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Eine wissenschaftliche Abhandlung über europäische Grand Prix
von Jan "eunck" Ruess
29.04.2008

Habt ihr schon mal einen Grand Prix gespielt? Oder habt ihr es in nächster Zeit vor? Vielleicht den bevorstehenden in Brüssel? Ja? Dann seid ihr hier genau richtig!

Denn darum soll es heute gehen. Allerdings habe ich diesmal etwas völlig anderes als einen Turnierbericht oder einen Strategieratgeber für euch. Dieser Artikel ist vielmehr eine statistische Auswertung der letzten 35 europäischen Grand Prix. (Nur die Individual-GPs wurden berücksichtigt – Team-GPs bleiben diesmal außen vor.) Mit den Results und Standings nach jeder Runde stehen uns eine Menge Daten zu Verfügung, aus denen man auch Schlüsse auf spezielle Aspekte von bevorstehenden Grand Prix ziehen kann. Und diese Daten habe ich genutzt!

Zwischen den Runden eines Grand Prix ist meistens eines der Hauptgesprächs- und -diskussionsthemen, wie viele Runden man noch gewinnen muss, um es in den zweiten Tag zu schaffen, und wie gut dabei der eigene Tiebreaker sein muss. Das führt zu der Überlegung, in welcher Runde man sich frühestens eine Niederlage leisten kann, damit der Opponent Score nicht zu sehr leidet, was natürlich auch von der Anzahl der Byes, die man hatte, abhängt. Und wenn man es schließlich in den zweiten Tag geschafft hat, möchte man wissen, wie viele Runden man noch gewinnen muss, um Top64 / Top32 / Top16 oder sogar Top8 zu machen. Die Antworten auf diese und weitere Fragen liefert euch dieser Artikel in Form von zwölf Tabellen und achtzehn Diagrammen.

Hier ist eine Auflistung der Grand Prix, die in meine Auswertung mit eingegangen sind (es sind alle europäischen Individual-GPs seit der 2003/04-Saison):

Tabelle 1: Liste der ausgewerteten Grand Prix

Welcher Record schafft TopX?

Zunächst interessiert mich nun, welcher Record (also welches Verhältnis aus Siegen zu Niederlagen) jeweils nötig war um Day 2 zu schaffen, welcher nötig war um Top64 zu schaffen, Top32, Top16 und Top8. Folgendes findet man in den Standings:

Tabelle 2: Records für TopX


Zur Erklärung der Tabelle:

Die durch Striche getrennten Zahlen geben Anzahl der Siege, Niederlagen und Unentschieden an. 7-2 bedeutet also sieben Siege und zwei Niederlagen, 6-2-1 bedeutet sechs Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden. Wenn in der Top128-Spalte ein Strich ist, bedeutet das, dass dieser Wert irrelevant ist, da bei dem jeweiligen Grand Prix nur 64 Spieler in den zweiten Tag kamen. Ein Record ohne nachfolgende Klammer bedeutet, dass genau alle Spieler mit diesem Record die jeweilige Platzierung erreicht haben und keiner mit einem schlechteren Record. Der Normalfall ist jedoch dass es keinen „clean cut“ gibt und einige Spieler mit einem bestimmten Record eine Platzierung schaffen, andere aber nicht. Dafür sind die Zahlen in den Klammern. Sie geben an, wie viele von wie vielen mit dem angegeben Record die jeweilige Platzierung geschafft haben. Zum Beispiel haben in Wien 79 von 83 Spielern mit einem 7-2-Record Top128 und damit Day 2 geschafft.

Man sieht also sofort dass der Record alleine noch nicht aussagekräftig genug ist. Wenn man genauere Aussagen darüber treffen möchte, wer eine bestimmte Platzierung schafft und wer nicht, muss man auch den ersten Tiebreaker, den Opponent Score, mit einbeziehen.
Der Eunckfaktor

In dem eben verwendeten Beispiel aus Wien reichen 21 Punkte (also ein 7-2) alleine noch nicht aus, um Top128 zu schaffen. Genau genommen braucht man etwas mehr, aber 22 braucht man nicht, denn es haben ja auch Spieler mit 21 Punkten (+ gutem Opponent Score) geschafft. Man braucht also einen Wert zwischen 21 und 22 und dabei werden die Nachkommastellen durch den Tiebreaker bestimmt. Und zwar nicht durch einen absoluten Wert des Tiebreakers sondern nur einen relativen Wert im Vergleich zu dem der Konkurrenten – schließlich reicht es, wenn man vor ihnen ist, egal mit genau welchem absolutem Opponent Score. Dafür führe ich den Eunckfaktor (EF) ein und berechne ihn wie folgt:

