zu verlieren, wenn man selbst einen kleinen, aber folgeschweren Fehler gemacht hat, während der Gegner ungestraft den größten Mist zusammengespielt hat. Ob man sich darüber dann endlos lange ärgert oder diese Ungerechtigkeit mit einem Achselzucken abtut, ist eine Frage von Charakterstärke und Tagesform, aber man hat das Recht, sich darüber zu ärgern!

Es mag unhöflich oder gar unsportlich sein, seinem Gegenüber verärgert zu verklickern, dass er einen nur besiegen konnte, weil er unverschämtes Glück gehabt hatte und keineswegs, weil er besser gespielt hätte – aber nur, weil man selbst auch irgendetwas falsch gemacht hat, bedeutet das nicht, das man verdient verloren hätte!

Ich weiß, dass diese Feststellung nicht politisch korrekt ist, und ich weiß auch, dass sie Wasser auf den Mühlen derjenigen ist, die ihre Magic-Skills beharrlich unterschätzen, aber zuletzt ist diese „Wer verliert, ist prinzipiell selbst schuld"-Rhetorik, die gerne gerade von denjenigen verfasst wird, die zur Zeit insgesamt eher erfolgreich sind (was sie nicht daran hindert, mit einigen subtilen eigenen Fehlern als Beispiel zu kokettieren), ein wenig zu viel geworden.

Ich will es einmal so formulieren: Wer sich konstant und ehrlich bemüht hat, bei Magic sein Bestes zu geben und sich auch von anderen Tipps einholt, der hat dann auch das Recht, sich (in angemessener Form) über sein Pech zu ärgern – selbst dann, wenn er nicht fehlerfrei gespielt hat.
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Drittes Thema: Der Mulligan

Ein anderes Thema, zu dem man alle Monate wieder einen Beitrag im Internet findet, ließe sich mit „Die meisten Spieler nehmen zu wenige Mulligans" paraphrasieren. Zwar finden sich in diesen Artikeln teilweise hochinteressante Erwägungen, aus welchen Gründen eine auf den ersten Blick akzeptable Hand tatsächlich nichts taugt, aber ich habe noch nicht ein einziges Mal eine ausführliche Betrachtung dazu gefunden, in welchen Fällen einem eine neue Hand mit einer Karte weniger tatsächlich höhere Gewinnchancen einräumt.

Die allerschlechtesten Texte dieser Art (und in diesem Zusammenhang muss ich einfach erwähnen, dass ein Ted Knutson früher einmal auf magicthegathering.com die „Magic Academy" schreiben durfte) führen eine schier endlose Liste von Fällen auf, in denen eine Hand nicht wirklich gut ist und deswegen gemulligant werden müsse. Zu wenig Länder, zu viele Länder, die falschen Manafarben, kein Early Game, kein Midgame, zu wenig Power, zu wenige selbständige Karten, eine plumpe Manakurve, nicht die richtigen Antworten auf das gegnerische Deck... Nähme man das ganze ernst, käme man unweigerlich zu dem Schluss, dass man beinahe jede Hand mulliganen müsste!

Ich denke, jedem sollte unmittelbar einleuchten, dass abgesehen von Extremfällen (z..B. wenn man eine Schlüsselkarte für ein Kombodeck oder eine tödliche Sideboardkarte besonders aggressiv herbeizumulliganen bereit ist) jede Mulliganquote, die nicht deutlich niedriger als 50% liegt, einfach nicht korrekt sein KANN – denn wie soll diese Hand mit einer Karte weniger besser werden?

Ich will aber noch weitergehen und folgende Behauptung aufstellen: Wer sich bei sieben Handkarten an die Faustregel „bei zwei bis fünf Ländern behalten" richtet, macht bei den allermeisten Decks zu 80-90% alles richtig! Die restlichen Prozentpunkte ergeben sich dann hauptsächlich aus Fällen von extremem Color-Screw oder dem Fehlen von End- UND Midgame. Zwar gibt es durchaus Decks, die unbedingt spätestens bis Runde zwei etwas auf den Tisch legen müssen, aber da diese dementsprechend konstruiert sind, kommt es auch entsprechend seltener vor, dass sie das bei einer ansonsten akzeptablen Hand nicht können. Natürlich behält man in der Regel auch keine Hand mit vier Ländern und drei Equipments, aber wenn man sein Deck (egal, ob Limited oder Constructed) nicht völlig fehlkonstruiert hat, passieren solche Draws auch kaum, und wenn, dann sind sie auch deutlich genug zu erkennen, dass niemand mit einem Minimum an Spielverständnis sie nicht wieder einmischen würde.

