miraclegames.de
Community
Das Wort zum Montag: Reizwörter, Teil 2
von Andreas "Zeromant" Pischner
21.04.2008

Warum es problematisch (obgleich notwendig) war, diesen Artikel aufzuteilen, habe ich letzte Woche schon angesprochen, und die Diskussionen zum ersten Teil belegen das ja auch. Immerhin hat es aber auch den kleinen Vorteil, dass ich auf diese ein wenig eingehen kann:

Meine Bemerkungen zur Asymmetrie des Konfiktes wurden (teilweise böswillig) missverstanden. Diese Asymmetrie ergibt sich nicht daraus, dass Casual- oder Turnierspieler unterschiedliche Menschentypen wären. (Im Gegenteil sind sie, wie ich bereits angesprochen habe und heute weiter vertiefen werde, nicht einmal klar umrissene Gruppen!) Sie ergibt sich aus dem Unterschied zwischen Casual- und Turniersituation.

Wenn jemand den Spaß in einer Casualrunde ruiniert, dann kann man ihn im Spektrum von freundlich Bitten über subtil Hinausekeln bis hin zum schlicht Hinausschmeißen einfach loswerden. Der gechasste Spieler wiederum kann sich frei eine neue Casual-Gruppe suchen oder auch eine nach seinen Vorstellungen formen (siehe Gott).

In Turnieren hingegen können sich Störer festsetzen und tun es auch! Wenn der Umstand, dass sie offensichtlich keinen Spaß haben, nicht genügt, sie abzuschrecken (und das ist leider häufig der Fall, nicht zuletzt auch, weil die Auswahl an Turnieren, bei denen sie es probieren könnten, eben eng begrenzt ist, aber vielleicht auch, weil eben diejenigen Nicht-Turnierspieler wohl besonders häufig in Turnieren auftauchen, die niemanden finden, der privat mit ihnen spielt – eine keineswegs absurde Theorie, wenn ich mir die Charaktere derjenigen Fälle, die mir bekannt sind, einmal ansehe!), dann wird man sie nicht los, so lange sie nicht dermaßen über die Stränge schlagen, dass sie wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert werden (eine Extremleistung, die nur die wenigsten erreichen) oder vom Turnierveranstalter gebeten werden, fernzubleiben (was Ladenbesitzer aus offensichtlichen Gründen nicht gerne tun).

Schlimmer noch, wenn sie sich festsetzen, beginnen sie teilweise diejenigen Spieler, die mit der ursprünglichen Intention, ein wettbewerbsorientiertes Turnier zu spielen, hergekommen sind, zu vergraulen. (Denn auch Turnierspieler spielen zum Spaß!) Dadurch können sie rasch in die Rolle der „gefühlten Mehrheit“ schlüpfen (da sie dazu neigen, verbal besonders auffällig zu sein), und in Extremfällen kann es dann sogar zu solchen Situationen kommen, wie sie ein Kommentator im Forum beschrieben hat, dass ein Turnierveranstalter ihn bat, nicht sein stärkstes Deck zu spielen, weil die anderen Spieler keine Lust mehr hätten, dagegen zu verlieren!

Turnierspieler haben keine Ausweichmöglichkeit. Sie können ihrem Hobby nur in sanktionierten Turnieren frönen. Gleichzeitig können sie dieses Umfeld aber kaum gegen deplatzierte „Casual-Spieler" verteidigen, weil es nun einmal in der Natur eines Turniers liegt, dass man sich seine Gegenspieler nicht aussuchen kann und darf! Deswegen ist die Invasion von nervtötenden, sich selbst mit Casual-Spielern identifizierenden Personen bei Turnieren allgegenwärtig, während entsprechende Übernahmeversuche in Casual-Runden in der Regel rasch abgewehrt sind.

Nachdem das nun hoffentlich geklärt ist, will ich da anknüpfen, wo ich letze Woche aufgehört habe. Folgende immer wieder zu lesende Bezeichnungen will ich noch analysieren:

Budget-Spieler.
Timmy, Johnny & Spike.
Anfänger, Noob (Newb etc...)
Pro, Pseudopro, Möchtegernpro
Rules Lawyer, Betrüger, Cheater
Besserwisser, Schlechter Verlierer.
Idiot, Arschloch, Freak

Dabei ist „Budget-Spieler" von meiner Seite ein wenig geschummelt, denn dieses Wort liest man eigentlich selten. Nichtsdestotrotz ist es oft impliziert, wenn man von Spielern redet, die Budget-Decks spielen.

In einer Turnierumgebung ist ein Budget-Spieler eigentlich ein Unding. Wenn jeder Teilnehmer doch antritt, um sein Bestes zu geben, wie kann dann jemand mit solch unzureichenden Voraussetzungen mitspielen? Diese Frage wird oft von Spielern aufgeworfen, die Turniere „ernst" nehmen und z..B. als einen sportlichen Wettbewerb ansehen. (Magic gilt ja auch als mentaler Sport.) Wer einen VW-Käfer zu einem Formel-Eins-Rennen mitbringt, hat offensichtlich irgendetwas nicht so recht verstanden. Naheliegend ist es daher, sich von diesen Spielern abzugrenzen, und das tun Turnierspieler auch gelegentlich. Nur – den Begriff „Budget-Spieler" benutzen sie dabei selten, wie wir ja gesehen haben. Stattdessen bezeichnen sie jene unzureichend ausgerüsteten Spieler oft als... „Casual-Spieler". Wie kommt es dazu?