Wenn ich x. von y Spielern mit einem bestimmten gleichen Record bin, ist mein EF:

EF = ( y – x ) / y

Der letzte der 83 Spieler mit 7-2, die in Wien Day 2 geschafft haben, ist der 79. von ihnen. Sein EF beträgt demnach (83-79)/83 = 0,05 (auf 2 Stellen nach dem Komma gerundet – ich denke das reicht). Demnach waren für Top128 in diesem Fall 21,05 Punkte nötig.

Der letztplatzierte Spieler eines bestimmten Records hat also immer einen EF von genau 0. Der EF des erstplatzierten hingegen ist recht nahe an 1. Er erreicht diesen Wert nie ganz, kommt aber immer näher heran, je mehr Spieler es mit dem gleichen Record gibt.

Ausgestattet mit dem EF können wir uns nun genauer angucken, welche Punktzahl (mit Nachkommastellen) man erreichen muss, um TopX zu schaffen. Und zwar in Abhängigkeit von der Spieleranzahl, denn sie ist hierfür offensichtlich der wichtigste Faktor. Dafür müssen wir die aufgelisteten Grand Prix in drei Gruppen unterteilen: solche, bei denen am ersten Tag nur acht Runden gespielt wurden (hier kamen auch immer nur 64 Spieler in den zweiten Tag); und solche, bei denen am ersten Tag neun Runden gespielt wurden, wobei hier noch zu unterscheiden ist zwischen Grand Prix bei denen 64 und bei denen 128 Spieler in den zweiten Tag kamen. Für jede dieser Kategorien habe ich für jede relevante Platzierung ein Diagramm erstellt, in dem die für die jeweilige Platzierung nötige Punktezahl gegen die Spielerzahl aufgetragen ist. Das erste Diagramm bezieht sich jeweils auf die Standings nach der letzten Runde des ersten Tages, die anderen Diagramme beziehen sich auf die Final Standings am Ende der Swiss Runden des Grand Prix, wobei am zweiten Tag in allen Fällen genau sechs Runden gespielt wurden. Die roten Vierecke sind dabei die Werte aus Limited-GPs, die blauen Dreiecke aus Constructed-GPs.
8 Runden, 64 Spieler in Day 2

Diagramm 1: Erforderliche Punke für Top64 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 8


Diagramm 2: Erforderliche Punke für Top32 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 14


Diagramm 3: Erforderliche Punke für Top16 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 14


Diagramm 4: Erforderliche Punke für Top8 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 14


Ich habe bewusst darauf verzichtet, Trendlinien einzufügen, denn ich glaube dass das menschliche Auge die im Diagramm enthaltenen Informationen so besser aufnehmen kann und besonders auch Ausreißer besser einordnet. Trends sind jedoch wie erwartet offensichtlich erkennbar. Abweichungen gibt es natürlich. Sie entstehen dadurch, dass unterschiedlich viele Spieler mit Byes zum Grand Prix kommen, dass Leute unterschiedliche Entscheidungen treffen, wann sie droppen, dass Paarungen zwischen Spielern mit unterschiedlichen Punktzahlen verschieden oft in die eine oder andere Richtung ausgehen usw. Am kleinsten sind die Abweichungen von einer Geraden bei den Top64. Das ist nicht verwunderlich, denn hier ist einfach die Anzahl der Einzelwerte, die dann den Endwert bestimmen, am größten, so dass Schwankungen am besten ausgeglichen werden können.

Natürlich kann ich euch keine Gewähr geben, aber mir scheinen die Diagramme doch recht geeignet, um daran abzulesen, welche Punktzahl bei einer gegebenen Spielerzahl nötig ist, um die interessanten Platzierungen zu erreichen.
9 Runden, 64 Spieler in Day 2

Diagramm 5: Erforderliche Punke für Top64 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 9