In jenen Mulligan-Artikeln werden aber oft auch weniger eindeutige Fälle angesprochen. So zum Beispiel im Limited die Hand mit einer 2-Mana-Kreatur, zwei Equipments und vier Ländern, oder mit vier Forests und nur einer grünen, aber drei roten Karten. Hier wird einem dann vor Augen geführt, wie groß doch das Potenzial für nutzlose Handkarten ist, wenn einem in Fall eins die einzige Kreatur vom Gegner getötet wird oder man in Fall zwei weiterhin rote Karten, aber keine Mountains nachzieht. Jedes Mal wieder, wenn ich solche Ausführungen lese, komme ich mir veräppelt vor: Ich WEISS das alles – aber was ich nicht weiß ist, warum meine Chance, mit nur sechs zufällig bestimmten Karten eine bessere Hand zu bekommen größer sein soll, als meine Chance, weitere Kreaturen bzw. Mountains (oder erst einmal übergangsweise grüne Sprüche) nachzuziehen!

Probiert es doch einmal aus: Zieht eine Zeit lang konsequent immer wieder 6-Karten-Hände. (Im RL ist das Mischen anstrengend, benutzt ein MOL-Deck oder Magic Workstation etc...) Dann bekommt Ihr ein Gefühl dafür, wie scheiße diese Dinger häufig doch sind! Grenzwertige Hände wie die vorgenannten erhält man mit einer Karte weniger logischerweise nämlich noch viel häufiger.

Es heißt ja immer, man solle beim Nehmen eines Mulligans nicht nachsehen, was die nächsten Draw Steps ergeben hätten. Dieser Ratschlag ist hauptsächlich dadurch motiviert, dass man auf theoretischem Weg erlangte Erkenntnisse nicht durch zufällige Einzelereignisse in Frage stellen sollte. Nein, man behält die Ein-Land-Hand NICHT, nur weil man beim verbotenen Nachsehen zuletzt zwei, drei Mal Glück gehabt hätte! Stochastik gilt für jedermann.

Wenn es aber um mathematisch nicht mit vernünftigem Aufwand in den Griff zu bekommende Fragestellungen geht, dann hilft es durchaus, nachzusehen! Am besten tut man das wieder am Computer, in dem man aus einem Deck eine bestimmte Anfangshand herausnimmt und dann drei Karten zieht. Wie oft wird die Hand mit diesen Karten brauchbar? Diesen (leider subjektiven) Erfahrungswert vergleicht man dann mit den 6-Kartenhänden.

Alles in allem würde ich jedem Spieler, der prinzipiell verstanden hat, wann eine Anfangshand gut und wann schlecht ist, folgenden Ratschlag mitgeben: Sobald Euch eine Hand nicht wirklich als besonders schlimm ins Auge springt, BEHALTET SIE. Vielleicht zieht Ihr nicht das nach, was Ihr braucht, aber ebenso zieht Ihr vielleicht eine 6-Kartenhand, die noch schlechter ist. Und im Zweifelsfall wird ein Gegner, wenn Ihr keinen Mulligan genommen habt eher davon ausgehen, dass Eure Hand gar nicht einmal so schlecht sein kann, und vielleicht durch zu vorsichtiges Spielen das Zeitfenster, bis Euer Deck sich rehabilitiert hat, nicht konsequent genug ausnutzen, während er nach einem Mulligan natürlich Blut leckt und Euch umzubringen versucht, bevor Ihr Euch erholt.

Ach ja, und noch ein letzter Gedanke: WENN Ihr es mit einer untermittelprächtigen Eröffnungshand doch irgendwie schafft, die Anfangsphase zu überstehen (und Euer Gegner hat schließlich auch nicht immer nur gute Draws), und wenn dementsprechend die vorübergehend nutzlosen Karten in Eurer Hand endlich aktiv werden, DANN habt Ihr davon ohne Mulligan schlicht eine mehr. Und das ist gut.

-Ganz simpel formuliert:
Sieben Karten sind nun einmal besser als sechs Karten, und um diesen Unterschied wett zu machen, muss bei der Anfangshand schon einiges im Argen liegen!
Viertes Thema: Play or Draw?

So, und nachdem ich das gerade so schön simpel formuliert habe, verkompliziere ich es jetzt wieder ein wenig, indem ich feststelle, dass ich die immer wiederkehrende Diskussion in jedem Limited-Format darum, ob es besser sei anzufangen oder den Gegner anfangen zu lassen, nicht nachvollziehen kann: Die Antwort lautet PLAY, in so ziemlich allen Formaten! (Bei Backdraft oder Mind Magic ist es in der Regel anders, aber hier meine ich eigentlich Limited Environments.)