Einerseits ist der Begriff „Budget" sehr stark mit der bekannten Kolumne „Building on a Budget." auf
magicthegathering.com verbunden, die sich unzweifelhaft an Casual-Spieler richtet.

Zum anderen ist da einfach der Umstand, dass normalerweise Spieler, die suboptimale Karten in ihren Decks haben, Casual-Spieler sind. Daraus resultiert auch ein Verständnis zweier unterschiedlicher Ansätze: Wer (im Constructed) mit dem spielt, was er hat und dann das Beste daraus macht, der ist ein Casual-Spieler (denn so bauen 99% aller Casual-Spieler ihre Decks). Ein Turnierspieler hingegen ermittelt (durch eine Metagameanalyse und Playtesting), mit welchen Karten er spielen sollte, und besorgt sich dann diese.

Gerade diese übliche Herangehensweise umgeht aber der Budget-Spieler, der an Turnieren teilnimmt! Am häufigsten kommt dies natürlich bei Vintage vor, wo viele eigentlich benötigte Karten nahezu unerschwinglich sind, aber auch an allen anderen Formaten – vor allem dem FNM-relevanten Standard – nehmen Budget-Spieler gelegentlich teil. Diese Spieler besitzen zwar teilweise ein Selbstverständnis als Casual-Spieler (im Standard erheblich häufiger als in Vintage), aber viele nehmen ihre Turniere – unter der Maßgabe, einen eingeschränkten Kartenpool zu nutzen – absolut ernst und reagieren auf diese Unterstellung allergisch.

Andererseits ist es aber auch üblich, dass auf Vorschläge, wie ein Deck zu verbessern sei, wenn diese das Budget-Verständnis des Erbauers sprengen, mit dem Kommentar „Ich brauche keine superteuren Karten, ich spiele nur zum Spaß!" reagiert wird. Das trägt wiederum dazu bei, dass der Begriff „Budget" häufig mit dem des „Fun-Spielers" in Verbindung gebracht wird, insbesondere, da ein Gegensatz zwischen „zum Spaß Spielen" und „viel Geld ausgeben" für viele intuitiv Sinn ergibt. Spieler wiederum, die beträchtliche Geldsummen investieren, werden gelegentlich abfällig als „Pseudopros" oder ähnliches bezeichnet. (Dazu später mehr.)

Kommen wir zu den nächsten Begriffen: „Timmy", „Johnny" & „Spike". Wer sich darüber ausführlich informieren will, den verweise ich auf folgenden Link.:

Für alle anderen eine kurze Zusammenfassung: Timmy, Johnny & Spike sind eine von Wizards' R&D-Abteilung benutzte Einteilung der Spielerschaft in psychografische Profile,
die auf einen Ansatz von Mark Rosewater zurückgeht, und die helfen soll zu erklären, warum verschiedene Spieler Magic spielen und welche Aspekte es sind, die ihnen dabei Spaß machen. Die drei Bezeichnungen sind in der Magic-Community weithin bekannt und viel benutzt, wenn auch nicht immer korrekt.



„Timmy" war ursprünglich als „Power Gamer" definiert. Unterdessen ist sein Profil verallgemeinert worden, so dass es sich mit dem Leitsatz „Timmy wants to experience something" beschreiben lässt. Als gedankliche Stütze: Timmy spielt mit Karten, weil sie COOL sind. Baron Sengir ist eine typische Timmy-Karte.







„Johnny" wird oft als „Combo Player" paraphrasiert und galt ursprünglich als der Prototyp des innovativen Deckbauers. Sein Leitsatz lautet: „Johnny wants to express something." Er spielt mit Karten, weil sie interessante Optionen bieten. Eine typische Johnny-Karte ist Paradox Haze.









„Spike" schließlich gilt als der typische „Tournament Player", der spielt um zu gewinnen. Sein Leitsatz: „Spike wants to prove something." Er bevorzugt spielstarke Karten. Eine typische Spike-Karte ist Jackal Pup.

(Spikes sind übrigens auch jene „Systemoptimierer", von denen The Big Duke in den Kommentaren gesprochen hatte.)



Wie diese Fachbegriffe in die andauernden Diskussionen einfließen, ist nachvollziehbar: „Turnierspieler" werden von selbsternannten Fun-Spielern häufig mit „Spikes" gleichgesetzt. Diese spielen ja ausschließlich, um zu gewinnen (und nicht etwa zum Spaß!) – so geht das Klischee. Des Weiteren wird jeder Spieler, dem man Betrug oder mangelndes „Sportsmanship" unterstellt, automatisch als Spike identifiziert – denn wozu sollte man schummeln, wenn nicht um zu gewinnen?

Sich in einem großen Magic-Forum selbst als „Spike" zu bezeichnen, das ist ein wenig so, als wenn man vor die anonmyen Alkoholiker tritt, denn es haftet einem sofort der Makel an, kein „Fun-Spieler" zu sein, und schlimmer noch, den anderen den Spaß an ihrem Hobby verderben zu wollen, indem man Karten nur nach ihrer Tauglichkeit beurteilt. Nur zu rasch rutscht man da in die Kategorie des Möchtergernpros oder gar Besserwissers.