Diagramm 6: Erforderliche Punke für Top32 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Diagramm 7: Erforderliche Punke für Top16 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Diagramm 8: Erforderliche Punke für Top8 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Dass neun Runden gespielt werden, obwohl weniger als 800 Spieler im Turnier sind (und damit nur 64 Spieler in den zweiten Tag kommen) ist ein recht seltener Fall, der bei den ausgewerteten Grand Prix nur dreimal vorkam. Berechnet wird die Rundenanzahl nicht nur mit der Spieleranzahl, sondern auch mit der Gesamtzahl an Byes der Spieler. In diesen drei Fällen war letztere anscheinend besonders hoch. Die anderen beiden Punkte (München und Lyon) stammen noch aus der Zeit, als es die Regelung, dass ab 801 Spielern 128 in Day 2 kommen, noch nicht gab und bilden somit fast schon eine eigene Kategorie. Da es nur fünf Punkte in diesen Diagrammen gibt, sind die genauen Werte entsprechend schwieriger abzulesen, aber umso seltener braucht man sie auch.
9 Runden, 128 Spieler in Day 2

Diagramm 9: Erforderliche Punke für Top128 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 9


Diagramm 10: Erforderliche Punke für Top64 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Diagramm 11: Erforderliche Punke für Top32 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Diagramm 12: Erforderliche Punke für Top16 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Diagramm 13: Erforderliche Punke für Top8 in Abhängigkeit der Spielerzahl nach Runde 15


Ich hatte übrigens damit gerechnet, dass man einen systematischen Unterschied zwischen den Werten bei Constructed- und bei Limited-GPs feststellen würde können, da ich dachte dass in Limited mehr Leute mehr Byes haben. Diesen Unterschied kann ich in den Diagrammen allerdings nicht finden. Er ist entweder zu klein, oder nicht vorhanden.
Und was bringt mir das nun?

Bleibt noch die Frage wie man diese Diagramme am besten nutzt. Was muss man also machen, wenn man z..B. nach sieben Runden 5-2 steht und wissen möchte, ob man mit zwei Siegen in den letzten beiden Runden noch den zweiten Tag schafft oder nicht? Dann muss man schließlich nicht nur seine Punktzahl nach Runde 9 wissen, sondern auch den Opponent Score bzw. den EF vorhersagen können.

Ein guter Ausgangspunkt dafür ist der aktuelle Wert, wie man ihn aus den aktuellen Standings ablesen kann. Die allgemeine Meinung ist dann, dass der Opponent Score durch einen Sieg abnimmt, denn schließlich hat dadurch zwangsläufig gerade einer meiner Gegner verloren. Umgekehrt wird angenommen, dass der Opponent Score durch eine Niederlage besser wird. Ich hab mir das mal anhand meiner eigenen Performance auf dem Grand Prix Stuttgart angeschaut. Ich hatte drei Byes, habe dann meine ersten beiden Runden gewonnen und dann wie folgt gespielt:

Tabelle 3: Performance auf dem Grand Prix Stuttgart


Diagramm 14: Verlauf des Opponent Scores


Nach drei Byes ist der Opponent Score anfangs sehr hoch und muss sich erst mal bei einem vernünftigen Wert einpendeln. Das ist hier ungefähr ab Runde 8 der Fall. Danach sollte laut dem obigen Postulat jedes orange Viereck, das für einen Sieg in der jeweiligen Runde steht, niedriger liegen als der vorangegangene Wert (das kann natürlich nur gelten, wenn man vorher schon mal verloren hat, aber das ist hier ja der Fall) und jeder grüne Kreis, der für eine Niederlage in der jeweiligen Runde steht, höher liegen als der vorangegangene Wert.

Man sieht dass das aber nicht zutrifft. Der Opponent Score schwankt ein bisschen nach oben und nach unten, aber es ist kein Zusammenhang zu Siegen und Niederlagen zu erkennen. Eine einzelne Niederlage eines einzelnen Gegners macht bei einem Turnier mit so vielen Runden einfach zu wenig Unterschied. Für ein kleines Turnier mit drei oder vier Runden, mag das obige Postulat als Faustregel gelten (wie man hier auch an den Werten der ersten Runden, die ich gespielt habe, sieht), bei einem Grand Prix ist es aber vernachlässigbar.