Wieso sollte man lieber den Gegner anfangen lassen? Wenn man obskure Sonderfälle außer Acht lässt (wie zum Beispiel in 60-Plains-Mirror-Matchup, wo man so seinen Gegner den Decktod erleiden lässt), gibt es eigentlich nur einen Grund, nämlich die „halbe" Karte mehr. Ich nenne sie die „halbe" Karte, weil man sie ja nur in seinem eigenen Zug zur Verfügung hat – im Zug des Gegners zieht dieser ja nach.

Nun habe ich doch gerade festgestellt, dass eine Karte mehr eine Karte mehr eine Karte mehr ist! Wieso also wische ich diesen Kartenvorteil schulterzuckend einfach beiseite?

Weil eine Karte mehr eben NICHT eine Karte mehr ist, sondern weil es Karten gibt, die man spielen kann, und solche, die man nicht spielen kann, und außerdem solche, die man sinnvoll spielen kann, und solche die man nicht sinnvoll spielen kann!

Zusätzliche Karten, die drei oder mehr Mana kosten, nützen mir eben nichts, so lange ich nur zwei Länder im Spiel habe. Da ist das dritte Land, das ich legen kann, jede beliebige Anzahl dieser teuren Sprüche wert! Und dann gibt es noch Fälle, in denen ich Karten nur nutzen kann, wenn ich das Tempo besitze. Wenn mein Gegner und ich beide jeweils mit Norwood Ranger, Grizzly Bears & Trained Armodon eröffnen – wem von uns beiden nützt dann der Giant Growth in der Hand etwas und gestattet ihm, mit den kleineren Kreaturen anzugreifen? Nur dem, der angefangen hat.

Zusätzliche Karten sind nicht deswegen so wertvoll, weil sich das extra Stück Pappe in der Hand so gut anfühlt, sondern weil sie uns zusätzliche Spieloptionen bieten. Genau diese nehmen wir uns aber, wenn wir nicht beginnen! Als Erster eine Karte mehr zu ziehen, ist da erst spät im Spiel ein größerer Vorteil, als als Erster ein Land mehr zur Verfügung zu haben und derjenige zu sein, der sein Mana in der Position des Angreifers zur Verfügung hat. Nur in Formaten, in denen Tempo praktisch nicht existent ist, sehe ich es daher als Vorteil an, den Gegner beginnen zu lassen.

Ich will noch einmal auf das Thema Mulligan zurückkommen: Das vielleicht beste Argument für den extra Draw ist die Tatsache, dass Mulligans on the play noch mehr wehtun. Das ergibt sich einfach daraus, dass der Unterschied zwischen sechs und sieben Karten stärker ins Gewicht fällt, als derjenige zwischen sieben und acht.

So richtig das ist, es ändert meine Meinung aber nicht! Einmal habe ich ja bereits gesagt, dass ich Mulligans nur aus wichtigen Gründen nehme. Deswegen tritt dieses Problem schon einmal seltener auf. Zum anderen verringert ein Mulligan meine Gewinnchancen eh bereits sehr spürbar. Es mag zwar besonders wehtun, mit einer (halben) Karte weniger völlig wehrlos einzugehen, aber abgesehen von der emotionalen Wahrnehmung des Geschehens ist das auch nicht schlimmer, als eine länger dauernde Partie zu verlieren, in der ich zwar mitspielen konnte, aber letztlich eben doch nicht hinterherkam. Deswegen ist die Zahl der Fälle, in denen der zusätzliche Mulligannachteil ins Gewicht fällt, noch einmal kleiner.

Schließlich kann ich genau jenes Argument, dass eine Karte weniger um so mehr ausmacht, je weniger Karten man zur Verfügung hat, auch umgekehrt anführen: Wenn es einem nämlich doch gelingt, trotz Mulligan die ersten Züge ohne allzu großen Schaden zu überstehen, dann relativiert sich dieser Kartennachteil entsprechend auch! Um aber die ersten Züge zu überstehen, darf ich nicht zu weit ins Hintertreffen geraten, während mein Gegner natürlich versucht, meine anfängliche Schwäche möglichst brutal auszunutzen. Der Temponachteil, den ich als Nachziehender habe, ist da beinahe so eine große Hypothek wie der Kartennachteil als Beginnender! Wenn ich also nur diejenigen Spiele betrachte, die ich trotz Mulligans gewinnen KANN, relativiert sich der Nachteil der halben Karte weniger noch ein weiteres Mal.



So, Ihr Würstchen, das war mein Senf diese Woche! Vielleicht mögt Ihr ja noch ein wenig sachbezogen darüber im Forum diskutieren? Ich fürchte, Ihr müsst dann aber dafür wohl den selben Thread benutzen, in dem ich auch gedisst und gelobt werde!




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