„Timmy" hingegen ist im Bewusstsein der meisten Leute immer noch der kleine Junge, der sich über den 7/6er Scaled Wurm freut ohne zu begreifen, dass er ihn niemals ausspielen kann. Eine Identifikation mit „Timmy" bedeutet daher für viele, ein „Noob" zu sein. Für eine weiterführende Diskussion dieses Begriffs kann man diesen Wikipedia-Eintrag. als Ausgangspunkt nehmen, aber im Wesentlichen ist ein „Noob" (oder „N00b" etc...) halt entweder ein Neuling, der noch keine Ahnung hat, oder aber jemand, der zwar länger dabei ist, es aber einfach nicht rafft, also der Spieler mit der extrem flachen Lernkurve.

„Johnny" hingegen ist ein Label ohne allzu schlimmes Stigma. „Johnny" zu sein, das bedeutet doch, kreativ zu sein – und wer ist nicht gerne kreativ? Zwar setzen sich manchmal Spieler mit dem Selbstverständnis von Spikes bewusst von Johnnies ab, wenn es darum geht, umständliche Gedankengänge zu kennzeichnen, aber letztlich ist auch von dieser Seite ein gewisser Respekt vorhanden. Selbsternannte Fun-Spieler wiederum, wenn sie nicht das Selbstbewusstsein und/oder die tiefere Einsicht besitzen, sich als Timmies zu identifizieren, versehen sich mit dem Label „Johnny" und rechtfertigen damit auch ihre kompliziertesten und nutzlosesten Ideen, so lange sie nur nicht dem Mainstream zugehörig sind (also kein Netdecking).

Wenn man ein wenig genauer hinliest, stellt man fest, dass es auch einige Casual-Spieler gibt, die ganz besonderen Wert darauf legen, keine Noobs zu sein, sondern sich im Gegenteil hervorragend mit Magic auszukennen. Nicht allzu selten behaupten sie sogar, dass sie mehr drauf hätten als Turnierspieler (meistens mit der Begründung, dass sie ja keine Netdecker seien)! Andererseits gibt es auch ein paar Casual-Spieler, die freimütig bekennen, dass sie eben noch viel zu lernen haben (oder hätten, wenn sie die Zeit dafür aufwenden wollten). Bei Letzteren findet man den größten Anteil selbsterklärter Timmies.

So kann man Anzeichen folgender Aufteilung der Szene erkennen: „Spikes", die „Turnierspieler"; „Johnnies", die „richtigen" Casual-Spieler; und „Timmies", die „Noobs". Natürlich ist diese Kategorisierung ganz großer Stuss, aber nichtsdestotrotz schimmert sie in Forumsdebatten immer wieder durch.

Falls Ihr Euch fragt, von welchen Foren ich eigentlich rede: Die besten Beispiele sind wohl die Communities von Gleemax. und MTGSalvation., aber auch in den kleineren deutschen Magic-Foren kann man immer wieder entsprechende Ansätze beobachten.

Dabei sind Threads, in denen neue Karten diskutiert werden, am ergiebigsten. Hier brechen immer und immer wieder Diskussionen aus, die nur allzu rasch in ausgewachsene Streits umschlagen. Häufig laufen diese nach folgendem Schema ab:

Timmy freut sich über eine neue, coole Karte des Sets. Dabei verliert er sein Augenmaß und schreibt irgendetwas á la „Die Karte ist ja völlig broken" oder „OMG, ein schwarzer Wrath – Aggro ist tot!" etc...

Spike kann seine Klappe nicht halten (ja, in dieser Rolle war ich früher gelegentlich!) und weist darauf hin, dass die Karte zwar cool ist, aber aus diesem oder jenem Grund nicht turniertauglich bzw. zwar stark, aber keineswegs „broken" oder das ganze Metagame auf den Kopf stellend. Dabei schießt er möglicherweise über das Ziel hinaus und bezeichnet Karten als „Crap" oder „Kiddie-Karte".

Johnny fühlt sich davon beleidigt, dass eine Karte, mit der er im Kopf bereits Decks zu bauen begonnen hat, als „Crap" hingestellt wird (und er damit implizit als Noob) und stellt sich gegen Spike, indem er auf kreative Ansätze für neue Decks hinweist (die im Vakuum schwer zu widerlegen sind), und/oder sich auf besondere nichtsanktionierte Formate (insbesondere Multiplayer) bezieht, in denen die Karte stärker zu bewerten wäre, und/oder vom Küchentisch-Casual zu fabulieren beginnt, in dem die Karte ja gut genug sei, weil man eben nur „zum Spaß" spiele und keine Killer-Netdecks baue. Dabei verliert er den sicheren argumentativen Boden unter den Füßen und macht sich mit einigen widerlegbaren Behauptungen angreifbar.

Die Diskussion eskaliert, mit den Frontlinien Johnny/Timmy gegen Spike (noch einmal darauf hingewiesen: diese Kategorisierung ist subjektiv empfunden, nicht objektiv zutreffend!) und ufert in den uralten, allgemeinen Streit aus, ob man denn nicht „einfach zum Spaß" spielen könne und Turniere zu gewinnen denn alles sei - und mündet damit in die Turnierspieler-vs.-Casual-Spieler-Debatte.

Dabei verlaufen die tatsächlichen Frontlinien hier ganz woanders: „Noobs", die sich unfreiwillig outen (so bezeichnet von den „Spikes"), werden von „Pseudopros" zurechtgestutzt (so bezeichnet von „Johnnies“ & „Timmies“).