Das bessere Argument warum durch einen Sieg der Tiebreaker schlechter werden soll, betrifft nicht den absoluten Wert des Opponent Score, sondern mal wieder den relativen, ausgedrückt durch den EF. Denn wenn man in den Standings nach oben rutscht muss man sich auch mit anderen Spielern vergleichen als zuvor, nämlich teilweise mit Spielern, die eben erst verloren haben, also später als man selbst, und dadurch einen besseren Opponent Score haben sollten. Deswegen hab ich hier noch mal die entsprechenden EF-Werte zu obigem Beispiel:

Tabelle 4: Performance auf dem Grand Prix Stuttgart mit Verlauf des EF


Diagramm 15: Verlauf des Eunckfaktors


Die erwartete Tendenz ist jedoch nur in den früheren Werten erkennbar, danach gar nicht mehr. Dabei muss man übrigens beachten, dass für jedes Bye, das man weniger als drei hat, das Einpendeln im Vergleich zu diesem Beispiel eine Runde nach vorne verschoben ist.

Es stimmt, dass die Anzahl der Werte etwas klein ist, um daraus einen definitiven Schluss zu ziehen. Aber ich habe zur Sicherheit auch noch die entsprechenden Werte von meinen Performances auf anderen Grand Prix überflogen und konnte auch da nicht feststellen, dass ein Sieg zu einem Absinken des EF führt.

Und was schließen wir daraus?

Man kann nach der siebten Runde einfach den aktuellen Opponent Score bzw. EF nehmen und davon ausgehen, dass er sich in den letzten beiden Runden nicht systematisch verändert, also nur den statistischen Schwankungen unterliegt, die man nicht vorhersagen kann.

Diese Methode hat jedoch zwei Nachteile: Zum einen weiß man nicht immer den aktuellen Opponent Score/EF, weil nicht immer aktuelle Standings ausgehängt werden und zum anderen ist der Opponent Score/EF im früheren Teil des Turniers noch zu unsicher, als dass man einfach annehmen könnte er bliebe gleich.

Und wenn ich schon so auf die Nachteile dieser Methode hinweise, könnt ihr euch ja schon denken, dass ich eine bessere habe...
Vorhersage des EF

Dafür habe ich mir mal den Grand Prix Turin als Beispiel rausgesucht und zwar speziell mit der Fragestellung, was für einen Einfluss die Anzahl der Byes und die Nummer der Runden, in denen man verloren hat, auf die Platzierung aller Spieler, die 7-2 gegangen sind, gemacht hat. Wie ihr aus Tabelle 2. ablesen könnt, gab es davon 44, von denen 36 in die Top64 und damit den zweiten Tag gekommen sind.

In Tabelle 5 sind alle 44 Spieler aufgelistet, jeweils mit Platzierung nach Runde 9, Anzahl ihrer Byes, Opponent Score, EF und ihrer jeweiligen Performance in jeder der neun Runden. Eine „0“ steht dabei für einen Sieg, eine „1“ für eine Niederlage, wo kein Eintrag ist hatte der Spieler ein Bye. Das Auslesen all dieser Daten per Hand ist übrigens wie ihr euch vorstellen könnt recht aufwendig, weswegen mir mein Mitbewohner gleich mal ein Programm geschrieben hat, das das für mich erledigt. Damit sind mit akzeptablem Aufwand auch noch Auswertungen weiterer Grand Prix möglich.

Tabelle 5: Genaue Performance aller Spieler mit 7-2 auf dem Grand Prix Turin


Nun habe ich nach einer Formel gesucht, die aus den in dieser Tabelle enthaltenen Werten für jeden Spieler eine Punktezahl berechnet, die EF-Punkte, die sich dann in einen EF umrechnen lässt. Nach dem Prinzip Trial and Error habe ich nacheinander ein paar sinnvoll erscheinende Formeln ausprobiert und mich dann für diejenige entschieden, die bei der Auftragung der so entstandenen EF-Punktezahlen gegenüber dem dazugehörigen EF-Wert die geringste Streuung zeigt. Rausgekommen ist das:

EF-Punkte = 2 * L1 + L2 + 5 * B

L1 ist die Nummer der Runde der ersten Niederlage, L2 die Nummer der Runde der zweiten Niederlage und B ist die Anzahl der Byes.

Die Auftragung gegen EF sieht so aus:

Diagramm 16: Beziehung zwischen Eunckfaktor-Punkten und Eunckfaktor für einen 7-2-Record


Wenn man also z..B. zwei Byes hatte, dann in der dritten Runde gleich verloren hat und dann wieder in der siebten, während man alle anderen Runden gewonnen hat, berechnen sich die EF-Punkte wie folgt:

EF-Punkte = 2 * 3 + 7 + 5 * 2 = 23

Im Diagramm kann man dann ablesen, dass das voraussichtlich einen EF von knappen 0,8 bedeutet. Wegen den statistischen Schwankungen wird man damit wahrscheinlich nicht genau treffen, aber man kann mit recht großer Sicherheit z..B. sagen, dass er zwischen 0,65 und 0,95 liegen wird. Nun nehme man diesen Wert und die Spielerzahl des fraglichen Grand Prix und kann dann im entsprechenden Diagramm (In diesem Fall ist das Diagramm 5..) nachschauen, ob man Day 2 schafft oder nicht.

Für einen Grand Prix mit nur acht Runden ist dieses Diagramm allerdings nicht anwendbar und auch für einen anderen Record als 7-2 muss man eine eigene Formel entwickeln. Allerdings ist 7-2 vor allem bei den großen Grand Prix oft der Record, mit dem einige Spieler in den zweiten Tag kommen, während andere draußen bleiben. Und wenn es nicht 7-2 ist, ist es meistens 6-2-1. Für letzteren Record habe ich mir den Grand Prix Dortmund genauer angesehen. Hier gab es nach neun Runden 52 Spieler mit einem 6-2-1-Record, von denen es 39 in die Top128 und damit Day 2 geschafft haben (die „0,5“ steht hier für das Unentschieden):

Tabelle 6: Genaue Performance aller Spieler mit 6-2-1 auf dem Grand Prix Dortmund


Um diese Tabelle zu erstellen habe ich die Standings der beiden Turnierhälften zu gemeinsamen Standings zusammengefasst. Dadurch werden statistische Schwankungen ein wenig besser ausgeglichen. Solche Schwankungen werden z..B. auch daran sichtbar, dass der hier auf Platz 128 aufgelistete Spieler tatsächlich gar nicht in Day 2 war, da er in seiner Hälfte nur 65. war, dafür aber der auf Platz 130 gelistete Spieler, der in der anderen Hälfte 64. war.

Die Suche nach der Formel für die EF-Punkte hat sich hier etwas schwieriger gestaltet, wahrscheinlich weil die Situation etwas komplexer ist. Angekommen bin ich letztendlich bei dieser Formel:

EF-Punkte = 2 * L1 + L2 + 0,5 * D + 2 * B

D ist hier die Nummer der Runde des Unentschiedens, die anderen Variablen sind die gleichen wie in der obigen Formel.

Die Auftragung gegen EF sieht so aus:

Diagramm 17: Beziehung zwischen Eunckfaktor-Punkten und Eunckfaktor für einen 6-2-1-Record


Die Varianz ist hier leider etwas höher als in Diagramm 16., aber ich denke auch hiermit kann man etwas anfangen.

Nun können wir das Gedankenspiel noch ein Stückchen weiterführen und uns mal überlegen, wie es konkret bei dem bevorstehenden Grand Prix in Brüssel voraussichtlich aussehen wird. Dafür brauchen wir zunächst einen Wert für die zu erwartende Spielerzahl.
Spielerzahlen

Um eine Prognose zu treffen, ist es hilfreich, sich die Spielerzahlen der ausgewerteten Grand Prix mal aufgeschlüsselt nach ihrem Format und nach dem Land, in dem sie statt gefunden haben, anzugucken und ein paar Mittelwerte zu berechnen. Zunächst jedoch mal eine Übersicht über alle 35 Grand Prix in zeitlicher Reihenfolge:

Diagramm 18: Zeitlicher Verlauf der Spielerzahlen


Eine Tendenz kann ich hier nicht entdecken. Format und Ort müssten also reichen, um eine Spielerzahl vorauszusagen, wir müssen nicht auch noch einen Zeitfaktor einbauen.

Nun zu den Formaten. Hier die Mittelwerte und die Anzahl der Einzelwerte, aus denen diese berechnet wurden:

Tabelle 7: Mittelwerte der Spielerzahlen je nach Format


Limited-GPs sind insgesamt also besser besucht als Constructed-GPs, genau genommen 1,04 mal gut. So groß ist der Unterschied also nicht. Unter den Constructed-GPs liegt der eine Legacy-GP an der Spitze. Natürlich ist ein Einzelwert noch nicht so aussagekräftig und man muss auch beachten dass der Ort (Lille) recht günstig war. Danach kommt Extended, gefolgt von Block und das Schlusslicht bildet Standard.

  • Das Spielerzahlenverhältnis Standard: Block: Extended: Legacy ist 1: 1,02: 1,11: 1,20.
  • Das Spielerzahlenverhältnis Limited: Extended: Standard beträgt 1: 1,01: 0,91.
  • (Letzteres werden wir gleich noch verwenden.)