„Pseudopro" oder „Möchtegernpro", das ist nämlich der ultimative Vorwurf an Spikes bzw. Turnierspieler: „Hey, Ihr spielt ja nicht zum Spaß wie wir – also wo sind die Erfolge, die Ihr vorweisen könnt?" Schnell wird erkannt, dass es nur ganz wenige tatsächliche „Pros" auf der Welt gibt. Es sind sogar noch weniger, als generell argumentiert wird, denn üblicherweise werden Spieler, die regelmäßig bei Pro Touren dabei sind (frühere „Gravy Trainer", heute so ungefähr Level-4-Pros) als Pros akzeptiert. Wenn man jedoch die normale Bedeutung des Wortes zu Grunde legt, dass jemand PROFESSIONELL, also zu seinem Lebensunterhalt Magic spielt, dann wird diese Menge noch einmal auf einen geringen Bruchteil verkleinert.

Es wird sogar noch weiter argumentiert: Turnierspieler haben keinen Spaß, und sie haben auch keinen wirklichen Erfolg, also sind sie offenbar verbittert und lassen ihren Frust an den Fun-Spielern aus! Dabei wird es bereits als Frust interpretiert, wenn jemand anderen die Freude an z..B. einer neuen Karte „verdirbt", indem er darauf hinweist, dass sie ineffizient ist. Der sachliche Gehalt dieser Aussage wird häufig nicht verstanden. (Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Diskussion, ob eine Kreatur schlecht ist, weil sie am Wrath of God stirbt – natürlich sterben (fast) alle Kreaturen daran, aber man hat eben nicht in alle entsprechend viele Ressourcen investiert bzw. erhält nicht bei allen eine entsprechende Belohnung für das Risiko, sie an diese allgegenwärtige Karte zu verlieren.) Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass es natürlich tatsächlich einige Möchtegern-Pros gibt, deren Magic-Verständnis zwar nicht tiefer geht als bis zum Kopieren der jüngsten Turniersiegerdecklisten und der verständnislosen Wiedergabe einiger strategischer Faustregeln, die sich aber bereits für die Größten halten.

Es gibt aber auch tatsächlichen Frust auf der „Spike"-Seite, und der kommt einfach durch die Mengenverhältnisse in Foren zu Stande. Simpel gesprochen: Die Leute, die Ahnung haben, sind einfach (wie immer im Leben) weit in der Unterzahl! Diejenigen hingegen, die weder Ahnung haben noch bereit sind, auf sachliche Argumente einzugehen, stellen wie üblich den größten Anteil. Ich weiß nicht mehr, in welchem deutschen Forum es war, aber ich erinnere mich da sehr gut an einen Thread zu Upwelling, kurz bevor Scourge erschien. Diese Karte wurde von beinahe jedermann bis zum geht-nicht-mehr gehypet, und obwohl es eigentlich nicht schwer nachzuvollziehen war, warum sie einfach nicht so gut war, konnte ich mir die Finger mit Argumenten wundtippen – keiner beachtete mich. Nun hat sich bei mir dieser Frust dahingehend geäußert, dass ich eben nicht mehr in Foren über Karten diskutiere, aber bei überzeugten Forikern, denen es eben wichtig ist, an ihrem bevorzugten virtuellen Ort über Magic zu quatschen, wiederholen sich solche frustrierenden Erfahrungen eben bei jedem neuen Set (und zwischendurch, zum Beispiel bei Deckbau-Threads) immer wieder, und da kann sich dann tatsächlicher Frust anstauen. „Arguing on the internet is like running in the paralympics – even if you win, you're still retarded", den Spruch kennt Ihr doch? Ihm liegt die Wahrheit zu Grunde, dass es einfach keinen Sinn hat zu versuchen, die nichtdenkende Mehrheit im Netz von irgendetwas zu überzeugen. Trotzdem ist es aber nun einmal ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, wenn man weiß oder glaubt, dass man Recht hat, andere auch davon überzeugen zu wollen.

Diese Facette des Turnierspieler/Casual-Spieler-Streits ist also in Wirklichkeit nur eine lokale Variante der im Netz in allen Bereichen präsenten Noob-Debatte, jedoch mit einem entscheidenden Unterschied: Hier sind die Noobs in der Regel diejenigen, bei denen die Sympathien der Mehrheit liegen! Grund dafür ist eben jene Überidentifikation entlang der imaginären Linie zwischen Turnierspielern und Fun-Spielern. Egal, was für Blödsinn ein Noob von sich gibt: Sobald er ihn mit dem Argument untermauert, dass er Magic schließlich „zum Spaß" spiele, wird seine Position in den Augen vieler Leute unangreifbar.

Dabei gibt es Noobs prinzipiell bei Turnierspielern ebenso wie bei Casual-Spielern – lernunwillige oder -unfähige Individuen, die lange Zeit auf einem niedrigen Skill-Level stehen bleiben, und denen daher die Einsicht in strategische Zusammenhänge fehlt. Sie tendieren jedoch dazu, aus der Turnierspielerschaft herauszusickern: Wer aus Spaß am Wettbewerb spielt, mit dem Primärziel zu gewinnen, der wird sich entweder zu verbessern wissen, oder den Spaß am Wettbewerb verlieren, wenn er einfach keine Fortschritte macht. Und da auch Noobs zum Spaß spielen, suchen sie sich in solchen Fällen eben neue Spielumgebungen. Das kann ein lokales FNM sein, bei dem man einfach durch Geldinvestition in gefragte Karten und Netdecking gute Ergebnisse erzielen kann (daraus rekrutieren sich dann zumeist die echten „Möchtegernpros"), oder eben eine Casualgruppe, in der man entweder á la Gott sich die Bedingungen schafft, unter denen man auch mit geringerem Skill erfolgreich sein kann, oder aber in Abkehr vom Wettbewerbsgedanken seine Niederlagen mit der Begründung „Ich spiele halt Fun-Decks" schönreden kann.
Es gibt keine Gleichsetzung „schlechte Spieler = Casual-Spieler“, wohl aber eine Tendenz!

Ich will es noch einmal deutlich sagen: Es gibt keine Gleichsetzung „schlechte Spieler = Casual-Spieler", aber es gibt sehr wohl eine Tendenz, in welcher Umgebung sich schlechte Spieler bevorzugt aufhalten, und das ist eben das Casual, in dem viele Spieler überhaupt erst mit diesem Hobby in Berührung kommen, in dem Formate gespielt werden, in denen Unterschiede im Skill-Level besonders stark überdeckt werden, und in dem der soziale Aspekt des Spielens stärker im Vordergrund steht als der Wettbewerbsgedanke. Bei Turnierspielern hingegen ist der normale Verlauf eben der, dass neue Spieler im Verlauf der Zeit entweder zu (einigermaßen) guten Spielern werden, oder zu Ex-Turnierspielern (die sich dann entweder ins Casual zurückziehen oder Magic ganz den Rücken kehren).

Ich verstehe übrigens gar nicht, warum dieser Umstand immer wieder überhaupt verteidigt werden musss! Wer würde ernsthaft behaupten wollen, dass zum Beispiel bei Bridge oder Schach regelmäßige Turnierspieler nicht im Schnitt ihr Hobby deutlich besser beherrschten als Gelegenheitsspieler? Nur bei Magic sieht man diesen sich aus den Eigenschaften der Spielumgebungen logisch ergebenden Schluss immer wieder in Frage gestellt.

Dies ist also der zweite Ort, an dem der Streit Turnierspieler vs. Casual-Spieler immer wieder aufbricht, nämlich in Magic-Foren, als der uralte Streit zwischen einer Mehrheit von Leuten, die wenig Ahnung haben, aber trotzdem lautstark ihre Meinung verkünden, und einer Minderheit, die zwar in der Regel die besseren Argumente besitzt, aber einfach gegen eine Wand redet. Er hat letztlich überhaupt nichts mit Turnierspiel oder Casual-Spiel zu tun, aber auf Grund der gefühlten überwiegenden Zugehörigkeit der Streitparteien zu diesen beiden Gruppen, sowie der besonderen Dynamik von Diskussionen in einem Spiel, welches in der allgemeinen Wahrnehmung irgendwo zwischen mentalem Sport und kreativem Zeitvertreib stecken geblieben ist, wird er als Ausdruck dieses Gegensatzes aufgefasst.

Ich will es vermeiden, diesem Artikel hier noch einen dritten Teil zu verpassen, deswegen werde ich nicht alle Begriffe ganz so ausführlich abhandeln, wie ich es ursprünglich vorhatte.

Zum Gegensatz „Pseudopros" gegen „Noobs" will ich daher nur kurz erwähnen, dass er für einen dritten Ort steht, an dem eine Turnierspieler-vs.-Casual-Spieler-Debatte entsteht, und zwar in den Casual-Räumen von Magic Online! Da ich mich dort sehr lange herumgetrieben habe, kenne ich mich mit den darin vorherrschenden Verhältnissen hervorragend aus. Ganz simpel: Der Casual-Bereich bei Magic Online ist von Noobs und vor allem schlechten Verlierern dermaßen verseucht, dass einem das Kotzen kommen kann! Spielankündigungen á la „Keine Landzerstörung, kein Discard, keine Counter, kein Tribal, keine Rare-Decks" sind allgegenwärtig. Gegner, die kommentarlos „die Verbindung verlieren", sobald man eine Karte spielt, die ihnen nicht passt (wie zum Beispiel ein Island) ebenfalls. Dass hier die Wogen hochschlagen können, sollte nicht schwer zu verstehen sein. (Bei Magic Workstation, so habe ich es mir zumindest sagen lassen, ist es sogar noch viel schlimmer!)

Schlechte Verlierer gibt es nun wirklich bei Casual-Spielern anteilmäßig nicht mehr als bei Turnierspielern, und man könnte sogar dafür argumentieren, dass es weniger seien (obwohl, ehrlich gesagt, meine Erfahrungen diese Ansicht nicht unterstützen, siehe gleich noch einmal bei „Betrüger"), und über die Falschheit der Behauptung Casual-Spieler = Noob haben wir gerade schon gesprochen. Wieder einmal aber erhält dieser Konflikt, der im Wesentlichen zwischen schlechten Verlierern auf der einen Seite und Leuten, die einfach nur Magic spielen wollen, auf der anderen Seite besteht, den Anstrich einer Diskussion um Turnierspieler und Fun-Spieler! Dabei wird einem eingehämmert, dass Decks die jeweils diejenigen Strategien oder Karten verwenden, die jemand ablehnt, „keinen Spaß" machten, und dass die entsprechenden Spieler doch gefälligst Turniere damit spielen sollten! Jemand, der egal mit welch billigem Budget ein gut funktionierendes Deck baut und deswegen Spieler mit schlechten Decks regelmäßig besiegt, wird als böser Turnierspieler, vor allem aber als Möchtegernpro diffamiert, der sich ja nicht in die Turniere traute, in die er doch eigentlich hingehöre, und deswegen den armen Casual-Spielern den Spaß am Spielen nähme. „No timewasters!" ist übrigens auch ein häufig zu lesender Aufruf. Als „timewaster" wurde ich übrigens zuletzt bezeichnet, als ich auf eine Kreatur einen Pacifism legte, da Creature Removal ja „unfun" sei... (Übrigens joine ich bei MOL prinzipiell keine Spiele, um auch ja nicht die Vorstellungen desjenigen zu enttäuschen – egal, wie absurd sie sind, ich respektiere sie. Ich eröffne immer selbst und kriege die entsprechenden Vorwürfe natürlich trotzdem zu hören!)
Ganz egal, wie groß ein Blödsinn ist: Wenn ihn nur genügend Leute von sich geben, dann wird er auch geglaubt!