    Für die Aufschlüsselung nach Ländern bzw. Regionen habe ich jeweils einige Länder zu sinnvollen Gruppen zusammengefasst und eine Hitliste der durchschnittlichen Spielerzahlen erstellt:

    Tabelle 8: Mittelwerte der Spielerzahlen je nach Land/Region


    Während wir also dieses Jahr in Madrid und in Paris mit riesigen Grand Prix rechnen können, wird es in Birmingham und in Kopenhagen wahrscheinlich einfacher werden. Und wie sieht es mit Brüssel aus?
    Prognose für Brüssel

    Dass der Ort einen größeren Einfluss auf die Spielerzahl hat als das Format, kann man aus den beiden obigen Tabellen sehen. Deswegen gehe ich zunächst von einem Wert von 939 aus, nicht von 855. Dieser Wert wird aus drei Grand Prix ermittelt, die in den Formaten Standard, Extended und Limited stattgefunden haben. Um nun einen besseren Vergleich zu einem Limited-GP (wie dem bevorstehenden in Brüssel) zu haben, teile ich den Wert des Extended-GP noch durch 1,01 (den oben berechneten Faktor) und den des Standard-GP entsprechend durch 0,91 und bilde aus den so erhaltenen Werten einen neuen Mittelwert. Daraus erhalte ich folgende Prognose:

    Der Grand Prix Brüssel wird 960 Teilnehmer haben.

    Bin mal gespannt, wie nah ich damit an der Wahrheit liege. Ein paar Umstände bleiben dabei natürlich unberücksichtigt. Vor allem dass der Grand Prix wie ein großes Prerelease-Turnier für Shadowmoor ist, könnte noch mal ein paar Leute extra mobilisieren.
    Und nun wird's konkret

    960 Teilnehmer bedeuten neun Runden und Cut auf Top128 (dass das aufgeteilt in zwei Hälften, aus denen jeweils 64 Spieler weiterkommen, passiert, macht für unsere Berechnung keinen Unterschied). Aus Diagramm 9. können wir ablesen, dass wir für Top128 19,2 Punkte machen müssen, also ein 6-2-1, wobei dieser Record eben wieder nicht für alle reichen wird, sondern nur für die oberen 80%. Um unter diesen 80% zu sein müssen wir einen EF von 0,2 erreichen, was laut Diagramm 17. 13 EF-Punkten entspricht.

    Für viele, die nach der achten Runde 6-2 stehen, wird sich die Frage stellen, ob sie sich reindrawen können oder nicht. Da es vor der letzten Runde immer Standings gibt und sich der Opponent Score in der letzten Runde auch nicht mehr groß ändern sollte, ist es sicher die beste Möglichkeit, das mit den tatsächlichen konkreten Zahlen mal eben durchzurechnen. Für alle, die es aber schon früher wissen wollen, lässt sich folgende Tabelle erstellen, die angibt in welcher Runde man sich die zweite Niederlage frühestens leisten darf, wenn man in Runde L1 (vertikale Zahlen von 1 bis 7) die erste Niederlage kassiert hat und B (waagerechte Zahlen von 0 bis 3) Byes hatte:

    Tabelle 9: In welcher Runde darf ich zum zweiten Mal verlieren,
    um mich in der letzten Runde reindrawen zu können (960 Spieler)?


    Wenn man also zwei oder drei Byes hatte, ist es egal in welchen Runden man verliert, 6-2-1 reicht immer. Wenn man ein Bye hatte darf man sich seine beiden Niederlagen nur nicht in den Runden 2 und 3 leisten, das heißt sobald man Runde 2 gewonnen hat, ist schon alles gut und man kann sich in der letzten Runde reindrawen. Wenn man gar keine Byes hatte und in der ersten Runde verloren hat, muss man ohne zweite Niederlage bis Runde 7 durchhalten, wenn man in der zweiten Runde verloren hat reicht es schon, bis Runde 5 durchzuhalten, und wenn man die ersten beiden Runden siegreich beendet hat, ist es bereits egal, wann die beiden Niederlagen kommen.