Wieder also liegt das Problem eigentlich völlig woanders, aber durch die massive Identifikation des Streits mit dem Turnierspieler/Casual-Spieler-Gegensatz seitens einer Partei wird es diesem Komplex zugeschlagen. Ganz egal, wie groß ein Blödsinn ist: Wenn ihn nur genügend Leute von sich geben, dann wird er auch geglaubt!

„Rules Lawyer" hingegen ist natürlich ein Attribut, das Turnierspielern in Real-Live-Umgebungen sehr gerne gerechtgefertigt oder ungerechtfertigt verliehen wird. Im ersten Teil habe ich eigentlich schon alles Wichtige dazu gesagt. Auch „Betrüger" und „Cheater" werden normalerweise mit Turnierspielern in Verbindung gebracht, denn das sind doch die Spikes, die unbedingt gewinnen wollen – ist doch klar, dass die alles dafür tun! Nun GIBT es natürlich Betrüger bei Turnieren, viel zu viele leider... Aber dieser Vorwurf stammt doch häufig aus der „Schlechte Verlierer"-Ecke.

Wisst Ihr, ich spiele ja nicht nur Magic. Ich spiele auch nicht nur Spiele aus dem fantastischen Bereich. Ich habe z..B. auch schon Skat, Rommé, Canasta, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht und Trivial Pursuit gespielt, also diejenige Art von Spielen, die man mit Leuten aus fast jedem Bevölkerungssegment spielen kann, und zwar in Umgebungen, die so casual sind wie nur irgendwie möglich. Und wisst Ihr was: Die Leute SCHUMMELN. Vom achtjährigen Kind bis zur achtzigjährigen Oma, vom geistig behinderten Pflegefall (ja, ich war Zivi) bis zum Mathematikstudenten, vom engen Familienangehörigen bis zum völlig Fremden, es wird geschummelt. Nun wird kaum jemand „Betrüger" schreien, wenn bei Mensch-Ärgere-Dich-Nicht jemand ein zweites Mal würfelt, weil der Würfel „gebrannt" habe, oder beim Schachspiel am Wohnzimmertisch das Gegenüber plötzlich darauf besteht, den gemachten Zug doch zurücknehmen zu dürfen, oder beim abendlichen Skatspiel der Nachbar sich die verteilten Karten ansieht, wenn man beim Geben nicht aufpasst und sie zu hoch hält, aber das Prinzip ist das Gleiche.

Und so ist es auch bei Casual-Runden. In einer „freundlichen" Casual-Runde mit sechs Leuten wird an einem Abend nicht weniger geschummelt als in einem typischen FNM, davon bin ich überzeugt! Wir haben es bei „Betrüger" und „Cheater" letztlich wieder nur mit Begriffen zu tun, welche die selbsterklärten Fun-Spieler für sich vereinnahmt haben, um sich von den bösen Turnierspielern abzugrenzen. Unehrlichkeit ist aber ein allgemeines Phänomen.

Ein wichtiger Konfliktpunkt bleibt uns noch, und es ist derjenige, bei dem ich selbst am häufigsten in diese Diskussion hineingezogen werde (bzw. mir sogar vorgeworfen wird, ich hätte sie angestoßen!) Ich verbinde ihn hier einmal mit dem Begriff „Besserwisser", denn er hat etwas mit der Diskussion über die Güte von Artikeln zu tun.

Ich bin ja beleibe nicht der einzige Magic-Spieler, der Artikel über sein Hobby kommentiert und kritisiert, aber ich bin vielleicht der bekannteste im deutschen Raum, weil ich mich besonders häufig, besonders deutlich und besonders ausführlich geäußert habe. Das mache ich zwar zuletzt eher selten in dieser Form, weil ich meine Zeit bevorzugt für andere Dinge nutze, aber in etwas kürzerer Form habe ich zuletzt den einen oder anderen Casual-Artikel stark kritisiert – und prompt wurde mir vorgeworfen, ich zöge über Casual-Spieler her, auch weil Tobi zuletzt gerade ein paar Pischner-Classics-Artikel veröffentlicht hatte, bei denen dieser Vorwurf auch schon aufgekommen war.

Hier ist wieder einmal das Prinzip der Überidentifikation am Werk. Wenn ich mich zum Beispiel in „Kartenhäuser." über einen bestimmten Typ (selbsternannten) Casual-Spieler lustig gemacht habe, dann eben über DIESEN Typ, und nicht etwa über Casual-Spieler im Allgemeinen. (Eine Gruppe, von der ich ganz genau weiß, dass sie über eine bloße formale Definition hinaus – nach der ich ihr selbst angehöre! – nicht einmal wirklich existiert, wie ich im ersten Teil dieses Artikels bereits aufgezeigt habe.) Ja, ich rege mich über Noobs, schlechte Verlierer und generell Leute, die dummes Zeug schwafeln auf. Es ist aber weder meine Schuld, wenn diese sich selbst als Casual-Spieler deklarieren, noch wenn andere Menschen, die sich ebenfalls mit diesem Begriff identifizieren, der Meinung sind, ich hätte sie mitkritisiert (und damit beleidigt, weil meine Vorwürfe auf sie ja nicht zuträfen). Übrigens: Schon einmal darüber nachgedacht, woher der Spruch „Getroffene Hunde bellen" stammt?)

Noch wichtiger: Wenn ich einen schlechten Casual-Artikel kritisiere, dann deswegen, weil er SCHLECHT ist, und nicht, weil es ein Casual-Artikel ist! Ich weiß ja nicht, wie kurz das Gedächtnis der deutschen Magic-Gemeinde ist, aber ich habe schon immer auch schlechte Turnierspielerartikel knallhart kritisiert. (Fragt doch zum Beispiel einmal Tobi, Stichwort: Affinity!)

Trotzdem entsteht aber der Eindruck, ich ginge gezielt auf die ungenügend definierte Gruppe der Casual-Spieler los. Das liegt vermutlich daran, dass ich sie tendenziell öfter und härter kritisiere. Und das liegt wiederum daran... dass es einfach deutlich mehr wirklich schlechte Casual-Artikel gibt!
Es gibt für Casual-Artikel keine objektiven Maßstäbe...

Es ist mein Hauptproblem mit dieser ganzen Artikelgattung, dass sich deren Schreiber so elegant um objektive inhaltliche Kriterien herummogeln zu können glauben! Wenn ein sich an Turnierspieler richtender Artikel behauptet, Karte A sei gut, und Deck X schlage Deck Y, dann lassen sich diese Behauptungen zum großen Teil nachprüfen. Wenn ein Strategie-Artikel veraltete Tech enthält, dann ist das ein objektives Manko.

Aus diesen Gründen ist es übrigens deutlich schwerer, einen Artikel für die Zielgruppe Turnierspieler zu schreiben, als für die Zielgruppe Casual-Spieler: Man muss wirklich strategisch etwas draufhaben und nicht nur in unterhaltsamer Form herumdrutzeln. (Und es hat auch seinen Grund, dass ich in meiner langen Laufbahn als Magic-Autor nur relativ selten Strategie-Artikel verfasst habe, denn ich kenne meine Grenzen.)

Um fair zu sein, will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es dafür für die Schreiber von Casual-Artikeln dafür schwieriger ist, ihr Zielpublikum zu kennen, denn es gibt ja nun einmal keine homogene Casual-Spieler-Gruppe.

Um so frustrierender ist es dann allerdings – zumindest für mich – zu sehen, dass viele Casual-Artikelschreiber der Meinung sind, sich deswegen überhaupt keine Mühe machen zu müssen! So wie es typische Beispiele für schlechte Turnierspielerartikel gibt (so wie die 08/15-Set-Reviews, der lustlos heruntergespulte Runde-für-Runde-Turnierbericht oder der erklärungs- und daher inhaltsarme Draft-Walkthrough), gibt es diese auch beim Casual. Der absolute Klassiker ist hier: „Das sinnlose Deck" (TM) – ein Artikel, der im Wesentlichen aus ein oder mehreren Decklisten besteht, die sich durch vollständige Beliebigkeit auszeichnen. Sie sind für kein fest definiertes Format (Fun-Formate eingeschlossen) konzipiert und müssen sich deswegen nicht einer möglichen Metagameanalyse stellen. Sie sind „nur Fun-Decks" und dürfen deswegen nicht daraufhin untersucht werden, ob sie vielleicht nicht die bestgeeigneten Karten enthalten. Sie stehen außerhalb jeden möglichen Bewertungsmaßstabs und über jeder Kritik, da sie ja einfach nur „kreativ" und „unterhaltsam" sein sollen.

Als Artikelschreiber, aber vor allem als Artikelkritiker ärgern mich solche Schmalspurartikel einfach furchtbar! Ich weiß, wie viel Arbeit es macht, einen guten Artikel zu verfassen (und wie wenig Arbeit es vergleichsweise macht, einen solchen Dünnbrettartikel herunterzuschreiben). Ich weiß übrigens auch, wie hart es ist, für seine Artikel kritisiert zu werden, und ich empfinde es als höchst unfair, dass Schreiber strategischer Artikel sich regelmäßig harter, (mehr oder weniger) sachlicher Kritik stellen müssen, während Casualartikelschreiber jegliche objektive Kritik mit dem Vorzug inhaltlicher Beliebigkeit unterlaufen können.

Unterlaufen KÖNNEN, habe ich übrigens geschrieben, denn es gibt durchaus auch Casual-Artikel, die inhaltliches Profil zeigen! Deckbauartikel zu Funformaten zum Beispiel sind den gleichen Kriterien unterworfen wie Artikel über sanktionierte Formate. Ein noch besseres Besipiel aber ist die Kolumne „Serious Fun." auf magicthegathering.com, die sich mit Multiplayer-Magic_befasst: The Ferret und sein Vorgänger Anthoni Alongi geben dort handfeste, schlüssige und vor allem detailliert erklärte Tipps zum Deckbau, zur Taktik und zur Diplomatie in Mehrspielerrunden. Das ist kein substanzloses Geschwafel, sondern tatsächlicher Gehalt!

Die Kolumne „House of Cards." von Chris Millar liefert hingegen das Gegenbeispiel. Ja, das ist immer noch die selbe Kolumne, wenn auch von einem anderen Schreiber betreut, die ich in „Kartenhäuser." verspottet habe! Hier gibt es keine objektiven Kriterien. Man kann Millar's Schreibstil witzig finden oder auch nicht, und man kann seine Decks als kreativ ansehen oder auch nicht.