    Etwas anders ist die Fragestellung, wenn man irgendwann in den früheren Runden – sagen wir als Beispiel mal in Runde 4 – ein Unentschieden hatte und nun wissen möchte, wann man sich die beiden Niederlagen leisten darf, um mit 6-2-1 in den zweiten Tag zu kommen. Für diesen Fall sieht die Lage dann so aus:

    Tabelle 10: In welcher Runde darf ich zum zweiten Mal verlieren,
    wenn ich in Runde 4 ein Unentschieden hatte (960 Spieler)?


    Wie man es liest habt ihr inzwischen hoffentlich verstanden.

    Als letztes können wir uns noch überlegen, wie sich das ganze ändert, wenn doch wesentlich mehr Spieler auftauchen als erwartet. Rechnen wir einfach mal mit 1100. Wir gucken wieder in Diagramm 9. nach und lesen ab, dass wir nun 19,5 Punkte brauchen, also einen EF von 0,5, wofür laut Diagramm 17. 22 EF-Punkte nötig sind. Jetzt wollen wir wieder wissen, in welchen beiden Runden wir uns Niederlagen leisten können, damit wir uns in der letzten Runde reindrawen können:

    Tabelle 11: In welcher Runde darf ich zum zweiten Mal verlieren,
    um mich in der letzten Runde reindrawen zu können (1100 Spieler)?


    Man sieht, wie viel schwieriger die Situation mit den zusätzlichen Spielern geworden ist. Spieler mit drei Byes haben zwar immer noch gar kein Problem, schon zwei Byes reichen aber nicht mehr aus, um in beliebigen zwei Runden verlieren zu dürfen. Hatte man nur ein Bye, muss man die Runden 2 und 3 schon unbedingt gewinnen, um sich in der letzten Runde reindrawen zu können. Und wenn man ganz ohne Byes angetreten ist darf man nur entweder in den Runden 5 und 8, in den Runden 6 und 7 oder in den Runden 6 und 8 verlieren, um sich in Runde 9 einen Draw leisten zu können. In allen anderen Fällen (dass das die Felder mit den traurigen Smilies sind habt ihr bestimmt verstanden) muss die letzte Runde ausgespielt werden, ein Draw reicht dann nicht.

    Der Fall, dass man in Runde 4 ein Unentschieden gemacht hat, sieht nun so aus:

    Tabelle 12: In welcher Runde darf ich zum zweiten Mal verlieren,
    wenn ich in Runde 4 ein Unentschieden hatte (1100 Spieler)?


    Alle Angaben natürlich ohne Gewähr, denn es gibt immer noch die statistischen Schwankungen und meine Formeln für die Vorhersage des EF sind wahrscheinlich auch noch nicht optimal.

    So, jetzt seid ihr bestimmt schlauer!.

    Und wer noch nicht schlau genug ist, kann natürlich auch noch entsprechende Tabellen für andere Spielerzahlen und die daraus resultierenden EF-Werte erstellen und am besten auch gleich noch für den Fall dass doch ein 7-2-Record nötig ist.

    Viel Spaß dabei, aber ich mach für heute Schluss! Im zweiten Teil gibt's dann die Berechnung dafür, ob es sich für euch überhaupt lohnt nach Brüssel zu fahren, je nach B (der Anzahl eurer Byes), S (eures persönlichen Skill-Faktors) und WM (eures persönlichen Money-Waste-Faktors) unter Einbeziehung aller in diesem Artikel vorgestellten Daten und zusätzlich den zu erwartenden Kosten für Anreise, Unterkunft, Alkohol und den Blumen, die ihr eurer Frau/Freundin hinterher zur Wiedergutmachung mitbringen müsst, weil ihr schon wieder ein Wochenende damit verbracht habt, Pappkarten zu drehen...




















    Das habt ihr jetzt doch hoffentlich nicht ernst genommen, oder? Dass Reisen zu Grand Prix finanziell einen negativen Erwartungswert haben, wussten wir schließlich schon alle. Und bei all dieser Statistik darf man nicht vergessen, dass wir zum Grand Prix deswegen fahren, weil es eben Spaß macht. Die vielen Diagramme und Tabellen sind auch schön und gut und bestimmt auch hilfreich (druckt sie euch aus und habt sie auf dem Grand Prix dabei – ich werde es jedenfalls tun), mindestens aber interessant. Trotzdem ist der beste Ratschlag, den ich euch geben kann, immer noch:

    „Hinsetzen und spielen! Und zwar jede Runde so gut ihr könnt!“

    Wir sehen uns in Brüssel....

    Ruess et al., Universität Hamburg, Fachbereich Magic




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