An dieser Übung in unterhaltsamer Beliebigkeit orientiert sich aber leider die Masse der Casualartikel. Dabei ist aber kaum jemand so unterhaltsam wie zum Beispiel der gute Willy Drutzel, dessen Markenzeichen es ist, keinen Inhalt gekonnt so zu präsentieren, dass zumindest auch keine Langweile beim Lesen aufkommt.

Und was die Decks angeht... Da kommt wieder das Identifikationsproblem zum Tragen: Diejenigen Spieler, die sich selbst als Casual-Spieler begreifen, sind so froh über jeden an sie gerichteten Artikel, dass sie an diesen schon gar keine Kritik mehr üben! Eines kann man nämlich konstatieren: Turnierspieler sind tendenziell erheblich kritischer als Casual-Spieler. (Das ist ein Nebenprodukt des Wettbewerbsdenkens.) Wenn sie etwas lesen, das ihnen nicht die erhofften Informationen bringt, dann schreiben sie einen negativen Kommentar darunter. Ein Casual-Spieler hingegen hackt dem hier anderen kein Auge aus: Wenn einem das Deck nicht zusagt, naja, dann ist das eben Geschmacksfrage und kein Grund zur Kritik. Dass die Fähigkeit, Decks vorzustellen, die möglichst vielen Leuten gefallen, das eigentliche Kriterium ist, ob solch ein Artikel gelungen oder misslungen ist, wird nicht reflektiert.

Hier haben wir den letzten Reibungspunkt gefunden. Ich beziehe ihn jetzt einmal auf mich, aber ich bin bestimmt nicht der einzige, lediglich der prominenteste Aufhänger dafür: Ich kritisiere einen schelchten Casual-Artikel (ich tue das eigentlich nur noch bei den allerschlimmsten Beispielen, nämlich bei denen, wo die Decks gegen grundlegende Deckbauprinzipien verstoßen, und man darüber hinaus auch noch nachweisen kann, dass die Idee keineswegs originell ist). Mir wird vorgeworfen, ich denunzierte Casual-Spieler allgemein, und ich werde als Möchtegernpro und Besserwisser beschimpft und in das Turnierspieler-Lager geschubst, obwohl ich meine Kritik aus der Warte eines Casual-Spielers geäßert habe, der sich bessere Casual-Artikel wünscht.
Zum Schluss noch einmal eine Zusammenfassung

Dieses sind die Hauptkonflikte, welche in der Wahrnehmung zu der großen Turnierspieler-vs.-Casual- Spieler-Diskussion verschmelzen, in stark vereinfachter Form:

1. Im Real Life.
Spieler, die mit den Rahmenbedingungen eines auf sportlichen Wettbewerb ausgerichteten Turniers nicht zurechtkommen, nehmen sich selbst und ihren Mitspielern den Spaß daran. Sie bezeichnen sich als „Fun-Spieler", um sich von denjenigen, die diesen Wettbewerb ernst nehmen, abzugrenzen.


2. In Foren
Spieler, die nicht unter Turnierbedingungen spielen, sowie solche, die das zwar tun, aber keine wirkliche Ahnung haben, geben Urteile über Karten / Decklisten / Strategien ab. Wenn sie mit Argumenten konfrontiert werden, die ihre Standpunkte widerlegen, ziehen sie sich auf die unangreifbare Verteidigungslinie „Wir spielen eben zum Spaß" zurück.


3. Beim Online-Spiel
Schlechte Verlierer bezeichnen jeden, der ihren selbsterfundenen und ständig erweiterten Einschränkungen, wogegen sie spielen wollen (die in der Hauptsache dazu dienen, ihren Sieg zu ermöglichen) nicht folgt, als Möchtegernpro, der im Casual nichts zu suchen hätte und mobben ihn.


4. In Artikeldiskussionen
Kritik an schlechten Casual-Artikeln wird von Spielern mit dem Selbstverständnis von Casual-Spielern verallgemeinernd als Abwertung des gesamten Casual-Bereiches aufgefasst.


(Wem das jetzt zu grob zusammengefasst ist, der sei daran erinnert, dass ich gerade über 10.000 Wörter darauf verwandt habe, es ausführlich und detailliert zu beschreiben!)

Ihr seht also: Es GIBT gar keinen Konflikt Turnierspieler vs. Casual-Spieler! Es gibt nur, wie so oft, eine Menge dumme Menschen, die miteinander streiten, ohne genau zu begreifen worüber, und die dem typisch menschlichen Bedürfnis folgen, sich mit anderen zu identifizieren und zu solidarisieren, um sich weniger einsam und stärker zu fühlen. Und die natürlich jede Gelegenheit nutzen, Leute, die sie nicht leiden können anzugreifen.

Womit wir bei den noch nicht angesprochenen Begriffen „Idiot", „Arschloch" und „Freak" wären, nicht wahr?

Damit wäre diese Diskussion nun also beendet!

...bis zum nächsten Mal...




Kommentiert
.in unserem Forum

[ drucken ]

Weitere Artikel/Berichte von Andreas Pischner

[11.04.2023]Aus den Archiven: R.I.P., Damage on the Stack
[09.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (5/5)
[05.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (4/5)
[02.10.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (3/5)
[28.09.2012]Limitedpreview: Return to Ravnica (2/5)


miraclegames.de
 
 
zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite zur Startseite